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 Bohrer

von Franken, Rotrud

weiblich 775 - 810  (35 Jahre)


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Generation: 1

  1. 1.  von Franken, Rotrud wurde geboren in 775 (Tochter von von Franken, Karl der Große I. und Hildegard); gestorben am 6 Jun 810.

    Notizen:

    Rotrud
    775-6.6.810
    Älteste Tochter des Kaisers KARL I. DER GROSSE aus seiner 2. Ehe mit der Hildegard, Tochter von Graf Gerold

    Lexikon des Mittelalters: Band VII Spalte 1054
    Rotrud (Hrotrud; Pseudonym am Hof 'Columbia')
    * 775, + 6. Juni 810
    Tochter KARLS DES GROSSEN und der Hildegard

    781 auf Anregung der byzantinischen Kaiserin Irene mit Konstantin VI. verlobt, vom Eunuchen Elissaios im Griechischen unterrichtet. Das Eheversprechen wurde 787 gelöst, wobei unklar bleibt, ob auf Betreiben KARLS oder Irenes. Alkuin widmete seinen Kommentar zum Johannesevangelium der gebildeten Rotrud (Angilbert, carm. II, 33: "Rotthrud carmen amat, mentis clarissima virgo") und ihrer Tante Gisela. Rotruds Verbindung mit Graf Rorico (RORGONIDEN) entstammte Ludwig (* um 800), der spätere Abt von St-Denis.

    Literatur:
    G. Tessier, Recueil des actes de Charles II le Chauve, III, 1955, 39f. - G. Musca, Le trattive matrimoniali fra Carlo Magno ed Irene di Bisanzio, Annali della Facolta di Lettere e Filosofia dell’Univ. di Bari 7, 1961, 83-127 - W. Ohnesorge, Abendland und Byzanz, 1963, II, 65-67 - J. Fleckenstein, Karl der Große und sein Hof (Braunfels, Karl der Große I, 1965), 24-50 - W. Berschin, Gr.-Lat. MA, 1980, 136f. - P. Classen, Karl der Große, das Papsttum und Byzanz, 1988 - R. Schieffer, Die Karolinger, 1992.

    Werner Karl Ferdinand: Seite 443, "Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)"

    II. Generation 4

    Zu Rotrud vgl. Tessier 3,39f. Zur Verlobung W. Ohnsorge, Abendland und Byzanz, 1963, 11,65-67.
    Zu Graf Rorico (Brandenburrg "Graf von Maine, + nach 832") vgl. Werner, KdG 1,137f.: Rorico begegnet noch in einer Urkunde 839 III 1. (ebd. 137, Anm. 2). Sein Tod lag zeitlich dem Todesdatum LUDWIGS DES FROMMEN (840 VI 20) nah, vgl. MG SS 15,468. Er wurde auch erst spät Graf von Maine, war vorher Graf von Rennes. Man sollte also in bezug auf seine Verbindung mit der schon 810 verstorbenen Rotrud nicht vom "Grafen von Maine" sprechen, wie das häufig geschieht. Es ist nicht sicher, daß er, als er am Hofe KARLS weilte, schon Graf war.

    Rotrud, die den Namen ihrer Urgroßmutter, Karl Martells erster Gattin Chrodtrud, geerbt hatte, war als Kind mit dem byzantinischen Prinzen Konstantin VI. verlobt. Sie war die Geliebte Rorikos von Maine, den sie später heiratete.

    Konecny Silvia: Seite 79,85 , "Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."

    KARLS Patriciustitel wurde von Irene anerkannt und ihr Sohn Konstantin VI. mit KARLS Tochter Rotrud verlobt. Auf byzantinischer Seite gewann man gegenüber KARL Einfluß in Italien, gegen den man zumalen machtlos war, die vage Aussicht auf eine spätere Heirat. Im Grunde handelte es sich also um einen Akt reiner Diplomatie. Der diplomatische Erfolg aber lag vor allem auf Seiten KARLS, deshalb ging er wohl so bereitwillig auf die Verlobung ein. Er unterließ eine Gegenforderung, um die byzantinische Anerkennung nicht zu gefährden, die sein Prestige im eigenen Reich fördern mußte und für ihn eine zusätzliche Legitimierung darstellte. Demzufolge sparte man auch nicht an Aufwand, denm Ernst an dem Projekt zur Schau zu stellen, der kaum den Tatsachen entsprach. Rotrud wurde nämlich in griechischer Sprache unterrichtet und auf ihre Stellung als Gattin des griechischen Kaisers vorbereitet. Als 787 jedoch eine griechische Gesandtschaft die Braut holen kam, zog KARL sich von der Verlobung zurück.
    Die gebildetste der Schwestern aber war wohl Rotrud, die vermutlich über Griechischkenntnisse verfügte. An sie schrieb Alkuin des öfteren. Zuweilen gab er ihr in seinen Briefen den Beinamen Columba. Sie mag er auch in einem Gedicht gemeint haben, wo er eine KARLS-Tochter erwähnt, die Astronomie betreibt. Als Rotrud bei ihrer Tante Gisla in Chelles weilte, übersandte Alkuin den beiden Frauen einen Kommentar zum Johannesevangelium. Beide befaßten sich also mit schwierigen theologischen Problemen.

    Riche Pierre: Seite 170, "Die Karolinger"

    KARL liebte das Familienleben und kümmerte sich selbst um die Erziehung seiner Söhne und Töchter. Wie Einhard schreibt, "speiste er zu Hause niemals ohne sie und machte ohne sie niemals eine Reise". Der Biograph fährt dann fort; "Da seine Töchter sehr schön waren und vom Vater zärtlich geliebt wurden, ist es seltsam, daß er keine von ihnen einem seiner Gefolgsleute oder einem Fremden zur Frau geben wollte. Er sagte, er könne ohne ihre Gesellschaft nicht leben, und behielt alle bis zu seinem Tod bei sich im Hause. Dabei mußte er aber, sonst vom Glück begünstigt, die Tücke des Schicksals erfahren." So verband sich seine Tochter Rotrud heimlich mit Graf Rorico von Maine, und Bertha, de ihrem Vater sehr ähnlich war, wurde die Geliebte des Hofdichters Angilbert und bekam von ihm mehrere Kinder, unter denen der spätere Historiograph Nithard war.

    Schieffer Rudolf: Seite 81,84,90,108, "Die Karolinger"

    Auch die Königstochter Rotrud, die den Namen ihrer Urgroßmutter, Karl Martells erster Gattin Chrotrud, geerbt hatte, wurde eine glanzvolle Zukunft angebahnt, als KARL in Italien eine Abmachung miz Byzanz traf, die eine spätere Ehe Rotruds mit dem jungen Kaiser Konstantin VI. vorsah.
    In Kauf genommen wurden dabei Spannungen mit den Byzantinern, die dazu führten, daß die geplante Übergabe der seit sechs Jahren verlobten Königstochter Rotrud an Gesandte aus Konstantinopel unterblieb. Die nirgends genannten Gründe dürften in der byzantinischen Verärgerung über das Eingreifen KARLS in Benevent wie auch in der fränkischen Verstimmung über den Ausschluß von dem eben am Bosporus geplanten ökumenischen Konzil zur Beendigung des Bilderstreites zu suchen sein, vielleicht auch schon in der Abneigung KARLS, überhaupt eine seine Töchter aus dem Haus zu geben.
    Bei den insgesamt sieben Töchtern, die über das Kindesalter hinausgelangten, sind ähnliche Unterscheidungen nicht zu erkennen, denn sie werden gleichrangig als Stolz ihres Vaters erwähnt, und nachdem sich die Verlobung Rotruds, der Ältesten, mit dem byzantinischen Kaiser Konstantin VI. zerschlagen hatte, ist keine von ihnen zu einer vollgültigen Ehe gelangt. So wissen wir denn nur von informellen Verbindungen verschiedener Prinzessinnen wie Rotruds, die mit dem neustrischen Grafen Rorico einen Sohn Ludwig hatte, oder Berthas, die dem Hofkapellan Angilbert die Söhne Nithard und Hardnit schenkte.
    810 starben nacheinander seine hochgeschätzte Schwester Gisela, Äbtissin von Chelles, seine älteste Tochter Rotrud und auch noch sein Sohn Pippin, der König des einst langobardischen Italien.


    800 oo Roriko Graf von Maine
    -1.3.839

    Kind:
    - Ludwig Abt von St. Denis (840-861) 800-9.1.867

    Literatur:
    Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 57 - Epperlein Siegfried: Karl der Große. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1974, Seite 27,138 - Herm, Gerrhard: Karl der Große. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf, Wien, New York 1987, Seite 129,149,169,178,287,306 - Illig Heribert: Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1996, Seite 138 - Kalckhoff Andreas: Karl der Große. Profile eines Herrschers. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987, Seite 11,82,134 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien 1976, Seite 75,85 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 129, 150,170,233 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 79,81,84,90,108,145 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 37,41 - Wies Ernst W.: Karl der Große. Kaiser und Heiliger. Bechtle Verlag Esslingen 1986, Seite 94,206,226,254,259,262,268 - Wies Ernst W.: Otto der Große. Kämpfer und Beter. Bechtle Verlag Esslingen 1989, Seite 252 -

    Rotrud heiratete von Maine, Roriko in 800. Roriko wurde geboren um 770/775; gestorben in 839/841. [Familienblatt] [Familientafel]

    Kinder:
    1. von Maine, Ludwig wurde geboren in 800; gestorben am 9 Jan 867.

Generation: 2

  1. 2.  von Franken, Karl der Große I.von Franken, Karl der Große I. wurde geboren am 2 Apr 747 (Sohn von Pippin III. und von Laon, Bertrada); gestorben am 28 Jan 814 in Aachen [52056],Nordrhein-Westfalen,Deutschland; wurde beigesetzt in Aachen [52056],Nordrhein-Westfalen,Deutschland.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Langobardisches Königreich; König der Langobarden
    • Titel/Amt/Status: seit 25 Dez 800; römischer Kaiser
    • Titel/Amt/Status: 768-814, Fränkisches Reich; König der Franken

    Notizen:

    Genealogie-Mittelalter - KARL I. DER GROSSE

    König der Franken (768-814)
    römischer Kaiser seit 25.12.800
    König der Langobarden
    2.4.742/47-28.1.814 Aachen Begraben: Pfalzkapelle in Aachen
    Ältester Sohn des Franken-Königs Pippin III. der Kleine und der Bertrada der Jüngeren von Laon, Tochter von Graf Heribert

    Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 956

    KARL DER GROSSE (KAROLUS MAGNUS), König der Franken seit 768 und Langobarden seit 774

    Erster mittelalterlicher Kaiser seit 800
    * wohl 2. April 747, + 28. Januar 814 Begraben: Pfalzkapelle in Aachen
    Eltern: König Pippin III. der Jüngere und Bertrada (Berta)

    1. oo Tochter des Langobarden-Königs Desiderius (nach einjähriger Ehe 771 verstoßen)
    2. oo Hildegard, de gente Suaborum
    Kinder:

    Karl
    Pippin
    LUDWIG
    Hrotrud
    Berta
    Gisela

    3. oo Fastrada, O-Fränkin
    2 Töchter
    4. oo Luitgart Alemannin, kinderlos


    [I] ANFÄNGE, POLITIK GEGENÜBER LANGOBARDEN UND ITALIEN

    Nachdem KARL mit seinem jüngeren Bruder Karlmann bereits 754 in St- Denis von Papst Stephan II. zum König gesalbt und beide zusammen mit ihrem Vater zum patricius Romanorum ernannt worden waren, traten die Brüder 768 nach erneuter Salbung in Noyon (KARL) und in Soissons (Karlmann) die Nachfolge ihres Vaters an, von denen KARL den größeren. nördlichen, sich von Aquitanien bis nach Thüringen erstreckenden Teil, Karlmann den kleineren, südlichen von Burgund bis Alemannien reichenden Teil erhielt, so daß beide an den fränkischen Kerngebieten Austrien und Neustrien Anteil hatten und der Reichsteil KARLS den Karlmanns wie eine Klammer umgriff. Die Ehe KARLS mit der Tochter des Desiderius nahm Karlmann auch noch von Süden her in die Zange und verschärfte das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen den Brüdern, das in offene Feindschaft umzuschlagen drohte, als Karlmann 771 unerwartet starb; für KARL die Gelegenheit, unter Mißachtung des Erbanspruchs der Söhne Karlmanns das ganze Reich an sich zu ziehen. Da die Heirat der Langobardin den Widerstand von Papst Hadran I. hervorgerufen hatte, schickte KARL seine langobardischen Gemahlin wieder zu ihrem Vater zurück und stellte damit nicht nur das gute Verhältnis zum Papst wieder her, sondern nahm zugleich auch die Langobardenpolitik Pippins wieder auf, um diesmal freilich ganze Arbeit zu leisten: Er eroberte Pavia, setzte Desiderius ab und machte sich selbst zum rex Langobardorum (774). Anschließend erneuerte er in Rom die donatio Pippini (Pippinische Schenkung) und übernahm als patricius Romanorum die Schutzherrschaft über den Kirchenstaat, das sogenannte patrimonium Petri. 781 wurde auf seinem zweiten Romzug ein neues Pactum geschlossen, in dem der Herrschaftsbereich des Papstes für den Dukat von Rom, den Exarchat von Ravenna und die Pentapolis feierlich bestätigt wurde. Der gleiche Romzug brachte als weiteren Gewinn, daß KARL Papst Hadrian dafür gewann, seinen vierjährigen Sohn Pippin zu taufen und zum König von Italien, seinen jüngsten Sohn LUDWIG zum König von Aquitanien zu salben. Beide Reiche hatten damit den Status von relativ selbständigen Unterkönigtümern innerhalb des Frankenreiches erlangt. Italien aber, in dem KARL 787 auch noch den Herzog von Benevent zur Anerkennung seiner Oberhoheit zu bringen vermochte, war praktisch bis auf den byzantinischen Süden in die Herrschaft KARLS einbezogen.

    [II] FELDZÜGE GEGEN DAS ISLAMISCHE SPANIEN

    Noch während er um die Ausweitung und Verfestigung seiner Herrschaft in Italien bemüht war, schaltete KARL sich in Spanien gegen die Araber ein. Anlaß bot die aquitanisch-spanische Nachbarschaft: sie bewog KARL 778, auf den Hilferuf des Statthalters von Barcelona hin gegen die OMAYYADEN vorzugehen, um auch hier neuen Bden zu gewinnen. Sein erster Feldzug, der über die Pyrenäen nach Zaragoza führte, blieb zunächst ohne Erfolg. Auf dem Rückzug überfielen 778 christliche Basken die fränkische Nachhut unter Markgraf Hruodland, der (nach der Sage bei Roncesvalles) fiel. KARL zog aus der Niederlage die Konsequenz, zunächst Aquitanien als Grenzbastion auszubauen und zu sichern, und schob in den folgenden Jahren in mehreren Feldzügen die fränkische Macht Schritt für Schritt vor. Auf diese Weise gewann 795 die spanische Mark Gestalt, die 801 bis zum Ebro reiche. Der Kampf gegen die OMAYYADEN brachte KARL in Verbindung mit dem Kalifen Harun ar-Raschid in Bagdad, der ihm Schutzrecht über Kirchen in Jerusalem zugestand.

    [III] SACHSENKRIEG

    Wie sein Biograph Einhard (cap. 7) erklärt, hat KARL DER GROSSE den "langwierigsten, grausamsten und anstrengendsten" seiner Kriege gegen die Sachsen geführt: er zog sich in wechselnden Phasen und mit Unterbrechungen über 33 Jahre (772-804) hin. Als Fortsetzung uralter Grenzkriege 772 begonnen, sollte er zunächst die unruhigen Nachbarn so hart bestrafen, daß sie in Zukunft Ruhe hielten. KARL stieß deshalb auf dem ersten Feldzug bis in das sächsische Kerngebiet der Engern durch, eroberte die Eresburg und zerstörte das sächsische Heiligtum der Irminsul. Die Folge war eine scharfe Reaktion der Sachsen, deren Empörung wiederum KARLS Gegenschlag folgte. Im Hin und Her der sich steigernden Kämpfe änderte sich KARLS Ziel: es war, seit 777 erkennbar, nicht mehr nur auf Bestrafung, sondern auf Unterwerfung der Sachsen gerichtet, die jetzt der Edeling Widukind, KARLS größter Gegner, zu erbittertem Widerstand antrieb. Denn inzwischen hatte KARL auf dem Reichstag in Paderborn (777) die Einteilung Sachsens in Missionssprengel veranlaßt: ein eindeutiges Zeichen dafür, daß achsen bereits im Begriff war, christianisiert und in das fränkische Reich einbezogen zu werden. Als KARL nach weiteren heftigen Kämpfen 782 auf dem Reichstag in Lippspringe die fränkische Grafschaftsverfassung durchsetzte, war dieses Ziel erreicht: Sachsen war nunmehr in den fränkischen Staatsverband eingegliedert. Dies war ein wesentlicher Fortschritt, der der Tatsache zu verdanken war, daß ein wachsender Teil des sächsischen Adels sich mit den Franken arrangiert hatte und zum Christentum übergetreten war. Hingegen verschärfte Widukund mit seinem Anhang den Widerstand, fest entschlossen, das alte gegen das neue Recht zu behaupten. Nach fränkischem Recht galt der Überfall am Süntel (782) als Verrat, für den KARL im "Blutbad von Verden" grausame Rache nahm. Weitere Erfolge der Franken (783 Siege bei Detmold und an der Haase) haben offenbar in Widukind die Vorstellung geweckt, daß der Christengott den alten Göttern überlegen war. Angesichts der Aussichtslosigkeit seiner Lage entschloß er sich 785 zur Unterwerfung und zur Annahme der Taufe in Attigny. Danach kam es zu keinem weiteren Volksaufstand mehr, sondern nur noch zu Teilempörungen, im wesentlichen im Norden des Landes. KARL nutztte die Atempause, um die Christianisierung des Landes weiter voranzutreiben, indem er ihr durch den Aufbau einer kirchlichen Organisation festeren Rückhalt gab. Gleichzeitig verschärfte er den Druck auf die noch unentschiedenen Sachsen, indem er in Anwendung der 782 erlassenen Capitulatio de partibus Saxoniae jede Emörung mit den schärfsten Strafen ahnden ließ. Aber obwohl der sächsische Adel bereits weitgehend gewonnen war, hielten sich noch immer Inseln des Widerstands, und 792 brach nach siebenjähriger Ruhe erneut ein Aufstand aus, der diesmal allerdings auf das nordelbische Sachsen beschränkt blieb. Mit ihm waren die Sachsenkriege in ihre letzte Phase eingetreten. Um ihren Abschluß zu erzwingen, wandte KARLeine doppelte Taktik an: er griff einerseits seit 792 zudem radikalen Mittel der Massendeportation; nach Einhard (cap. 7) sollen 10.000 Sachsen von ihm gezwungen worden sein, ihre Heimat zu verlassen, um in den verschiedensten Gebieten des Reiches angesiedelt zu werden. Andererseits kam er ihnen, den Mahnungen Alkuins folgend, entgegen, indem er vor allem 797 die alte, strenge Capitulatio durch das Capitulare Saxonicum ersetzte, das den Rechtsstatus der Sachsen spürbar verbesserte. 802 veranlaßte er darüber hinaus die Aufzeichnung des sächsischen Volksrechts, das er damals als gültig anerkannte; das heißt die Sachsen waren bereits vor Beendigung des Krieges vollgültige Glieder des fränkischen Reiches geworden. Doch klang der Krieg nach einem letzten Feldzug gegen Nordelbien mit dem Ergebnis aus, daß die Sachsen nach den Worten Einhards "den christlichen Glauben aufnahmen und mit den Franken ein Vlk wurden". Sachsen war endgültig in die christliche Gemeinschaft des großfränkischen Reiches eingefügt.

