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 Bohrer

von Italien, Ludwig II.

männlich 825 - 875  (50 Jahre)


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  • Name von Italien, Ludwig 
    Suffix II. 
    Geburt 825 
    Geschlecht männlich 
    Titel/Amt/Status 6 Apr 850  [1
    römischer Kaiser 
    Titel/Amt/Status 855-875  Italien Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [1
    König von Italien 
    Tod 12 Aug 875  Brescia [25100],Brescia,Lombardia,Italien Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [1
    • bei Brescia
    Beerdigung Mailand [20100],Lombardia,Italien Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [1
    • S. Ambrogio
    Personen-Kennung I809  Mittelalter
    Zuletzt bearbeitet am 12 Okt 2015 

    Vater von Franken, Lothar I.,   geb. 795   gest. 29 Sep 855, Prüm [54595],Bitburg-Prüm,Rheinland-Pfalz,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 60 Jahre) 
    Mutter von Tours, Irmingard,   geb. um 805   gest. 20 Mrz 851 (Alter 46 Jahre) 
    Familien-Kennung F166  Familienblatt  |  Familientafel

  • Ereignis-Karte
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  • Notizen 
    • LUDWIG II. König von Italien (855-875)
      römischer Kaiser seit 6.4.850
      825-12.8.875 bei Brescia
      Begraben: Mailand, S. Ambrogio

      Ältester Sohn des Kaisers LOTHARS I. und der Irmingard von Tours, Tochter von Graf Hugo

      Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 2177, LUDWIG II., König von Italien, Kaiser
      * um 825, + 12. August 875 bei Brescia
      Begraben: Mailand, S. Ambrogio

      Ältester Sohn Kaiser LOTHARS I., folgte wohl bald seinem von LUDWIG DEM FROMMEN nach Italien verwiesenen Vater. Schon 839 scheint ihm LUDWIG DER FROMME im Zuge eines familiären Interessenausgleiches Italien als künftigen Herrschaftsbereich zugewiesen zu haben, wo er seit 840 als Unter-König in Vertretung LOTHARS I. tatsächlich geherrscht hat. Während eines im Auftrag LOTHARS I. 844 nach Rom unternommenen Heereszug wurde er von Papst Sergius II. zum rex Langobardorum gekrönt. Die Plünderung von St. Peter durch sarazenische Korsaren 846 hatte einen auf einem Treffen zwischen LUDWIG und LOTHAR in der Francia 847 beschlossenen Heerszug nach S-Italien unter Leitung LUDWIGS zur Folge, der aber scheiterte. Mit der Salbung zum Mit-Kaiser im Rom im Jahre 850 durch Papst Leo IV. begann die selbständige Herrschaft LUDWIGS. Sein nach dem Tode LOTHARS I. (855) erkennbarer Verzicht auf die nordalpinen Länder des Mittelreiches, wo seine Brüder Lothar II. und Karl von der Provence herrschten, kam der Stabilität seiner Regierung in Italien zugute, wo er seine Herrschaft auch über Rom und den Kirchenstaat, schließlich seit 860 auch in dem lange selbständigen langobardischen Süden (Fürstentümer Benevent und Salerno) zur Geltung bringen konnte. Sein Ziel, ganz S-Italien unter seiner Führung zu einen kulminierte 871 in der Einnahme Baris, Sitz eines arabischen Emis, nach mehrjähriger Belagerung mit byzantinischer Hilfe. Noch im selben Jahr kam es aber zu Aufstand der auf ihre Unabhängigkeit bedachten süditaliensichen Fürsten (Gefangennahme durch Adelchis von Benevent). Im Herbst 873 kehrte LUDWIG II. nach vergeblichen Versuchen, Benevent wieder zu unterwerfen, nach Oberitalien zurück. Politisch gescheitert ist LUDWIG II. aber nicht an den labilen Verhältnissen in S-Italien, sondern an der Nachfolgefrage, da aus einer Ehe mit Angilberga nur zwei Töchter (darunter Ermengard) hervorgegangen waren. Die Versuche des Königspaares, die Nachfolge zugunsten der ostfränkischen KAROLINGER zu regeln, scheiterten an der Uneinigkeit der italienischen Großen und am Herrschaftsanspruch KARLS DES KAHLEN, dem der Papst wohl schon 872 die Nachfolge im Kaisertum zugesichert hatte. Mit dem Tode LUDWIGS endete eine lange Periode der Stabilität im Regnum Italiae, das in der Folgezeit rasch wechselnde, instabile Regierungen erlebte (KARL DER KAHLE, Karlmann, KARL III., BERENGAR I., WIDO). Wäre LUDWIGS Politik auch dynastische Kontinuität beschieden gewesen, hätte Italien - ähnlich wie W-Franken/Frankreich und O-Franken/Deutschland - schon im hohen Mittelalter zu eigenständigen staatlichen Grundlagen finden können.

      Quellen und Literatur:
      NDB XV, 323-327 - Reg. Imp. I/3, T. I: Die Karolinger im Regnum Italiae 840-887 (888), nach J. F. Böhmer-E. Mühlbacher, neu bearb. v. H. Zielinski, 1991 -
      Werner Karl Ferdinand: Seite 448

      "Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)" IV. Generation 5

      LUDWIG als König von Italien Eiten 139-155. Seine Verlobung mit einer (unbekannten) byzantinischen Prinzessin war von Kaiser Theophilos kurz vor dessen Tod, 842 V 6 angeboten, von LOTHAR I. bald darauf akzeptiert worden; sie wurde zum Ärger der Griechen (vgl. Ann. Bert. 853) nicht realisiert, das heißt, es kam nicht zur üblichen Abholung der Braut an den fränkischen Hof.
      Vgl. zu dieser Verlobung, von Brandenburg in Anmerkung, aber nicht auf der Tafel erwähnt, jetzt W. Ohnsorge, Abendland und Byzanz, 1958,131-138 (= Das Kaiserbündnis von 842-844, AD 1,1955). -
      Zur Herkunft der Gattin aus dem Hause der SUPPONIDEN, fränkischer Abkunft mit hohen Reichsämtern in Italien, vgl. Hlawitschka 303-309.
      Zur Aktivität der Kaiserin, gegen Ende ihres Lebens, für ihren Enkel LUDWIG III.: E. Ewig, Kaiser Lothars Urenkel, Ludwig von Vienne, der präsumptive Nachfolger Kaiser Karls III., in: Das erste Jahrtausend, Textband 1, 1962, 336-343.
      Vgl. ferner Charles E. Odegaard, The Empress Engelberga; Speculum 26 (1951).

      Rappmann Roland/Zettler Alfons: Seite 136,421,432,517, "Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter"

      LUDWIG II. + 12.8.875

      Necr. B 13.8. "Hludouuicus italie imp.", König von Italien 839/40-875, Kaiser 855-875

      Literatur:
      ADB 19 Seite 406ff.; BM² 1177c-1275a; Biographisches Wörterbuch 2 Spalte 1713f. Zum Todestag: Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches 2 Seite 386 Anmerkung 3 (dort die falsche Angabe, das Reichenauer Necrolog gäbe den 21.8. an); BM² 1275a.

      Kaiser LUDWIG II. war der Sohn Kaiser LOTHARS I. und seit 839/40 Unter-König in Italien. Im Jahre 857 verbündete er sich mit Ludwig dem Deutschen gegen seine Brüder. Wahrscheinlich bezieht sich der Eintrag "Hludouuicus imp.", der wohl zusammen mit "Anshelmus vocatus eps." in das Reichenauer Verbrüderungsbuch p. 98 X 1 eingeschrieben wurde, auf LUDWIG II.; vgl. auch die Zuweisung Pipers, in: Libri confrat. Seite 546.
      Nach einer zeitgenössischen italienischen Quelle starb LUDWIG am 12.8., während andere Quellen (Necrologien) den 13. bzw. 14.8.angeben.
      LUDWIG II. wurde 844 zum König der Langobarden gekrönt und 850 Mitregent seines Vaters. Beim Tode seines Vaters (+ 29.9. 855) fiel ihm Italien und die Kaiserkrone zu und nach dem Tode seines Bruders Karl863 erbte er die Provence. Am 2.8.871 eroberte LUDWIG II. Bari, das er seit 867 belagerte. Vom 13.8. bis 17.9.871 hielt Herzog Adalgis den Kaiser in Benevent gefangen. 872 besiegte LUDWIG die Sarazenen, die ihn hier stark bedrängten, so dass er sich nur mit italienischen Angelegenheiten beschäftigen konnte.
      Da LUDWIG II. ohne männliche Erben starb, erlosch mit ihm die italienische Linie der KAROLINGER.

