Genealogische Datenbank
 Bohrer

Vermandois (Grafschaft),Picardie,Frankreich



 


Notizen:
Vermandois



Lexikon des Mittelalters: Band VIII Spalte 1549



Vermandois



Grafschaft und Region in N-Frankreich, im östlichen Bereich der Picardie



I. DIE ANFÄNGE



Der seit dem 9. Jh. belegte ‚pagus Viromandensis‘ bildete ursprünglich den nördlichen Teil der Diözese Nyon, die auf die gallorömischen Civitas der ‚Viromandui‘ zurückgeht. Nach dem endgültigen Verfall des in der späten Kaiserzeit kurzzeitig wiederbelebten alten Civitas-Vorortes 'Vermand' wurde Sz-Quentin zum religiösen und militärischen Zentralort des Gebiets, doch verlegte der Bischof seinen Sitz nach Noyon (Vorort des kleinen 'pagus Noviomagnensis' im S). Die Ausdehnung des Vermandois, das als Pagus und späterer Komitat (Grafschaft) verfaßt war, dann aber zum bloßen Landschaftsnamen wurde, erfuhr im Laufe der Zeit erhebliche Schwankungen.



II. DAS HAUS VERMANDOIS



Der älteste bekannte Graf, Heribert I., der von den KAROLINGERN abstammte, begründete das erste Haus VERMANDOIS, das im 10. Jahrhundert zu einer der mächtigsten Fürstendynastie des W-Fränkischen Reiches wurde. Heribert vereinigte die Grafenwürde ('honor') und das Laienabbiat von St-Quentin in seiner Hand. Im Laufe des 10. Jh. bauten sein Sohn Heribert II. (+ 943) und sein Enkel Adalbert (+ 987 oder kurz danach) eine starke Machtposition auf und schufen eine kohärente Herrschaftsstruktur durch Einbindung der kleineren Zentren in den Verband ihres Fürstentums und Erweiterung des alten Komitatsbereichs. Dies auch auf wirtschaftliche Dynamik (Integration der wohlbesiedelten, fruchtbaren Landschaft in den Handeslverkehr) abgestützte Vorgehen korrespondierte vergleichbaren Bestrebungen der nördliche Nachbarn und Konkurrenten, der Grafen von Flandern.

Die Errichtung eines Fürstentums vollzog sich unter drei Aspekten:

1. Konstituierung eines soliden Geflechts von 'milites'

2. gezielte kirchenpolitische Maßnahmen der monastischen Reform unter Graf Adalbert (Benediktinerabteien: Homblieres, St-Prix, St-Quentin-en-l'Ile)

3. Territorialerweiterung, gerichtet auf die Beherrschung einr Reihe fester Plätze.

Die territoriale Expansion berührte im N und NO Cambrai und die Grafschaft Ostrevant (die Chansons de geste "Raoul de Cambrai" sollte später das listenreiche Vorgehen der Grafen von Vermandois feiern); im S kam sie nur bis zur Oise voran, drang dagegen im NW und SW von St-Quentin aus weiter vor: In den Jahren nach 920 entriß der Graf von Vermandois dem Grafen von Flandern Peronne, besetzte 932 Ham und gliederte zu einem unbekannten Zeitpunkt Nesle und Roye seinem Fürstentum ein. Im S waren die Grafen von Vermandois bestrebt, die Oise (deren oberer Lauf sie mit Ribemont indirekt kontrollierten) als feste Grenzscheide zu etablieren: 949 kam Chaumy unter ihre Kontrolle (außerdem unterhalb von Noyon im 12. Jh. Lassigny sowie die wichtige Fähr- und Zollstelle Thourotte). Dieser Ausbau der Fürstengewalt ging einher mit einer engen Kontrolle über das Bistum Noyon.