    [IV] POLITIK GEGENÜBER BAYERN, AVARENKRIEG, ERRICHTUNG DER DÄNISCHEN MARK

    Noch während der Sachsenkriege hatte KARL DER GROSSE in Bayern eingegriffen und hier klare Verhältnisse geschaffen, nachdem der AGILOLFINGER-Herzog Tassilo III. Anlaß gegeben hatte, an seiner Treue zu zweifeln. 788 in einem Prozeß in Ingelheim der felonie und der Verbindung mt den Avaren beschuldigt, wurde er als Herzog abgesetzt uns zu lebenslänglicher Klosterhaft verurteilt. Damit war das letzte Stammes-Herzogtum in KARLS Herrschaftsbereich beseitigt und Bayern durch die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung fest in das Frankenreich eingegliedert. KARL brachte zugleich die von Bonifatius eingeleitetete kirchliche Organisation Bayerns zum Abschluß, indem er mit Hilfe des Papstes in Salzburg eine eigene Kirchenprovinz begründete.
    Die Eingliederung Bayerns löste den Reichskrieg gegen die Avaren (791-796) aus. Er wurde betont als Missionskrieg geführt und in mehreren Feldzügen (791/95) schließlich durch die Eroberung ihrer großen "Ringe" im Zentrum ihrer Macht in der Pußtaebene entschieden. In den "Ringen", die zerstört wurden, erbeuteten die fränkischen Heere den vielbestaunten Avarenschatz. Letzte Versuche der Avaren, sich der fränkischen Botmäßigkeit zu entziehen, endeten 811 mit einem letzten Feldzug, mit dem ihr Reich veraschwand: es ist in der avarischen Mark aufgegangen, fortan dem östlichen Grenzgebiet des Frankenreiches, das damit bis zur Raab und zum Plattensee reichte.
    Auf ähnliche Weise entstand im Norden, vorbereitete durch ein Bündnis mit den Abodriten und den Friedensschluß mit den Dänen (810), die dänische Mark.

    [V] INNERER AUSBAU UND GRAFSCHAFSTVERFASSUNG

    In jahrzehntelangen, langwierigen Kämpfen hatte KARL DER GROSSE die Grenzen seines Reiches weit in den S, SW und O vorgeschoben und es zur führenden Großmacht neben Byzanz und dem Kalifat von Bagdad ausgebaut. Zeitgenossen feierten ihn als den pater Europae, und an seinem Hof griff das Bewußtsein um sich, daß Europa im Frankenreich Gestalt gewann. Dieses Bewußtsein basierte auf der Tatsache, daß mit der äußeren Ausweitung des Reiches sein innerer Ausbau Hand in Hand gegangen war. In der Tat war KARL DER GROSSE von Anfang an darauf bedacht, sein expandierendes Reich im Innern zu vereinheitlichen und zu festigen. Die politische Signatur dieser Vereinheitlichung war die allgemeine Einführung der Grafschaftsverfassung. Mit ihr wurde der Graf die Zentralfigur, die Grafschaft das wichtigste Instrument der Einheit des Reiches. Da die Grfaschaft in dem Riesenreich auf unterschiedlichen Voraussetzungen basierte (so insbesondere im W auf der civitas, im auf dem Gau/pagus) blieben dieser Einheit allerdings Grenzen gesetzt. Doch ist das Einheitsbestreben KARLS unverkennbar, und es ist wesentlich, daß die Ausübung der gräflichen Gewalt auf königlichen Auftrag (Verleihung des Grafenbanns) zurückgeht. - Das Grafenamt wurde wie alle großen Ämter und Lehen nach Möglichkeit großen Adligen anvertraut, die auf diese Weise mit dem Reich verwuchsen und als Angehörige der sogenannten Reichsaristokratie zu Mitträgern der Reichseinheit wurden (was freilich nicht ausschloß, daß auf die Dauer wieder ihre Eigeninteressen mit denen des Königtums konkurrierten). KARL selbst band sie jedenfalls an Thron und Reich.
    Er hat auch das Recht, das in der Form der Kapitularien intensive Pflege fand, in den Dienst der Vereinheitlichung des Reiches gestellt. Er intensivierte das Institut der Königsboten (Missus) und erlegte ihnen auf, die Ausführungen seiner Erlasse zu überwachen.

    [VI] KIRCHENPOLITIK

    Als das vielleicht stärkste Band der Einheit hat sich jedoch die Kirche erwiesen. KARL DER GROSSE hat sie stärker als zuvor in den Dienst des Reiches gezogen, sie dafür aber auch durch reiche Schenkungen belohnt und gestärkt. Im Anschluß an die Bemühungen des hl. Bonifatius setzte er die Reform der Kirche fort, indem er den Kloster die Befolgung der Benediktregel zur Pflicht machte, der Stiftsgeistlichkeit die vita communis auferlegte und die bereits von Pippin begonnene Liturgieform durchführte. Er griff darüber hinaus auch in die dogmatischen Streitigkeiten seiner Zeit ein. So wurde auf der Synode von Frankfurt (794) unter dem Vorsitz der besonders durch den spanischen Bischof Felix von Urgel propagierte Adoptianismus wie vor allem auch der (mißverstandene) Beschluß des Konzils von Nikaia über die Bilderverehrung verurteilt, wofür die in seinem Auftrag verfaßten Libri Carolini die theologische Begründung lieferten. Das Werk macht deutlich, daß KARL DER GROSSE unter Betonung seiner Rechtgläubigkeit beanspruchte, der einzige legitime Vorkämpfer der Christenheit zu sein.

    [VII] BILDUNGSREFORM

    Die Sorge um den rechten Glauben spielte auch in seine Bemühungen um die Erneuerung der Bildung im Frankenreich hinein. Darum schloß er an die Reform der Kirche eine Reform der Bildung an. Selbst von unersättlichem Wissensdurst und von großer Hochschätzung der Bildung erfüllt, versammelte KARL DER GROSSE die angesehensten Gelehrten seiner Zeit (Alkuin, Petrus von Pisa, Paulus Diaconus, Theodulf von Orleans und andere) an seinem Hof, um ihr Wissen und Können für seine großen Aufgaben zu aktivieren. Als erstes sollte sie der Hofschule zur Blüte verhelfen: sie wurde gleichsam zur Hofschule des Reiches. Von hier aus sollte ihr Wirken weitere Kreise ziehen. Mit dem Fernziel, die gesamte Überlieferung zu sammeln und zu reinigen, emendierten sie die Werke der Kirchenväter wie der weltlichen Autoren, um deren Kenntnis in ihren eigenen Werken, die als Muster galten, zu verbreiten, und leiteten damit eine neue Epoche in der Pflege der sacre und der saeculares litterae ein. KARLS Auftrag ging sogar noch weiter, indem er seine Gelehrten veranlaßte, sich auch um die eigene Sprache und die heimischen Heldenlieder zu kümmern. Wenn es hier bei Ansätzen blieb, so wurde insesamt doch viel erreicht. Auf den Leistungen der karolingischen Hofgelehrten basiert die künftige Bildung Europas. Charakteristisch sind die Geschichtsschreibung, die einen starken Aufschwung nimmt, der neue Schrifttyp der an den Schreibschulen entwickelt wird, und nicht zuletzt die karolingische Kunst. Die Hofgelehrten hatten Grund, in alledem die Zeichen einer neuen zeit zu sehen, die KARL DER GROSSE heraufgeführt hat.

    [VIII] KAISERTUM, SPÄTE REGIERUNGSJAHRE UND REGELUNG DER NACHFOLGE

    KARL DER GROSSE selbst leitete aus seiner Stellung und den Erfolgen, auf die er sich stützen konnte, seine Gleichrangigkeit mit dem östlichen Kaisertum ab. Es entsprach wohl seiner eigenen Auffassung, wenn Alkuin erklärt, daß KARLS Macht ihn über den Papst und über den Basileus erhob. Er hat aber seinerseits zunächst nicht nach dem Kaisertum gestrebt. Nicht er, sondern der Papst, damals Leo III., gab den Anstoß zu KARLS Hinwendung zum Kaisertum. Von einer römischen Adelspartei hart bedrängt, floh Leo III. 799 zu KARL DEM GROSSEN nach Paderborn und rief ihn um Hilfe an die KARL, als patricius Romanorum zur defensio ecclesiae Romanae verpflichtet, nicht verweigern konnte. Bei den Verhandlungen in Paderborn kam es zu Absprachen über das Kaisertum. Nach Rom zurückgeführt, reinigte sich Leo durch einen Eid und setzte KARL DEM GROSSEN am Weihnachtstag 800 im Petersdom die Kaiserkrone auf, wobei die Römer akklamierten. Damit war, ohne Rücksicht auf Byzanz, das römische Kaisertum im W erneuert.
    KARL DER GROSSE legte jedoch Wert darauf, sich mit dem Kaiser des O zu arrangieren. 812/15 einigte man sich auf eine gegenseitige Anerkennung, wobei KARL DER GROSSE auf das römische Attribut seines Kaisertums verzichtete. Wie schon sein Titel zeigte, kam es ihm vor allem auf den fränkischen und christlichen Charakter seines Kaisertums an. Fortan gab es neben dem imperium orientale ein imperium occidentale: KARLS Kaisertum wurde der Inbegriff der abendländischen Welt. Die letzten Jahre der Herrschaft KARLS sind durch zwei Tendenzen gekennzeichnet, die ihre fränkische und ihre christliche Komponente betonen.
    Die fränkische Komponente kam in der divisio regnorum von 806 zum Ausdruck. Obwohl das Kaisertum sich auf die Einheit des Imperiums bezog, hielt KARL DER GROSSE am fränkischen Brauch der Herrschaftsteilung fest. So wies er 806 seinem ältesten Sohn Karl die fränkischen Kerngebiete Neustrien und Austrien mit den östlichen Eroberungen, Pippin Italien und Burgund mit Oberdeutschland bis zur Donau LUDWIG DEM FROMMEN Aquitanien mit Teilen S-Frankreichs zu. Eine Verfügung über das Kaisertum unterblieb; sie wurde offenbar zurückgestellt. Da Karl und Pippin vorzeitig (811 bzw. 810) starben, wurde der divisio die Grundlage entzogen, woraufhin KARL DER GROSSE den überlebenden LUDWIG 813 in Aachen unter Umgehung der Krönung durch den Papst zum Mitkaiser erheben ließ, so daß die Einheit des Reichs erhalten blieb.
    Die christliche Komponente tritt besonders deutlich in einem neuen Treueid und allgemein in der Gesetzgebung hervor. So ist vor allem der Treueid von 802 symptomatisch, der das Kaisertum zum Anlaß nimmt, die Treuepflichten der Untertanen zu verstärken und zugleich religiöse Pflichten wie die Einhaltung der Zehn Gebote in ihn einzubeziehen. In dem Kapitular, das ihn forderte, führt KARL den Titel imperator christianissimus. Ähnliche Wendungen erscheinen auch in den Arengen der Urkunden. Sie bestätigen KARLS Anspruch, Führer und Vorkämpfer der Christenheit zu sein. Als er am 28. Januar 814 in seiner Lieblingspfalz Aachen starb, huldigte ihm die Grabinschrift als imperator orthodoxus, der das regnum Francorum in 47-jähriger Herrschaft nobiliter erweitert hat.
    Im Bewußtsein der Nachwelt bleibt KARL DER GROSSE, was wer schon für die Hofgelehrten war: der "Vater Europas"

    Quellen:
    Böhmer-Mühlbacher, RI I, 1908² [Nachdr. 1966; mit Bibliogr.] -
    speziell: Einhardi Vita Karoli Magni, ed. O. Holder-Egger, MGH SRG [Neudr. 1947] -
    anektodenhaft: Gesta Karoli, ed. H. F. Haefele, MGH SRG NS, 1959 - Karolus Magnus et Leo papa. Paderborner Epos v. J. 799, 1966 -

    Literatur:
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    Am 28.7.754 wurde KARL und sein Bruder Karlmann in St. Denis von Papst Stephan II. gesalbt. Unter seiner Herrschaft erreichte das Frankenreich seine größte Ausdehnung und eine vorübergehende innere Festigung. Er setzte zur Verwaltung des fränkischen Reiches die Grafschaftsverfassung allgemein durch und suchte ohne dauerhaften Erfolg die freien Bauern gegenüber den Feudalisierungsversuchen zu schützen und ihre Wehrfähigkeit zu erhalten, die er für seine zahlreichen Kriegszüge besonders beanspruchte. KARL DER GROSSE erwarb als erster fränkischer Herrscher die Kaiserwürde, die seitdem von den mittelalterlichen deutschen Königen immer wieder als Zeichen imperialer Macht erstrebt wurde. Durch den Tod seines Bruders Karlmann (+ 4.12.771) wurde KARL faktisch Alleinherrscher im fränkischen Reich. 773 von Papst Hadrian I. gegen die Langobarden zu Hilfe gerufen, eroberte er das Langobardenreich und nahm den Titel "Rex Francorum et Langobardum" an. Den Titel "Patricius Romanorum" verlieh ihm der Papst gegen die Erneuerung der Pippinschen Schenkung. Einen Aufstand des langobardischen Adels konnte KARL unterdrücken (776). 778 ging er gegen die OMAIJADEN in Cordova vor und belagerte Saragossa vergeblich. Im Tal Roncesvalles wurde die fränkische Nachhut unter dem bretonischen Markgrafen Hruodland (Roland) von den Basken vernichtet. 781 setzte KARL seinen Sohn Pippin als Unterkönig in Italien und seinen Sohn LUDWIG als Unterkönig in Aquitanien ein. Mit der Taufe des Edelings Widukind in Attigny 785 endete der seit 772 andauernde Krieg gegen die Sachsen. 787 zog KARL nach Italien gegen Arichis von Benevent und zwang ihn zur Anerkennung der fränkischen Oberhoheit. Nach dem Reichskonzil von Nicäa 787, das universelle Bedeutung für seine Beschlüsse beanspruchte, wurde die 781 geschlossene Verlobung von KARLS Tochter Rotrud mit Konstantin VI. gelöst. 788 nahm KARL den gegen die fränkische Oberhoheit rebellierenden Herzog Tassilo III. von Bayern, der das bayrische Herzogtum zu verselbständigen suchte und 787 von KARL DEM GROSSEN zur Leistung des Vasalleneides gezwungen wurde, auf der Reichsversammlung in Ingelheim fest und schickte ihn ins Kloster. Er beseitigte damit das letzte Stammesherzogtum und führte in Bayern die Grafschaftsverfassung ein. 789 zog KARL gegen die Wilzen und zwang sie zur Anerkennung der fränkischen Oberhoheit. Im gleichen Jahr befahl er die Leistung eines Untertaneneides zur Stärkung der königlichen Autorität. Diesen Eid, der 802 nach der Kaiserkrönung, 806 anläßlich des Planes zur Reichsteilung und 812/13 nach dem Tod der Söhne Pippin und Karl wiederholt wurde, mußte jeder freie Mann vom 12. Lebensjahr an, alle feudalabhängigen Bauern und die Unfreien, die Benefizien besaßen und Vasallendienste leisteten, schwören. 795/96 unterwarfen Markgraf Erich von Friaul und Pippin das durch Adelskämpfe geschwächte Awarenreich. Nach der Niederlage des Grafen Wilhelm von Toulouse bei Narbonne errichtete KARL 795 die Spanische Mark, die in der folgenden Zeit die Gebiete von Barcelona bis Pamplona und bis zum Ebro erfaßte. Im Jahre 800 zog KARL DER GROSSE nach Italien, um die gegen den Papst vorgebrachten Beschwerden zu prüfen. Am 25.12.800 krönte Papst Leo III. KARL DEN GROSSEN in der Peterskirche zu Rom zum Kaiser. Die hegemoniale Stellung KARLS DES GROSSEN als Beherrscher des fränkischen Großreiches fand im Kaisertum seinen staatsrechtlichen Ausdruck, dessen materielle Machtgrundlagen nördlich der Alpen lagen. KARL DER GROSSE wollte zudem als Kaiser dem byzantinischen Kaiser, der als Nachfolger der römischen Kaiser Herrschaftsansprüche auf das ehemalige römische Gesamtreich ableiten konnte, gleichberechtigt gegenüberstehen. Der byzantinische Kaiser wertete die Krönung KARLS als Usurpation. 801 eroberte KARL Barcelona und erweiterte damit die 795 gegründete Spanische Mark. 805/06 wurde Böhmen unterworfen und tributpflichtig gemacht. 806 bekriegte des Kaisers Sohn Karl die Sorben zwischen Elbe und Saale und unterwarf sie. In dem von KARL DEM GROSSEN verfaßten Plan einer Reichsteilung (806) blieben LUDWIG und Pippin Unterkönige in Aquitanien und Italien; Karl, der älteste Sohn KARLS DES GROSSEN, sollte den verbleibenden Teil des Reiches erhalten. 810 befahl KARL den Bau einer Flotte zur Abwehr der dänischen Plünderungszüge. Nach langen Kämpfen mit den Byzantinern in Italien erkannte der oströmische Kaiser Michael im Vertrag von Aachen die Kaiserwürde KARLS an, der auf Venedig, Dalmatien und in seinem Kaisertitel auf die Bezeichnung "Romanum imperium gubernas" (das römische Reich regierend) verzichtete, das heißt, Byzanz wurde als einziger legitimer Nachfolger des römischen Reiches anerkannt. KARL designierte 813 seinen einzigen am Leben gebliebenen Sohn LUDWIG zum Nachfolger, den er ohne päpstliche Mitwirkung in der Kaiserpfalz zu Aachen zum Mitkaiser krönte bzw. selbst krönen ließ. Damit brachte er zum Ausdruck, dass er souverän, unabhängig vom Papst über das Kaisertum verfügen und irgendwelche Rechtsansprüche vom Papst auf die Krone von vornherein ausschließen wollte. KARLS fortschrittliche Bedeutung bestand darin, dass er auf allen Gebieten die feudalen Entwicklungstendenzen förderte. Mit der Einbeziehung aller germanischer Stämme rechts des Rheins in sein Reich schuf er die Voraussetzung für die spätere Herausbildung eines deutschen Staates.
    KARL starb an Padogra.