      Schieffer Rudolf:, "Die Karolinger"

      Unter der Oberhoheit des kaiserlichen Vaters hatte der junge LUDWIG nach 840 seine (vielleicht noch von LUDWIG DEMFROMMEN versprochene) Königsherrschaft in Italien zu etablieren, angeleitet von erfahrenen Kräften aus der Umgebung LOTHARS. An der Seite seines Großonkels Drogo von Metz drang er 844 erstmals nach Rom vor, um dort nach dem eigenmächtigen Pontifikatswechsels zu Sergius II. die fränkische Suprematie wieder einzuschärfen. Er erreichte, dass der Papst ihn durch eine Salbung zum "König der Langobarden" förmlich anerkannte und auch der Fürst von Benevent zur Huldigung erschien. Schon hier zeigt sich, dass die eigentliche Bewährungsprobe dieses KAROLINGERS nicht in der Behauptung Nord- und Mittelitaliens lag, wo er an führenden Magnaten wie dem Markgrafen Eberhard von Friaul, dem Schwiegersohn LUDWIGS DES FROMEN, Rückhalt fand, sondern in Rom und weiter im Süden, wo einst auch KARL DER GROSSE an seine Grenzen gestoßen war. Neben den byzantinischen Außenposten und den langobardischen Fürstentümern gab es dort inzwischen als neuen Faktor von bedrohlicher Dynamik die über See aus Afrika und Spanien vorgestoßenen Sarazenen, die ihre Niederlassungen auf Sizilien und dem Festland, ähnlich den Normannen an den nördlichen Küsten, für weitgreifende Raub- und Eroberungszüge nutzten. Großen Schrecken erregten sie im Sommer 846, als sie von der Tibermündung aus plündernd über die bis dahin kaum befestigten Außenbezirke Roms mit den Basiliken St. Peter und St. Paul herfielen und LUDWIG II. zu hastiger, glückloser Gegenwehr herausforderten. Nur nach längerer Vorbereitung, zu der auch eine (erst kürzlich ermittelte) Begegnung Kaiser LOTHARS mit seinem Sohn wohl im Frühjahr 847 in Pavia gehört haben dürfte, kam 848 ein größerer fränkisch-italienischer Feldzug zustande, der unter LUDWIGS Führung die sarazenische Expansion für eine Weile eindämmte und einen der Abwehr dienlichen Ausgleich zwischen den verfeindeten Fürsten von Benevent und von Salerno erzwang.
      Zwar hörte man 849/50 von neuen Überfällen auf die tuszisch-ligurische Küste und auf die Provence, doch blieb die Hoheit über Rom ungefährdet und bot damit LOTHAR I. die Gelegenheit, die Kaiserwürde auf seinen Ältesten als den nunmehrigen "Schützer der römischen Kirche" in der Weise auszudehnen, dass er ihn zu Ostern 850 von Papst Leo IV. (847-855) in Rom zum (Mit-)Kaiser salben ließ. Den Ausschlag gab noch einmal, wie 813 und 817, das Geheiß des Vaters, aber die Zeremonie der Übertragung war nach 50 Jahren - und, wie sich zeigen sollte, dauerhaft - in die Hände des Papstes zurückgelegt, der indes dem vierten karolingischen Kaiser angesichts der familiären Situation keine weitreichenden Aussichten zu vermitteln hatte als die eines italienischen Teilherrschers. Offenbar war mit diesem Akt die Emanzipation LUDWIGS II. von der väterlichen Gewalt überhaupt abgeschlossen, denn fortan urkundete er im eigenen Namen, während LOTHAR nach 851 italienischen Empfängern keine Diplome mehr erteilte. Eine gesonderte Hofkapelle unter dem Bischof Joseph von Ivrea und mit früheren Kanzleinotaren LOTHARS I. tritt in Erscheinung, und 852/53 verwurzelte sich der Junior-Kaiser noch weiter im Lande, indem er Angilberga heiratete, die Tochter des Grafen Adelgis von Parma aus dem auch um Brescia und Spoleto gebietenden, ursprünglich fränkischen Adelshauses der SUPPONIDEN.
      Er unterstützte seinen Bruder Lothar II. in dessen Eheaffäre und unternahm gleich Anfang 864 nach der schroffen Zurückweisung durch Papst Nikolaus I. einen drohenden Zug vor die Ewige Stadt. Auf die Dauer jedoch ließ sich der Kaiser nicht zugunsten seines Bruders von seinen Zielen in Unteritalien ablenken, wo er gerade 866 die Bekämpfung der Araber auf breiter Front wiederaufnahm. Auch der Tod seines Bruders Lothar II. (8.8.869) konnte LUDWIG nicht dazu veranlassen, über die Alpen zu kommen und das Mittelreich seines Vaters LOTHAR I. wiederherzustellen, da er immer noch in langwierige Kämpfe mit den Sarazenen verstrickt war.
      Italien erlebte im Zusammenwirken des Kaisers mit den regionalen Führungskräften von meist fränkischer Herkunft eine spürbare Konsolidierung bis tief in den Süden hinein, 871 gipfelnd in der mit byzantinischer Flottenhilfe möglich gewordenen Einnahme von Bari als dem Zentrum der Sarazenenmacht auf der Halbinsel. Auch wenn das Bündnis mit den Griechen nicht lange hielt, weshalb die 869 verabredete Vermählung von LUDWIGS Tochter Irmingard mit dem östlichen Kaisersohn Konstantin nie zustande kam, und auch wenn LUDWIG bald nach dem Triumph von Bari sogar in zeitweilige Gefangenschaft des Herzogs Adelchis von Benevent geriet, die 872 durch eine erneute Kaiserkrönung in Rom kompensiert werden sollte, zeichnet sich doch in seiner Gesamtpolitik die Perpspektive einer neuen Mittelmeermacht etwa in der Tradition des verschwundenen Langobardenreiches ab. Wenn daraus nichts geworden ist, so lag das vor allem daran, dass LUDWIG und Angilberga lediglich zwei Töchter (darunter eine früh verstorbene) hatten und keine Dynastie im Mannesstamm bilden konnten, während KARL DEM KAHLEN trotz mancher Unglücke doch ein Sohn und Ludwig dem Deutschen deren drei verbleiben sollten. Allein aus diesem Grunde wurde das italische Regnum schon im Laufe der 860-er Jahre ebenso wie dasjenige Lothars II. zum Objekt der Begehrlichkeit und rückte erst nach 869/70 in den Mittelpunkt der politischen Spekulation, obgleich doch LUDWIG II. eigentlich jünger als seine Oheime jenseits der Alpen war und eher diese zu überleben hätte hoffen können.

      Norwich John Julius: Band II Seite 69,117,120, "Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches."

      Theophilos, den die zunehmende Macht des Islam ernstlich beunruhigte, sandte sogleich einen leidenschaftlichen Hilferuf an Kaiser LUDWIG I. und schlug ihm eine gemeinsame Offensive vor. Soweit verifizierbar ist, bestand seine ursprüngliche Idee darin, daß das O-Reich zu einem Großangriff auf Kreta ansetzen sollte, während gleichzeitig der W gegen Sizilien und S-Italien vorging. Möglich ist aber auch, daß es einen noch viel ehrgeizigeren Plan gab: einen kombinierten Angriff auf das sarazenische N-Afrika und sogar Ägypten. Zusätzlich kam man überein, die Verbindung der beiden Reiche durch die Ehe zwischen einer von Theophilos' Töchtern und LUDWIGS Enkel, dem künftigen LUDWIG II., zu besiegeln.
      Patriarch Photios wußte, daß Papst Nikolaus mittlerweile im Westen fast so unpopulär war wie in Byzanz. Da er König Lothar II. von Lothringen die Scheidung von seiner Frau und die Heirat seiner Mätresse verweigert hatte, hatte er sich nicht nur Lotharzum Feind gemacht, sondern auch seinen älteren Bruder Kaiser LUDWIG II. Den beiden Brüderm konnte also nichts gelegener kommen, als ihn zu stürzen und durch einen umgänglicheren Pontifex ersetzt zu sehen. Byzantinische Gesandte eilten an LUDWIGS Hof, und man verständigte sich rasch, wenn auch ohne förmliche Übereinkunft. Das Konzil sollte nicht nur Papst Nikolaus absetzen; LUDWIG wollte außerdem eine Streitmacht nach Rom entsenden, um ihn ganz zu beseitigen. Als Gegenleistung sollte die byzantinische Regierung ihrem Verbündeten volle Anerkennung des Reichs garantieren und ihm als fränkischen Kaiser die Ehre erweisen. Auf dem Konzil wurde der Papst abgesetzt und auch gleich noch der Bann über ihn ausgesprochen. LUDWIG und seiner Frau Engelbertha erkannte man die klangvollen Titel Kaiser und Kaiserin zu.
      Die zweite Gesandtschaft, die im Februar 870 am Bosporus eintraf, hatte einen Brief LUDWIGS II. im Gepäck, der im Ton unverkennbar unfreundlich gehalten war. Der W-Kaiser fühlte sich beleidigt und gab in dem Schreiben seiner Entrüstung Ausdruck. Während seiner erfolglosen Belagerung der moslemisch besetzten Stadt Bari vor zwei Jahren hatte ihm Basileios Unterstützung durch die byzantinische Flotte in Aussicht gestellt und gleichzeitig die Heirat zwischen seinem ältesten Sohn Konstantin und LUDWIGS Tochter Hermingarde vorgeschlagen. LUDWIG war damit einverstanden gewesen, und die Flotte hatte sich 869 auf den Weg nach Bari gemacht. Sie war aber erst eingetroffen, als sich die fränkischen Truppen bereits in ihre Winterquartiere zurückgezogen hatten, und der byzantinische Admiral Niketas bemerkte zudem mit Schrecken, daß seine neuen Verbündeten nicht nur weit geringer an Zahl waren, sondern obendrein nur volltrunken umhergrölten. Er hatte unverzüglich ihren Kaiser aufgesucht und ihn mit kaum verhohlener Verachtung als fränkischen König angesprochen. Dagegen hatte LUDWIG protestiert, worauf ein heftiger Streit ausbrach, nach dem Niketas mit dem größten Teil der Flotte sogleich nach Konstantinopel zurückgekehrt war. Die fränkischen Gesandten trafen kurz danach ein. Sie verhehlten Basileios die Wut ihres Herrn in keiner Weise und unterstrichen gleichzeitig seinen Anspruch auf den Titel eines Kaisers der Franken, sondern auf einen noch klangvolleren, den man in Byzanz nicht einmal KARL DEM GROSSEN gewährt hatte, nämlich Imperator Romanorum (Kaiser des römischen Volkes [Richtig: Kaiser der Römer]).
      Da beide Parteien außerdem um den Besitz S-Italiens rivalisierten, hätten sich ihre Beziehungen leicht weiter verschlechtern, ja, es hätte sogar zum Krieg kommen können. Da überwarf sich LUDWIG mit Aldechis, dem lombardischen Herzog von Benevento [Richtig: langobardischer Herzog von Benevent], und geriet 871 mit seiner Frau in dessen Gefangenschaft. Das kaiserliche Paar des Westens kam erst frei, nachdem LUDWIG bei dem Evangelien geschworen hatte, daß er nie wieder das Territorium des Herzogtums bewaffnet betreten werde. Doch von diesem erpreßten Eid erhielt er schon bald päpstlichen Dispens, und 872 gelang ihm die Vertreibung der sarazenischen Besatzung aus Capua. Danach ließen seine Kräfte nach, und er zog sich in den Norden zurück, wo er drei Jahre später in der Nähe von Brescia starb, ohne daß er und seine Frau einen männlichen Erben hinterlassen hätten.

