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 Bohrer

von Hausen und Gleichenstorff, "Friedrich Carl" Anselm Joseph Wilhelm Friedmann

männlich 1758 - 1802  (~ 43 Jahre)


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  • Name von Hausen und Gleichenstorff, "Friedrich Carl" Anselm Joseph Wilhelm Friedmann 
    Taufe 24 Jul 1758  Lorsch [64653],Bergstraße,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [1
    • römisch-katholisch
    Geschlecht männlich 
    Beruf Oberforstmeister 
    Tod 27 Mai 1802  Neuschloß [68623],Bergstraße,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort  [2
    • abends 6 Uhr im Wald bei Neuschloss ermordet
    • "27 in festo gloriosae Ascensionis D.N.J.C. horam sextam vespertinam praenobilis ac perquam gratiosus Dominus Fridericus Carolus L. B. de Hausen Cammerarius Mogonus et Supremus rei forestariae in Sylvam Othonicam Magister in Silvam propé neocastellum â duobus feri petis duabus glandibus plumbeis per Stomachum et splenum matitiose trajectus, et casu filici â Sacrerdote gallo ibi praetereunte post factam confessionem absolutus annorum 44 Pie in Domino obijt."
    Verbindung von Erthal, Friedrich Karl Joseph (Beziehung: Pate) 
    Verbindung von Löwenstein, "Joseph" Johann Wenzel (Beziehung: Pate) 
    Verbindung von Hees, N. (Beziehung: Pate) 
    Personen-Kennung I10130  global | LorschKlh
    Zuletzt bearbeitet am 13 Feb 2022 

    Vater von Hausen und Gleichenstorff, Carl Joseph Franz Wolfgang,   geb. errechnet 1723   gest. 7 Mai 1793, Lorsch [64653],Bergstraße,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 70 Jahre) 
    Mutter von Ebernstein, Gräfin Ernestine   gest. 1 Aug 1758, Lorsch [64653],Bergstraße,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort 
    Familien-Kennung F2703  Familienblatt  |  Familientafel

    Familie Überbruck von Rodenstein, Maria Anna,   geb. 8 Okt 1772, Mannheim [68159],Mannheim,Baden-Württemberg,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 26 Feb 1849, Darmstadt [64283],Darmstadt,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 76 Jahre) 
    Eheschließung vor Sep 1800  [3
    Kinder 
     1. von Hausen und Gleichenstorff, "Friedrich" Carl Joseph Heinrich,   geb. 7 Sep 1800, Lorsch [64653],Bergstraße,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ortgest. 24 Feb 1883, Darmstadt [64283],Darmstadt,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort (Alter 82 Jahre)
     2. von Hausen und Gleichenstorff, Anton Joseph,   geb. 1 Mai 1802, Lorsch [64653],Bergstraße,Hessen,Deutschland Suche alle Personen mit Ereignissen an diesem Ort
    Familien-Kennung F18221  Familienblatt  |  Familientafel
    Zuletzt bearbeitet am 30 Dez 2016 

  • Ereignis-Karte
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    Pin-Bedeutungen  : Adresse       : Ortsteil       : Ort       : Region       : (Bundes-)Staat/-Land       : Land       : Nicht festgelegt

  • Fotos
    Hausenstein im Wald bei Neuschloß
    Hausenstein Hinweistafel

    Dokumente
    von Hausen Friedrich Carl G1758-07-24 KB Lorsch S28
    von Hausen Friedrich Carl G1758-07-24 KB Lorsch S28
    von Hausen Friedrich Carl G1758-07-24 KB Lorsch S29
    von Hausen Friedrich Carl G1758-07-24 KB Lorsch S29
    von Hausen Friedrich Carl T1802-05-27 KB Lorsch S219
    von Hausen Friedrich Carl T1802-05-27 KB Lorsch S219

  • Notizen 
    • Hans-Georg Bott

      Das Verbrechen am Hausenstein
      Eine Darstellung aufgrund der Strafakten des ehemaligen Hofgerichts Darmstadt


      Im Lampertheimer Wald bei Neuschloß, im sogenannten Hausenschlag (Abt. 53 ), steht am Rand der Hausentränke ein schlichtes Sandsteinkreuz, das die Inschrift trägt:

      C. F. von Hausen
      den 27. Mai 1802


      Man erreicht den Platz, wenn man von Neuschloß aus dem Mannheimer Weg in Richtung Lorsch folgt und zwischen Abt. 57 und Abt. 58 nach rechts in die Weidigschneise einbiegt. Diese Schneise, die nach dem verdienstvollen Lorscher Forstmeister Ludwig Weidig (1848 bis 1875) benannt ist, führt über eine Lichtung zur Abt. 53 und dann direkt zur Hausentränke, die infolge des abgesunkenen Grundwasserspiegels schon längst keine Wildtränke mehr ist. Sie stellt sich als kreisrunde Bodensenke von etwa 5 m Tiefe und 30 m Durchmesser dar. Links und rechts vom Kreuz stehen seit mehreren Jahren zwei Ruhebänke, die den Wanderer m abgeschiedener Waldesstille zum Verweilen einladen.
      Das Datum am Kreuz erinnert daran, daß an dieser Stelle am Himmelsfahrtstag, dem 27. Mai des Jahres 1802, eine schwere Bluttat geschah. Ihr Opfer war der letzte kurmainzische Obrist-Forstmeister Carl Freiherr von Hausen aus Lorsch seit 31. Januar 1786 im Amt.
      Das Hofgericht in Darmstadt befaßte sich damals sehr eingehend mit diesem Verbrechen. Die im Staatsarchiv in Darmstadt verwahrten hofgerichtlichen Strafakten, die die Aufschrift tragen: „Acta Judicii betr. Ermordung des ehemaligen Chur-Mainzschen Obrist-Forstmeisters von Haußen und Untersuchungssache gegen Martin Wegerle zu Lampertheim", enthalten das Ergebnis der damaligen Ermittlungen und damit eine aus vielen Zeugenaussagen und Berichten zusammengesetzte Darstellung jenes verhängnisvollen Geschehensablaufes, der vor genau 175 Jahren die damalige Öffentlichkeit - vor allem in Lorsch, Lampertheim und Umgebung - stark bewegt hat. Das ehemalige Darmstädter Hofgericht gelangte in eimem spektakulären Strafprozeß nach eingehenden Ermittlungen zu einem Freispruch des damaligen Mitbeschuldigten Martin Wegerle aus Lampertheim.
      Es war ein Prozeß, der msgesamt 23 Jahre lang die Gerichtsakten in Bewegung hielt. Der erste amtliche Ermittlungsbericht datiert vom 29.5.1802, der letzte gerichtliche Vermerk in den Akten trägt das Datum 6.10.1825.
      Die Kausalkette dieses schicksalhaften Himmelfahrtstages des Jahres 1802 begann zunächst in Lampertheim. Dort wohnte an der Südseite der Römerstraße, am Rande der Gärten und Felder nach dem Hollerngraben zu, der Beisasse Johannes Emmerich, der als Zimmergeselle bei dem Lampertheimer Zimmermeister Valentin David beschäftigt war. Emmerich lebte mit seiner Ehefrau Marie Barbara geb. Thomberger erst seit einigen Jahren in Lampertheim. Er hatte es über den ortsbürgerrechtlichen Status eines sogenannten „Beysassen", der zu jener Zeit gegenüber dem alteingesessenen Ortsbürger unterprivilegiert war und in einer Reihe öffentlicher Angelegenheiten nur mindere Rechte besaß, noch nicht hinausgebracht. Es gab damals in Lampertheim etwa 30 „Beysassen" und etwa 430 "Gemeinsleut" (Altbürger).
      Emmerich lebte in dürftigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Sein Lohn als Zimmerergeselle war gering und reichte zur Finanzierung seines Haushalts oft nicht aus. Von seinen fünf Kindern waren ihm vier im frühen Kindesalter verstorben, ein sechstes war unterwegs. Bei diesen Verhältnissen lag es nahe, daß er hin und wieder die Versorgungslücken seines Haushalts mit Nahrhaftem ergänzte, das er sich auf Wegen jenseits der Legalität beschaffte. So stand er auch in seiner Nachbarschaft in dem Ruf, als Wilddieb gelegentlich auf Pirsch in den Neuschlosser Wald zu gehen. Für den Himmelfahrtstag 1802 hatte er sich wieder einen kleinen Pirschgang dorthin vorgenommen. Dabei kalkulierte er, daß er an diesem hohen Feiertag im Wald von Jägern und Förstern ungestört sein werde. In aller Frühe suchte er seinen Schwager, den Lampertheimer Gemeinsmann und Kleinbauern Martin Wegerle, auf und lud ihn ein, ihn auf seinem Pirschgang zu begleiten. Er versuchte ihm das Unternehmen durch den Hinweis schmackhaft zu machen, daß "an der Tränke" die Wildschweine stark gingen und es dort bestimmt etwas zu schießen gäbe. Im übrigen sei der Forstmeister von Hausen nicht einheimisch, und der Neuschloßbeständer Franz Münch, der Forstaufseher, gehe am Himmelsfahrtstag bestimmt nicht ins Revier. Wegerle lehnte jedoch ab und redete auf Emmerich sogar noch ein, von seinem Plan an diesem Feiertag doch Abstand zu nehmen. Er wies auch darauf hin, daß Wilddieberei unter schwerer Strafe stehe und man sich diesem Risiko nicht aussetzen solle. Ein Zufall fügte es, daß Emmerich seinen Schwager Wegerle nachmittags auf dem Weg zum Wald erneut traf. Er führte sein Gewehr- eine "Musquete" mit abgeschnittenem Lauf- bereits bei sich und lud den Schwager erneut zum Mitkommen ein. Er wolle einen Hirsch schießen, dessen Wechsel er genau kenne, und in spätestens einer Stunde könnten sie wieder zurück sein. Wegerle ließ sich dieses Mal überreden und ging mit. Sie schlichen sich durch die Gärten und über die Felder bis zum Neuschlosser Wald. Gegen vier Uhr nachmittags kamen sie an der "Tränke im Holzschlag am Kindsbild" an. Sie setzten sich dort „hinter kleinen Tännchen" und warteten auf ihren Hirsch, während Emmerich sein Gewehr schußbereit vor sich hingelegt hatte.
      Inzwischen hatte sich Oberforstmeister Freiherr von Hausen von Lorsch aus aufgemacht, um eine Kontrollfahrt durch den Neuschlosser Wald zu unternehmen und später an der "Suhle" auf ein Wildschwein anzusitzen. Für den pflichtbewußten Forstmann ergab sich die Notwendigkeit einer unvermuteten Revierinspektion, weil zur damaligen Zeit eine erhebliche Zunahme der Forst- und Wildfreveldelikte zu verzeichnen war.