Nach der wechselhaften Parteinahme Heriberts II. hielt sein Sohn Adalbert entschieden zur Partei des KAROLINGERS Ludwig IV., dessen Tochter Gerberga er ehelichte. Nachdem der Graf von Vermandois die Machtübernahme von Hugo Capet (987) bekämpft hatte, wurde das Haus VERMANDOIS von den frühen KAPETINGERN des 11. Jh. in eine wenig einflußreiche Position abgedrängt: nach der kurzen Fürstenherrschaft Heriberts III. und Adalberts II. gelang es König Robert dem Frommen, einen anderen Sohn Heriberts III., Otto, von der Erbfolge in den Grafschaften Meaux und Troyes (1021) auszuschließen. (Aus dem Vermandois kamen im übrigen der Kanzler des Königs, Balduin, bis 1067 im Amt.) Der Sohn von Otto (+ 1045), Heribert IV., konnte sich eine günstigere Position sichern. Durch Heirat mit einer Tochter des Grafen Raoul von Valois-Vexin (+ 1074) gewann er die Erbfolge in den Grafschaften Montdidier und Valois, die er bis zu seinem Tode (1080) besaß. Die Politik der KAPETINGER erreichte jedoch schließlich ihr Ziel mit dem Ausschluß des aufständischen Sohnes von Heribert IV., Odos 'des Unsinnigen' ("l'Insense"), vom väterlichen Erbe, das seiner Schwester Adela, der Gemahlin Hugos (+ 1101), Bruder von König Philipp I. und Begründer der dem KAPETINGER-Hause entstammenden zweiten Grafendynastie von Vermandois, übergeben wurde. Noch im gesamten 11. Jh. blieb das Vermandois aber ein Hort des überkommenen kirchlichen uimd geistigen Lebens karolingischer Prägung. Dem Kollegiatstift von St-Quentin gehörten profolierte Persönlichkeiten wie Dudo von St-Quentin und Guido, der spätere Bischof von Beauvais, an.



III. DIE KAPETINGISCHEN GRAFEN



Im 12. Jh. war das in einer Randposition verbliebene Vermandois ein Spielball komplexer politischer Ambitionen. Unter den kapetingischen Grafen ragte der Sohn von Hugo und Adela, Raoul der Ältere, hervor (Graf seit 1117), der das Netz der gräflichen Kastellaneien enger knüpfte und so den Emanzipationsbestrebungen der adligen Herren Einhalt gebot. Die Herren von Nesle, welche 1141 die Anwartschaft auf die Erbfolge der Grafschaft Soissons erhielten, gewannen allerdings weitgehende Autonomie; dagegen mußten die Herren bzw. Kastellane von Guise, Peronne, Roye und Ham die lehnsrechtliche Kontrolle der kaptingischen Grafen anerkennen. Um 1150 legte Graf Raoul die Hand auf Ribemont, dessen Seigneur (zugleich Kastellan und Bannerherr von St-Quentin: 'signifer sancti Quintini') weitgehende Unabhängigkeit und einen Grafentitel in Ostrevant erreicht hatte. Ebenso konsolidierte Raoul seine Positionen an der Oise (Chauny, Thourotte, Lassigny). Als Vetter König Ludwigs VI. erhielt Raoul, nachdem die mächtige Familie GARLANDE am Hof in Ungnade gefallen war, das große Amt des Seneschalls (faktisch seit 1128, offiziell seit Ende 1131), das er (mit kurzen Unterbrechungen 1138 und 1139-1140, bedingt durch Raouls Opposition gegen König Ludwig VII.) lebenslang behielt. Als einer der einflußreichsten Herren am Hofe Ludwigs VII. sah sich Raoul zeitweise mit der Konkurrenz Sugers, 1141/42 bis 1148 mit der Gegnerschaft Graf Tedbalds von Champagne und des hl. Bernhard von Clairvaux konfrontiert (gegen das Bemühen Raouls um Wiederverheiratung mit Petronilla, der Schwester von Eleonore von Aquitanien, der damaligen Gemahlin Ludwigs VII.).