    Hartmann Wilfried: Seite 21-41, „Kaiser Karl der Große (768/800-814)“

    in Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern (Hg. Karl Rudolf Schnith)
    Der Biograph KARLS DES GROSSEN, Einhard, berichtet in seiner Vita Karoli Magni (verfaßt nach 830), dass er über Geburt, Kindheit und Jugend seines Helden keine sicheren Nachrichten habe; auch das Geburtsjahr kenne er nicht. Es spricht einiges dafür, dass KARL 747 geboren wurde (und nicht 742, wie die ältere Forschung annahm) als erstes Kind aus der Ehe Pippins mit Bertrada, die 744 geschlossen worden war. Im Jahr 751 erhielt KARL einen Bruder namens Karlmann. Zum Geburtsjahr 747 paßt besser als zu 742, dass KARL bis 768, dem Todesjahr seines Vaters, nicht als Anführer selbständiger Unternehmungen hervorgetreten ist. Pippinhat nach seiner Erhebung zum König seine beiden Söhne gleich behandelt und dem älteren keine Vormachtstellung eingeräumt; er hatte wohl von Anfang an beabsichtigt, das Frankenreich in zwei gleiche Teile aufzuteilen. Die Anfänge der Regierung KARLS treten in den Quellen nicht deutlich hervor; vielleicht sollten später die Spannungen zwischen den beiden Brüdern verwischt oder allein als Schuld Karlmanns dargestellt werden. Im Jahre 768 mußte noch einmal in Aquitanien gekämpft werden; im Verlauf dieses Kriegszugs scheint der Konflikt zwischen KARL und Karlmann ausgebrochen zu sein. KARL hat nämlich versucht, seinen Bruder aus Aquitanien zu verdrängen.
    Die Jahre 770 und 771 bedeuteten einen Stillstand in den schon seit vielen Jahren sich vollziehenden Expansion des Frankenreichs; 770 wurde Tassilo III. von Bayern die Selbständigkeit zugebilligt, und auch mit den Langobarden kam es zu einer Abmachung, nach der die Franken auf Interventionen in Italien verzichteten. Hinter diesen Friedensschlüssen stand eine innerfränkische Koalition von Pippins Witwe Bertrada (Bertha) mit ihren älteren Sohn KARL, die gegen Karlmanngerichtet war und diesen ausmanövrieren wollte. Ein wichtiger Baustein in diesem gegen Karlmanngerichteten Bündnis war KARLS Ehe mit einer Tochter des langobardischen Königs Desiderius, durch die KARL zugleich der Schwager des bayerischen Fürsten Tassilo wurde; damit war der Reichsteil Karlmanns "eingekreist".
    Der Tod Karlmanns (4.12.771) veränderte die politische Lage vollkommen. KARL schwenkte in seiner Italienpolitik auf die Linie seines Vaters ein; er brach mit den Langobarden und auch mit Bayern, er verstieß seine langobardische Gemahlin und heiratete Hildegard, die aus einem alemannischen Adelsgeschlecht stammte, um seine Position in diesem wichtigen Gebiet, das bis dahin zu Karlmanns Reich gehört hatte, zu festigen. Denn mit Karlmanns Tod war KARL noch nicht selbstverständlich Alleinherrscher im fränkischen Reich, da sein Bruder Söhne hinterlassen hatte, die allerdings noch sehr klein waren. Es war schon in merowingischer Zeit umstritten gewesen, ob nach dem Tod eines Bruders das Erbrecht von dessen Söhnen wirksam werden sollte oder ob es ein Eintrittsrecht des überlebenden Bruders gab, das stärker war als das Erbrecht in direkter Linie. Dieser Konflikt, der durch KARL rasch und endgültig in seinem Sinn gelöst wurde, sollte sich im Verlauf des 9. Jahrhunderts noch mehrfach wiederholen. Die eher unsicheren Anfänge der Regierung KARLS DES GROSSEN lassen jedenfalls noch nicht erkennen, dass dieser Herrscher durch seine Leistung und seine Persönlichkeit das Schicksal Europas ganz nachhaltig beeinflussen sollte. Seine gesamte Regierungszeit war geprägt von seinen zahlreichen Kriegen: Mit Ausnahme des Jahres 790 berichten die Annalen von jedem Jahr, dass Kriegszüge durchgeführt wurden. Dabei ist es zweifelhaft, ob der König von Anfang an eine umfassende Konzeption besaß, die er nach und nach verwirklichte. Es scheint eher so gewesen zu sein, dass KARL durch seine Erfolge beflügelt wurde, sich immer neue Ziele zu setzen. Man kann sicher nicht sagen, dass KARL nur "Glück" hatte, aber zweifellos wurde die erfolgreiche Bildung eines großen Reiches dadurch begünstigt, dass die politische Großwetterlage eine solche Reichsbildung zuließ.
    Den ersten großen Erfolg konnte KARL in Italien erringen. Dorthin war Karlmanns Witwe Gerberga Anfang 772 mit ihren Kindern und ihren Anhängern geflohen; sie wurde von König Desiderius aufgenommen. Die Gefahr, die von der Familie seitens des verstorbenen Bruders für seine Herrschaft ausging, war ein wichtiger Grund dafür, dass KARL so rasch einen Feldzug gegen die Langobarden unternahm, wie ihn die Päpste schon seit längerem gefordert hatten. Anders als sein Vater beabsichtigte KARL wohl von Anfang an, das Langobardenreich zu übernehmen. Von diesem Entschluß ließ er sich auch nicht abbringen, als es nötig war, die Hauptstadt Pavia neun Monate lang zu belagern; die Stadt ergab sich im Juni 774; nicht nur der König mit seinem gesamten Hofstaat und seinen Beamten fielen KARL in die Hände, sondern auch der reiche Kronschatz. Desiderius verschwand in einem Kloster; sein Sohn konnte nach Byzanz fliehen.
    Nach dem Fall der Hauptstadt brach das zuvor so mächtige Reich der Langobarden rasch und fast widerstandslos zusammen, so dass KARL glaubte, er könne die langobardischen Amtsträger in ihren Ämtern belassen. 775 kam es jedoch zu einer größeren Aufstandsbewegung mit Zentrum in Friaul; erst das persönliche Eingreifen KARLS in einem weiteren Italienzug von 776 konnte die fränkische Herrschaft sichern. Nach weiteren Italienzügen 780/81 wurde das Langobardenreich nach fränkischem Muster umorganisiert, und es wurden fränkische Grafen als Amtsträger nach Italien geschickt, die vom König mit Amt und Ländereien ausgestattet wurden; sie machten dort zum Teil bedeutende Karrieren. Auch nach seiner Eroberung bewahrte das Langobardenreich seine Eigenständigkeit; KARL hatte 774 den Titel eines "Königs der Franken und Langobarden" angenommen und billigte damit den Langobarden die Rolle eines zweiten Reichsvolks zu.
    Im Verlauf des ersten Italienzuges KARLS kam es zu einer Begegnung mit dem Papst, seit 772 war dies Hadrian I., der von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit den Franken setzte. Schon vor dem Fall von Pavia zog KARL nach Rom, wo ihn zu Ostern 774 eine päpstliche Abordnung mit hohen Ehren empfing. Als erster fränkischer König war KARL bis Rom vorgestoßen, und er erreichte noch mehr, nämlich den Einzug in die Stadt selbst, was den langobardischen Königen immer verwehrt geblieben war. Jedoch der Beherrscher Roms sollte auch der Frankenkönig nicht sein, daher durfte er nicht in den Mauern der Stadt wohnen, sondern mußte in der Nähe von St. Peter nächtigen. Während dieses Romaufenthalts erneuerte KARL das von seinem Vater Pippin 754 gegebene Versprechen, bestimmte Gebiete Italiens dem Papst zu überlassen (sogenannte Pippinsche Schenkung). Ein Teil dieser Zusagen wurde im Verlauf des zweiten Romzugs KARLS (781) tatsächlich verwirklicht.
    So wie KARLS Italienzug durch den Hilferuf des Papstes angestoßen worden war, so ging auch sein Zug gegen das moslemische Spanien auf einen Hilferuf zurück, den 777 der Emir von Barcelona hatte ergehen lassen. Was der fränkische König bei seinem Feldzug vom Jahr 778 beabsichtigte, ist unklar; er konnte nicht im Ernst hoffen, mit dem von ihm aufgebotenen kleinen Heer jenseits der Pyrenäen dauernde Eroberungen zu machen. Nach mäßigen Erfolgen kam es im August 778 auf dem Rückmarsch zu einer Katastrophe, als die Nachhut in den Pyrenäen von den Basken überfallen und vollkommen vernichtet wurde. Das Rolandslied hat diese Niederlage im Gedächtnis der Nachwelt erhalten. KARL hat danach für längere Zeit auf eine Offensive gegen die Mauren verzichtet. Erst 801 führte sein Sohn LUDWIG einen Angriff gegen Barcelona durch, das nach langer Belagerung erobert werden konnte: Das Gebiet bis zum Ebro konnte nun als Spanische Mark dem Frankenreich eingegliedert werden.
    Für die deutsche Geschichte waren aber zwei andere Eroberungen wichtiger, weil durch sie die ausgedehnten Gebiete der mit den Franken stammesverwandten Bayern und Sachsen zum Frankenreich kamen. Dabei konnte Bayern ohne Krieg angegliedert werden: Nach dem Ende des Langobardenreichs, auf das sich Tassilo III. als Schwiegersohn des Desiderius vor allem gestützt hatte, hatten die Franken es anscheinend verstanden, den bayerischen Adel auf ihre Seite zu ziehen. Als es 787/88 zum Konflikt zwischen KARL DEM GROSSEN und dem Bayernherzog kam, war Tassilo isoliert, denn der Papst stand auf der Seite der Franken. Tassilo mußte sich daher 787 bereitfinden, einen Vasalleneid zu leisten und sein Reich als Lehen aus der Hand des fränkischen Königs anzunehmen. Im Sommer des folgenden wurde Tassilo nach Ingelheim befohlen; er wurde mit Frau und Kindern gefangengenommen. In einem Hochverratsprozeß traten bayerische Adelige als Ankläger auf und sagten aus, dass Tassilo mit den Awaren gegen die Franken konspiriert habe. Nach dem Quellen, die allerdings die fränkische Version der Angelegenheit wiedergeben, soll Tassilo ein Schuldbekenntnis abgelegt haben. Um ihn vollends zu vernichten, wurde ein 25 Jahre zurückliegendes Vergehen ausgegraben: Er habe sich 763 eigenmächtig vom Heer entfernt und damit das todeswürdige Verbrechen der "Harizliz" (Fahnenflucht) begangen. Tassilo wurde von seinen Landsleuten zum Tod verurteilt, aber von KARL zur Klosterhaft begnadigt.
    Um das gewonnene Land zu sichern, verbrachte der Frankenkönig zwei aufeinanderfolgende Winter in der alten bayerischen Herzogsstadt Regensburg (791-793), ehe er seinen Schwager Gerold zum Präfekten in Bayern einsetzte. Es scheint aber immer noch Anhänger des alten Herzogshauses gegeben zu haben. Daher war es nötig, Tassilo noch einmal aus seinem Kloster vor eine Reichssynode zu holen, wo er (794 in Frankfurt) schriftlich für sich und seine Nachkommen auf Bayern verzichtete. Dass die Historiker die Vorgänge um Tassilo nur aus dem Blickwinkel KARLS schildern durften und dass wir keine sicheren Nachrichten darüber besitzen, wo und wann Tassilo gestorben ist, zeigt, wie sehr KARL persönlich darüber wachte, dass sein Nachruhm nicht durch sein Vorgehen gegen seinen Vetter und Schwager beeinträchtigt wurde.
    Bayern blieb übrigens nicht nur als politische Einheit bestehen (unter einem Präfekten), sondern es wurde auch eine bayerische Kirchenprovinz geschaffen, als deren erster Metropolit Arn von Salzburg im Jahr 796 das Pallium erhielt.
    Obwohl wir heute nicht mehr beweisen können, ob Tassilo tatsächlich - wie ihm vorgeworfen wurde - mit den Awaren paktiert hat, steht fest, dass dieses Steppenvolk, das seit über 200 Jahren in Pannonien ansässig war, 788 Einfälle nach Italien und nach Bayern unternahm. In einem ersten Zug gegen die Awaren (791) konnten die Franken trotz eines großen Heeres keinen Sieg erringen, denn die Awaren stellten sich nicht zur Schlacht, sondern zogen sich weit nach Pannonien hinein zurück. Aber das Auftauchen der Franken in ihrem eigenen Gebiet hatte ihnen einen schweren Schock versetzt. Als dann KARL den nächsten Feldzug gründlicher vorbereitete, konnte der Erfolg kaum ausbleiben. Bei diesen Vorbereitungen zeigte er sich als bedeutender Stratege, der auch über die Möglichkeiten seiner Zeit hinauszugreifen imstande war.
    792 ließ er eine bewegliche Brücke bauen, die auf Schiffen donauabwärts bewegt werden konnte und so immer wieder die leichte Überquerung der Donau ermöglichte. Im darauffolgenden Jahr wurde ein Versuch gemacht, die Stromgebiete von Rhein und Donau miteinander zu verbinden, um den Nachschub leichter nach SO transportieren zu können. Das für diese Absicht ausgewählte Gebiet war ideal gelegen: In der Nähe von Weißenburg/Bayern sind die Flußläufe von Rezat (einem Nebenfluß der Pegnitz) und Altmühl nur 1.500 bis 1.800 m voneinander entfernt, und es war ein Höhenunterschied von ca. 20 m zu bewältigen. Dennoch scheiterte dieses Unternehmen, weil es in damaliger Zeit nicht möglich war, die für die umfangreichen Erdarbeiten nötigen Menschen zu ernähren, und auch - nach dem Bericht der Annalen - weil heftige Regenfälle die Arbeiten erschwerten.
    Als man 795 von inneren Kämpfen bei den Awaren erfuhr, drang ein kleines fränkisches Kommando bis ins Zentrum des Awarenreichs vor. Im folgenden Jahr zogen zwei Heere gegen die Awaren: das eine unter dem Königs-Sohn Pippin zog donauabwärts, das zweite stieß von Friaul aus nach NO vor. Ohne Kampf unterwarfen sich die Awaren. Die Schätze, die sie seit vielen Jahrzehnten in ihren Ringburgen angehäuft hatten, fielen den Franken in die Hände. Die Kriegsbeute wurde teils an die Krieger aufgeteilt, teils der Kirche geschenkt. Als Dank für die Hilfe Gottes, die ihre Gebete erreicht hatten, erhielten mehrere Klöster wertvolle Goldgefäße, die zu Gefäßen für den kirchlichen Gebrauch umgearbeitet wurden. Für den König selbst blieb noch so viel übrig, dass in Aachen eine eigene Schatzkammer für die Awarenbeute eingerichtet werden mußte. Die endgültige Unterwerfung brachte ein Zug im Jahr 805, der wegen eines Aufstands nötig gewesen worden war. Der Sieg über die Awaren war es vor allem, der KARL Ansehen bei den slawischen Völkern des ostmitteleuropäischen Raums befestigte, so dass sein Name bei ihnen zur Bezeichnung des Herrschers wurde (Karl, Kral, Krol = König).
    Die längsten Kämpfe mußten mit den Sachsen ausgefochten werden: Einhard schildert das Ringen mit diesem Stamm als einen über 30 Jahre dauernden Krieg; in Wahrheit wurde zwar nur von 772-785 und dann wieder - in kleinerem Rahmen - von 792-804 gekämpft; aber auch dies sind zusammen über 24 Jahre. Grenzkriege gegen die Sachsen hatte es auch schon früher gegeben.
    Einige merowingische Könige, dann Karl Martell und KARLS Vater Pippin hatten immer wieder einzelne Vorstöße geführt, um sich für Überfälle zu rächen und um den Sachsen die Macht des Frankenreichs zu demonstrieren. Anscheinend plante KARL aber im Unterschied zu diesen begrenzten Feldzügen von Anfang an, ganz Sachsen zu unterwerfen und durch die Christianisierung in sein Reich einzugliedern.
    Nachdem bereits 770 eine militärische Aktion durchgeführt worden war, rückte KARL im Sommer 772 mit einem bedeutenden Heer in das Gebiet der Engern ein (südlich von Paderborn). Die dem Kriegsgott geweihte Eresburg wurde dabei eingenommen und die weiter nördlich gelegene Itminsul, ein gewaltiger Baumstamm in einem heiligen Hain, wurde zerstört. In die Eresburg wurde eine fränkische Besatzung gelegt, und das Land sollte durch die Ausrottung des Heidentums und eine rasche Christianisierung befriedet werden. Der erfolgreiche Angriff auf ein zentrales Heiligtum hat die Sachsen aber nicht verunsichert, sondern stachelte sie zu einem Gegenschlag auf, der während KARLS Italienzug 773/74 durchgeführt wurde. Die fränkische Aktion von 774 zeigte, dass der sächsische Adel bereit war, sich - wie in Italien oder in Bayern - dem überlegenen fränkischen Heer zu unterwerfen, wohl auch in der Hoffnung auf Teilhabe an Beute und Herrschaft im expandierenden Frankenreich. An den Quellen der Pader wurde eine Karlsburg errichtet, und in Paderborn fand im Jahr 777 eine gesamtfränkische Reichsversammlung statt, auf der eine große Anzahl von sächsischen Adeligen erschien, die den Franken ihre Loyalität erklärten. Damit schien die Eingliederung Sachsens in das Frankenreich abgeschlossen. Der Widerstand gegen die Fremdherrschaft und gegen die Christianisierung wurde jetzt hauptsächlich von den freien Bauern getragen, die durch KARLS Niederlage auf dem Rückmarsch von Spanien zum Losschlagen unter ihrem adeligen Anführer Widukind ermuntert wurden. Die Karlsburg wurde niedergebrannt, und die Sachsen drangen bis zum Rhein und bis nach Fulda vor. Im Gegenzug errichteten die Franken zahlreiche Klöster und Kirchen als Stützpunkte ihrer Herrschaft, und KARL übertrug 782 die fränkische Grafschaftsverfassung ins eroberte Sachsen, wobei mächtige sächsische Adelige als Lohn für ihre Treue zum Frankenkönig zu Grafen gemacht wurden.
    Den frisch bekehrten Sachsen wurde der Kirchenzehnt auferlegt, eine Abgabe, die von ihnen als große Schmach und als Zeichen der Sklaverei angesehen wurde. Die alte sächsische Verfassung mit ihrer Volksversammlung wurde abgeschafft. 782 oder 785 erließ KARL ein Kapitular, das Angriffe auf den christlichen Glauben und seine Repräsentanten sowie Illoyalität gegen die Franken mit drakonischen Strafen bedroht. Nicht nur die Ermordung eines Klerikers oder die Zerstörung einer Kirche sollte mit dem Tode bestraft werden, sondern auch der Versuch, sich der Taufe zu entziehen, die Ausübung heidnischer Praktiken oder das Einäschern der Leiche eines Verstorbenen. Die Folge dieser Maßnahmen war ein Aufstand von solcher Heftigkeit, wie ihn KARL nicht mehr erwartet hatte: die Priester als Repräsentanten des verhaßten Systems wurden erschlagen oder vertrieben; ein fränkische Heeresgruppe wurde in offener Feldschlacht vernichtet (783). KARL selbst mußte eingreifen, er konnte das Hauptheer umzingeln, und der sächsische Adel lieferte die Rädelsführer des Aufstands aus; Widukind allerdings war entkommen. Bei Verden an der Aller wurden die Empörer hingerichtet; die Zahl von 4.500 enthaupteten Sachsen ist sicher übertrieben; auch handelte es sich bei dieser Maßnahme nicht um bloßen Terror, sondern um die rechtlich gebotene Bestrafung von Hochverrätern. An dieser Episode hat sich später heftige Kritik an KARL DEM GROSSEN entzündet, die bis zum Beinamen "Sachsenschlächter" reichte, mit dem KARL von der offiziellen Geschichtsbetrachtung der Nationalsozialisten belegt wurde.