      Konecny Silvia: Seite 118-126, "Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."

      Angilberga kann als profilierteste Gestalt unter den karolingischen Frauen gelten. Allerdings war sie ein Sonderfall. Die Kaiserin beteiligte sich nicht nur aktiv an den Regierungsgeschäften ihres Gatten LUDWIGS II. [Deutlich wird dies insbesondere 871, als Angilberga den Kaiser bei der Reichsversammlung in Ravenna vertritt; BM² 1251 d], sondern sie wurde auch als "Consors regni" bezeichnet. Schließlich finden sich bei ihr auch Ansätze zur Witwenregentschaft. Eine solche setzte allerdings nicht Angilberga selbst, sondern erst ihre Tochter Ermengard durch, die als Mutter eines minderjährigen Sohnes auch über günstigere Voraussetzungen zur Verwirklichung dieses Anspruches verfügte [Daß Ermengard nach dem Tod Bosos eine Witwenregentschaft führte, ist mehreren Urkunden ihres minderjährigen Sohnes, LUDWIGS DES BLINDEN, zu entnehmen, in denen sie als Intervenientin auftrat: D. Provence 28,29,20. Überdies führte Ermengard Verhandlungen mit KARL DEM DICKEN und eröffnete ihrem Sohn damit eine Aussicht auf die Kaiserwürde. Der Herrscher adoptierte LUDWIG und bestimmte ihn zum Nachfolger; BM² 1749 a.]. Ermengard dürfte aber dabei die Unterstützung Angilbergas gefunden haben, so daß diese an einer vormundschaftlichen Regierung zumindest mitbeteiligt gewesen sein mag.
      Angilberga ist frühestens 863 als "Consors regni" bezeugt. Etwa zum gleichen Zeitpunkt trat auch bei den Urkunden LUDWIGS II. ein Kontinuitätsbruch auf [Pölnitz-Kehr, Kaiserin Angilberga 429ff. setzt den Bruch, der besonders seit 866 deutlich wird, schon etwa 864 an und denkt an eine innere Umgestaltung der Verwaltung als dessen Ursache, an der Angilberga wesentlich beteiligt gewesen sein könnte.]. Man mag mit der Vorstellung eines "Consortium regni" an byzantinische und spätantik-christliche Vorbilder angeschlossen haben. Ob es sich dabei selbst um die bloße Übernahme einer neuen Form oder um den programmatischen Ausdruck der Stellung Angilbergas als Stellvertreterin ihres Gatten gehandelt hat, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls drückt der "Consors regni"-Titel Angilbergas deren faktischen Anteil an der Macht aus [Delogu, Consors regni 91 spricht dem "Consors regni"-Titel der KAROLINGER-Zeit zwar den offiziellen Charakter ab, vermerkt aber, daß er im Fall Angilbergas sehr zutreffend deren Macht und Einfluß beschrieben hat.]. Die besondere Bedeutung der Kaiserin dürfte mit der neuen Eigenständigkeit des italischen Bereiches zusammenhängen, zu der es unter LUDWIG II. kam.
      Erstens traten dadurch Besonderheiten der Gesellschaftsstrukturen dieses Raumes und byzantinische Einflüsse neuerlich stärker hervor. Byzanz wie Italien wiesen eine größere Kontinuität zu Rechts- und Sozialformen der Antike auf als etwa das fränkische Reich. Auch im langobardischen Recht ist eine ziemliche Unabhängigkeit der Frau festzustellen, die sich wohl aus der antiken Tradition erklärt.
      Zweitens ergab sich durch die Trennung Italiens vom fränkischen Reich, also durch die Einengung der Machtsphäre LUDWIGS II. ein neues Kräfteverhältnis. Die Macht der einzelnen Adelssippen nahm durch die neue Selbständigkeit des Gebietes wohl zu. Verstärkt wurde der Machtzuwachs dieses Adels überdies durch eine politische Unsicherheitm, wie die Sarazenengefahr sie darstellte.
      Im Zuge dieser Entwicklung erlangte gewiß auch die Sippe der SUPPONIDEN, der Angilberga entstammte, in zunehmendem Maße Bedeutung. Es war gewiß kein Zufall, daß Angilberga gerade gleichzeitig mit den kriegerischen Unternehmungen LUDWIGS II. in S-Italien besonders deutlich hervortrat.
      Der Gatte Angilbergas, LUDWIG II., scheint schon früh zum König von Italien bestimmt worden zu sein und wurde 844 als König der Langobarden gekrönt.LOTHAR I. designierte ihn 850 zum Nachfolger und Papst Leo salbte ihn zum Kaiser [BM² 1179 a; zwar krönte LOTHAR I. seinen Sohn nicht selbst, wie dies dem Vorbild KARLS DES GROSSEN, BM² 479 b, und LUDWIGS DES FROMMEN, BM² 650, entsprochen hätte, aber der Papst scheint doch immerhin im Auftrag LOTHARS gehandelt zu haben; vgl. Hartmann, Geschichte Italiens 3,1, 325.; Schramm, Kaiser, Könige und Päpste 2, 80f.; Wolfram, lateinische Herrscher- und Fürstentitel im neunten und zehnten Jahrhundert 60ff.]. Wohl erst nach dieser Zeremonie, aller Wahrscheinlichkeit nach 851, ging LUDWIG II. eine Verbindung mit Angilberga ein. Davor bestand für LUDWIG ein byzantinisches Eheprojekt. Nur byzantinische Quellen melden die Verlobung, während die fränkischen Quellen wieder nur von einer griechischen Gesandtschaft wissen. Erst viel später vielleicht als Reaktion auf Gerüchte aus Byzanz erwähnen diese Verlobung auch fränkische Quellen, und zwar wird eine Verstimmung zwischen dem fränkischen Reich und Byzanz mit der Auflösung des Eheabkommens durch LUDWIG II. motiviert. In Byzanz selbst mag man 842 jene Verlobung der Kaisertochter mit LUDWIG II. erfunden haben, wie man einen Heiratsplan zwischen KARL DEM GROSSEN und Irene möglicherweise erfand. Kam es doch noch 842 zu einem Herrscherwechsel in Byzanz, der Theodora an die Herrschaft brachte. Diese Nachfolgerin des Theodosius wollte ihren Vorgängern vielleicht politisch abwerten, als sie ihm die Verlobung seiner Tochter mit LUDWIG II. nachsagte, die eine Gegenleistung für die militärische Hilfe der Franken gewesen sein sollte. LUDWIGS II. Verbindung mit Angilberga war also kaum in irgendeiner Weise von dem Bestehen eines byzantinischen Eheversprechens beeinflußt.
      Der Zeitpunkt, zu dem LUDWIG II. eine Verbindung mit Angilberga einging, darf mit einiger Sicherheit im Jahre 851 angenommen werden. Zwar wurde die vermutlich 860 abgefaßte Dotationsurkunde für Angilberga rückdatiert, was den Umstand verschleiern sollte, daß AngilbergasDotierung nicht gleichzeitig mit ihrer Eheschließung erfolgte. Hingegen dürfte der tatsächliche Zeitpunkt der Eheschließung mit der Dotation übereinstimmen. So betrifft die Fälschung nur den Zeitpunkt der Dotatien, nicht aber den der Eheschließung. Die Änderung des Datums kann nur in Zusammenhang mit den Geschehnissen des "Ehestreites" Lothars II. beurteilt werden. Sie ist eine wichtige Quelle für die veränderte Einstellung zur Form des Eheschlusses anläßlich des "Ehestreits".
      LUDWIG II. ging 851 die Verbindung mit Angilberga wohl in Form des Konkubinats des Königssohns mit einem adeligen Mädchen ein. Zu einer feierlichen Umwandlung dieser Verbindung in eine Vollehe kam es jedoch allem Anschein nach nicht. Nach dem Tod LOTHARS I. war LUDWIG II. mit der Teilung unzufrieden und behielt sich eine zweite Krönungszeremonie, wie sie etwa LUDWIG DER FROMME abgehalten hatte, zunächst vielleicht bis zu einer erwünschten Neuregelung vor. Überdies bot sich durch die unsicherre Lage der folgenden Jahre möglicherweise auch gar keine Gelegenheit zu einer neuerlichen Krönung. In ähnlicher Weise scheiterten auch die Söhne LUDWIGS DES FROMMEN, vor allem LOTHAR I., eine neuerliche Krönungszeremonie unterlassen zu haben.