IV. DER BESITZSTREIT ZWISCHEN KAPETINGERN UND DEN GRAFEN VON FLANDERN



Nach Raouls Tod (+ Ende 1151/Anfang 1152) stand die Grafschaft unter der Vormundschaftsverwaltung des Grafen von Soissons, Ives de Nesle. Damit begann der letzte Akt in der Geschichte der Grafschaft Vermandois, nach der nunmher der Graf von Flandern die Hand ausstreckte. Raoul der Jüngere, der gleichnamige Sohn Raouls des Älteren, wurde vermählt mit Margarete, der Schwester Philipps von Elsaß, Grafen von Flandern, der selbst 1156 die jüngere Schwester Raouls, Elisabeth (Isabella), ehelichte. Zwar wird der leprakranke Raoul der Jüngere noch 1167 als Graf genannt, doch blieb er neben seinem mächtigen Schwager Philipp von Elsaß, der sich 1164 seinerseits 'Graf von Vermandois' intitulieren ließ, eine blasse Figur. Nach dem Tode der Elisabeth (1182, kinderlos) erhob der König von Frankreich, Philipp II. Augustus, jedoch eine Reihe von territorialen Rückgabeansprüchen, die er bis 1213 zäh verfolgte. 1182 wurde dem Grafen von Flandern der Besitz des Vermandois und Valois zuerkannt, aber (offiziell) nur als 'Pfandschaft', was allen Versuchen des Grafen von Flandern, eine dynastische Vereinigung des Vermandois mit seinen Stammländern herbeizuführen, den Boden entzog. König Philipp II. führte den politisch-militärischen Konflikt wirkungsvoll als 'defensor' der Schwester der verstorbenen Elisabeth, Eleonore von Valois, für die er im Vertrag von Boves (1185) die Rückgabe der Lehen Chauny, Ressons und Lassigny erreichte; der König legte die Hand auf Amienois, Montdidier, Thourotte und Chauny und beließ Philipp von Elsaß nur den Grafentitel von Vermandois sowie die 'Grafschaften' St-Quentin und Peronne (mit Ham und Roye), alle jedoch mit königlichem Rückkaufrecht. Nach dem Tode Philipps von Elsaß (1191) beschränkte der König die möglichen Forderungen Eleonores, die er mit dem Nießbrauch von St-Quentin, Origny-Ste-Benoite, Chauny, Ribemont und einer Rente auf Peronne abfand, wobei er sich sogar die Kontrolle der von der Gräfin zu spendenden Almosen vorbehielt. Als Eleonore im Juni 1213 verstarb (ihre vier Ehen waren kinderlos geblieben), erreichte der König sein großes Ziel: die Eingliederung des Vermandois in die Krondomäne.

Ehemalige frazösische Grafschaft, später Herzogtum in der Pikardie mit der Hauptstadt St. Quentin

Im Mittelalter stand Vermandois unter den mächtigen Grafen von Vermandois, die von Pippin, dem Sohn KARLS DES GROSSEN, abstammten und zugleich Grafen von Troyes, Meaux und Roucy waren. Mit Raoul dem Jüngeren erlosch 1167 das alte Grafengeschlecht. Seiner Schwester Elisabeth, Gemahlin Philipps, Grafen von Elsaß und Flandern, machte Philipp II. August die Grafschaft streitig, entriß ihr mit Gewalt 1185 die Grafschaft und vereinigte sie 1215 mit Frankreich. Sie gehörte nun lange zur Krone, wurde später zum Herzogtum und zur Pairie erhoben, und Ludwig XIV. gab sie an Ludwig von Bourbon, seinen natürlichen Sohn von der Lavalliere, mit dem 1683 der Titel Herzog von Vermandois erlosch.

Region : Geographische Breite: 49.933071, Geographische Länge: 2.933353000000011


Titel/Amt/Status

Treffer 1 bis 4 von 4

   Nachname, Taufnamen    Titel/Amt/Status    Personen-Kennung   Stammbaum 
1 von Neustrien, Adele  Vermandois (Grafschaft),Picardie,Frankreich I370 Mittelalter 
2 von Vermandois, Adalbert I.  943-987Vermandois (Grafschaft),Picardie,Frankreich I1061 Mittelalter 
3 von Vermandois, Heribert I.  896-907Vermandois (Grafschaft),Picardie,Frankreich I365 Mittelalter 
4 von Vermandois, Heribert II.  902-943Vermandois (Grafschaft),Picardie,Frankreich I367 Mittelalter