    Um die Sachsen durch eigene Präsenz zu beeindrucken, verbrachte KARL drei Winter hintereinander im Land (782-784), und er gab ihnen vor allem in den Jahren 784 und 785 keine Gelegenheit, ihre Kräfte wieder zu sammeln. Von dieser Festigkeit beeindruckt, kam der Sachsenführer Widukind zu Weihnachten 785 in die königliche Pfalz Attigny und ließ sich zusammen mit seinen engsten Gefährten taufen. KARL persönlich übernahm die Patenschaft für Widukind, über dessen weiteres Schicksal wir nichts Genaueres wissen. Es ist ungewiß, ob er wie Desiderius oder Tassilo III. sein Leben im Kloster beschloß; die Nachrichten über einen Aufenthalt auf der Reichenau sind jedenfalls recht undeutlich.
    Ein letztes Aufbäumen des sächsischen Freiheitsdranges gab es in den Jahren 793 und 797, als die Franken durch den Krieg mit den Awaren auf einem anderen Schauplatz beschäftigt schienen. Obwohl wieder die Pfalz in Paderborn zerstört wurde, war die fränkische Herrschaft schon zu fest verwurzelt, als dass sie noch beseitigt hätte werden können. Nur im Mündungsgebiet von Weser und Elbe sowie in Nordalbingien war der Widerstand längere Zeit erfolgreich. Nach den Feldzügen von 797, 802 und zuletzt 804 wurden die aufständischen Bauern an der unteren Elbe und in Holstein zu Tausenden planmäßig deportiert und im ganzen Reich verstreut neu angesiedelt; hier eher als beim Blutbad von Verden zeigte sich KARL als despotischer Herrscher. Ein Friedensschluß von 803 wurde durch eine größere Anzahl von sächsischen Geiseln bekräftigt; ein Verzeichnis von 37 Namen von sächsischen Großen, die in alemannischen Klöstern verwahrt werden sollten, ist noch erhalten.
    Zur endgültigen Befriedung trug auch bei, dass KARL 797 das strenge Sachsenkapitular durch ein milderes Gesetz ablöste, in dem die meisten Vergehen durch Geldbußen abgegolten werden konnten, so wie das in den fränkischen Rechtsbüchern der Zeit auch üblich war. Im Jahr 802 wurde das sächsische Rechtsbuch, die Lex Saxonum, kodifiziert, in dem das alte Stammesrecht mit fränkischem Reichsrecht und christlichen Elementen zu einer neuen Einheit verbunden wurde.
    Nachdem KARL an die Stelle der deportierten Sachsen in Transalbingien Franken und vor allem die elbslawischen Abodriten angesiedelt hatte, kam es seit 804 zu Konflikten mit den Dänen unter ihrem König Göttrik, der ganz Sachsen und Friesland zu unterwerfen suchte. Nicht nur die Franken, sondern auch die Dänen versuchten nämlich in jenen Jahren, ein Großreich zu errichten. Mit fränkischer Hilfe gelang es aber den Abodriten in O-Holstein, sich von der dänischen Oberhoheit freizuhalten.
    Mit den östlich von Sachsen und Thüringen wohnenden slawischen Stämmen hatte das Frankenreich bereits unter KARL DEM GROSSEN feindliche und auch freundschaftliche Beziehungen. 789 führte KARL persönlich einen Feldzug gegen die Wilzen durch, und nach der endgültigen Unterwerfung der Sachsen gelang auch die Eingliederung der Sorben ins Frankenreich (806). Ein großer Zug nach Böhmen (805/06) brachte auch dieses Gebiet unter fränkische Oberhoheit.
    Am Ende seines Lebens herrschte KARL über ein Reich von ca. 1 Million km²; aber die Größe dieses Reichs brachte erhebliche Probleme bei seiner Verwaltung mit sich, und an seinen Grenzen gab es mehrere Unruheherde, die KARL nicht hatte befriedigen können. Dabei brachten die Emanzipationsbestrebungen der Bretonen oder der Elbslawen das Reich in keine bedrohliche Lage, aber am Ende von KARLS Regierung machten sich bereits die Normannen bemerkbar, deren Streifzüge das Frankenreich später in die Defensive drängen sollten. Notker von St. Gallen hat dies in einer schönen Anektode dargestellt: Die Normannen, die eine Stadt am Mittelmeer überfallen wollten, hätten erfahren, dass sich KARL DER GROSSE dort aufhielt; darauf seien sie aus Furcht vor dem großen Kaiser abgezogen. KARL sei ans Fenster getreten und habe bittere Tränen vergossen, weil er voraussah, dass die Normannen schwere Leiden über seine Nachfahren und deren Untertanen bringen würden.
    Nach den Eroberungen in Italien, NO-Spanien, Bayern und Pannonien sowie in Sachsen mit der Oberherrschaft über die slawischen Stämme östlich der Elbe war KARL der mächtigste Herrscher in der den damaligen Menschen bekannten Welt - mit Ausnahme des Kaisers, der in Konstantinopel seinen Sitz hatte. KARLS vertrauter Ratgeber Alkuin hatte schon nach den Siegen über die Sachsen und die Awaren nach angelsächsischem Muster von KARL als imperator, als Kaiser gesprochen, und er hatte auch die Aufgaben seines Amtes gegenüber dem neuen Papst Leo III. weitgespannt angegeben: "Unsere Aufgabe ist es, die Kirche Christi nach außen mit Waffengewalt gegen heidnische Angriffe zu verteidigen und gegen Zerstörungen durch die Ungläubigen zu schützen, aber auch nach innen die Anerkennung des rechten Glaubens sichern."
    Als Papst Leo III. nach einem auf ihn verübten Attentat im Sommer 799 den fränkischen König in Paderborn aufsuchte, wurde wahrscheinlich auch über das Kaisertum gesprochen und dabei der Aspekt erörtert, dass am ehesten ein Kaiser durch ein abschließendes Urteil die Anklagen gegen den Papst aus der Welt schaffen könne.
    Nachdem KARL bereits am Beginn seines Romzugs vom Jahr 800 mit kaiserlichen Ehren empfangen worden war und im roten Kaisermantel und mit roten Kaiserstiefeln auftrat, konnte es kaum überraschend sein, dass ihm Papst Leo während der Weihnachtsmesse in St. Peter die Kaiserkrone auf das Haupt setzte. Die Römer stimmten diesem Vorgang zu, indem sie riefen: "Dem Augustus KARL, dem von Gott gekrönten, großen und friedliebenden Kaiser der Römer, Leben und Sieg!" Das Vorbild für diese Kaisererhebung kam aus Byzanz: so wie dort das Volk den neuen Kaiser akklamierte und der Patriarch die Krönung vornahm, so agierten am Weihnachtstag 800 das Volk von Rom als Akklamator und der Papst als Koronator des Kaisers.
    Einhard berichtet allerdings, KARL habe gesagt, dass er trotz des hohen Festtags nicht in die Kirche gegangen wäre, wenn er gewußt hätte, dass ihm der Papst die Kaiserkrone aufsetzen würde. Diese Aussage muß wohl als authentisches Zeugnis des Kaisers gewertet werden; sie ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit eine Aussage nach dem Ereignis, das heißt sie gibt kaum KARLS Zustimmung am Weihnachtstag 800 wieder. Dass KARL gegen Ende seines Lebens dem Papst keine Mitwirkung bei der Kaiserkrönung zubilligen wollte, zeigt sich am besten darin, dass er seinem Sohn LUDWIG am 11.9.813 zum Mitkaiser erhob, indem er ihm selbst die Krone aufsetzte. Damit übernahm KARL die in Byzanz übliche Zeremonie zur Erhebung eines Mitkaisers.
    Die Distanz KARLS DES GROSSEN gegen ein römisches, das heißt an die Stadt Rom gebundenes Kaisertum zeigt sich auch darin, dass er nach 800 nie mehr nach Rom kam, vielmehr seine Residenz Aachen zu einem Rom des Nordens ausbaute, wo es nach dem Vorbild der Ewigen Stadt einen Lateran und eine mit antiken Säulen geschmückte Pfalzkapelle geben sollte.
    Durch KARLS Kaiserkrönung erhielt das Verhältnis zwischen Byzanz und dem Frankenreich eine neue Qualität. Wie man in gewissen Kreisen die Vorgänge von Weihnachten 800 im Osten sah, können wir einer Notiz in der Chronik des byzantinischen Mönchs Theophanes entnehmen: "Papst Leo vergalt KARL seine Hilfe und krönte ihn zum Kaiser der Römer in der Kirche des heiligen Apostels Petrus, indem er ihn von Kopf bis Fuß mit Öl salbte und ihm ein kaiserliches Gewand und eine Krone antat." Da das byzantinische Zeremoniell keine Kaisersalbung kannte, sollte wohl durch die übertriebene Schilderung dieser Handlung die barbarische Ahnungslosigkeit verdeutlicht werden, mit der die Westler ihren usurpatorischen Akt vollzogen hatten. In Byzanz konnte man sich nicht vorstellen, dass es zwei Kaiser nebeneinander geben konnte; man rechnete daher wohl mit einem Angriff aus dem Westen. Theophanes deutet aber noch eine andere Lösung des Zweikaiserproblems an, wenn er berichtet, dass 802 eine fränkische Gesandtschaft in Konstantinopel erschienen sei, die der Kaiserin Irene einen Heiratsantrag KARLS überbracht hätte. Die fränkischen Gesandten hätten sich noch in Byzanz befunden, als Irene durch ihren Logotheten Nikephoros gestürzt wurde.
    Zu unserer Einschätzung von KARLS Mentalität paßt es nicht, dass er tatsächlich eine Eheverbindung mit der byzantinischen Kaiserin geplant hat; keine abendländische Quelle berichtet von diesem Eheprojekt.
    Mit dem neuen Kaiser Nikephoros kam es zu Kämpfen, in denen es vordergründig um die Beherrschung der Adriaküste ging, im Hintergrund stand aber die Frage nach der Gleichberechtigung der beiden Kaiser. Militärisch endete dieser Krieg mit einer Niederlage der Franken, da sie im Gegensatz zu den Byzantinern keine Flotte besaßen. Nach dem Friedensschluß von 810 suchte 812 eine byzantinische Gesandtschaft KARLS Residenz in Aachen auf; die Gesandten akklamierten KARL in griechischer Sprache als Kaiser und redeten ihn wie den oströmischen Kaiser als Basileus Romaion (Kaiser der Römer) an. Auch KARL bemühte sich in seinem Antwortschreiben an den Kaiser im fernen Konstantinopel, die Gleichrangigkeit seiner eigenen Würde mit der des oströmischen Herrschers auszudrücken, ohne dessen Selbsteinschätzung zu verletzen. Wegen der langen Reisewege und der Herrscherwechsel im Osten wie im Westen war der Austausch der Friedensurkunden erst im September 815 abgeschlossen.
    Nicht nur zum christlichen Kaiser im Osten, sondern auch zu den moslemischen Staatenbildungen unterhielt KARL Kontakte. Schon sein Vater Pippin hatte in seinen letzten Lebensjahren, 765-768, eine Gesandtschaft ins Kalifat nach Bagdad entsandt. Bei ihrer Rückkehr brachten die fränkischen Gesandten auch eine Legation des Kalifen mit; sicher ein Beweis für freundschaftliche Beziehungen. Erst 30 Jahre später entsandte KARL DER GROSSE eine Legation in den Osten, von der wir die Namen der Teilnehmer kennen. Darunter befand sich der sprachkundige Jude Isaak, der wohl zu den jüdischen Fernhändlern gehörte, die auch noch nach dem Einbruch des Islams im gesamten Mittelmeerraum Handel trieben. Dieser Isaak brachte bei seiner Rückkehr als Geschenk des Kalifen Harun ar-Raschid (786-809) einen Elefanten mit, dessen Namen unsere Quellen überliefern: Abul Abbas (das ist der Name des Onkels des Propheten, den die Kalifen von Bagdad als ihren Stammvater verehrten). Der Elefant wurde so gut und kundig gehalten, dass er zehn Jahre im Frankenreich lebte.
    Eine zweite Gesandtschaft reiste 802 nach Bagdad und erreichte es nach dem Bericht Einhards, dass der Kalif KARL die Verfügungsgewalt über das Grab Christi und damit das wichtigste Pilgerziel im Heiligen Land übergab. Sein Prestige stieg dadurch gewaltig; denn nicht dem oströmischen Kaiser, der das Christentum so lange gegen die islamische Expansion verteidigt hatte, sondern dem Kaiser des Westens wurde der Schutz der Pilger und der christlichen Geistlichkeit in Jerusalem übertragen. Die fränkischen Chronisten verzeichnen denn auch stolz die Geschenke, die eine zweite Gesandtschaft Harun ar-Raschids nach Aachen brachte; ein großes Zelt, kostbare Seidengewänder, Duftstoffe und Salben sowie eine Wasseruhr.
    Dank Einhards wertvoller Biographie können wir uns KARLS äußere Erscheinung recht gut vorstellen: "KARL war kräftig und stark, dabei von hoher Gestalt, die aber das rechte Maß nicht überstieg. Es ist allgemein bekannt, dass er sieben seiner Füße groß war. Er hatte einen runden Kopf, seine Augen waren sehr groß und lebhaft, die Nase etwas lang; er hatte schöne graue Haare und heiteres und fröhliches Gesicht. Seine Erscheinung war immer imposant und würdevoll, ganz gleich ob er stand oder saß. Sein Nacken war zwar etwas dick und kurz, und sein Bauch trat ein wenig hervor, doch fielen diese Fehler bei dem Ebenmaß seiner Glieder nicht sehr auf. Sein Gang war selbstbewußt, seine ganze Körperhaltung männlich und seine Stimme klar, obwohl sie nicht so stark war, wie man bei seiner Größe hätte erwarten können."
    Die Tatsache, dass KARL gar nicht als Idealtyp eines Heldenkönigs geschildert ist, sondern auch sein kurzer Nacken und sein Bauch oder seine dünne Stimme erwähnt werden, dürfte die Wahrheit dieser Beschreibung verbürgen. Dabei muß man allerdings beachten, dass Einhard (geboren um 770) erst seit ca. 796 in der Umgebung KARLS auftaucht, das heißt dass er KARL nur als über Fünfzigjährigen älteren Mann kannte. Aber wichtige Einzelheiten, wie etwa KARLS Körpergröße von ca. 1,90 m, werden durch andere Quellen, in diesem Fall durch Messungen an seinem Skelett, bestätigt.
    Auch viele andere persönliche Züge, die wir von KARL - im Unterschied zu den meisten anderen mittelalterlichen Herrschern - kennen, verdanken wir Einhards kleiner Schrift. So wissen wir von seiner lebhaften Art, die sein Biograph geradezu als Geschwätzigkeit bezeichnet, und wir kennen seine Abneigung gegen die Ärzte, die ihm verboten, sein geliebtes Bratenfleisch zu essen, seine Mäßigkeit im Trinken und seine Liebe zur Jagd und zum Schwimmen. Durch Einhard wissen wir auch über den etwas eigenartigen Tagesrhythmus des Kaisers Bescheid, der zwar nach dem Mittagessen eine lange Ruhepause einlegte, aber in der Nacht mehrfach aufstand, sich ankleiden ließ und dann "regierte", das heißt Audienzen gewährte, Gerichtssitzungen abhielt und Anweisungen für den kommenden Tag gab.
    Eine Ausbildung, die ihn auf seine künftigen Aufgaben als Herrscher über ein großes Reich vorbereitet hätte, hat KARL anscheinend nicht erhalten. Einhard vermittelt den Eindruck, als sei KARL ein äußerst lernbegieriger Autodidakt gewesen, der erst als König viele Kenntnisse erworben habe. Von KARLS Sprachkenntnissen weiß Einhard zu berichten, dass er nicht nur seine Muttersprache, sondern auch Latein vorzüglich verstanden und gesprochen habe; selbst Griechisch soll er verstanden haben. KARLS Interesse für das Rechnen und für die Astronomie wird nicht nur von Einhard betont, sondern wird auch belegt durch eine Anzahl von Briefen, in denen sich KARL über Himmelserscheinungen informieren ließ. Für seine Lernbegeisterung ist es bezeichnend, dass KARL sich noch im Alter darum bemühte, das Schreiben zu erlernen. So habe der Kaiser unter seinem Kopfkissen immer Wachstafeln und Blätter bereitliegen gehabt, um sich in Zeiten der Schlaflosigkeit im Schreiben zu üben.
    Obwohl der Kaiser also nicht selbst schrieb, dürfte er das Lesen beherrscht haben; seine Kenntnis der Literatur und der Geschichte wurde auch dadurch gefördert, dass während des Mittagessens historische Werke oder Schriften des Augustinus, besonders dessen "Gottesstaat", vorgelesen wurden. Als um 790 am Hof KARLS die fränkischen Theologen eine Schrift über die Verehrung der Bilder verfaßten, die sich gegen die bilderfreundliche Entscheidung des Konzils von Nizäa 787 richtete, wurde sie anscheinend in Gegenwart des Königs vorgelesen, der sie mit Ausrufen wie "sehr gut", "sehr wahr", "sehr schön argumentiert" und ähnlich kommentierte, die ein Stenograph in tironischen Noten auf dem Rand der heute noch vorhandenen Handschrift festhielt.
    KARLS großes Interesse an Fragen der Bildung und der Schriftkultur zeigt sich auch darin, dass er es verstand, bedeutende Gelehrte an seinen Hof zu ziehen und dort zu halten. Es hatte zwar schon unter seinem Vater Pippin eine Palastschule gegeben, aber überragende Leistungen sind aus dieser nicht hervorgegangen. KARL hat daher auswärtige Gelehrte angeworben, wie den Langobarden Paulus Diaconus, den Angelsachsen Alkuin und den Westgoten Theodulf. Eine ganze Reihe von Gedichten dieser und anderer Männer vermittelt uns ein lebendiges Bild von KARLS "Hofakademie", deren Mitglieder sich mit Namen aus der Antike oder aus dem Alten Testament schmückten. KARL selbst ließ dieses Tun nicht nur zu, sondern war intensiv mitbeteiligt. Der bedeutendste Literat war wohl Theodulf, dem KARL 798 das Bistum Orleans übergab. In seinen Gedichten übte dieser auch Kritik an den Zuständen im Reich, wobei er sich nicht scheute, den Herrscher selbst zu kritisieren. Andere Mitglieder des Hofkreises versuchten dagegen, sich durch teilweise penetrantes Herrscherlob gegenseitig zu übertreffen. Erst in der zweiten Generation der Gelehrten tauchen dann auch Franken auf, von denen hier Angilbert, der Lebensgefährte von KARLS Tochter Bertha, und Einhard genannt seien. Beide waren keine Geistlichen, sondern Laien; aber Angilbert erhielt 790 die Abtei St. Requier an der Somme, um die er sich sehr kümmerte, wobei er besonders die Bibliothek und die Reliquienschätze seines Klosters förderte. Seit 804 leitete Alkuins Schüler Hrabanus Maurus aus Mainz die Klosterschule in Fulda; den Höhepunkt seiner Bedeutung und seines Einflusses erreichte Hrabanus aber erst unter LUDWIG DEM FROMMEN und Ludwig dem Deutschen.