      Jedenfalls fand sich auch kein anderer Anlaß, Angilbergas neue Stellung als Königin sinnfällig zu demonstrieren. LUDWIGS II. Verbindung mit ihr ging also ebenso formlos in eine Vollehe über, wie sie seien Stellung als Herrscher formlos den neuen Verhältnissen anpaßte. Im Unterschied zu den Söhnen LUDWIGS DES FROMMEN war LUDWIG II. jedoch keine Vollehe eingegangen, sodaß das Unterbleiben einer zweiten Krönunszeremonie einen Mangel darstellte, der bis dahin vermieden worden war [Siehe oben IV,1, c; V,1,d; VI,1,a; VII,1. Daß Angilberga nicht an einer Krönung LUDWIGS teilgenommen hat, widerlegt auch nicht ein Brief Ludwigs des Deutschen, Epistolae Coloniensis n.8; Seite 250, wo Angilberga "... imperatrici Engilbergae semper auguste et e Deo coronatea .." genannt wird, denn es dürfte sich hierbei eher um eine Reaktion auf Angilbergas faktische Mitbeteiligung an der Herrschaft als um die Anspielung auf eine erfolgte Krönungszeremonie gehandelt haben.]. Die darin verborgene Gefahr wurde LUDWIG II. wohl erst durch den "Ehestreit" Lothars II. bewußt. Als LUDWIG 861 Angilberga dotierte, stellte er sich auf den eherechtlichen Standpunkt seines Bruders. Dieser hatte die Priorität einer Dotation gegenüber der Teilnahme an einer Festkrönung behauptet, wie sie für Teutberga vermutet werden kann. Als Adventius stellvertretend für die gesamte lothringische Geistlichkeit Papst Nikolaus I. den Beschluß der dritten Synode von Aachen mitteilte und den Vorgang der Dotation Waldradas genau erläuterte, mag man von Seiten LUDWIGS II. diese Argumentation aufgenommen und ebenfalls behauptet haben, daß eie Dotation Angilbergas noch zu Lebzeiten LOTHARS I. erfolgt sei. In diesem Fall lägen der Zeitpunkt der Abfassung der Dotationsurkunde und deren Rückdatierung sehr nahe beisammen. Allenfalls könnte die Verfälschung aber auch erst später erfolgt sein, und zwar im Hinblick auf den Nachweis eine ehelichen Geburt der Kaisertochter Ermengard.
      Vor der Dotation und auch noch die ersten Jahre danach besaß Angilberga wenig Einfluß. Zwar verband sich LUDWIG II. durch sie einem Adelsgeschlecht, das in Italien nicht unbedeutend war. Schon zur Zeit LUDWIGS DES FROMMEN ist ein Suppo als Graf von Brescia bezeugt, der gegen den Aufstand Bernhards Stellung bezog und demzufolge zum Lager des Kaisers zu rechnen ist. Für seine Treue scheint Suppo mit dem Dukat Spoleto belohnt worden zu sein. Jener Suppo könnte auch den Niedergang des Geschlechtes verhindert haben, sofern tatsächlich Bernhards Gattin Kunigunde dem Geschlecht der SUPPONIDEN entstammt haben sollte, wie dies Fischer behauptet. In diesem Zusammenhang würde auch klar, warum Bernhards Sohn Pippin 834 im Lager LUDWIGS DES FROMMEN und nicht in dem LOTHARS I. stand. Er zählte wohl zu dem kaisertreuen Flügel seiner Verwandtschaft. Ein Einvernehmen dieser Gruppe der SUPPONIDEN und LOTHAR I. sollte vielleicht die Ehe Angilbergas mit LUDWIG II. begründen. Allerdings bestünde durchaus auch die Möglichkeit, daß LUDWIG II. Angilberga ohne die ausdrückliche Zustimmung seines Vaters heiratete. Jedenfalls begann der eigentliche Aufstieg der SUPPONIDEN während der Regierung LUDWIGS II. [Besonders in den letzten Regierungsjahren LUDWIGS II. gewann das Geschlecht an Bedeutung. Suppo nahm 869 den Rang eines "archiministers" ein, BM² 1242 a, und folgte 871 Lambert im Dukat Spoleto nach, BM² 1251 d. Er trat als Intervenient auf, BM² 1268 und erhielt Schenkungen, BM² 1243.], als sie auch eine wichtige Verbindung mit den UNRUOCHINGERN eingingen. Öffentliche Resonanz fand Angilbergas politische Tätigkeit erstmals im Zusammenhang mit dem "Ehestreit" Lothars II. Als LUDWIG II. 864 kriegerisch gegen Papst Nikolaus I. vorging, übernahm Angilberga eine diplomatische Vermittlung. In einer gewissen Weise machte das Herrscherpaar damit eine Politik, die an das Zusammenspiel zwischen Pippin III. und Bertrada erinnert. Auch den Papst behandelte Angilberga durchasu nicht immer gleich freundlich. Arsenius etwa flüchtete 868 zu der Kaiserin, als sein Sohn eine Tochter des Papstes entführt und getötet hatte. Hingegen übernahm 869 Angilberga die Rolle einer Vermittlerin zwischen ihrem SchwagerLothar II. und Hadrian.
      Den Höhepunkt ereichte die politische Bedeutung Angilbergas im Jahre 871, als die Kaiserin stellvertretend für ihren Gatten Regierungsgeschäfte in Oberitalien wahrnahm, während LUDWIG II. einen Feldzug nach Benvent leitete. Angilberga hielt an Stelle des Kaisers in Ravenna eine Reichsversammlung ab und übermittelte dem oberitalienischen Adel die Befehle LUDWIGS II. Sie stütze sich dabei wohl auf den Einfluß der SUPPONIDEN, die ja im norditalienischen Gebiet am stärksten verankert gewesen zu sein scheinen. Daß Angilberga LUDWIGS Einfluß im oberitalienischen Gebiet bewahrte, erwies sich schon deshalb als notwendig, da KARL DER KAHLE und Ludwig der Deutsche eine Niederlage LUDWIGS II. gegen Benevent, die Angilbergas Regierungstätigkeit in Oberitalien unmittelbar vorangegangen war, bereits zu ihrem Vorteil zu nützen getrachtete hatten. Auf ein Gerücht vom Tod LUDWIGS II. hin waren sei nach Italien aufgebrochen und vermutlich erst wieder umgekehrt, als sie von der Freilassung des Kaisers hörten. So fiel Angilberga nun die wichtige Rolle zu, dem Kaiser Rückendeckung zu leisten und zu verhindern, daß dessen Niederlage im S einen Abfall Oberitaliens mit sich brächte. Gleichzeitig mochte Angilbergas Abwesenheit von S-Italien auch zu einer Entspannung der Lage beigetragen haben. Denn LUDWIG II. scheint nun auf eine Politik des Ausgleichs übergewechselt zu sein, wobei er die Schuld an der Feindschaft zwischen sich und dem süditalienischen Adel auf Angilberga geschoben haben mag. Die Ereignisse der folgenden Zeit sind undeutlich überliefert. Es dürfte zu einem Bündnis zwischen einem Teil des ursprünglich mit Adelchis verbündeten Adels und dem Kaiser und deshalb zu einem Sieg über Benevent gekommen sein. Dafür sprechen dei Umstände der Krönung LUDWIG II., vor allem auch dessen Verbindung mit der Tochter des Winigis, der wohl ein Gegner der SUPPONIDEN war [LUDWIGS Heerzüge gegen die Beneventaner schildern die Quellen nur mangelhaft, BM² 1253 d, 1254 d-e. Der Kaiser scheint, während Angilberga in Oberitalien regierte, auf die Hilfe mittel- und unteritalienischer Adelsfamilien gegen Benevent angewiesen gewesen zu sein, die Angilberga nicht sonderlich freundlich waren. Winigis, dessen Tochter LUDWIG 872 zugeführt wurde, gehörte wohl jener Sippe an, die 822 von den SUPPONIDEN vorübergehend im Dukat Spoleto verdrängt worden war und zu deren Rivalen zählte. In Lambert vertriebLUDWIG II. wohl neuerlich einen Angehörigen dieser Familie, als er 871 seinem Verwandten Suppo den Dukat übergab, BM² 1251 d. Als der Kaiser nun einen Verbündeten brauchte, könnte er sich wieder jener Sippe zugewandt haben. Zu den spoletanischen Adelsfamilien vgl. Hlawitschka, Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien 60f. und 268f.]. Die Annales Bertuiniani schildern diese Verbindung im Zusammenhang mit einem neuerlichen Zug gegen die Beneventaner. Nach dieser Darstellung ist es ein Hauptanliegen LUDWIGS II., Verbündete für den neuen Kriegszug gegen Benevenmt zu finden. Die Krönung, die diese Quelle erwähnt, dürfte ein Bündnis LUDWIGS II., mit einem Teil des italienischen Adels besiegelt haben und war gleichzeitig vermutlich auch Hochzeitszeremonie. Eine italienische Quelle hingegen schildert eine Festkrönung LUDWIGS II. anläßlich eines Sieges über die Beneventaner. Regino berichtet weder die Krönung noch eine zweite Eheschließung LUDWIGS II., sondern über einen Eid des Kaisers, Benevent nicht mehr zu betreten. Von diesem Eid habe Papst Johannes VIII., der bezeichnenderweise vor dem beneventinischen Feldzug LUDWIGS II. im Jahre 862 noch gar nicht im Amt war, den Kaiser gelöst. Vermutlich verwechselte Regino jenen Papst, der die Krönung LUDWIGS II. vor dessen Feldzug vornahm, mit jenem, der die Festkrönung zelebrierte. Überdies berichtet Regino, innerhalb seiner Darstellung wenig logisch, daß LUDWIG II. wegen des Eides gar nicht selbst nach Benevent gezogen sei, sondern seine Gemahlin geschickt habe [Die Beneventaner ließen die kaiserliche Familie am 17: September 871 frei, BM² 1251 a. Der Kaiser wandte sich bald wieder nach dem S, während Angilberga nach Ravenna zog, BM² 1251 d. Am 18. Mai 872 dürfte LUDWIG II. aus Farfa kommend in Rom eingetroffen sein, BM² 1253 c-d, während die Datierung zweier Urkunden, die eine Anwesenheit des Kaisers zwischen September 871 und Mai 872 in Oberitalien bezeugen würden, unsicher ist, BM² 1252, 1253 Angilberga verhandelte 872 mit den Oheimen ihres Gatten in Oberitalien, BM² 1254 a; ihre Politik scheint mit der ihres Gatten, insbesondere mit dessen Krönung und Heirat, nicht korrespondiert zu haben. Pölnitz-Kehr, Kaiserin Angilberga 436 vermutet wohl unzutreffend, Angilberga sei an der Krönung ihres Gatten beteiligt gewesen.]. In diesem Zusammenhang stellt sich zumindest die Frage, ob Regino mit "regina" tatsächlich Angilberga und nicht die Tochter des Winigis gemeint hat, über deren Existenz er seine Leser vielleicht ebenso im Unklaren lassen wollte, wie er eine Krönung LUDWIGS II. verschwieg.