      In der pferdebespannten Dienstchaise, die in den frühen Nachmittagsstunden auf dem Mannheimer Weg nach Neuschloß holperte, saßen außer von Hausen dessen Hausdiener Joseph Wiesner, der Kutscher Valentin Humberger und der Kaufmann Sandel David, der schon wiederholt den Oberforstmeister bei Revierfahrten begleitet hatte. Der Neuschloßbeständer Franz Münch war nicht wenig überrascht, seinen hohen Forstvorgesetzten am Himmelsfahrtstag zu ungewohnter Stunde in Neuschloß zu empfangen. Bald nach der Ankunft entsandte von Hausen seinen Begleiter Sandel David zum Hochsitz an der "Suhle", wo dieser nach frischen Wildschweinspuren suchen sollte. David begab sich zu der nahen "Dorntränke" und stellte dort Wildschweinspuren, aber auch einige frische menschliche Spuren fest. Emmerich und Wegerle, die beide versteckt im Buschwerk an der Tränke saßen, bemerkte er nicht. Nach Neuschloß zurückgekehrt, berichtete er dem Oberforstmeister über seine Beobachtungen, worauf von Hausen bemerkte, daß die an der Tränke entdeckten menschlichen Spuren von dem Revierjäger Hübner herrühren könnten, der zusammen mit seinem Sohn häufig diesen Teil des Reviers begehe.
      Gegen 5 1/2 Uhr nachmittags fuhr von Hausen mit seinen drei Begleitern von Neuschloß wieder ab. Er ließ nach wenigen Minuten den Wagen in der Nähe der Dorntränke halten. Es dürfte dies etwa die Stelle sein, an der die jetzige Weidigschneise vom Mannheimer Weg abzweigt. Während der Diener Wiesner und der Kutscher Humberger beim Wagen zurückblieben, setzte von Hausen gemeinsam mit David Sandel den Weg zu Fuß fort, um sich auf einem damals in der Nähe der Tränke errichteten Hochsitz anzusetzen.
      Innerhalb weniger Minuten spielte sich dann dort ein blutiges Drama ab, dessen genauer Hergang durch die späteren Ermittlungen leider nicht exakt und mit letzter Sicherheit geklärt werden konnte. Das Herannahen des Oberforstmeisters wurde zuerst von Wegerle wahrgenommen, der Emmerich sofort "Zurück!" zurief.
      Dieser hatte aus seiner Position die beiden Herannahenden zunächst noch nicht erkannt. Während von Hausen dann auf die beiden Wilderer zusprang, will Wegerle ihm zugerufen haben, doch Gnade und Barmherzigkeit walten zu lassen.
      Der nachfolgende David Sandel hat jedoch - wie er in mehreren späteren Vernehmungen bekundete - einen derartigen Zuruf nicht vernommen. Er bestätigt aber, den Zuruf Wegerles "Zurück!" gehört zu haben. Dann fiel aber sofort ein Schuß und von Hausen sank getroffen zu Boden. In einer seiner späteren Vernehmungen hält es Wegerle für durchaus möglich, daß Emmerich diesen Schuß nicht absichtlich und gezielt abgegeben habe. Sein Schuß könne sich auch bei der Aufnahme des Gewehrs und der schnellen Wendung zur Flucht versehentlich gelöst haben. Der Oberforstmeister brachte trotz seiner schweren Verletzung in halbsitzender Lage sein Gewehr sofort in Anschlag. Nach Versagen des Kugellaufes feuerte er den zweiten mit Schrot geladenen Lauf auf die Wilddiebe ab. Emmerich wurde mit einigen Schrotkörnern an der Schulter und Wegerle in den Arm getroffen. Sie konnten jedoch beide ihre Flucht fortsetzen. Ein Versuch der beiden inzwischen herangekommenen Gehilfen Wiesner und Humberger, die Flüchtenden zu stellen, blieb ergebnislos. Sie konnten entkommen, verließen aber alsbald getrennt ihre Wohnungen in Lampertheim und trieben sich aus Furcht vor Festnahme und Strafe zunächst in den Wäldern der Umgebung herum. Emmerich tauchte in den folgenden Wochen, ehe er dann endgültig verschwand, noch einmal bei seinem Schwager Elias Walter in Dirmstein auf und ließ sich dort seine Schußwunde pflegen. Er erzählte dort, daß ihm beim Wildern sein Gewehr versehentlich losgegangen sei. Der Schuß habe einen Jäger getroffen und ihn „blessieret" (verletzt).
      Der schwer verletzte Oberforstmeister von Hausen wurde von seinen Begleitern sofort nach Neuschloß in Münchs Wohnung zurückgebracht. Münch sandte in aller Eile seine sämtlichen Dienstleute in die Umgebung, um einen Arzt zu holen. Der Verletzte, der zu diesem Zeitpunkt noch bei vollem Bewußtsein war, äußerte zu Münch, daß er einen der beiden Täter erkannt habe. Er werde ihn seinen Begleitern namhaft machen. Infolge seines raschen Kräfteverfalls unterblieb dies jedoch.
      Mittlerweile war der Chirurgus (Wundarzt) Nazarius Stahl aus Lorsch eingetroffen, der feststellte, daß von Hausen auf der linken Brustseite zwei dicht aneinanderliegende Kugeleinschüsse aufwies, die die Lunge an zwei Stellen verletzt hatten. Nach dieser ärztlichen Bezeugung ist also davon auszugehen, daß- entgegen allen Zeugenaussagen und der späteren Feststellung des Gerichts - der Täter nicht einen, sondern zwei Schüsse auf von Hausen abgefeuert haben muß. Der Arzt legte dem Schwerverletzten, der bereits viel Blut verloren hatte, einen Notverband an. Inzwischen hatte man auch den französischen Geistlichen L. Caesar, der sich an diesem Tag zufällig in Neuschloß aufhielt, an das Lager des Verletzten gerufen.