    Eine wesentliche Arbeit der Hofgelehrten bestand darin, die schriftliche Überlieferung der zentralen Texte des christlichen Glaubens von Fehlern zu reinigen. Daher waren Theodulf und Alkuin damit befaßt, nicht nur neue Handschriften der Bibel herstellen zu lassen, sondern auch dafür zu sorgen, dass in diesen Manuskripten ein möglichst fehlerfreier Text wiedergegeben wurde. Die Sorge um einen reinen Text bezog sich auch auf die Benediktregel und auf das Kirchenrecht.
    Mit dem Namen KARLS DES GROSSEN verbunden ist weiterhin eine Reform der Schrift: Noch unsere heutige Druckschrift benutzt im wesentlichen jene Buchstaben, die in KARLS Zeit entwickelt wurden: die karolingischen Minuskel. Die klare, schnörkellose und gut lesbare Schrift machte es leichter, die Forderung nach möglichst fehlerloser Abschrift von wichtigen Texten zu erfüllen.
    Auch der Volkssprache galt sein Interesse. Einhard berichtet davon, dass KARL den Monaten und den Winden volkssprachliche Bezeichnungen gegeben habe. Auch die Lieder, in denen die Helden der heidnischen Vorzeit verherrlicht wurden, ließ er aufzeichnen. Einzig das Hildebrandlied ist als Zeugnis für diese Bemühungen auf uns gekommen. Ein zentrales Anliegen KARLS war es, die Rechtsprechung auf schriftliches Recht zu gründen. Die bereits schriftlich vorhandenen Rechte der Franken (Lex Salica und Lex Ribvaria) sollten verbessert und den veränderten Verhältnissen angepaßt werden. Die noch ungeschriebenen Gesetze der anderen Stämme ließ er sammeln und aufzeichnen; von diesem Bemühen zeugen noch die Leges der Friesen, Sachsen und Thüringer. Auf einer Reichsversammlung des Jahres 802 wurden die Gesetze den anwesenden Großen des Reichs in ihrer Sprache vorgelesen.
    Während die geplante Reform der alten Leges den Franken nicht abgeschlossen werden konnte, hat KARL eine große Zahl von Kapitularien, das heißt von in Kapiteln gegliederten Verordnungen, erlassen, die eine Vielzahl von Themen betreffen. Das erste bedeutende Gesetz in dieser Reihe ist im Jahr 779, also unmittelbar nach dem Ende der ersten Reihe von Eroberungskriegen, entstanden. Die beiden schweren Niederlagen des Jahres 778 (gegen die Basken und gegen die Sachsen) konnten KARL also nicht davon abhalten, mit der inneren Reform seines Reiches zu beginnen. Das bedeutendste Kapitular aus den Anfängen seiner Regierungszeit stammte aus dem Jahr 789 und wird als Admonitio generalis ("allgemeine Ermahnung") bezeichnet. Dieses Gesetz richtete sich in erster Linie an die Geistlichen, denen zahlreiche Vorschriften nach dem Vorbild des alten Kirchenrechts gegeben werden. Es war vermutlich Alkuin, der die Formulierung dieses Schriftstücks besorgte und der auch für seine Verbreitung verantwortlich war. Die heute noch vorhandenen Exemplare dieses Gesetzes zeigen, dass das Ziel erreicht wurde, das Gesetz in allen Regionen des Reiches zu versenden.
    In der Kapitulargesetzgebung KARLS bedeutet die Kaiserkrönung einen wichtigen Einschnitt: danach ist eine verstärkte Hinwendung zur Aufstellung von Normen zu beobachten, die in den Fürstenspiegeln von einem christlichen Herrscher erwartet werden, nämlich der Schutz von Armen und Schwachen und die Aufrechterhaltung von Frieden und Eintracht im Reich. KARL beschränkte sich in diesen Jahren jedoch nicht auf allgemeine Ermahnungen, sondern griff ganz konkrete Mißstände auf, die beseitigt werden sollten. Für die armen Freien wurden der Zwang zum Heerdienst und die Pflicht, auf allen Gerichtsversammlungen zu erscheinen, gemildert; denn diese Pflicht ermöglichte es den Grafen als den Inhabern der königlichen Gerichtsbarkeit und des militärischen Oberbefehls, manche Freien in den unfreien Status herabzudrücken, indem sie planmäßig in ungünstigen Zeiten zur Gerichtsverhandlung befohlen oder zum Kriegsdienst eingezogen wurden.
    In seinem letzten Kapitular, das wahrscheinlich am Ende des Jahres 813 erlassen wurde, hat KARL dem Zweifel Ausdruck verliehen, ob seine Gesetze überhaupt den Menschen in seinem Reich bekannt geworden seien oder ob seine legislative Arbeit vergeblich gewesen sei. Aber auch diese resignierte Äußerung veranlaßte KARL nicht dazu, seine Anstrengungen aufzugeben, sondern nur dazu, eine bessere Verbreitung für die Korrektheit seiner Gesetze zu fordern.
    Eine gewisse Gewähr für die Korrektheit der Verwaltung schien immerhin dadurch gegeben, dass KARL die Grafen durch besondere Vertrauensleute kontrollieren ließ, die immer zu zweit auftraten (ein Bischof und ein weltlicher Machthaber), was ihre Durchsetzungskraft erhöhte und ihren Hang zur Korruption bremsen konnte.
    Um 800 ließ KARL das Königsgut im gesamten Reich verzeichnen, das heißt er ließ Inventare anlegen, in denen für jeden einzelnen Königshof der Bestand an Gebäuden, an Vieh und an Gerätschaften bis hin zum letzten hölzernen Rechen aufgenommen wurde. Das berühmte Capitulare de Villis (Kapitular über die Königshöfe) enthält dann Vorschriften über den Betrieb der königlichen Gutshöfe, wobei sich KARL mit der Anpflanzung von Obstbäumen und Weinreben, mit der sorgfältigen Nutzung des Waldes, mit der Aufzucht von Pferden, Rindern und Geflügel und mit den Lieferungen für den Unterhalt des Königs und seines Hofes befaßte. Über den Verkauf der erwirtschafteten Überschüsse sollte dem Herrscher genau Rechnung gelegt werden.
    Auch über die Ehen und Konkubinate KARLS DES GROSSEN wissen wir besser Bescheid als bei anderen Herrschern des Mittelalters. Weil Einhard in seiner Biographie die Kaiserviten Sueons nachahmen wollte, hat er auch das private Leben seines Helden ausführlich geschildert. Schon in jungen Jahren (um 763) hatte sich KARL mit einem adeligen Mädchen namens Himiltrud verbunden; aus dieser Beziehung ging ein Sohn hervor, der den Namen Pippin erhielt und der damit als vollberechtigter Erbe bezeichnet war, obwohl die Verbindung mit Himiltrud kaum eine Vollehe gewesen ist. Auch KARLS Großvater Karl Martell war ja aus einer nicht voll gültigen Ehe hervorgegangen.
    Die Ehe mit der Tochter des Langobarden-Königs Desiderius war ein politisch begründetes Bündnis; sie war die einzige Ehe mit einer Ausländerin, die in karolingischer Zeit von einem Franken-König eingegangen wurde. Aus politischen Gründen trennte sich KARL von ihr und heiratete Hildegard, ein noch junges Mädchen, das mütterlicherseits vom alemannischen Herzogshaus abstammte. Diese Ehe war politisch die wichtigste für KARL, denn sie verschaffte ihm einen sicheren Stand im östlich des Rheins gelegenen Gebiet. Aus dieser Ehe gingen bis zum frühen Tod Hildegards (783) 9 Kinder hervor, 4 Söhne und 5 Töchter. Die ersten beiden Söhne erhielten typische KAROLINGER-Namen, nämlich Karl und Karlmann; die beiden 778 geborenen Zwillingsbrüder wurden LUDWIG und Lothar genannt. Bei KARLS zweitem Romaufenthalt (781) übernahm Papst Hadrian I. die Patenschaft über die beiden älteren Söhne. Damit war ein Namenswechsel des zweiten Sohnes verbunden, der jetzt nicht mehr Karlmann, sondern Pippinheißen sollte. Der ältere Pippin aus KARLS Friedelehe hatte damit sein Recht auf Nachfolge im Frankenreich verloren; er hat 791/92 versucht, Verbindung zur Adelsopposition gegen seinen Vater aufzunehmen, um eine Teilhabe am Erbe zu erhalten; nach dem Scheitern dieses Aufstands endigte Pippin "der Bucklige" im Kloster Prüm. Mit der Benennung der Zwillinge nahm KARL die Namen der bedeutendsten Könige aus dem Haus der MEROWINGER auf, denn Chlodwig als Reichsgründer und Chlothar II. als bedeutender Herrscher am Beginn des 7. Jahrhunderts lebten sicher noch im Gedächtnis der Franken fort. Aus diesen MEROWINGER-Namen hat man geschlossen, die KAROLINGER seien entweder Blutsverwandte der MEROWINGER gewesen oder sie hätten versucht, sich an die alte Dynastie "anzusippen". Beide Erklärungen gehen wohl fehl, denn KARL hatte es nicht nötig, sich auf Königsheil der alten Dynastie zu stützen; es war jedoch geschichtsbewußt genug, seine eigene Familie an die großen Leistungen der MEROWINGER zu erinnern.
    Bald nach den Tode Hildegards heiratete KARL Fastrada, die Tochter eines ostfränkischen Grafen; aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor. Einhard berichtet mit einiger Kritik davon, dass Fastrada einen bedeutenden politischen Einfluß ausübte. Nach ihrem Tode (794) ging KARL zunächst keine neue Vollehe ein, sondern lebte mit der Alemannin Liutgard zusammen. Erst während der Anwesenheit von Papst Leo III. im Frankenreich (799) wird sie als Königin bezeichnet, das heißt KARL dürfte in dieser Zeit seine Verbindung "legalisiert" haben. Als Liutgard wenig später (800) starb, lebte KARL nur noch mit Konkubinen zusammen. KARL hielt es wohl für politisch unklug, sich nach der Erlangung der Kaiserwürde mit einer bestimmten Adelsfamilie zu verbinden und diese damit vor allen übrigen Familien um Frankenreich auszuzeichnen. Außerdem waren ja aus der Ehe mit Hildegard drei vollbürtige Söhne vorhanden, die zur Aufrechterhaltung des Erbgangs zu genügen schienen.
    Dass solche Gedankengänge bei KARL eine Rolle spielten, können wir aus seinem Verhalten bei der Verehelichung seiner eigenen Kinder entnehmen. Der älteste, der wohl schon früh als Thronerbe in Aussicht genommen war, blieb unverheiratet, während seine beiden jüngeren Brüder Karlmann-Pippin und LUDWIG (Lothar war schon als kleines Kind verstorben) recht früh mit adeligen Mädchen verheiratet wurden, die aus den ihnen zugewiesenen Unterkönigreichen stammten. Schon KARL hatte ja die Heiraten mit Hildegard und Fastrada dazu benutzt, sich mit dem Adel in wichtigen Regionen zu verbinden. Eine Ehe des ältesten Sohnes und Thronerben sollte wohl deshalb möglichst lange hinausgezögert werden, um die Anzahl seiner Nachkommen und damit der möglichen Erben zu beschränken.
    Das Nachfolgekonzept KARLS DES GROSSEN kennen wir aus dem Reichsteilungsgesetz (Divisio imperii) von 806. Demnach sollte der jüngste noch lebende Sohn, LUDWIG, Aquitanien, den größten Teil Burgund und die Provence erhalten; der zweite, Pippin, sollte zu Italien auch Bayern und das südlich Alemannien (bis zur Donau) bekommen; der älteste endlich, Karl der Jüngere, sollte mit Neustrien und Austrien das ganze altfränkische Kernland und zudem noch Sachsen, Thüringen, Friesland sowie Teile Bayerns, Alemanniens und Burgunds bekommen. Es waren auch bereits Grenzen festgelegt, wenn nach dem Tod eines der drei Söhne die beiden anderen den verstorbenen Bruder beerben sollten. In einem bezeichnenden Kapitel hatte KARL seinen Söhnen für den Eintritt des Erbfalls auferlegt, dass keiner von ihnen einen Angehörigen der kommenden Generation, Sohn oder Neffen, ohne gerechtes Gericht töten, verstümmeln, blenden oder zwangsweise ins Kloster einweisen lassen dürfe: Die Kenntnisse KARLS von der Geschichte der MEROWINGER und seine eigenen Erfahrungen über die Erbgänge beim Tode seines Großvaters und Vaters schlugen hier durch.
    Auch für seine Töchter hatte KARL ein ganz bestimmtes Konzept, was ihre persönliche Lebensgestaltung anging. Die älteste, Rotrud, war fünf Jahre lang (781-786) mit dem byzantinischen Kaiser Konstantin VI. verlobt; nicht also ein hochadeliger Bräutigam aus dem Frankenreich, sondern nur der am höchsten stehende christliche Herrscher kam nach KARLS Auffassung als Ehepartner in Frage. Nach dem Scheitern dieser Verlobung behielt KARL seine Töchter an seinem Hof und in seiner Munt. Sie lebten hier in eheähnlichen Verhältnissen mit wichtigen Ratgebern des Kaisers und hatten auch Kinder.
    Diese unregelmäßigen "Zustände" am Kaiserhof und auch das lebhafte Sexualleben des Kaisers haben sofort nach seinem Tod heftige Kritik hervorgerufen. Nicht nur, dass sein Sohn und Nachfolger LUDWIG DER FROMME die Schwestern mit ihren Kindern aus Aachen vertrieb, sondern die Jenseitsvision des Reichenauer Mönchs Wetti (aus dem Jahre 824) weiß zu berichten, dass der Kaiser trotz seiner großen Verdienste um die Verteidigung Glaubens und die Leitung der Kirche wegen seines Lebenswandels unter den Verdammten schmachte.
    Die merowingischen Könige hatten keine richtige Hauptstadt besessen; obwohl Paris eine gewisse Sonderrolle unter ihren Aufenthaltsorten innehatte, hielten sich die Könige an verschiedenen Pfalzen im Tal der Oise auf, von denen vor allem Compiegne und Quierzy zu nennen sind. Herstal (bei Lüttich) und Attigny (bei Reims) besaßen als Residenzen der austrasischen Herrscher große Bedeutung. Noch Pippin hatte sich meist an diesen merowingischen Pfalzorten aufgehalten. Unter KARL wird dann rasch deutlich, dass sich der Schwerpunkt seines Reiches nach Osten verlagert hatte. Frankfurt, Ingelheim, Diedenhofen und Worms treten zu den alten Aufenthaltsorten hinzu; hier hielt sich der König auf, wenn er nicht auf einem Kriegszug war oder wenn er nicht in einem neu eroberten Gebiet überwintern mußte.
    Während KARL nur je zwei Winter in Attigny und Diedenhofen verbrachte, je drei in Quierzy und Worms und vier in Herstal, wurde Aachen seit dem Ende des 8. Jahrhunderts der alleinige Winterpalast KARLS DES GROSSEN; hier hat er 18 Winter verbracht. Die Vorbilder für die Wahl einer dauernden Residenz waren wohl das Langobardenreich, das in Pavia eine richtige Hauptstadt besessen hatte, und das Kaiserreich in Konstantinopel. Außerdem spielte auch Ravenna als Residenz des großen Barbarenkönigs Theoderich eine Rolle. Von dort ließ KARL 801 eine Statue dieses Goten-Königs nach Aachen transportieren, und dessen Kirche San Vitale war mit ihrem Oktogon ein wesentliches Vorbild für die Architektur der Pfalzkapelle in Aachen. Für diesen Ort sprach vor allem, dass KARL hier in den nahegelegenen großen Waldungen seiner geliebten Jagd nachgehen und in den warmen Quellen schwimmen konnte.
    Das Ansehen des Kaisers war bereits bei seinen Zeitgenossen groß; Dichter und Hofhistoriographen nannten ihn "Leuchtturm Europas", "Vater Europas". Und auch der Beiname Magnus, "der Große", wird ihm seit den achtziger Jahren des 8. Jahrhunderts immer wieder gegeben. Die Päpste Hadrian I. und Leo III. hatten KARL als "großen König" angesprochen. Diese Bezeichnung findet sich auch in privaten Urkunden und nach 800 auch in offiziellen Aktenstücken. In seinem Epitaph wird er "großer und rechtgläubiger Kaiser" (magnus et orthodoxus imperator) genannt, und sein Sohn und Nachfolger LUDWIG hat für seinen Vater den Beinamen "der Große" gebraucht. Sein Enkel, der Historiker Nithard, sagte schließlich: "KARL wurde verdientermaßen von allen Völkern großer Kaiser genannt." Damit sind wir bei der Nachwirkung KARLS DES GROSSEN, von der zahlreiche Legenden zeugen. Das große Interesse der Nachlebenden an diesem Herrscher zeigt sich darin, dass die erste Biographie, Einhards Vita Karoli Magni, noch heute in über 80 mittelalterlichen Handschriften erhalten ist. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts widmete der St. Gallener Mönch Notker KARL III. eine Vita KARLS DES GROSSEN, in der bereits viele Ereignisse sagenhaft ausgeschmückt und märchenhaft beleuchtet sind. Dieses Werk bezeugt, dass sich die Phantasie des Volkes mit dem Leben und den Taten des großen Kaisers beschäftigte. Notker hat KARLS Leistung aber auch in ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung gewürdigt, indem er das Reich der Franken als Fortsetzung des untergegangenen Römerreichs ansah. KARLS Wirkung auf seine Nachfolger zeigt am schönsten die Wallfahrt Kaiser OTTOS III. nach Aachen, der sich in die Gruft seines Vorgängers begab, dem auf dem Thron sitzenden Toten die Fingernägel schnitt und ihm die abgebrochene Nasenspitze durch Gold ergänzen ließ; einen Zahn nahm er als Reliquie mit. Mit dem hohen Ansehen KARLS DES GROSSEN hängt es auch zusammen, dass die Quote der auf seinen Namen gefälschten Privilegien höher ist als bei allen übrigen Kaisern: von den 262 erhaltenen Urkunden KARLS sind 98, das heißt zwei Fünftel, gefälscht. Jedes Kloster, das etwas auf sich hielt, wollte mit einem Privileg des so hochverehrten Kaisers prunken.