      Wie lange Angilberga sich in Oberitalien aufhielt, ist unbestimmt. Wahrscheinlich blieb die Kaiserin bis 872 von LUDWIG II. getrennt und kehrte erst nach dessen Krönung aus Oberitalien zurück. Gerade 872 betrieb nämlich Angilberga eine fränkisch orientierte Politik, als sie mit den Oheimen ihres Gatten über die Nachfolge in der Kaiserwürde verhandeln wollte. Zu einem Zusammentreffen kam es alerdings nur mit Ludwig dem Deutschen, während KARL DER KAHLE sich zurückzog, weil er vielleicht erkannt hatte, daß Angilberga seine Interessen gegen die Ludwigs des Deutschen ausspielen wollte. Möglicherweise hatte sich Angilberga aber auch selbst von den Verhandlungen zurückgezogen, da mittlerweile klar geworden war, daß während ihrer Abwesenheit von Italien ihre Interessen gefährdet waren.
      LUDWIG II. ließ sich nämlich in Rom krönen und ging eine neue Eheverbindung mit der Tochter des Winigis ein. Diese könnte ein Bündnis zwischen den Kaiser und einem Teil des italienischen Adels besiegelt haben, der Angilberga nicht freundlich gesinnt war. Die Ehe mag eine Reaktion auf Angilbergas Verhandlungsziele gewesen sein. Es hat den Anschein, als ob Angilberga nicht nur LUDWIGS Herrschaft im Reich Lothars mit der Aussicht auf eine Nachfolge im Herrschaftsbereich des Kaisers erlangen wollte, sondern gemeinsam mir einer derartigen Regelung auch künftig Interessen ihrer eigenen Sippe wahrnahm. Dadurch sah sich ein Teil des Adels gewiß in seiner Erwartung enttäuscht, daß eine Bevorzugung der SUPPONIDEN nach dem Tod LUDWIGS ein Ende haben würde. Gerade die Erbverhandlungen Angilbergas könnten in einem Teil des Adels den Wunsch nach einem Nachkommen LUDWIGS geweckt haben, insbesondere da nun abzusehen war, daßdie Gruppe um Angilberga weiterhin an der Macht bleiben würde, obwohl die Kaiserin keinen Sohn geboren hatte. Auch LUDWIG II. erhoffte von der neuen Verbindung vielleicht einen Nachfolger, der ihm von Angilberga versagt geblieben war. Vor allem aber ging es ihm wohl um einen Verbündeten gegen die Aufständischen Beneventaner.
      Die stellvertretende Regierungstätigkeit Angilbergas in Oberitalien, die deren Verhandlungen mit Ludwig dem Deutschen vorangegangen war, könnte zunächst der Absicht gedient haben, gegensätzliche Interessengruppen an das Herrscherpaar zu binden. Als LUDWIG II. jedoch die Tochter des Winigis heiratete, muß Angilberga angenommen haben, daß der Gatte von der gemeinsamen Politik abgewichen sei. Sie sah ihre Interessen ernsthaft bedroht und eilte zu LUDWIG zurück. So behielt Angilberga weiterhin Macht und Einfluß. Bald darauf, nämlich im Jahre 873, kam es zu einer neuerlichen "Teilung" der Herrschaft. Diesmal blieb Angilberga im Süden zurück und führte dort die Regierung, während LUDWIG II. nach Oberitalien zog.
      Angilberga gelang es also weitgehend, Widerstände gegen ihre Person auszuschalten, und so kam ihr nach dem Tode ihres Gatten in Italien ein gewichtiges Wort zu. Formell gehörte sie, da sie keine männlichen Nachkommen hatte, dann wieder ihrer eigenen Sippe an, von der sie auch rechtlich vertreten wurde.Tatsächlich führte sie aber eine recht selbständige Politik, die darauf abzielte, ihren Einfluß, den sie auch auf den Papst ausübte, möglichst teuer zu verkaufen. So unterhielt Angilberga sowohl zum ost- wie zum westfränkischen Reich Beziehungen. Im Osten favorisierte sie Karlmann, aber auch zu KARL DEM KAHLEN unterhielt sie über ihren Schwiegersohn Boso Kontakt. Daneben dürfte Angilberga auch noch ein weiteres politisches Projekt unterstützt, vielleicht sogar initiert haben, das für sie eine Art Optimallösung der Herrschaftsorganisation in Italien dargestellt haben dürfte. Es handelt sich dabei um den Plan des Papstes, eine selbständige Herrschaft Bosos in Italien zu legitimieren. Jedenfalls schätzte KARL III. noch einige Jahre nach LUDWIGS Tod Angilbergas Einfluß in Italien so hoch und wohl vor allem in Hinsicht auf Boso für gefährlich genug ein, daß er die Kaiserwitwe in Alemannien inhaftierte. Erst geraume Zeit nach seiner Kaiserkrönung entließ er Angilberga wieder nach Italien. In der Folge war Angilberga vielleicht noch an Aktivitäten ihrer Tochter Ermengard für LUDWIG DEN BLINDEN beteiligt. Sicherheit ist darüber allerdings, wie gesagt, nicht zu erlangen.
      Der politische Einfluß Angilbergas hatte auch eine bedeutende wirtschaftliche Grundlage. In die Zeit der Regsten politischen Aktivitäten der Kaiserin fällt eine große Anzahl von Schenkungen LUDWIGS II. an seine Gattin. Dieser Besitz muß nach dem Tode des Kaisers Angilberga die Möglichkeit gegeben haben, weiterhin Einfluß auf das politische Geschehen zu üben. Um ihren Besitz zeigte sich Angilberga demgemäß auch stets sehr besorgt. Wiederholt ließ sie sich die Rechtmäßigkeit der Schenkungen ihres Gatten nach dessen Tod von verscheidenen Seiten bestätigen. Sie konnte gegen Besitzverletzungen an ihrem Eigengut sogar den Bannspruch des Papstes mobilisieren. Ihre Sorge um den Besitz bezeichneten die Zeitgenossen gelegentlich als Habgier. Das diesbezügliche Verhalten der Kaiserin muß jedoch im Zusammenhang damit gesehen werden, daß diese selbst keinen Sohn hatte. Angilberga war um ein Wittum wohl deshalb so besorgt, weil sie nach dem Tode LUDWIGS nicht mit der Position der Königin-Mutter rechnen konnte, die eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit versprochen hätte. Vielmehr mußte die Kaiserin dessen gewärtig sein, daß ihr nach dem Tode ihres Gatten kein Anteil mehr an der königlichen Macht zukommen würde. Sie war deshalb bestrebt, sich einen möglichst großen Anteil an der faktischen Machtgrundlage des Königtums zu sichern, um dadurch Einfluß zu behalten. Ähnlich ist auch die Favorisierung der SUPPONIDEN durch LUDWIG II. zu beurteilen. Zwar wurden auch andere dem Königshaus verschwägerte Adelsgeschlechter in besonderem Maße gefördert. Iim Hinblick auf de Zukunft Angilbergas könnten die SUPPONIDEN jedoch eine Begünstigung erlangt haben, die das übliche Ausmaß überstieg. Auch hier muß eine besondere Aktivität Angilbergas vermutete werden, die gewiß zu ihrer Unbeliebtheit bei einem Großteil des übrigen Adels beitrug.
      Wenn Angilbergas Stellung auch innerhalb des karolingischen Königshauses eine Sonderentwicklung dargestellt, so ist ihre politische Bedeutung doch signifikant für die Zunahme des Einflusses einzelner Frauen im Zuge der Auseinandersetzungen um das sogenannte "italienische Nationalkaisertum". Theodora etwa, die einem stadtrömischen Senatorengeschlecht angehörte, und deren Töchter Theodora und Marozia nahmen Einfluß auf Papstwahlen und bestimmten einige Jahrzehnte hindurch die Politik Italiens. Auch Angiltrud, die Gattin Kaiser WIDOS und Tochter des Arichis von Benevent, und Bertha von Tuszien, eine Tochter Lothars II., waren politisch sehr aktiv. Die Stellung aller dieser Frauen ist jener Angilbergas durchaus vergleichbar, Marozia übertraf die Kaiserin vielleicht sogar insofern, als sie den Titel einer "senatrix" und "patricia" führte. Darin drückt sich, nicht nur - wie im Titel einer "Consosr regni" - ein Anspruch auf Mitbestimmung an der Herrschaft, sondern auch auf deren uneeingeschränkte Ausübung aus, die bis dahin nur Männern zustand. Insgesamt zeigt sich also, daß Angilberga nicht im Rahmen der fränkisch-karolingischen, sondern innerhalb der spezifisch italienischen Entwicklung zu beurteilen ist.