      Da er erkannte, daß die Verletzungen tödlich waren, hörte er den Oberforstmeister zur Beichte und erteilte ihm dann die Generalabsolution. Chirurgus N. Stahl veranlaßte hierauf den Abtransport des Schwerverletzten nach Lorsch. Weitere ärztliche Hilfe konnte ihm aber dort nicht mehr zuteil werden, da er unterwegs seinen schweren Verletzungen bereits erlegen war. In das Lorscher Forsthaus, das er vier Stunden zuvor gesund und heiter zu einer feiertäglichen Revierfahrt verlassen hatte, kehrte der letzte Chur-Mainzische Obrist-Forstmeister Carl Freiherr von Hausen tot zurück.
      In seiner heimatlichen Pfarrkirche in Lorsch, in der schon sein Vater in der Familiengrabstätte ruhte, der wie er Oberforstmeister an der Bergstraße gewesen war, wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung aus nah und fern beigesetzt.
      Er hinterließ zwei Kinder, Friedrich Karl Joseph(*7.9.1800) und Karl Theodor (* 1.5.1802), sowie die Ehefrau Marianne von Hausen geb. von Rodenstein. Die Witwe ging einige Jahre später mit dem Freiherrn von Werner, Generalmajor und Gouverneur der Residenz Darmstadt, eine neue Ehe ein. Aus den Gerichtsakten ist ersichtlich, daß der Bruder der Witwe, der kurtrierische Kammerherr Heinrich von Rodenstein, zunächst der Vormund der beiden Kinder war.
      Die hessische Amtsvogtei Lorsch stellte durch den damaligen landgräflichen Amtsvogt Will am 4.2.1804 gemäß den gesetzlichen Vorschriften das Verzeichnis über den Nachlaß des Oberforstmeisters von Hausen auf, aus dem sich ergibt, daß das Mobiliar- und Immobiliarvermögen des Erblassers einen Schätzwert von 5300 Gulden hatte. Aus diesen urkundlichen Unterlagen ist ferner ersichtlich, daß die Witwe bis zu ihrer Wiederverehelichung für sich und die beiden Kinder ein "Gnadengehalt" in Höhe von jährlich 200 Gulden von der Großherzoglichen Fiskalkasse bewilligt bekam.
      Das kurfürstlich-mainzische Oberamt Starkenburg ließ sofort nach der Bluttat Fahndungsmaßnahmen gegen die beiden zunächst unbekannten Täter anlaufen, über die die drei Begleiter des Oberforstmeisters eine detaillierte Personalbeschreibung abgegeben hatten. Eine Staatsanwaltschaft, heute als Behörde der Strafverfolgung für ein solches Ermittlungsverfahren zuständig, gab es damals noch nicht; sie wurde 1846 zuerst im damaligen Preußen eingerichtet. Mit der Durchführung der Ermittlungen war der Hofgerichtsrat Johann Aloys Joß betraut, der Leiter des Lampertheimer Amtes.
      Als Joß nach wenigen Tagen von dem Zimmermeister Valentin Dielmann aus Lampertheim in Erfahrung brachte, daß der Beisasse Johannes Emmerich und sein Schwager, der Gemeinsmann Martin Wegerle, beide aus Lampertheim, die Täter seien, bedeutete dies für ihn noch keineswegs die Aufklärung des Kriminalfalles.
      Aus den Strafakten ist nicht ersichtlich, woher Dielmann seine präzise Täterkenntnis hatte. In mühevoller Kleinarbeit- ohne kriminalistischen Fahndungsapparat und ohne die heutige Technik der Ermittlungspraxis - machte sich Joß nun an eine exakte Tatsachenfeststellung. Bei seiner genauen Kenntnis von Land und Leuten, die er sich durch seine vorangegangene 25jährige Tätigkeit als Leiter des Amtes Lampertheim, der vormaligen Kellerei Stein, erworben hatte, waren ihm die persönlichen Verhältnisse der damals in Lampertheim lebenden 430 Gemeinsleute (Altbürger) und der etwa 30 Beisassen (Zugezogene) im wesentlichen bekannt. Von Martin Wegerle wußte er, daß dieser im dörflichen Ansehen zwar nicht vorne stand, aber nach seiner Gesamtpersönlichkeit war ihm die Mordtat an dem Oberforstmeister kaum zuzutrauen. Näherliegend schien, daß er mehr oder minder zufällig zur Rolle eines Tatgehilfen gekommen war.
      Die Haussuchungen bei Emmerich und Wegerle blieben ohne Erfolg. Die Tatwaffe oder sonstwie belastendes Material wurden nicht vorgefunden. Beide Beschuldigte hatten seit Tagen ihre ehelichen Wohnungen in Lampertheim verlassen und waren flüchtig. Die Vernehmungen der Ehefrauen erbrachten keinen konkreten Hinweis auf ihren Aufenthalt. Während die Ehefrau Wegerle behauptete, ihr Mann sei auf dem Weg nach Mainz, um dort eine Fuhre Tabak abzuliefern, erklärte Frau Emmerich, daß ihr Ehemann weggegangen sei, um seinen als Offizier in kaiserlichen Diensten stehenden Bruder zu besuchen.
      Nunmehr veranlaßte Joß die Publikation eines Fahndungsersuchens in der "Mannheimer Zeitung" und im "Wormser Wochenblatt" mit einem genauen "Signalement" (Personenbeschreibung). Da man annahm, daß beide Täter oder zumindest einer durch den aus kurzer Entfernung abgefeuerten Schrotschuß des Oberforstmeisters verletzt sein mußten, wurden sämtliche in Lampertheim und Umgebung praktizierenden Doctores und Chirurgi befragt, ob sie Personen, auf die die Täterbeschreibung zutraf, in ihren Praxen behandelt hätten. Weil aber weder Emmerich noch Wegerle ärztliche Hilfe zur Versorgung ihrer Schußwunden in Anspruch genommen hatten, mußten auch auch diese Erhebungen erfolglos bleiben.
      Die Aussagen des Kutschers Valentin Humberger und des Dieners Joseph Wiesner erschienen für die Tatsachenfeststellung von besonderer Wichtigkeit. Ihre Vernehmung scheiterte, weil beide sofort nach dem Tod ihres Dienstherrn von Hausen aus ihrem Arbeitsverhältnis geschieden waren und niemand angeben konnte, wohin sie sich anschließend begeben hatten. Ein Fahndungsersuchen nach ihnen, das schließlich ein Jahr später veröffentlicht wurde, blieb gleichfalls ohne Erfolg.
      Inzwischen hatte das Hofgericht in Darmstadt gegen beide Beschuldigte einen Haftbefehl erlassen, der lautete:

      "Es wird hiermit auf erhaltenen Höchsten Befehl dem Amt Lampertheim aufgegeben, nicht nur Martin Wegerle sondern auch den des Mordes verdächtigen Beysaß Joh. Emmerich sogleich beidem Kopf und in guten Gewahrsam zu nehmen und sie in das Radhaus in Darmstadt einzuliefern.
      Das Oberamt Starkenburg möge eine zweckmäßige Anzahl namhafter Cent-Untertanen requirieren und durch sie den Haftbefehl realisieren.
      "

      Zu den in diesem Haftbefehl erwähnten Zentuntertanen zählten damals alle vom zuständigen Zentgericht auf dem Landberg bei Heppenheim vereidigten Zentbürger aus insgesamt 33 Orten der Umgebung. Aufgrund ihrer Eidesverpflichtung hatten sie mit Gewehr und Harnisch den landesherrlichen Beamten Beistand zu leisten, um die Verdächtigen zu ergreifen.
      Der Vollzug des Haftbefehls mußte jedoch unterbleiben, da Emmerich wie auch Wegerle weiterhin unbekannten Aufenthaltes waren. Während von Emmerich keinerlei Lebenszeichen existierte, hielt sich Wegerle aus Furcht vor Festnahme in den dichten Wäldern der Umgebung verborgen, tauchte aber hin und wieder bei Bekannten und auch zu Hause auf, um sich für das harte und unstete Leben im „Untergrund" mit dem Nötigsten an Nahrung und Kleidung zu versorgen. Wiederholt wurde er dabei, wie die Akten berichten, gesehen, und so nimmt es nicht wunder, daß bald Briefe beim Hofgericht eingingen, in denen Beschwerde geführt wurde, daß er "zum Ärgernis des Publikums" ungehemmt und unangefochten umhergehe.
      Hofgerichtsrat Joß ließ sich durch solche Eingaben in seinen amtlichen Maßnahmen nicht beeinflussen. Er gelangte mehr und mehr aufgrund des Ermittlungsergebnisses zu der Überzeugung, daß Wegerle überwiegend durch einige Zufälligkeiten in das Tatgeschehen hineingezogen worden sein müßte, ferner, daß die Tat nicht zu seinem persönlichen Gesamtbild passe und daß lediglich eine geradezu panische Angst vor den vermeintlichen Folgen ihn im verborgenen halte.
      Die Furcht Wegeries vor schweren Leibesstrafen, die die Gerichte damals wegen eines solchen Deliktes zu verhängen pflegten, erhielt gerade in jenen Tagen erneut Nahrung, als nach einem spektakulären Prozeß ein gewisser Johannes Bückler, genannt Schinderhannes, zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn in Mainz zum Tode verurteilt und sofort hingerichtet worden waren. Im übrigen aber war damals weithin bekannt, daß die Härte der Gerichtsurteile in erster Linie auf den damals geltenden Strafvorschriften beruhte. In Lampertheim und Umgebung galt damals die Malefizordnung des Pfalzgrafen bey Rhein vom 11.6.1610, die im wesentlichen eine Nachbildung der berühmten Bambergischen Halsgerichtsordnung (1507) und der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. (1532) war. In 44 ihrer insgesamt 70 Tituli (nicht Paragraphen) drohte dieses Strafgesetz die Todesstrafe bzw. Leib- oder Lebensstrafe an, z.T. auch für geringfügige Vergehen, die heute mit kurzen Freiheits- oder Geldstrafen geahndet werden, ja sogar für solche Delikte - z.B. Zauberei, Unkeuschheit wider die Natur, Abtreibung, Ehebruch-, die heutzutage überhaupt nicht mehr unter Strafe stehen.
      Indessen erschien es Joß dringend notwendig, den Beschuldigten Wegerle so bald wie möglich verantwortlich zu vernehmen, um den Tathergang zu klären. Um dies zu erreichen und in der Überzeugung, daß Wegerles Tatbeitrag sehr gering zu veranschlagen sei, richtete Joß einen Antrag an das Hofgericht, dem "lnquisiten Martin Wegerle ein salvum conductum (freies Geleit) zu gewähren". Dem Antrag wurde alsbald stattgegeben, zumal inzwischen auch Wegerles Verteidiger, der damals sehr bekannte Darmstädter Advokat Dr. Muhl, in überzeugender Weise vorgetragen hatte, daß "der Inculpat Wegerle an der Tathandlung und den tödlichen Folgen nicht den geringsten Anteil gehabt habe und ihm daher sententza absolutoria (somit Freispruch wegen erwiesener Unschuld) zu gewähren sei".
      Die verantwortliche Vernehmung Wegerles fand vor dem Lampertheimer Amtsoberschultheißen Weidner und den beiden Gerichtsschöffen Adam Thomas und Jakob Seelinger, beide aus Lampertheim, statt. Zu dieser Vernehmung fand er sich pünktlich ein. Das vom Hofgericht zugesicherte freie Geleit gab ihm die Gewähr, daß er nicht verhaftet werden konnte. Das in Frage und Antwort gehaltene umfangreiche, handschriftlich abgefaßte Vernehmungsprotokoll läßt erkennen, wie diese Amtspersonen des alten Lampertheimer Dorfgerichts in korrekter und gewissenhafter Weise eine schwierige richterliche Untersuchungshandlung durchzuführen vermochten und mit welcher erstaunlichen Sachkunde sie bemüht waren, das Tatgeschehen aufzuklären. Die Vernehmung hatte für Wegerle ein günstiges Ergebnis, vor allem aber die Folge, daß das freie Geleit auch für die nächsten Tage bestehen blieb und das Hofgericht schließlich den Haftbefehl gegen ihn außer Vollzug setzte.
      Aufgrund der Vernehmung ergaben sich jedoch zu den Angaben des einzigen Tatzeugen, des Sandel David aus Lorsch, einige Widersprüche. Um diese Widerspruche zu klären, nahmen die gleichen Amtspersonen einige Tage später eine Gegenüberstellung von Sandel David und Wegerle vor, die aber ergebnislos blieb. Beide beharrten auf ihren Aussagen. Es folgte sodann die "geschärfte Eidesbelehrung" des Zeugen Sandel David, eine Maßnahme der Wahrheitsermittlung, die es heute schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr gibt. Die "geschärfte Eidesbelehrung" konnte damals in jeder Verfahrenssituation angeordnet werden, wenn sie zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage geboten erschien. Sie setzte voraus, daß der betreffende Zeuge vor Gericht von einem Seelsorger seiner Konfession nochmals eindringlich über seine Eides- und Wahrheitspflichten, vor allem über die schlimmen Folgen, die er in religiöser und weltlicher Hinsicht bei einer falschen eidlichen Aussage zu erwarten habe, belehrt wurde. Das geschah in diesem Fall, indem der "Schulmeister" Levy Bollas aus Lampertheim die geschärfte Eidesbelehrung des Zeugen Sandel David in Gegenwart des Amtsoberschultheißen Weidner und seiner Gerichtsschöffen durchführte. David leistete hierauf den Eid, seine Aussage erbrachte jedoch kein anderes Ergebnis. Die diversen Widersprüche zur Einlassung Wegerles blieben bestehen.
      Nach Abschluß der Beweisaufnahme gingen die Akten an das Hofgericht in Darmstadt zurück. Die zuständige Kammer war mit den Landgerichtsräten Wolfs und von Erdner, dem Geheimen Regierungsrat Sayst und Geheimrat von Hertling besetzt. Dieses Richtergremium stand, wie aus anderen Vorgängen bekannt ist, damals in dem Ruf, sehr sorgfältig und objektiv die Fakten und Tatumstände eines Falles zu prüfen, ehe es zu einem Urteilsspruch gelangte. Diesem Ruf wurde es auch in der Untersuchungssache gegen Martin Wegerle gerecht. Erst 2 1/2 Jahre nach der unseligen Tat reifte die hofgerichtliche Entscheidung heran. Eine mündliche Verhandlung vor den Schranken des Hofgerichts fand niemals statt. Der vom Vorsitzenden bestimmte Landgerichtsrat von Erdner, der als Berichterstatter den Urteilsvorschlag zu erarbeiten hatte, kam in seinem sechsseitigen Votum zu dem wegen seiner Objektivität und strengen Sachlichkeit anerkennenswerten Ergebnis, daß "für die Schuld Martin Wegerles gar kein juristischer Beweis vorliege und er daher ab instantia zu absolvieren (freizusprechen) sei". Jedoch bemerkte der Richter einschränkend in seinem Gutachten, daß er einen völligen Freispruch nicht empfehlen könne, weil Wegerle auf alle Fälle, obwohl er nicht Teilhaber an der Handlung des Erschießens sei, von der Wilddieberei des Emmerich Kenntnis hatte und. keine Anzeige davon gemacht habe. Aus diesem Grunde sei es angebracht, seinen Freispruch zugleich mit einer Verurteilung zur Zahlung der Hälfte der Untersuchungskosten zu verbinden. Im übrigen sei zugleich dem Justizamt Lampertheim aufzugeben, eine gesonderte Strafverfolgung wegen Wilddieberei gegen Wegerle einzuleiten, da dies im Verfahren vor dem Hofgericht nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen sei. In bezug auf Emmerich - so der richterliche Gutachter weiter - müsse eine Vermögenskonfiszierung außer Betracht bleiben, da dieser kein Vermögen habe. Das einzige indessen, was man seitens des Gerichts zukünftig tun müsse, sei mit allem Fleiß sich zu bemühen, den Aufenthaltsort des Entflohenen herauszubringen.
      Der Gerichtsvorsitzende, Geheimrat Hertling, billigte im großen und ganzen dieses Urteilsvotum und formulierte am 14.9.1804 den Urteilsvorschlag wie folgt:

      1. Der Inculpat Martin Wegerle wird wegen seiner Teilnehmung an der bei Gelegenheit der Wilddieberei geschehenen Erschießung des Obrist-Forstmeisters Freiherr von Hausen ab instantia absolviert (freigesprochen).
      2. Weil Wegerle mit dem flüchtig gewordenen Emmerich auf Wilddieberei ausgezogen war und er durch sein Kumpaneiverhältnis zu ihm zu der Erschießung immerhin einen gewissen Anlaß gegeben hat, so wird er zur Tragung sämtlicher Untersuchungskosten verurteilt.
      3. Bei der späteren Verurteilung Wegeries wegen versuchter Wilddieberei durch das Justizamt Lampertheim ist auf den Umstand, daß er die eine beträchtliche Summe ausmachenden Untersuchungskosten allein bezahlen muß, billige Rücksicht zu nehmen.

      Dieser präsidiale Urteilsvorschlag, der sämtlichen Mitgliedern des Hofgerichts "ad ulterius circulandum" (im Umlaufverfahren) zugestellt und von ihnen hierauf mitunterzeichnet wurde, erhielt damit die Wirkung eines förmlichen Urteils.
      Der Freispruch entsprach - mit Ausnahme der Kostenentscheidung - dem Antrag des landgräflichen Hofgerichtsadvokaten Dr. Muhl, dem die Verteidigung seines Mandanten Wegerle keine allzu große Mühe gemacht haben dürfte. Er hatte sechs Monate vor Erlaß des Urteils mit einem einzigen kurzen Schreiben, das in seiner äußeren Form etwas von jener devoten Höflichkeit spüren läßt, die damals im offiziellen Schriftverkehr "von unten nach oben" üblich war, diesen Freispruch beim Hofgericht beantragt. Sein Schreiben hat folgenden Wortlaut:

      Gnädige und hochgebietende Herren!
      Der unterthänig unterzogene Anwalt des Inquisiten Martin Wegerle findet es nicht für nötig, für diesen eine Defensivschrift
      (Verteidigungsschrift) einzureichen. Die Acten im Ganzen genommen enthalten so viel, daß Wegerle an dieser Tathandlung und deren Folgen davon nicht den entferntesten Anteil hat. Und in dieser Hinsicht darf ich einer "absolutoria" (Freispruch), um welche hiermit unterthänig gebeten wird, getrost entgegensehen.
      Euer Hochwohlgeborenen Exzellenzen
      unterthänigster Anwalt
      Dr. Muhl