    Jäckel Gerhard: Seite 11-14, "Die deutschen Kaiser"

    Auszug:
    Aus seiner Ehe mit Hildegard hatte KARL vier Söhne und fünf Töchter. Nach dem Tod Hildegards 783 heiratete er Fastrada, Tochter des Grafen Radulf, die zwei Töchter zur Welt brachte und 794 starb. Die letzte Ehe mit der Schwäbin Liutgard blieb kinderlos. Daneben liebte er während und nach seinen rechtmäßigen Ehen noch mindestens 4 Nebenfrauen, von denen er 18 Kinder hatte. Wegen diesen Lebenswandels sah der Mönch Wettin den allerfrömmsten KARL später im Fegefeuer. Trotz ihrer von der Hofdichtung gepriesenen Schönheit blieben alle ehelichen Töchter unverheiratet, weil KARL sich nicht von ihnen trennen mochte. Doch er duldete, dass die Natur ihr Recht forderte. So hatte Hrotrud vom Grafen Rorico von Maine einen Sohn, der spätere Abt von St. Denis wurde. Bertha lebte in freier Ehe mit dem Hofdichter Angilbert, aus der der Dichter und Historiker Notker der Stammler hervorging. Es heißt, dass von allen jungen Frauen am Aachener Hof nur KARLS Nichte Gundrada Jungfrau geblieben ist.
    Schon 806, sieben Jahre vor seinem Tod, legte KARL DER GROSSE die Erbfolge fest. Nach fränkischem Recht hätte er das Reich gleichmäßig unter seinen drei rechtmäßigen Söhnen teilen müssen. Er entschied sich für einen Mittelweg. Karl, der älteste, sollte den größten Teil und höchstwahrscheinlich auch die Kaiserwürde erben, Pippin Italien und LUDWIG Aquitanien, zu deren Königen sie schon 781 gekrönt worden waren. Aber Pippin starb 810, Karl ein Jahr darauf. Beide hatten sich im Unterschied zu dem nun allein überlebenden LUDWIG als Heerführer bewährt. Im September 813 krönte KARL den frommen LUDWIG zum Mitkaiser.
    Seit dieser Zeit war KARL DER GROSSE leidend, im Winter begann er ernstlich zu kränkeln. Auch das Fasten brachte dem Fiebernden keine Erleichterung. In der Nacht zum 27. Januar 814 empfing er von seinem Erzkaplan Hildibald das Abendmahl und starb morgens um 9 Uhr. Noch am gleichen Tag wurde er in der Aachener Marienkirche beigesetzt. Dass er sitzend auf seinem Thron bestattet worden wäre, ist eine Sage.

    Schieffer Rudolf: "Die Karolinger"

    Seit Ende 811 ließ sich absehen, dass alle Macht dem einzig verbliebenen Sohn aus legitimer Ehe, König Ludwig von Aquitanien, zufallen würde, doch ist bei KARL und seiner Aachener Umgebung ein deutliches Zögern zu bemerken, daraus praktische Konsequenzen zu ziehen. Der Universalerbe wurde keineswegs sogleich an den zentralen Hof berufen; vielmehr traf man ohne seine Beteiligung 812 zunächst eine ursprünglich wohl nicht vorgesehene Entscheidung über Italien, wo der junge, bis dahin in Fulda wohl zum Kleriker erzogene Bernhard trotz seiner anfechtbaren Abkunft gut zwei Jahre nach dem Tod des Vaters Pippin als König mit Adalhards Halbbruder Wala, selber einem illegitimen KAROLINGER, als maßgeblicher Berater eingesetzt wurde. Was der künftige Kaiser LUDWIG als einschränkende Hypothek für seine Allgewalt hinzunehmen hatte, scheint Adalhard, Wala und anderen führenden Männern um KARL zur langfristigen Sicherung eines eigenen politischen Aktionsfeldes, wenn nicht gar als dynastische Alternative, erstrebenswert gewesen zu sein. Ihre kühle Reserve gegenüber dem aquitanischen König und seinem Anhang zeigte sich auch noch 813, als es mehrfacher Beratungen in Aachen bedurfte, bis der 35-jährige dorthin eingeladen und von einer Reichsversammlung im September auf Befragen KARLS als Kaiser anerkannt wurde. Formell ging die Rangerhöhung am folgenden Sonntag (11.9.) in der Pfalzkaplle vonstatten: Nach einem gemeinsamen Gebet hielt der Vater dem Sohn eine lange Mahnrede, die ihm bezeichnenderweise die Sorge für "seine Schwestern und jüngeren (Halb-)-Brüder, seine Neffen und alle übrigen Verwandten" ans Herz legte, und befahl ihm dann - vielleicht weil er selber dazu physisch nicht mehr imstande war -, eine goldene Krone vom Altar zu nehmen und sich aufs Haupt zu setzen. Die erstmalige Weitergabe des neuen Kaisertums war nicht zu trennen von der Einsetzung zum künftigen Familienoberhaupt und vollzog sich anders als 800 nach byzantinischem Muster ohne Einschaltung des Papstes oder anderer höherer Geistlicher. Sie vermittelte jedoch immer noch keinen sofortigen Anteil an der Regierung des Imperiums, denn LUDWIG wurde abermals in sein aquitanisches Unterkönigreich entlassen, wo er den folgenden Winter verbrachte.
    So konnte er nur aus der Ferne verfolgen, wie die Kräfte des kaiserlichen Vaters in diesen Monaten mehr und mehr verfielen. Nach wiederholten Fieberanfällen trat der Tod am Morgen des 28.1.814 ein; noch am selben Tage, berichtet Einhard, wurde KARL in der Aachener Pfalzkapelle beigesetzt, genau genommen wohl unter einem Thron im Atrium davor. Dass er nicht mehr zur traditionsreichen Grabstätte seines Vaters und seines Großvaters nach Saint-Denis überführt wurde, aber auch kein karolingischer Herrscher wieder in Aachen bestattet worden ist, bringt noch einmal symbolhaft seinen singulären Rang in der Geschichte des Hauses zum Bewußtsein. Zahlreiche Quellenzeugnisse über Trauer und Erschütterung bei KARLS Tod geben zu erkennen, dass schon die Mitwelt das Empfinden hatte, einen historischen Wendepunkt, das Ende einer stolzen Ära zu erleben.



    Familie

    768 1. oo Himiltrud (Konkubinat)

    769 2. oo Disiderta, Tochter des Langobarden-Königs Desiderius

    770 3. oo Hildegard, Tochter des Grafen Gerold (Franke) und der Imma (Alemannin), 758-30.4.783

    783 4. oo Fastrada, Tochter des Grafen Radulf - 10.8.794

    794 5. oo Liutgard (Schwäbin) - 4.6.800

    Kinder:

    1. Ehe

    - Pippin der Bucklige 770- 811

    3. Ehe

    - Karl der Jüngere 772/73-4.12.811
    - Adelheid September 773/Juni 774- Juli/August 774
    - Rotrud 775-6.6.810
    - Pippin (eigentlich Karlmann) 777-8.7.810
    - LUDWIG I. DER FROMME 16.4.778-20.6.840
    - Lothar 16.4.778 - 779/80
    - Bertha 779- nach 14.1.823
    - Gisela vor Mai 781- nach 814
    - Hildegard 8.6.782-8.6.783

    4. Ehe

    - Theodrada Äbtissin von Argenteuil 785-9.1.844/53
    - Hiltrud 787- nach 814

    Illegitm

    - Hruodhaid 784- nach 814
    - Ruothild Äbtissin von Faremoutiers von Madelgard - 24.3.852
    - Adalthrud von Sächsin Gersvind (+ nach 800) - nach 800
    - Drogo Bischof von Metz (823-855) von Regina, 17.6.801-8.12.855
    - Hugo Abt von St. Quentin (822/3-844) von Regina, 802/06-14.6.844
    - Theoderich (Dietrich) von Adalindis (+ nach 800), 807- nach 818



    Literatur:

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Bechtle Verlag Esslingen 1989, Seite 15,59,72,78,88,95,102,129,134,196,202, 214,216,223,231,248,252,272,276,280,284,290,294 -



    Neue Deutsche Biographie - Karl I. der Große

    fränkischer König und Kaiser, * 2.4.747 (kaum 742), † 28.1.814 Aachen, ⚰ Aachen.

    Leben
    Mit der in jüngster Forschung gewonnenen Einsicht, daß von den überlieferten und errechneten Geburtsjahren K.s nicht 742, sondern 747 höhere Glaubwürdigkeit verdient, erledigt sich die Frage einer vorehelichen Geburt, die zu unterstellen war, da die Eheschließung der Eltern zu 744 bezeugt ist. Daß K. als ältester Sohn des Königs neuer Dynastie, der die bonifatian. Reform rezipiert hatte, eine geistliche Erziehung genoß, ist als sicher anzunehmen und wird durch seine späteren Bildungsinteressen mittelbar bestätigt, aber ausdrückliche Nachrichten darüber liegen nicht vor. – K. wurde von seinem Vater um die Jahreswende 753/54 von Diedenhofen aus dem Papst Stephan II. entgegengesandt, um ihn nach Ponthion zu geleiten. Mit seinem Bruder Karlmann wurde er an Ostern 754 an dem Schenkungsversprechen Pippins für die römische Kirche beteiligt und empfing zusammen mit dem Vater und dem Bruder am 28.7.754 in Saint Denis vom Papst die Königssalbung und den Titel patricius Romanorum; in den Briefen Stephans II. und Pauls I. an Pippin (Codex Carolinus) wird er seit 755 oft erwähnt. Er erscheint am 10.6.760 und am 13.8.762 in Urkunden des Vaters, begleitete diesen 761 und 762 auf Feldzügen nach Aquitanien und Wasconien und wurde 763, wie sein Bruder, mit der Verwaltung einiger (nicht näher bezeichneter) Grafschaften betraut. Pippin verfügte vor seinem Tode (24.9.768) eine Reichsteilung, die von der traditionellen Aufgliederung – Austrien und Neustrien – völlig abwich: diese beiden Kernländer blieben beieinander und fielen zusammen mit dem Westen Aquitaniens an K., der die südliche Ländergruppe Karlmanns vom Westen und Norden her umfaßte, aber von Italien abgeschnitten war. Am 9.10.768 fand die Thronerhebung (vielleicht auch eine Krönung) K.s in Noyon, jene Karlmanns in Soissons statt. Der Übergang des Königtums an die 2. karolingische Generation vollzog sich somit kampflos.

    Pippin hatte in den letzten Jahren seine politisch-militär. Energie auf das südwestl. Gallien konzentriert. Anderes war darüber in der Schwebe geblieben, so die offensive Abwehr der Sachsen, das unbereinigte Verhältnis zu Bayern, wo Herzog Tassilo III. sich 763 durch harisliz (Verweigerung der Heerfolge) der Reichs- und Lehnshoheit entzogen hatte, und vor allem die mindestens latente Spannung zu dem Langobardenkg. Desiderius, der sich mit dem unter Pippins Schutz gegründeten Kirchenstaat nicht wirklich abgefunden hatte. Angesichts dieser ungelösten Aufgaben bedeutete die Teilung eine schwere Belastung des Frankenreiches, zumal die Beziehungen zwischen den Brüdern von vornherein sehr unfreundlich waren, wenn sie auch zunächst gemeinsam 12 fränkische Bischöfe aus beiden Reichsteilen zu der Lateransynode entsandten, die Stephan III. (768–72) im April 769 hielt. Im gleichen Frühjahr 769 aber trat K. einen Feldzug nach Aquitanien an, wo sich – in Fortführung der Kämpfe aus Pippins letzten Jahren – unter der Führung Herzog Hunoalds der einzige Widerstand gegen die neuen Könige regte. Karlmann traf sich an einem nicht mit voller Sicherheit bestimmbaren Ort (Duasdives, wohl Moncontour im Poitou) mit seinem Bruder, verweigerte jedoch die Teilnahme an der Heerfahrt, vielleicht weil K. gewillt war, ganz Aquitanien an sich zu ziehen. Der Feldzug wurde ein voller Erfolg: der Baskenfürst Lupus lieferte den zu ihm geflüchteten Hunoald aus, die Auflehnung Aquitaniens gegen die fränkisch-karolingische Herrschaft war zu Ende. Eine erneute gemeinsame geistl. Gesandtschaft nach Rom (769/70) läßt auf ein wiederhergestelltes Einvernehmen K.s und Karlmanns schließen, aber es war nicht von Dauer.

    In dem Bestreben, die auf dem Reich lastenden Spannungen zu beseitigen, betrieb die Königinmutter Bertrada eine umfassende Friedensaktion, aus der sich, in Abwendung von der politischen Linie Pippins, eine völlige Umkehr der Fronten ergab. Nach einer Begegnung mit Karlmann im elsässischen Selz (Mai 770) reiste sie nach Bayern, Oberitalien und Rom. Sie erwirkte einen Ausgleich mit Tassilo (der des Desiderius Schwiegersohn war), aber auch mit den Langobarden, indem sie die Vermählung K.s mit einer (dem Namen nach unbekannten) Tochter des Kgs. Desiderius vermittelte. Der über diese Wendung entsetzte Papst Stephan III. sollte durch|langobardische Restitutionszusagen für den Kirchenstaat beruhigt werden. Karlmann versuchte, diesen poltischen Kurs zu durchkreuzen, sah sich aber um die Jahreswende 770/71 isoliert und eingekreist. K. wollte offenbar gegen den Bruder die Alleinherrschaft erkämpfen und dürfte sich vornehmlich in dieser Absicht auf die gewagte Kombination eingelassen haben, die den fränkischen Interessen zuwiderlief und zu raschem Scheitern verurteilt war, da Rom sehr bald dem fränkischen Einfluß entglitt, so daß sich auch der Papst dem Langobardenkönig fügen mußte. Als Desiderius 771 vor Rom zog, ließ Stephan III. zu, daß die Anführer der fränkischen Partei beseitigt wurden. Darüber zerbrach das fränkisch-langobardisches Bündnis. Nach einjähriger Ehe, also wohl noch 771, verstieß K. seine langobardische Gemahlin (daß keine persönliche Schuld der Königin vorlag, bezeugen die im übrigen sehr knappen Quellen ausdrücklich) und vermählte sich mit Hildegard. Der bevorstehende Entscheidungskampf innerhalb des Karolingerhauses aber kam nicht zum Ausbruch, da Karlmann am 4.12.771 starb. Während seine Witwe Gerberga mit ihren beiden Söhnen zum einstigen Widersacher Desiderius floh, nahm K. noch im Dezember 771 auf einem Huldigungstage in Corbeny bei Laon vom Reich des Bruders Besitz. Die Teilung des Reiches, aber auch die politische Frontenverkehrung dieser Anfangsjahre war eine Episode ohne Folgen geblieben.