      Mühlbacher Engelbert: Band II Seite 328,337,338, "Deutsche Geschichte unter den Karolingern"

      Nach der Eroberung Baris hatte Kaiser LUDWIG in Benevent Residenz genommen. Dem ihn nach seinen glücklichen Erfolgen beseelende Hochgefühl gab er in einem Schreiben an Basilius, den "Kaiser von Neurom", lebhaften Ausdruck, in dem er das abendländische Kaisertum, auf das man in Konstantinopel noch immer herabzusehen liebte, verteidigte.
      Ahnungslos weilte der Kaiser in Benevent, während sich um ihn bereits die Fäden einer Verschwörung zusammenzogen. Plötzlich brach auf Anstiften des Herzogs Adelchis von Benevent eine wohlvorbereitete Empörung aus. Den nächsten Anlaß gab die harte Bedrückung des Volkes durch neue Lasten und rücksichtslose Behandlung, es hieß auch, daß Herzog Adelchis auf Betreiben der Kaiserin in die Verbannung geschickt werden sollte. Andere beschuldigten den Herzog Sergius von Neapel der geistigen Urheberschaft. In das Komplott war auch Herzog Lambert von Spoleto verwickelt. Die langobardischen Herzöge sträubten sich gegen eine starke Zentralregierung. Wahrscheinlich hatten auch die Griechen ihre Hände im Spiel, bedrohten doch die Pläne des Kaisers die letzten Reste der griechischen Herrschaft in Unteritalien, welche selbst die von den Sarazenen eroberten Gebiete noch immer für sich beanspruchten. Am 13. August 871 wurde der Kaiser nachts in seiner Pfalz überfallen. Er verteidigte sich tapfer. Als die Pfalz angezündet wurde, zog er sich mit seiner Gemahlin und Tochter in einen festen Turm zurück. Nach mutiger Gegenwehr mußte er sich nach drei Tagen mit den Seinen ergeben; er wurde gefangengenommen, der Gefangene verhöhnt und sogar am Leben bedroht, der kaiserliche Schatz geplündert, die dislocierten Truppen aus dem Lande getrieben.
      Das Gerücht übertrieb noch dieses Ereignis. Über die Alpen drang die Kunde, daß der Kaiser mit Gemahlin und Tochter getötet worden sei. Bei KARL DEM KAHLEN trafen Gesandte aus Italien ein, die ihn einluden, von dem erledigten Reich Besitz zu nehmen. Ohne Zaudern brach KARL auf; er trug ebensowenig Bedenken, mit Nichtachtung des gleichen Erbrechts seines Bruders Italien sich anzueignen, wie er zwei Jahre früher in derselben Freibeuterweise Lothringen sich anzueignen versucht hatte. Er kam nur bis Besancon. Als seine nach Italien vorausgesandten Boten meldeten, daß der Kaiser noch lebe, kehrte er um.
      Nach fünfwöchiger Haft war der Kaiser durch Vermittlung des Bischofs von Benevent wieder freigelassen worden; er mußte mit den Seinen schwören, daß er niemals Rache nehmen und nie mehr mit einem Heer das beneventanische Gebiet betreten werde. Die Freilassung wurde durch das Vordringen kaiserlicher Truppen und durch die Landung der Sarazenen beschleunigt, die noch während der Haft des Kaisers von Afrika aufgebrochen waren, bei Salerno ein Heer von 30.000 Mann landeten und plündernd gegen Neapel, Capua, Benevent zogen. Tief erbittert befahl der Kaiser dem Papst, sogleich zu ihm zu kommen und ihn und die Seinen von dem den Rebellen geleisteten Eid zu lösen. Er dürstete danach, die Beneventaner zu züchtigen. Im nächsten Jahr kam er nach Rom. In feierlicher Versammlung sprach ihn der Papst von dem "durch Todesfurcht erpreßten" Eide los und krönte ihn nochmals am Pfingsfeste. Dann brach der Kaiser mit einem Heer nach Unteritalien auf.
      Im Sommer 874 traf Ludwig der Deutsche mit Kaiser LUDWIG unfern Verona zusammen. Der Kaiser war, als es ihm trotz glücklicher Kämpfe gegen die Sarazenen und trotz der Unterwerfung der anderen langobardischen Herzoge nicht gelungen war, auch Benevent, das jetzt unter griechische Oberhoheit stellte, wieder zu nehmen und Herzog Adelchis zu züchtigen, nach Oberitalien zurückgekehrt. Zu den Unterhandlungen mit dem deutschen König ließ er sich von Papst Johann VIII. begleiten. Wir erfahren nichts über deren Inhalt. Zweifelsohne wurden Abmachungen über die Nachfolge in Italien zu Gunsten des deutschen Hauses getroffen.
      Am 12. August 875 starb Kaiser LUDWIG in der Nähe von Brescia. Er soll noch vor seinem Hinscheiden den ältesten Sohn des deutschen Königs, Karlmann, als seinen Nachfolger bezeichnet haben.

      Hlawitschka, Eduard: Seite 185, "Die Widonen im Dukat von Spoleto" in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka

      Kaiser LUDWIG II. hatte sich seit Beginn seiner Heerfahrt gegen die Sarazenen im Frühjahr 866 nicht mehr aus Mezzogiorno fortbewegt; er war fest entschlossen, die S-Italien- und Sarazenenfrage mit einem "Endsieg" zu lösen, und sprach schon von "unserem Beneventanischen Reich". Im Februar 871 war ihm schließlich die Einnahme Baris gelungen. Nur noch an kleinen Plätzen hielten sich verstreut die Sarazenenreste. Pläne zur Vertreibung der Sarazenen aus Sizilien wurden bereits geschmiedet. LUDWIG II. stand auf der Höhe seiner Erfolge. Die süditalienischen Kleinfürsten von Benevent, Salerno, Neapel usw. begannen deshalb zu fürchten, daß ihre Eigenstaatlichkeit mit der Sarazenengefahr ein jähes Ende finden könnte. Mißtrauen gegenüber den kaiserlichen Zukunftsplänen keimte auf. Verdacht und Beschuldigungen richteten sich vornehmlich gegen die Kaiserin Angilberga, die in den letzten Jahren in rigorosem Besitzstreben eine ganze Serie von Schenkungen in Ober- und Mittelitalien von ihrem Gemahl zugesprochen bekommen hatte [Vgl. BM² nr. 1183 (Morgengabe von 860, nicht 851; zur Datierung vgl. G. v. Pölnitz-Kehr [wie Anm. 95] Seite 433), und dann ab 864 nrn.: 1226,1227,1235,1236,1240,1241,1244,1245. Interessant ist dabei, daß LUDWIG II. die letzten vier Schenkungen schon durch "die Zustimmung der Großen" absichern ließ, was anzeigt, daß mit Widerständen gegen die Verwirklichung gerechnet wurde. Dazu vgl. auch J. Fischer, Königtum (wie Anm. 75) Seite 37.] und die auf die Entscheidungen des Kaisers zusehends Einfluß gewann [Sie wird zum Beispiel in die Behandlung der Eheangelegenheit Lothars II. eingeschaltet, vgl. BM² nr. 1222 i, 1241 b; sie wird auch 871 nach Ravenna zur Vorbereitung der Reichsversammlung und zur Vorverhandlung mit den Großen vorausgesandt, vgl. BM² nr. 1251 d. Nach dem Chron. Salernit. c. 109, MG SS III Seite 527, soll vor allem sie die Beneventaner gequält bzw. verfolgt haben, was von Erchempert, Hist. c. 34, Seite 247, allgemein den Galli angelastet wird. Bei der Gefangensetzung durch Adelgis soll LUDWIG II. sie zornig vieler Ungerechtigkeiten beschuldigt haben. Symptomatisch für die offenbar Angilberga anzulastenden Mißgriffe ist vor allem die Entladung der Spannungen 872 gleich nach der Eidlösung des Kaisers durch den Papst und seiner Neukrönung.]. Der Herzog Adelgis von Benevent, den Angilberga - wie gemunkelt wurde - ins Exil schicken lassen wollte, handelte daraufhin als erster. Er setzte in nächtlicher Aktion den gerade bei ihm weilenden Kaiser LUDWIG samt seiner Familie und Begleitmannschaft am 13. August 871 gefangen. Erst nachdem LUDWIG, seine Frau und sein Gefolge geschworen hatten, niemals diese Aktion zu rächen und nie wieder in feindlicher Absicht beneventanischen Boden zu betreten, durften sie (am 17. September 871) abziehen.

      5.10.851 oo Engelberga von Parma, Tochter des Grafen Adelgisus, um 830/35- 896/901
      Kinder:
      - Gisela Äbtissin von S. Salvatore in Brescia (861-868) 852/55-28.4.868
      - Ermengard Äbtissin von S. Salvatore in Brescia (878-896) 852/55-22.6.896
      876 oo Boso Graf von Vienne -11.1.887

      Literatur:
      Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 120,139,227 - Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln, Seite 11,20,67,108,140 - Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986, Seite 245 - Dümmler Ernst: Die Chronik des Abtes Regino von Prüm. Verlag der Dykschen Buchhandlung Leipzig Seite 10,12,21,36,49-53,56,62,64 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 236,237,239,290,327,328,379,380,399,433,453,491,494,496,511-516,535,569,582,630,639,663,675, 677,689,704,707-710,711-714,742,779,780,810,823/Band II Seite 8,19,24,666,690-692 - Engels Odilo/Schreiner Peter: Die Begegnung des Westens mit dem Osten. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1993, Seite 62,63,70,123 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 52 - Glocker Winfrid: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Böhlau Verlag Köln Wien 1989, Seite 90 - Görich Knut: Otto III. Romanus Saxonicus et Italicus. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995, Seite 200 - Gregorovius Ferdinand: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. dtv-Bibliothek 1978 Band I Seite 500,505,506,516,518,519,521,522,525,528,540,542,545, 546 - Hlawitschka Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert.Kommissionsverlag: Minerva-Verlag Thinnes Nolte OHG Saarbrücken 1969, Seite 9 - Hlawitschka, Eduard: Die Widonen im Dukat von Spoleto, in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Bern - New York - Paris, Seite 155-227 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968, Seite14,18-20,23,27,29,31-33,35,50,59,71,90,95,101,130,157,208,242,246 - Hlawitschka, Eduard: Vom Frankenreich zur Formierung der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft 840-1046, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1986 - Holtzmann Robert: Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1971, Seite 15,191,207 - Kimpen Emil: Zur Königsgenealogie der Karolinger- bis Stauferzeit - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien 1976, Seite 103,118-126 - Liudprands von Cremona: Werke in: Quellen zur Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Band VIII Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1977 Seite 530 - Mühlbacher Engelbert: Deutsche Geschichte unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, Band II Seite 280 - Norwich John Julius: Byzanz. Der Aufstieg des oströmischen Reiches. Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1993, Band II Seite 69,96,113,117,120 - Rappmann Roland/Zettler Alfons: Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 136,421,432,517 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 208-212,215-224,238,263 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite 139,147-149,152-154,160-165,171,178,186,195 - Schneidmüller Bernd/Weinfurter Stefan: Otto III. Heinrich II. Eine Wende? Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1997, Seite 11A,274,284,315 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 57,62, 73,77 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995, Seite 442 - Wies Ernst W.: Otto der Große. Kämpfer und Beter. Bechtle Verlag Esslingen 1989, Seite 27,253 -
      [1]
    • Neue Deutsche Biographie
      L. nimmt unter den spätkaroling. Herrschern eine Sonderstellung ein. Erzählende Quellen aus L.s Umkreis fehlen, die meisten Chronisten stehen ihm distanziert gegenüber (Liber Pontificalis, Hinkmar von Reims, Erchempert von Montecassino). Eine kritische Edition seiner ca. 80 erhaltenen Urkunden (wozu noch etwa 50 Deperdita kommen) liegt noch nicht vor. Wichtige Ereignisse lassen sich nicht einmal chronologisch genau einordnen.