      Mit diesem Freispruch war das Strafverfahren noch nicht beendet, da die Verurteilung des flüchtigen Haupttäters Johannes Emmerich noch ausstand. Das Hofgericht hatte nach dem Freispruch Wegerles die Strafakten an das damalige Landgericht (später Amtsgericht) Lorsch abgegeben mit dem Ersuchen, die Fahndung nach Emmerich energisch fortzusetzen.
      Wie fast in jedem größeren Strafprozeß bahnte sich auch in diesem Verfahren noch einmal eine sensationelle Überraschung an, als der Forstkandidat J. Reti am 22.7.1822 - also 20 Jahre nach der Tat - ein Schreiben an das Hofgericht in Darmstadt richtete und darin von einem Vorfall berichtete, der allenfalls geeignet gewesen wäre, dem ganzen Verfahren nochmals eine ganz neue Wendung zu geben. Reti berichtete in diesem Schreiben, bei einer Jagdveranstaltung in der Nähe von Singen habe ein Jagdgast "in schwermütigem Tone" erzählt, daß er früher eine große Lust an der Jagd gehabt habe, was jetzt gar nicht mehr der Fall sei. Er sei in der Gegend von Mannheim zu Hause. In den dortigen Wäldern habe es "viel Wildprätt" gegeben, und er habe dort an so mancher Treibjagd teilgenommen. Vor Jahren habe er von dort flüchtiggehen müssen, "weil er den Oberforstmeister von Hausen geschossen habe". Reti versicherte in diesem Schreiben, daß ein gewisser Rentamtmann Freiherr von Diemer zu Randegg Zeuge dieses Gesprächs gewesen sei.
      Das Hofgericht Darmstadt versuchte sofort, die nähere Anschrift des fraglichen Rentamtmannes zu ermitteln. Dies gelang erst nach zwei Jahren. Am 8.10.1924 wurde dann dieser, wie es schien, wichtige Zeuge vor dem Hofgericht in Meersburg vernommen. Aus dem Protokoll geht hervor, daß er die Darstellung des Forstkandidanten Reti nicht zu bestätigen vermochte. Von einigem rechtshistorischen Interesse erscheint, daß das Hofgericht Meersburg an den vernommenen Zeugen von Diemer zu Randegg 7 Gulden 48 Kreuzer als Zeugengebühren auszahlen mußte, und zwar für
      Chaise und Pferd . . . . . . . . 3 Gulden
      Trinkgeld . . . . . . . . . . . .30 Kreuzer
      Futter . . . . . . . . . . . . . 1 Gulden 18 Kreuzer
      Verköstigung u. Zeitversäumnis . 3 Gulden.
      Es bedurfte damals noch einer besonderen Korrespondenz, bis das Hofgericht in Darmstadt sich zur Übernahme dieser Kosten bereit erklärte.
      Da der Forstkandidat Reti weder eine für Fahndungszwecke geeignete brauchbare Personalbeschreibung des fraglichen Jagdgastes aus Singen abzugeben noch sonstige Gesprächszeugen zu nennen vermochte, verliefen die Ermittlungen nach dem ominösen unbekannten Täter, der in geselliger Runde angeblich ein reumütiges Tatgeständnis abgelegt und eine Jagdgellschaft in eine gewisse Aufregung versetzt hatte, im Sande. Dafür, daß vielleicht Emmerich dieser obskure Jagdgast gewesen sein könnte, ergaben sich keine konkreten Hinweise. Vielmehr blieben alle weiteren Nachforschungen nach ihm ergebnislos. Der bei den Akten liegende letzte Ermittlungsbericht des Landgerichts Lorsch vom 6.10.1825 besagt, daß "nicht das mindeste über den Aufenthalt Emmerichs in Erfahrung gebracht worden sei". Das Hofgericht Darmstadt stellte sodann - nach 23 Jahren - den Eintritt der Strafverfolgungsverjährung gegen Emmerich fest und beendete alle weiteren Recherchen nach ihm. Nach damals kursierenden unbestätigten Gerüchten soll er alsbald nach seiner Tat nach Nordamerika ausgewandert und im Wilden Westen verschollen sein. Im kirchlichen Geburten- und Familienbuch, das im Archiv der Katholischen St.-Andreas-Gemeinde Lampertheim verwahrt wird, hatte der damalige Pfarrer Wilhelm Philipp Ziegler zum Geburten- und Heiratseintrag des Johannes Emmerich folgendes "N. B." [Notabene, Vermerk] nachgetragen:
      "Joh. Emmerich magni delicti suspectus e domicilio profugus jam ab anno hucusque nusquam comparuit."
      [Der eines schweren Deliktes verdächtige Joh. Emmerich ist von seinem Wohnsitz geflüchtet und seither nirgends mehr aufgetaucht.]
      Die Ehefrau Marie Barbara Emmerich geb. Thomberger blieb weiterhin in Lampertheim wohnen, obwohl sie dort wegen der Bluttat ihres Mannes sicherlich noch lange Jahre von einer breiten Öffentlichkeit mißachtet und verfemt gewesen sein dürfte. Von ihren sechs Kindern waren vier im Kindesalter verstorben. Das jüngste Kind brachte sie im Jahre 1802 kurz nach dem Verbrechen ihres Ehemannes zur Welt. Es hat seinen Vater niemals gesehen. Die Ehefrau Emmerich verstarb 72jährig am 31.12.1844 in Lampertheim und wurde auf dem ehemaligen Sedansplatz-Friedhof beigesetzt, nicht weit entfernt von der letzten Ruhestätte des Hofgerichtsrats Johannes Aloys Joß, des Ermittlungsleiters in der Mordsache, der kurz nach seiner Pensionierung am 2.6.1811 in Lampertheim verstorben war.
      Joß war von 1777 an der Leiter des Amtes Lampertheim. Im Jahre 1804 bat er die landgräfliche Regierung um Trennung des Amtes. Er selbst behielt das Rentamt bis zum Jahre 1810. Das nun für die Justiz- und Polizeiverwaltung neu errichtete Justizamt Lampertheim bestand von 1804 bis 1821 und erhielt in Andreas Steppes seinen ersten und einzigen Justizamtmann, den man gewissermaßen als ersten Lampertheimer Amtsrichter bezeichnen kann. Das Justizamt fiel 1821 der damaligen hessischen Verwaltungsreform zum Opfer. Seine Justizkompetenzen gingen für die Dauer von 84 Jahren auf das damalige Landgericht und spätere Amtsgericht Lorsch über, bis das im Jahre 1905 eingerichtete Amtsgericht Lampertheim für den örtlichen Bereich von Lampertheim und Viernheim sie wieder übernahm.