    Erst von der Jahreswende 771/72 an ist demnach K.s wirkliche Regierung als Erbe Pippins zu zählen, der die Königsgewalt der neuen Dynastie politisch begründet und durch die kirchliche Weihe, insbesondere durch den Bund mit der römischen Kirche, auch religiös sanktioniert hatte. K. gab diesem Selbstverständnis neuen und zusätzlichen Ausdruck durch die Einführung der Formel gratia Dei in den abendländ. Herrscherstil, aber auch durch die Übernahme der merowing. Namen Chlodwig (Ludwig) u. Chlothar (Lothar) in die karolingische Familie. In der gesicherten Macht gründete eine sehr bewußte und gesteigerte Herrscherverantwortung für eine Friedenssicherung im fränkisch geführten Vielvölkerstaat durch den Ausbau geordneter Verwaltung und Rechtspflege, für eine Regeneration der Kirche als kanonisch geordneter romverbundener Landeskirche und als Trägerin eines am christlich-lateinischen Kulturerbe orientierten Bildungswesens, mit dem sich ein selbstverständliches germ. Eigenbewußtsein sehr wohl vertrug. Für diesen im weitesten Wortsinne „innenpolitischen“ Bereich kann durchaus von einer Programmatik, von früh erkennbaren Konzeptionen K.s gesprochen werden. Differenzierter stellte sich die Aufgabe der Friedenssicherung nach außen. Für einen abwägenden Vergleich K.s mit seinen Vorgängern und Nachfolgern muß sehr ins Gewicht fallen, daß es in seiner Zeit keinen äußeren Feind gab, der das weite, dabei seefremde Reich gefährlich hätte treffen können: die arabischen Angriffe hatten ausgesetzt, die Wikingereinfälle hatten noch nicht begonnen. Das Gesetz des Handelns, die Entscheidung über politisch-militärische Aktionen ist K. nie entglitten, er sah sich nie in eine reine Defensive gedrängt. Dem steht nicht entgegen, daß seine Unternehmungen wiederholt durch Anstöße von außen provoziert wurden, daß wir also seine „außenpolitische“ Aktivität nicht als durchweg vorauskonzipiert verstehen dürfen. Das gilt ganz besonders von seiner augenfälligsten Leistung, der gewaltigen territorialen Expansion des Reiches.

    K.s gesamte Regierung erscheint durch einen sehr ausgeprägten monarchisch-persönlichen Stil gekennzeichnet. Das ist ohnehin bedingt durch die weit weniger institutionelle als personale politische Struktur des gesamten Zeitalters, liegt aber ohne jeden Zweifel auch in K.s außergewöhnlicher Persönlichkeit begründet, deren Rolle durch die einseitige Blickrichtung der Quellen – sowohl Chronisten wie Urkunden und Gesetze – noch akzentuiert wird, so daß der Anteil seiner Berater, Helfer und Beauftragten meist in unverdientem Halbdunkel bleibt. Für den der Nachwelt erreichbaren Wissensstand fällt daher die Lebensgeschichte K.s fast mit der bewegten Reichsgeschichte dieser Jahrzehnte zusammen. Sie verteilt sich überdies, vor allem im äußeren Geschehen, räumlich und zeitlich auf so viele Schauplätze, kennt aber auch so viele Bereiche, die sich zeitlicher Präzisierung entziehen, daß eine rein chronologisch angelegte Darstellung in verwirrender Unübersichtlichkeit unablässig hin- und herspringen müßte. Obgleich K.s persönlicher Wille, wenn nicht gar seine Initiative, auch da als mindestens möglich, wenn nicht gar als wahrscheinlich zu unterstellen ist, wo unsere Zeugnisse nicht ausdrücklich davon sprechen, soll und muß hier versucht werden, den Bericht tunlichst auf die erkennbaren biographischen Züge zu beschränken, die Darstellung aber, beginnend mit der Expansion, nach Sachgebieten zu gliedern. Ein chronologischer Rückblick soll dann auf die quer und längs verlaufenden Zusammenhänge hinweisen, die bei einer solchen Verteilung des Stoffes nicht deutlich werden können.

    Italien. Im engsten Zusammenhang mit den Ereignissen der Jahre 769-71 steht die politische Umgestaltung Italiens, zu der K. jedoch keineswegs von vornherein entschlossen war. Er wandte sich 772 den Sachsen zu und hätte es in Italien, wo der neue Papst Hadrian I. (772–795) sich von den Langobarden zu lösen begann, vorerst beim Status quo belassen. Da Desiderius aber Teile des Kirchenstaates besetzte, vom Papst die Königssalbung der Söhne Karlmanns verlangte und Rom bedrohte, erging um die Jahreswende 772/73 ein Hilferuf Hadrians an K. Dieser empfing den päpstlichen Boten in Diedenhofen, scheint aber zunächst einem militärischen Eingreifen widerstrebt zu haben. Er nahm Verhandlungen mit Desiderius auf und bot ihm sogar eine Entschädigung für die päpstlichen Restitutionsforderungen an. Erst nach dem Fehlschlag dieser Bemühungen bot er im Sommer 773 den fränkischen Heerbann auf. K. und Desiderius standen sich am Mont-Cenis gegenüber, aber als eine andere fränkische Abteilung über den Sankt Bernhard vorstieß, wichen die Langobarden in die Poebene zurück. Im Herbst 773 begann eine langwierige Belagerung der Hauptstadt Pavia, wo Desiderius sich verschanzt hatte. In Verona fiel unterdes die Familie Karlmanns in K.s Gewalt, während Adelchis, der Sohn des Desiderius, nach Byzanz floh.

    Von dem Lager vor Pavia aus begab sich K. im Frühjahr 774 mit großem Gefolge nach Rom, wo er mit dem für den kaiserlichen Exarchen und Patricius üblichen Zeremoniell empfangen wurde, aber außerhalb der Stadt bei Sankt Peter Quartier bezog. Er nahm an den kirchlichen Osterfeiern teil und erneuerte dem Papst am 6.4. den Freundschaftsbund und das Schenkungsversprechen von Quierzy (754) das sich auf ganz Mittelitalien erstreckte, aber weder von Pippin noch von K. selber jemals erfüllt worden ist. Dieser Widerspruch erklärt sich wahrscheinlich aus einem jetzt offenbar kurzfristig entschiedenen grundsätzlichen Wandel der Italienpolitik. Als Pavia Anfang Juni 774 fiel, schloß K. keinen Frieden, sondern ließ Desiderius in ein fränkisches Kloster bringen und trat selber die Nachfolge als König der Langobarden an. Der erstmals am 5.6.774 begegnende Doppeltitel rex Francorum et Langobardorum und die Fortgeltung langobardischen Rechts geben eine Sonderstellung Italiens im fränkisch-karolingischen Reichsverband zu erkennen. Als dritten Titel nahm K. alsbald – erstmals belegt 16.7.774 – die bisher nie geführte Bezeichnung patricius Romanorum auf. Er verstand sich demnach als Schutzherr über Rom, aber auch als italischer Territorialherr, der an einer Ausweitung des Kirchenstaates auf Kosten „seines“ Langobardenreiches nicht mehr interessiert war. Er realisierte zwar die von Desiderius verweigerten Restitutionen, ging aber nicht darüber hinaus: alle dringenden, über Jahre hin oft wiederholten Bitten des Papstes um Erfüllung der Territorialzusagen von 754 und 774 blieben vergeblich.

    Im Langobardenreich vollzog sich der Herrscherwechsel anscheinend ohne ernstliche Erschütterungen; K. kehrte wenige Wochen nach dem Fall Pavias ins Frankenreich zurück. In erfolgreichem Widerstand verharrte zunächst nur der Süden Italiens, wo Herzog Arichis von Benevent, des Desiderius Schwiegersohn, 774 den Titel princeps gentis Langobardorum annahm. Ob der Aufstand, der Ende 775 unter der Führung Herzog Hrodgauds von Friaul ausbrach, wirklich – wie der Papst gemeldet hatte – mit einer weitverzweigten Verschwörung für eine langobardische Restauration mit Rückhalt an Byzanz zusammenhing, bleibt unsicher. Immerhin hielt K. es für geboten, Anfang 776 wieder persönlich über die Alpen zu eilen, die Insurrektion niederzuwerfen und ein halbes Jahr in Italien zu verweilen. Ohne systematische Ausschaltung der Langobarden leitete er seitdem eine Durchdringung Italiens mit fränkischer Besatzungen und Siedlern, mit Beamten, Befehlshabern und Bischöfen vor allem aus fränkischem Adel ein.

    Die unabgeklärten italischen Verhältnisse veranlaßten K. Ende 780 abermals zu einem mindestens halbjährigen Aufenthalt südlich der Alpen, bei dem er wichtige Entscheidungen traf, die offenbar als eine politische Flurbereinigung gedacht waren. Er verkündete Kapitularien und ließ an Ostern 781 seinen Sohn Karlmann vom Papste, der zugleich die Patenschaft übernahm und K.s Gevatter (compater) wurde, auf den Namen Pippin taufen. Die Söhne Pippin und Ludwig wurden sodann vom Papst zu Königen gesalbt und gekrönt – es ist die erste ausdrücklich bezeugte Krönung überhaupt. Den 4jährigen Pippin bestimmte K. zum Unterkönig in Italien, den 3jährigen Ludwig für Aquitanien. Diese Regelung kam dem Eigenbewußtsein Italiens entgegen, doch bedeutete sie keine politische Verselbständigung, sie verstärkte vielmehr durch die Einsetzung einer einheimischen Regierung noch die administrative und personelle Angleichung an das Frankenreich. Dem Papst bestätigte K. den Kirchenstaat und erweiterte ihn um die Sabina. Dazu kamen später noch andere Zugeständnisse kleineren Ausmaßes, aber im|übrigen mußte Hadrian seine territorialen Forderungen aufgeben.

    Durch das Ausgreifen nach Italien waren die Franken überdies wieder in Berührung mit Byzanz getreten. Die seit 780 regierende Kaiserin Irene suchte den Ausgleich mit dem Westen und vereinbarte, ebenfalls 781, die Verlobung ihres Sohnes Konstantin VI. mit K.s Tochter Rotrud, was zugleich die erste Anerkennung der fränkischen Herrschaft in Italien durch das „Römische Reich“ bedeutete. – Außerhalb dieser allseitigen Konsolidierung, die sich in Nord- und Mittelitalien langfristig bewährte, war das langobardische Herzogtum Benevent geblieben, der stets unruhige südliche Nachbar des Kirchenstaates, mit reichen, der römischen Kirche seit Jahrzehnten entfremdeten Patrimonien. K. konnte sich erst Ende 786 wieder persönlich Italien zuwenden. Wieder verkündete er ordnende Erlasse, suchte Rom auf, wollte seine Autorität jetzt aber auch im Süden geltend machen und rückte im März 787 nach Capua vor. Arichis wich einem Kampf aus: er erkannte die fränkische Hoheit an, leistete den Treueid, stellte Geiseln und verstand sich zur Abtretung von Capua und anderen Grenzplätzen an den Kirchenstaat. Mit dieser Intervention fällt zeitlich – vermutlich aber auch kausal – die Auflösung der byzantinischen Verlobung zusammen; überdies begann das bisherige Bündnis kirchenpolitischen Spannungen zu weichen. – K. zog wieder ab, verbrachte das Osterfest 787 in Rom und kehrte über Pavia zurück. Nach dem Tode Herzog Arichis (26.8.787) entließ er trotz der dringenden Warnungen des Papstes den Nachfolger Grimoald I. aus dem Geiselgewahrsam. Diese gewagte Entscheidung bewährte sich fürs erste, denn Grimoald wehrte 788 im Bunde mit den Franken ein byzantinisches Heer ab, mit dem der langobardische Prätendent Adelchis, sein Oheim, nach Italien gekommen war. Freilich blieb es nicht lange bei dieser Konstellation. Benevent entzog sich sehr bald wieder der fränkischen Hoheit und trat in erneute Beziehungen zu Byzanz. K. griff nach 787 nicht mehr selber im Süden ein, sondern überließ die – im ganzen wenig erfolgreiche – Kriegführung seinem Sohn Pippin als dem zuständigen Unterkönig und dem Herzog von Spoleto. Auch ein neuer Friede mit Grimoald II. 812 änderte nichts daran, daß Italien politisch aufgeteilt, daß der Süden außerhalb des fränkisch-karolingischen Großreiches blieb.

    Aquitanien u. Spanien. Das südwestl. Gallien, wo die erst von Pippin erkämpfte Reichshoheit noch 769 der Sicherung bedurft hatte, war seit drei Generationen gefahrvoller Berührung mit der spanisch-islamischen Welt ausgesetzt. Aber eben hier sah sich K. nach seinen Siegen in Italien und Sachsen dazu berufen, eine entscheidende Wendung herbeizuführen. Ausgelöst wurde diese Aktion durch einen verlockenden Anstoß, der aus dem feindlichen Lager selber kam und die Aufgabe sehr zu erleichtern schien. Erbitterte innerislam. Gegensätze führten dazu, daß muslim. Magnaten auf dem Paderborner Reichstag von 777 erschienen und den Frankenkönig um Hilfe gegen den Emir von Córdoba baten. Mit offensichtlich weitgespannten Plänen gegen Basken und Mauren überschritt K. 778 an der Spitze eines großen Aufgebotes die Pyrenäen, besetzte Pamplona und vereinigte sich vor Saragossa mit einem anderen Heer, das über Barcelona gezogen war. Aber das Unternehmen schlug sowohl politisch wie militärisch fehl. K. zog ab und ließ die Befestigungen von Pamplona schleifen; das Heer erlitt am 15.8.778 in den Pyrenäen schwerste Verluste durch jenen askanischen Überfall, an den Jahrhunderte später das Rolandslied anknüpfte. Im Pyrenäenraum griff K. seitdem nicht mehr persönlich ein. Das aquitanische Unterkönigtum, mit dem er den Sohn Ludwig 781 (vorerst nominell) betraute, diente der Sicherung und Reorganisation des Südwestens. Im Zusammenwirken mit den einheimischen Christen schob sich die fränkische Herrschaft trotz schwerer Rückschläge (maurische Vorstöße bis zu den Pyrenäen 781-83, bis Narbonne 793) allmählich über das Grenzgebirge vor (Einnahme von Barcelona 801), erreichte aber nicht die Ebrolinie. Ein von K. mit maur. Abgesandten 810/12 in Aachen geschlossener Friede beendete die Kämpfe.

    Sachsen. Stetiger persönlicher Einsatz K.s kennzeichnet sein Ringen mit dem letzten kontinentalgerm. Stammesverband, den bisher weder die fränkische Reichsgewalt noch die christliche Mission erfaßt hatte. Die Sachsen waren schon seit merowing. Zeiten unruhige Nachbarn des Reiches. Der Kampf mit ihnen war für K. eine von den Vorgängern überkommene Aufgabe, deren er sich unverzüglich und mit harter Energie annahm. Sobald die Krise der Anfangsjahre überwunden war, trat er 772 von Worms aus eine Heerfahrt an, eroberte die Eresburg (Obermarsberg) an der Diemel und zerstörte die Irminsul, ein als Bild der Weltsäule verehrtes Heiligtum. Ob dieses Unternehmen mehr als eine Strafexpedition sein und bereits eine Ausweitung des Reiches anbahnen sollte, muß offen bleiben. Ein ununterbrochener 33jähriger Krieg mit der Gesamtheit der Sachsen, wie es sich bei|dem Kaiserbiographen Einhard (c. 7) in summarischer Rückschau liest, wurde es jedenfalls nicht, aber es wurde ein langer und heftiger Kampf, auf dessen Verlauf, vor allem im häufigen Wechsel von Friedensschlüssen und neuen Aufständen der „treulosen Sachsen“, sich offenbar stark die archaische Sozialstruktur der Sachsen auswirkte, indem die Edelinge sich eher als die streng von ihnen abgesonderten unteren Stände (Frilinge und Lazzen) zum Anschluß an Frankenreich und Christentum bereitfanden. Angesichts der globalen Quellenberichte, die kurzerhand von „den Sachsen“ zu sprechen pflegen, kann es nicht zwingend erwiesen werden, aber die Zusammenhänge lassen sich kaum anders verstehen, als daß die Friedensschlüsse, Unterwerfungen und Treueide nicht von den gleichen (regionalen u. sozialen) Gruppen eingegangen und „gebrochen“ wurden.

    Der Zug von 772 hatte wenig gefruchtet; während des italischen Unternehmens fielen die Sachsen 773/74 in Hessen ein. Als Sieger aus Italien zurückgekehrt, griff K. jetzt weiter aus. Mit einem großen Aufgebot brach er 775 von Düren auf, nahm die Sigiburg (Hohensyburg) an der Ruhr, drang über die Weser bis zur Oker vor, zwang Engern, Ostfalen und Westfalen zum Treueid (vermutlich also zu einer vasallitischen Huldigung des Adels) und sicherte diese Länder durch befestigte Plätze. Ein neuer Aufstand veranlaßte ihn 776, nach der Niederwerfung Hrodgauds, in Eilmärschen bis ins Quellgebiet der Lippe vorzustoßen. Hier mußten sich die Sachsen zur Unterwerfung unter die fränkische Herrschaft und zur Annahme des Christentums verpflichten. Es bleibt jedoch immer noch zwelfelhaft, ob damit die Einverleibung des gesamten Stammesverbandes bis zur Elbe proklamiert werden sollte, denn es wurde nur eine – freilich tief gestaffelte – westfälische Grenzmark errichtet. In Paderborn hielt K. 777 die erste Reichsversammlung auf sächsischem, jetzt zum Reich zählenden Boden: Er nahm eine erneute, mit Massentaufen verbundene Unterwerfung der Sachsen entgegen und begann wohl bereits mit der Einteilung des Landes in Missionsbezirke. Er hielt Sachsen für so weit befriedet, daß er im folgenden Jahr den Zug nach Spanien wagte.

    Aber der Höhepunkt der Kämpfe stand erst bevor. Der westfälische Edeling Widukind, der sich dem Paderborner Huldigungstage von 777 durch die Flucht zum Dänenkönig entzogen hatte, wurde die Seele einer franken- und christenfeindlichen Partei, die zugleich als eine Auflehnung der unteren Stände gegen die Adelsherrschaft verstanden werden darf. Bei der Rückkehr aus Spanien sah sich K. 778 einem von Widukind entfesselten gewaltigen Sachsenaufstand gegenüber, der sich bis zur Rheinlinie ergoß. Wieder von Düren aus trat er 779 einen Heereszug an, unterwarf nach einem Kampf bei Bocholt (?) die Westfalen und bezog an der Weser ein Lager, wo er Abgesandte der Engem und Ostfalen empfing. Im Jahre darauf hielt er in Lippspringe eine Reichsversammlung und leitete die kirchliche Neuordnung wieder ein, überschritt jetzt aber die Oker, rückte, anscheinend ohne Kämpfe, bis zur Elbe, also bis zur Slawengrenze vor und „regelte alles“. Spätestens damit war der Entschluß zur Eingliederung des gesamten Sachsenlandes offenkundig geworden. K. vollzog sie formell 782 auf einem zweiten Reichstag in Lippspringe durch die Errichtung von Grafschaften, die er mindestens teilweise an sächsische Edelinge übertrug.