      Geboren als ältester Sohn Kaiser Lothars I. frühestens 822 und kaum später als 825, ist L. vermutlich mit diesem spätestens 829 nach Italien gekommen, doch ist über seine Jugend und Erziehung nichts bekannt. Der Großvater, Ludwig d. Fromme, scheint ihm 839 (wie einst Karl d. Große seinem Enkel Bernhard) Italien als Herrschaftsbereich zugewiesen zu haben. Nachdem Lothar I. im Juli 840 Italien für immer verlassen hatte, wuchs L. in die traditionelle Rolle eines fränk. Unterkönigs mit eingeschränkter Regierungsgewalt hinein. In eigenem Namen Urkunden konnte er zunächst nicht; auch blieb der Vater durch seine Missi weiter in Italien vertreten, doch begannen italische Privaturkunden schon seit 840 vereinzelt nach L. als dem neuen rex Italiae, der auch schon über eine eigene Hofkapelle verfügte, zu datieren.

      L. sah sich alsbald mit jenen Kräften konfrontiert, die für sein politisches Schicksal bestimmend wurden: den Arabern, die von Afrika aus nach den byzantin. Restbesitzungen in Sizilien und Süditalien zu greifen begannen und dabei auch die langobard. Fürstentümer bedrohten, und dem röm. Papsttum, dessen Patrimonien bald ebenfalls Ziel arab. Streifzüge wurden. Im Sommer 842 vereinbarte Lothar in Trier mit einer byzantin. Gesandtschaft ein Bündnis gegen die Araber und eine Verlobung L.s mit einer griech. Prinzessin, doch verlautet von dieser Absprache dann nichts mehr. Zwei Jahre später zog L. im Auftrag seines Vaters mit fränk. Heeresmacht und in Begleitung seines Großoheims, des EB Drogo von Metz, nach Rom, wo man bei der Erhebung des neuen Papstes Sergius II. die in der Constitutio Romana von 824 festgelegte kaiserliche Mitwirkung übergangen hatte. Eine von Drogo in Anwesenheit L.s geleitete Synode erkannte nach harten Kontroversen Sergius an, doch mußten die Römer dem Kaiser neuerlich einen Treueid leisten und Garantien für künftige Papstwahlen geben. Anschließend salbte Sergius L. zum König „der Langobarden“, wodurch die traditionelle Sonderstellung des italischen Unterkönigreichs gefestigt wurde, auch wenn die Salbung im Sinne fränk. Rechtsvorstellungen nicht konstitutiv für das Königtum L.s war. Noch in Rom erschien Fürst Siginolf von Benevent und huldigte L.; 845 sind auch erstmals Königsboten L.s in richterlicher Mission bezeugt. Ein Deperditum aus demselben Jahr läßt den Schluß zu, daß L. nun auch in eigenem Namen Urkunden konnte. Vor Ende der 40er Jahre schließlich setzt auch die Kapitulariengesetzgebung L.s ein. – Als im Sommer 846 arab. Korsaren die Peterskirche plünderten und erst nach schweren Kämpfen, an denen wahrscheinlich L. noch mit schnell zusammengezogenen Truppen beteiligt war, wieder nach Süden abgedrängt werden konnten, bestellte Lothar seinen Sohn zu sich über die Alpen, um über Gegenmaßnahmen zu beraten. Der damals beschlossene Feldzug, der erst 848 zustandekam, brachte aber keinen nachhaltigen Erfolg. Es gelang L. nur, einen Friedens- und Teilungsvertrag zwischen den verfeindeten langobard. Fürsten Siginolf (von Salerno) und Radelchis (von Benevent) zustandezubringen und so die Ausgangslage für die Abwehr der arab. Expansion in Süditalien zu verbessern.

      Im Jahre 850 griff Lothar abermals entscheidend in die Geschicke Italiens ein. Er designierte L. zum Mitkaiser und schickte ihn nach Rom, wo er zu Ostern 850 von Papst Leo IV. zum Kaiser gesalbt wurde. Daß diesem Akt aus späterer Sicht grundsätzliche Bedeutung zukam – der Papst war damit endgültig als alleiniger Konsekrator anerkannt -, war den Zeitgenossen nicht bewußt. Mit der Kaisersalbung, die der päpstliche Chronist wegen seiner Abneigung gegen jede Art von Mitkaisertum verschweigt, begann die selbständige Herrschaft L.s, dem jetzt die volle Kirchenhoheit, auch über Rom und das Patrimonium B. Petri, zustand. Die überlieferten Urkunden L.s, in denen Lothar I. als Erstkaiser wie üblich protokollarisch genannt wird, setzen Anfang 851 in dichter Folge ein –|als Epochendatum gilt der Tag der Kaiserweihe –, während Lothar in der Folgezeit nur noch in Ausnahmefällen für italische Empfänger geurkundet hat.

      L.s selbständige Politik folgte zunächst ganz den von Lothar I. († 855) vorgezeichneten Grundzügen. Dies gilt sowohl für den 852 mit unzureichenden Kräften erneuerten Versuch, die Araber im Süden der Halbinsel zurückzudrängen, als auch für seinen erstmals 853 und seitdem mehrfach (so bei der Wahl der Päpste Benedikt III. 855, Nikolaus I. 858 und schließlich Hadrian II. 867) nachdrücklich vertretenen Anspruch auf die umfassende, auch die Gerichtshoheit einschließende kaiserliche Oberhoheit über Rom und den Kirchenstaat im Sinne des römischen Vertragswerks von 824/25, das er mit neuem Leben erfüllte. Vor allem aber zeigt sich diese auffallende politische Kontinuität in dem 856 erkennbaren Verzicht des nunmehr alleinigen Kaisers auf eine expansive großfränk. Politik (Ausgleich mit seinen Brüdern Lothar II. und Karl von der Provence 856 in Orbe, mit Lothar II. 864 und 865 abermals in Orbe). Daß sich L. dabei zunächst an seinen Oheim Ludwig „den Deutschen“ von Ostfranken, den Senior der Dynastie, angelehnt hat (Treffen 857 in Trient), entsprach ganz traditionellen fränkischen Rechtsvorstellungen. Aus dem gemeinsamen Erbe seines Vaters erhielt er schließlich (863) nur den östlichen Teil der Rhôneländer. Es lag ganz auf der Linie dieser der Reichseinheitsidee nicht länger verpflichteten Politik, daß L. auch nach dem Tod seines unglücklichen Bruders Lothar II. 869 keinen ernsthaften Versuch unternommen hat, den formal damals erhobenen und von Papst Hadrian II. auch unterstützten Anspruch auf das Reich Lothars II. zu realisieren. L.s Kaisertum blieb dauerhaft auf Italien beschränkt, was schon Hinkmar veranlaßt hat, von L. als dem imperator Italiae zu sprechen.

      Es lag in der Konsequenz dieser Konzentration auf Italien, daß L. bald neue Akzente in der inneren Entwicklung seines Reiches gesetzt hat. Stand die umfassende Kapitulariengesetzgebung der 50er Jahre noch in bester karoling. Tradition, so ließ der starke personelle Ausbau der Hofkapelle, deren Mitglieder zunehmend von der Weltgeistlichkeit der oberitalischen Bischofssitze gestellt wurden (Piacenza, Cremona, Pavia), bereits eine über das Vorbild seines Vaters hinausgehende Dimension erkennen, die auf eine stärkere Instrumentalisierung der Bischofskirchen für die Belange der Königsherrschaft hinauslief. Parallel hierzu stärkte L. ihm nahestehende Bischöfe und Bistümer (Cremona, Novara, Como, Bergamo, Padua, Piacenza, Parma, Reggio, Modena) durch umfassende Schutz- und Immunitätsverleihungen und intensivierte zu deren Schutz die missatische Rechtspflege, die sich zunehmend auf die zahlenmäßig stark angewachsene Gruppe der Hofrichter (iudices imperatoris, notarii imperatoris) stützte. Mit Beginn der 60er Jahre, als die alte, noch von den Gefolgsleuten Lothars I. gestellte Führungsschicht in den Schlüsselpositionen des Regnum und am Hofe abtrat (der Erzkapellan Joseph von Ivrea, ein alter Vertrauter Lothars I., verschwand schon Mitte der 50er Jahre, die noch aus der Kapelle Lothars I. stammenden bewährten Kanzlisten Druktemir und Remigius schieden Anfang der 60er Jahre aus), konnten sich die eigenständigen Tendenzen L.s stärker entfalten. Die damaligen Konzentrationsbestrebungen am Hof gingen so weit, daß das bisher einflußreiche Amt des Erzkapellans bzw. Erzkanzlers als Leiter der Hofkapelle und ihrer Beurkundungsstelle verwaiste und das Urkundenwesen selbst – in augenfälligem Bruch mit der Tradition – unter direkter Zuständigkeit des Kaisers neu geregelt wurde. Damals trat auch die Kaiserin Angilberga, eine aus einflußreichem oberitalischem Adel fränk. Herkunft (Supponiden) stammende Frau, die L. etwa 853 geheiratet hatte, als consors regni immer stärker in den Vordergrund. Angilberga, die ihrem Gemahl geistig überlegen gewesen zu sein scheint, übernahm in der Folgezeit wichtige diplomatische Missionen im Verkehr mit dem Papsttum und den Nachbarreichen.