      Für die persönlichen und fachlichen Qualitäten und das Ansehen des Hofgerichtsrats Joß spricht insbesondere, daß ihm während des mehrjährigen Aufenthaltes des Darmstädter Prinzen Georg (1804-1808) in Lampertheim die Leitung der prinzlichen Hofhaltung als Hofmarschall übertragen worden war. Die Ordnung seiner Amtsführung, seine Objektivität und Rechtlichkeit, vor allem auch sein persönlicher Mut kommen darin zum Ausdruck, daß er in diesen vier Jahren die verschwenderische Hofhaltung des Prinzen und die ständige Überschreitung der ihm zur Hofhaltung zugebilligten Apanage wiederholt in seinen schriftlichen Rapporten an das Hofmarschallamt in Darmstadt mit kritischen Anmerkungen bedachte. Von seinen Zeitgenossen und von allen heimatkundlichen Geschichtsschreibern wird Joß als ein "äußerst tüchtiger Beamter" bezeichnet. Er war weit mehr als das. In seinem Wesen und Wirken ist eine glückliche Symbiose von Rechtlichkeit, hoher Begabung, Vernunft und Humanitas erkennbar. Wohl ihm allein hatte es Martin Wegerle damals zu verdanken, daß er die Zusage des "salvum conductum", des freien Geleites, erhielt und durch die anschließende Außervollzugsetzung des Haftbefehles vor der Einlieferung in das damals sehr gefürchtete "Radhaus" in Darmstadt bewahrt blieb. Wäre dies alles nicht geschehen, wer weiß, welchen Ausgang sein Strafverfahren genommen hätte. Auf alle Fälle wäre er für die Dauer eines langen Ermittlungsverfahrens etwa 2 1/2 Jahre in diesem gefürchteten Gefängnis eingesperrt gewesen und unter Umständen auch dem sogenannten peinlichen Verhör, der Folter, unterworfen worden. Das peinliche Verhör war aufgrund des damals geltenden Strafgesetzes, der Malefizordnung vom 11.6.1610, zulässig und wurde bei der Vernehmung der inhaftierten "Übelthäter" als probates Mittel der Wahrheitsfindung, - wie man damals glaubte - häufig angewandt.
      Das Urteil des Hofgerichts Darmstadt sprach Martin Wegerle zwar von strafrechtlicher Schuld - als Mittäter oder Gehilfe - frei, bürdete ihm aber trotzdem die gesamten Gerichtskosten auf, die nach der damaligen Gerichtskostenpraxis erheblich waren und etwa 1200 Gulden betragen haben dürften. Die genaue Kostensumme ist ist den Gerichtsakten nicht ersichtlich. Die Kostenentscheidung des Hofgerichts ist sowohl nach damaligem wie auch nach heutigem Recht nicht begründet, denn einem in der Sache freigesprochenen Angeklagten kann das Gericht nicht die Verfahrenskosten aufbürden. Dieses bei kritischer Wertung im Ergebnis unbefriedigende Urteil erging nach einem Ermittlungsverfahren, das abgesehen von seiner unangemessen langen Dauer zweifellos auch einige gravierende Mängel aufzuweisen hat. So fand keine Hauptverhandlung statt. Das Hofgericht entschied vielmehr nach Aktenlage im schriftlichen Verfahren. Die Mitglieder des Gerichts hatten keinen der Prozeßbeteiligten - weder den Beschuldigten Martin Wegerle noch seinen Verteidiger noch die Zeugen noch als medizinischen Sachverständigen den Chirurgus Stahl - während der langen Dauer des Verfahrens persönlich gehört.
      Gerade das wäre in diesem Fall für die Beweiswürdigung sicherlich von besonderer Wichtigkeit gewesen, zumal wesentliche Widersprüche in bezug auf den Tathergang zu klären gewesen wären. Es gab auch keine gerichtliche Tatortbesichtigung, wodurch letztlich eine exakte Rekonstruktion des Tatgeschehens ausgelassen wurde.
      Für die bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Lampertheimer Gemeinsmannes und kleinen Ackermannes Martin Wegerle bedeutet die Kostenschuld von etwa 1200 Gulden eine drückende und existenzbedrohende Schuldverpflichtung, zumal er auch noch das Honorar für seinen Verteidiger Dr. Muhl aufzubringen hatte. Die Höhe der von Wegerle geschuldeten Verfahrens- und Verteidigerkosten wird deutlich, wenn man die damaligen weithin armseligen Lebensverhältnisse der einfachen Landbevölkerung und den hohen Geldwert in Betracht zieht. Es ist aus den urkundlichen Unterlagen nicht ersichtlich, in welche Not Martin Wegerle durch die ihm aufgebürdete Schuld geraten ist und ob er sie je bezahlen konnte. Aus dem zugänglichen Archivmaterial ist ferner nicht festzustellen, welchen Ausgang das vom Hofgericht Darmstadt dem Lampertheimer Justizamt zugewiesene weitere Verfahren gegen Wegerle wegen versuchter Wilddieberei genommen hat.
      Damit bleibt offen, ob oder in welchem Umfang das Lampertheimer Justizamt die Weisung des Hofgerichts befolgt hat, bei der Bestrafung wegen versuchter Wilddieberei auf die dem Wegerle durch das Hofgericht auferlegte beträchtliche Kostenschuld billige Rücksicht zu nehmen. Über Wegerles weiteres Schicksal nach dem Urteilsspruch des Hofgerichts ist nichts überliefert. Er starb wenige Jahre nach seinem Freispruch am 13.9.1810 und wurde ein Jahr vor dem Hofgerichtsrat Joß auf dem ehemaligen Sedansplatz-Friedhof in Lampertheim beigesetzt.
      Das Hausenkreuz aber im Lampertheimer Wald hält die Erinnerung an den verdienten letzten kurmainzischen Obrist-Forstmeister Carl Freiherr von Hausen wach und läßt die Tragik des an ihm verübten Verbrechens auch nach 175 Jahren nicht in Vergessenheit versinken. Die im Staatsarchiv in Darmstadt verwahrten vergilbten Strafprozeßakten des ehemaligen Hofgerichts Darmstadt (Abt. XII, Konv. 120) geben in vielen Einzelheiten, Protokollen, gerichtlichen Entscheidungen und Schriftsätzen den dramatischen Ablauf des damaligen Gerichtsverfahrens wieder, das allerdings in bezug auf den Täter Johannes Emmerich, der sich durch seine damalige Flucht jeglichem Zugriff entzogen hatte, niemals zum strafrechtlichen Abschluß gelangt ist. [4]

  • Quellen 
    1. [S7] KB Lorsch kath., 28,29.

    2. [S7] KB Lorsch kath., 219.

    3. [S7] KB Lorsch kath., 401.

    4. [S608] Hans Georg Bott, Das Verbrechen am Hausenstein, (Geschichtsblätter Kr. Bergstraße Bd.10 1977), 82.
      Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Frau Heidi Adam, 1. Vorsitzende der AG der Geschichts- und Heimatvereine im Kreis Bergstraße