      Mit Beginn der 60er Jahre scheint L. erstmals darangegangen zu sein, seine Herrschaft auch im Süden der Halbinsel stärker zur Geltung zu bringen (Unterwerfung des Fürsten Adelchis von Benevent im Hochsommer 860). Im Frühjahr 866 unternahm er den Versuch, in einer gewaltigen Kraftanstrengung ganz Süditalien unter seiner Führung zusammenzuschließen und die Araber zu vertreiben. Nach langen und wechselvollen Kämpfen, die sich fünf Jahre hinzogen, gelang es ihm im Februar 871 endlich, das lange vergeblich belagerte Bari, Sitz eines arab. Emirs, mit byzantin. Flottenhilfe einzunehmen. Damals stand L. auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere. Sein nach der Einnahme Baris an den byzantin. Kaiser gesandtes, wahrscheinlich von dem päpstlichen Bibliothekar und Vertrauten L.s, Anastasius, verfaßtes umfangreiches Schreiben gipfelt in einer bemerkenswerten Selbstdarstellung des westlichen Kaisertums, die ganz in der päpstlichen Auffassung vom Kaisertum wurzelt. Schon der Titel, den L. in seinem Schreiben zum ersten Mal führt, ist in diesem Sinne programmatisch: L. imperator augustus Romanorum. Das byzantin. Kaisertum wird als nicht-römisch und nicht-päpstlich (d. h. apostatisch) abgewertet.

      Dem Triumph L.s folgte noch 871 ein schwerer Rückschlag: Adelchis von Benevent, in seiner Unabhängigkeit immer weiter eingeschränkt, nahm den ahnungslosen Kaiser nebst Familie und engsten Vertrauten gefangen, ließ den kaiserlichen Schatz plündern und zwang L. zu dem Eid, nie wieder in feindlicher Absicht nach Benevent zurückzukehren. Erst dann, nach fünfwöchiger entehrender Gefangenschaft, ließ er ihn wieder frei. Obwohl L. sofort anschließend energisch daranging, mit Hilfe Hadrians II., der ihn vom Eid löste und etwa Pfingsten 872 eine feierliche Neukrönung („Befestigungskrönung“) vornahm, seine Stellung wieder zu festigen, konnte er Benevent nicht wieder unterwerfen. Im Herbst 873 kehrte er für immer nach Norden zurück. Angilberga und seine einzige noch lebende Tochter Irmingard, die zunächst in Capua zurückgeblieben waren, folgten dem Kaiser ein Jahr später. Süditalien wurde wieder Kampffeld arab. Emire, griech. Statthalter und geschickt lavierender christlicher Kleinfürsten, die die Araber als potentielle Verbündete mehr und mehr in ihr politisches Kalkül einbezogen. Byzanz, das sich in Bari festsetzte, zog als einziger Beteiligter dauerhaften Nutzen aus dem Scheitern L.s. Die Gründe für den Aufstand des Adelchis und seiner Mitverschwörer sind in dem Versuch L.s zu suchen, in Süditalien eine Königsherrschaft nach oberitalisch-fränk. Muster aufzurichten. Sein Versuch wurde von den Langobarden um so mehr als Fremdherrschaft empfunden, als sich L. zunehmend auf oberitalische Gefolgsleute im Umkreis der Kaiserin stützte (Graf Suppo).

      Die letzten Lebensjahre des Kaisers standen ganz im Zeichen der ungelösten (und auch unlösbaren) Nachfolgefrage. Da aus der Ehe mit Angilberga (an der L. bis zu seinem Tod mit Zeichen echter Zuneigung festhielt, obwohl die ehrgeizige Kaiserin seiner Umgebung zunehmend verhaßt wurde) nur zwei Töchter hervorgegangen waren, blieb die dynastische Frage, an der schon Lothar II. gescheitert war, grundsätzlich offen. Daß die Oheime des Kaisers, vor allem der etwa gleichaltrige Karl d. Kahle, dem Hadrian II. bereits 872 die Kaiserkrone in Aussicht gestellt hatte, unverhohlene Nachfolgepläne schmiedeten, lag ganz in der Tradition genossenschaftlicher Samtherrschaft gleichberechtigter Karolingersprosse in einem noch nicht verfestigten Teilungsgefüge. Angesichts dieser Ausgangslage setzte man am Hofe L.s ganz auf die ostfränk. Karte. Angilberga traf sich bereits im Mai 872 in Trient mit Ludwig „dem Deutschen“, L. selbst zwei Jahre später mit ihm bei Verona. Obwohl die gegen Karl d. Kahlen gerichteten diplomatischen Initiativen – ein Geheimabkommen sah anscheinend die Nachfolge Karlmanns von Bayern vor – nicht verborgen bleiben konnten und insbesondere Karl d. Kahle sich unmittelbar bedroht fühlte, kam es nicht zu einem förmlichen, durch Garantieeide der Großen bekräftigten Vertragswerk, das die Nachfolge Ludwigs „des Deutschen“ oder eines seiner Söhne verbindlich geregelt hätte, sondern anscheinend nur zu einer (rechtlich unverbindlichen) Designation Karlmanns durch L., über die sich Karl d. Kahle dann aber hinweggesetzt hat.

      Neben der Nachfolgefrage betrafen L.s Maßnahmen in seinen letzten Lebensjahren die Sicherung des Klosters Casauria, das er im Gebiet von Chieti an der Pescara nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft Ende 871 zu seinem Seelenheil und zur Feier seiner Memoria – nicht primär aus strategischen Gründen – gegründet hatte. Seine weitere Fürsorge galt damals seiner Gemahlin, die er zusammen mit Ludwig „dem Deutschen“ im Mai 874 bei Verona dem neuen Papst Johannes VIII. kommendierte und für deren großzügige vermögensrechtliche Absicherung er durch umfangreiche Schenkungen gesorgt hat.

      Am 12.8.875 ist L. im Gebiet von Brescia wohl auf einem der dortigen Königshöfe gestorben. Bischof Andreas von Brescia setzte ihn zunächst in seiner Kathedrale bei, mußte den Leichnam aber schon eine Woche später Erzbischof Anspert von Mailand überlassen, der ihn in feierlichem Zug nach Mailand überführte, wo er am 19. August in Sant'Ambrogio, der traditionsreichen Grablege der karolingischen Könige Italiens, endgültig bestattet wurde. Seine zeitgenössische Grabplatte feiert ihn als Friedensstifter und Sarazenenbezwinger.

      Durch bewußte Konzentrierung auf das ihm schon in jungen Jahren anvertraute Regnum Italiae hat L.s Herrschaft eine erstaunliche, in den spätkaroling. Regna einmalige Intensität und Stabilität erreicht. Der traditionellen Ordnungs- und Friedenssicherungsaufgabe seines Amtes war L. unter allen jüngeren Karolingern am ehesten gewachsen. Den in den karoling. Nachbarreichen damals wachsenden Einfluß von Hochadel und Episkopat hat er noch in Grenzen gehalten. Wäre seiner Politik die dynastische Kontinuität beschieden gewesen, so hätte auch das alte Regnum Langobardorum – ähnlich wie später Westfranken-Frankreich und Ostfranken-Deutschland, und wahrscheinlich sogar schneller als diese – zu eigenständigen staatlichen Grundlagen finden können.

      Daß es dem Hof L.s – nach allem, was wir wissen – an gelehrtem und künstlerischem Rang mangelte und geistige Interessen und Kontakte des Kaisers – mit Ausnahme seiner Beziehungen zu Anastasius Bibliothecarius – kaum erkennbar sind, lag einerseits an der spezifischen Tradition des italischen Karolingerhofes, zum andern aber an den politischen Schwerpunkten seiner Regierungstätigkeit. Die Hälfte seiner selbständigen Regierungszeit (seit 850) hat er in Süditalien verbracht, zu dauerhafter Residenzbildung ist es nirgendwo gekommen. An der theoretischen Diskussion über grundsätzliche Fragen der Reform von Reich und Kirche, wie sie nach dem Ende der Periode der karoling. Brüdergemeine (etwa 854/855) vor allem im westfränk. Reich aufkam, war sein Hof nicht beteiligt – wie überhaupt Italien damals (wohl infolge einer anderen Geistes- und Interessenrichtung) keine den großen westfränk. Theologen vergleichbaren Köpfe hervorgebracht hat.

      Da das Regnum Italiae nach L.s Tod wieder in das Teilungsgefüge des zerfallenden großfränk. Reiches zurückfiel und eine kurzfristige Regierung die nächste ablöste (Karl d. Kahle, Karlmann, Karl III. usw.), wurde der weit fortgeschrittene Verselbständigungsprozeß dort abrupt unterbrochen und eine kontinuierliche Weiterentwicklung der königlichen Gewalt auf Dauer verhindert. Daß Italien nach dem Tode L.s wieder die Beute der letzten Karolinger und ihrer ehrgeizigen Verwandtschaft wurde, hat die ältere Geschichtsschreibung als persönliche Tragik dieses sympathischen Urenkels Karls d. Gr. empfunden. Der nüchterne Historiker unserer Tage wird eher geneigt sein, auf die strukturellen Widersprüche des untergehenden fränkischen Großreiches hinzuweisen.

      Literatur
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      [2]

  • Quellen 
    1. [S3] Karl-Heinz Schreiber, Genealogie-Mittelalter.de, .

    2. [S21] Neue Deutsche Biographie Onlinefassung, "Ludwig II. von Italien" in: Neue Deutsche Biographie null (null), S. null [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118574906.html.