    Seine Erwartung, das Land sei befriedet, trog wiederum. Widukind, der auch in Lippspringe nicht erschienen war, rief zu neuem Aufstand auf; ein gegen die Sorben ausgesandtes fränkisches Heer wurde am Süntel vernichtet (782). Als K. jedoch auf diese Nachricht hin mit eilig zusammengerafften, also keinesfalls sehr starken Truppen im Herbst heranrückte, regte sich kein Widerstand, wich Widukind abermals zu den Dänen aus. In Verden nahm K. wiederum eine Unterwerfung entgegen. Die Anstifter und Anführer des Aufstandes wurden ihm ausgeliefert; er ließ sie als hochverräterische Untertanen nach Kriegsrecht hinrichten. In dem knappen Satz der Reichsannalen über dieses Ereignis findet sich zwischen tradiderunt … ad occidendum und quod ita et factum est der syntaktisch überaus unbeholfene und schwer verständliche Einschub D, der graphisch dem Zahlzeichen für 4 500 entspricht und bereits einige Jahrzehnte später auch so aufgefaßt worden ist. Nach allem aber, was wir über Bevölkerungszahlen, Heeresstärken und Waffentechnik des Zeitalters wissen oder abschätzen können, ist eine solche Zahl – von Anstiftern und Anführern! – als schlechthin absurd zu verwerfen. Es hätte auf sächsischer und fränkischer Seite geradezu gigantischer Armeen bedurft, um eine solche Masse kampffähiger Männer gefangenzunehmen, zu entwaffnen und ad occidendum zu übergeben. Es handelt sich, sofern nicht ein Mißverständnis vorliegt, um eine Phantasiezahl getöteter Feinde, wie sie selbst bei sonst zuverlässigen Chronisten, auch in den Reichsannalen, nicht selten begegnet. Der Kampf aber flammte zu äußerster Heftigkeit auf. Im|Jahre 783 mußte K. bei Detmold und an der Hase offene Feldschlachten austragen, bei denen „viele tausend“ Sachsen gefallen sein sollen. Auch 784 durchzog er unter Verheerungen weite sächsische Landschaften bis zur Elbe, und selbst den darauffolgenden Winter verbrachte er im Weserraum. Nachdem K. 785 wieder eine Reichsversammlung in Paderborn gehalten und auch den Bardengau westlich der unteren Elbe bezwungen hatte, gab Widukind den Kampf auf. Gegen Ende 785 (wohl Weihnachten) nahm er in der Pfalz Attigny die Taufe; K. selber war sein Pate. Der Sachsenkrieg war zu Ende. Zu dieser Zeit, wenn nicht schon 782, verkündete K. die überaus strenge Capitulatio de partibus Saxoniae, die, freilich im Stil altsächsisch-heidn. Rechts, selbst für geringe Verstöße gegen die neue politisch-kirchliche Ordnung Todesstrafen androhte. Es war und blieb ein hartes Regiment, das viel Mißstimmung schuf, nicht zum wenigsten durch die Einführung der Kirchenzehnten – aber es folgten sieben Friedensjahre.

    Im Jahre 789 unternahm K. seinen einzigen großen Slawenzug, der sich gegen die Wilzen richtete und ihn möglicherweise bis zur Peene führte. Es gab in der Folgezeit noch wiederholte Kämpfe mit westslaw. Stämmen, aber ohne K.s persönliche Beteiligung. Mit den Abodriten jenseits der unteren Elbe, den Nachbarn der Sachsen, unterhielt er dagegen stets gute Beziehungen. – Dieses Bündnis gewann unmittelbare militärische Bedeutung, nachdem 792, von den nördlichen Landschaften ausgehend, neue Unruhen der Sachsen ausebrochen waren, über deren Hintergründe nichts Konkretes bekannt ist. 794-99 zog K. wieder Jahr für Jahr zu Felde, mit Vorzug nach Wigmodien und dem Bardengau. Wir hören zu 798 von „4 000“ gefallenen Sachsen, im ganzen jedoch mehr von Verwüstungen als von größeren Kämpfen, vor allem aber veranlaßte K. nunmehr neben militärischen Aktionen die planmäßige Umsiedlung von Sachsen ins Reichsinnere und die Verpflanzung fränkischer Siedler ins nördliche Sachsenland bis zur Elbe. Die allmähliche Konsolidierung ermöglichte zugleich den Verzicht auf das harte Sonderrecht der Capitulatio; sie wurde 797 durch das weit mildere Capitulare Saxonicum ersetzt. Die 802 in endgültiger Fassung redigierte Lex Saxonum sanktionierte die überkommene Rechts- und Ständeordnung des Stammes. Im gleichen Jahre konnte K. ein sächsisches Heer nach Nordalbingien entsenden. Zu 803 wird, wenn auch erst in später Quelle, von einem in Salz an der Fränk. Saale vereinbarten formellen Sachsenfrieden berichtet. Ein nochmaliger Zug K.s bis zur Elbe, eine letzte große Umsiedlungsaktion, die zugleich Nordalbingien den Abodriten einräumte, zogen 804 einen Schlußstrich unter die Sachsenkriege.

    Durch diese Expansion war das Reich in territoriale Berührung mit den Dänen getreten, die 810 auch von der See her Friesland bedrängten. K. rüstete bereits zum Kampf, griff wieder nach Nordalbingien aus, bezog ein Lager in Verden, traf Vorkehrungen für Küstenschutz und Flottenbau, doch kam es zu seinen Lebzeiten noch nicht zu größeren Konflikten; das Zeitalter der Wikinger kündigte sich erst an.

    Bayern und Awaren. Lange ließ K. sich Zeit, die offene Südostflanke des Reiches zu schließen; er scheint bewußt gewartet zu haben, bis er gegen Tassilo die Hände frei hatte. Gefahr drohte ihm von Bayern ohnehin nicht, da ein Teil des Adels und vor allem der Episkopat mehr dem Frankenkönig als dem eigenen Herzog zuneigten und die langobardische Katastrophe von 773/74 diesen des entscheidenden Rückhaltes beraubte. Offenbar wegen der sächsischen, spanischen und italischen Angelegenheiten schob K. die entscheidende Aktion immer wieder hinaus. Von Rom aus ordneten König und Papst um Ostern 781 eine Gesandtschaft ab, die den Herzog an seine Treupflicht gegen die Karolinger gemahnte. Tassilo fand sich daher in Worms ein, um seinen Vasallitätseid zu erneuern und durch Geiseln zu sichern. Aber erst als der Sachsenkrieg 785 beendet war und 787 der offene Kampf gegen den mit Tassilo verschwägerten Herzog Arichis von Benevent einsetzte, holte K. zum Schlag gegen den Bayernherzog aus, ohne daß eine formale Begründung recht erkennbar würde. Tassilo trotzte zwar einer neuen Vorladung nach Worms, wagte aber keinen Kampf, als K. aufmarschierte und es sich zeigte, daß „alle Bayern dem König K. treuer waren als ihm“. Auf dem Augsburger Lechfeld unterwarf er sich am 3.10.787 dem König, leistete den Vasalleneid und nahm Bayern zu Lehen. Aber K. war zur Vernichtung des Agilolfingers entschlossen. Auf einem Hoftag in Ingelheim wurde Tassilo, der inzwischen Verbindung zu den Awaren aufgenommen haben sollte, 788 festgenommen, unter Berufung unter anderem auf den harisliz von 763 zum Tode verurteilt, aber vom König begnadigt und mit seiner Familie ins Kloster verwiesen. Vor der Synode von Frankfurt mußte er 794 nochmals Schuldbekenntnis und Verzicht aussprechen.

    Noch im gleichen Jahre 788 begab sich K. nach Regensburg. Mit der unmittelbaren Herrschaft über Bayern war auch der Kampf|mit dem in der Donauebene ansässigen, freilich längst im Niedergang begriffenen Volk der Awaren Königssache geworden. Von Regensburg aus unternahm Karl I. 791 einen Heereszug auf der Donaulinie bis zur Raab, sah sich aber in den nächsten Jahren durch den neuen Sachsenaufstand in Anspruch genommen. Mit der Vorbereitung des weiteren Awarenkampfes wird der begonnene, aber nicht zu Ende geführte Kanal vom Main zur Donau zusammengehangen haben. An den entscheidenden Kämpfen, die 795/96 zur politischen Vernichtung der Awaren führten, war K. nicht mehr beteiligt. Die Reichsgewalt konnte nunmehr weit über den altbayerischen Stammesraum hinaus in die Donau- und Alpenländer ausgreifen.

    Die Reichsherrschaft. Anders als die „Außenpolitik“ fügt sich die Regierung und Verwaltung des weiten Reiches, wie schon angedeutet, kaum einer an datierbarem Geschehen und radikalen Veränderungen orientierten, spezifisch biographischen Betrachtung. Daß K. auch und gerade in diesem Bereich energische eigene Impulse entwickelte, ist offenkundig, aber es handelte sich weniger um eine Neuschöpfung als um die Konsolidierung und Entfaltung einer von den Vorgängern überkommenen Gesamtstruktur, um ordnende Reformansätze, bei denen sich sein persönlich-individueller Anteil längst nicht immer ausmachen läßt.

    K.s sehr persönlich geprägte Herrschaft wurde fraglos oft als hart empfunden. Wir haben nur sehr vordergründige Kunde von 2 Auflehnungsversuchen, die jedoch sofort erstickt wurden: von der Erhebung einer von Graf Hardrad angeführten Thüringergruppe (785/86) und – 792 – einer Hofverschwörung um K.s ältesten, als illegitim geltenden Sohn Pippin den Buckligen, der zur Strafe in das Kloster Prüm verwiesen wurde. Diese Erfahrungen werden den Anstoß dazu gegeben haben, daß K. im Rückgriff auf alte fränkische Rechtsgewohnheiten 789 und 793 einen allgemeinen Treueid verlangte, um das Bewußtsein der persönlichen Bindung an den König lebendig zu erhalten. Als Kaiser ordnete er 802 eine neue Vereidigung an, deren Formel dem Treuschwur des Vasallen angeglichen war. Die für das Mittelalter charakteristische Feudalisierung der „öffentlichen“ Rechtsordnung zeichnet sich also auch unter K. ab, doch erfaßte sie in voller Wirkung vorerst nur das Militärwesen: die beweglichen Truppen, mit denen K. seine Feldzüge durchführte, sind im wesentlichen als berittene Vasallenheere zu denken. Im übrigen aber blieben Untertanenverband, Verwaltung, Justiz, Gesetzgebung durch eine im Königshof gipfelnde amtsrechtliche Ordnung bestimmt.

    Der Königshof – als palatium im Sinne eines mehr oder minder beständigen Personenkreises – nahm meist in einem palatium, einer „Pfalz“, Aufenthalt. Durch die Ausweitung des Reiches gewannen die Rhein-Maas-Gebiete den Rang einer von K. bevorzugten Zentrallandschaft. Seit 794 wurde Aachen, jedenfalls für die Wintermonate, nahezu feste Residenz des Königs und Kaisers. An der Zentrale des Reiches bestanden weiterhin die in altgerman. Zeit wurzelnden Haus- und Hofämter und neue geistliche Ämter, nachdem die einschneidenden Neuerungen bereits unter Pippin Platz gegriffen hatten, das heißt vor allem der Wegfall des Hausmeieramtes und die Einrichtung der „Hofkapelle“, deren cappellani die Mantelreliquie (cappella) des heiligen Martin hüteten, die aber auch als notarii oder cancellarii die merowingerzeitlichen referendarii in der Ausfertigung der Urkunden abgelöst hatten. Die Regierung K.s ist durch eine Ausgestaltung und Intensivierung dieser Ordnung gekennzeichnet, indem etwa die Inhaber der Hofämter (Seneschall, Kämmerer, Marschall, Oberschenk) oft mit politischen und militärischen Aufgaben betraut wurden oder der Pfalzgraf als Vertreter des Königs immer häufiger als selbständiger Vorsitzer des Königsgerichts begegnet. Es gab weiterhin in ziemlicher Regelmäßigkeit, meist – aber keineswegs immer – mit dem Aufgebot des Heeres verbunden, die Reichsversammlung, die mindestens formal für die großen Entscheidungen und Verpflichtungen zuständig blieb, daneben von Fall zu Fall den kleineren „Hoftag“ als erweiterten Rat des Königs. In welchem Ausmaße solche Gremien die politische Willensbildung zu beeinflussen und den König zu binden vermochten, war ein Politicum, das aufs stärkste von der persönlichen Autorität des Herrschers bestimmt wurde. Der von den Texten vermittelte Eindruck, daß K.s gebietende Persönlichkeit sich auf diesen Versammlungen mit Selbstverständlichkeit durchsetzte, wird im ganzen zutreffen, doch darf bei der Abwägung dieser Frage wiederum die einseitige Stilisierung unserer so gut wie ausnahmslos offiziösen Quellen nicht übersehen werden.

    Auch auf der regionalen und lokalen Stufe ergaben sich unter und durch K. keine substantiellen Änderungen. In der Grafschaft (comitatus) einem an Gau (pagus) oder civitas angelehnten Bezirk, vereinigte der Graf (comes) als ständiger Beauftragter und Sachwalter des Königs alle gerichtlichen, fiskalischen, militärischen und polizeilichen Funktionen. Die Grafschaftsverfassung (mit den Hundertschaften als Unterbezirken) war ein charakteristisches Struktur- und Herrschaftselement des fränkischen Staates und breitete sich – wie schon unter K.s Vorgängern – vom Kernraum aus nach und nach über das ganze Reich aus, wenn auch mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen, Ausgestaltungen und Bezeichnungen.

    Anders stand es bei K. um die Mittelgewalten. Der Beseitigung des agilolfing.-bayerischen, des letzten Stammesherzogtums kommt grundsätzliche Bedeutung zu. K. ließ gewiß am Rande des Reiches die Bretagne, Wasconien, Karantanien und Benevent als selbständige Gebilde bestehen, denen mehr oder minder auch der Kirchenstaat zugezählt werden kann, innerhalb des Reiches aber war er bodenständigen, zu eigener politischer Aktion fähigen Gewalten zwischen König und Graf im Prinzip sehr abgeneigt, ohne darum jedoch die historisch gewachsenen größeren Einheiten zu zerschlagen. Die Sonderstellung, die er 781 Italien und Aquitanien durch die Einsetzung Pippins und Ludwigs einräumte, bedeutete sowohl Zugeständnis wie Bindung, denn die Söhne – vorerst als Kinder ohnehin nicht selber regierungsfähig – residierten zwar im Lande, blieben aber K.s Unterkönige und Statthalter, auch als er ihnen später eigene administrative und militärische Funktionen überließ. Auf ungefähr vergleichbare Weise walteten in Bayern nach 788 die praefecti Gerold und Audulf († circa 819). Undeutlicher sind die Nachrichten, die auf eine ähnliche, aber wohl nur zeitweilige Stellung seines Sohnes Karl des Jüngeren im neustr. Maine (788/90) und später des Vetters Wala in Sachsen schließen lassen. Da sich in K.s Zeiten die Bestellung von Grenzmarkgrafen mit überregionalen Dauerbefugnissen nur an der Pyrenäenlinie und für den Südosten, gegen Awaren und Slawen, zeitweilig als geboten erwies, blieb somit auch die Einrichtung abgeleiteter Zwischengewalten im ganzen begrenzt. K. suchte im Gegenteil eine unmittelbare Aufsicht über das Gesamtreich zu sichern, indem er das an sich schon ältere Institut der Königsboten (missi dominici) zu einem ständigen Bindeglied zwischen dem Hof und den Regionalinstanzen ausbaute. Ihre erste Erwähnung in dieser Aufgabe findet sich schon zu 779. Nach einem 802 verkündeten Statut sollten sie, in der Regel zu zweien (ein Kleriker und ein Laie), einen bestimmten Bezirk, ihr missaticum, bereisen, um Verwaltung und Rechtspflege zu überwachen, selber Gericht zu halten, den Treueid entgegenzunehmen und überhaupt als Kommissare des Königs aufzutreten.

    Die Bestellung der Königsboten ist charakteristisch für K.s „Innenpolitik“, die gewiß auf Straffung und Herrschaftssicherung, aber zugleich auf Bekämpfung von Mißständen, auf konservative Reformen zum Wohle der Untertanen bedacht war. Eben dabei dokumentiert sich der monarchische Stil in einer regen Gesetzgebung. Die Herrscherverordnungen, nach der Einteilung in capitula als Kapitularien bezeichnet, durchziehen K.s ganze Regierung. Sie konnten Angelegenheiten jeder Art: politische, rechtliche, wirtschaftliche, namentlich auch religiös-kirchliche im großen und im kleinen betreffen. Insbesondere aus den Jahren 779, 789, 794, 802, 805 sind umfangreiche Kapitularien programmatischen Charakters erhalten, aus denen ein auf Ordnung und Gerechtigkeit gerichteter, sehr entschiedener Herrscherwille spricht, selbst mit einem im frühen Mittelalter sehr ungewöhnlichen Zug zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Eine Großtat Pippins und K.s war die Neuordnung des Geldwesens durch die Einführung eines einheitlichen, im gesamten Reich umlaufenden Silberdenars, mit Recht berühmt – nicht zum wenigsten auch als agrargeschichtliche Quelle von einmaligem Rang – ist das gegen Ende des 8. Jahrhunderts erlassene Capitufare de villis über die Verwaltung und Bewirtschaftung der Königsgüter. Die Wirkung der Gerichtsreform, die K. anscheinend schon früh anordnete, reicht bis auf den heutigen Tag: er führte, spätestens 780, die Schöffen (scabini) als ständige Beisitzer des Richters (vornehmlich also des Grafen) ein und beschränkte die allgemeine Gerichtspflicht der Freien auf jährlich drei, offenbar regelmäßige Termine (tria placita generalia). Wenn neben dem Vasallenheer der allgemeine volksrechtliche Heerbann, mindestens als Landwehrpflicht der Freien, weiterhin galt, so war K. auch dabei auf soziale Erleichterungen bedacht, indem er, jedenfalls in späterer Zeit (802, 805), durch ausdrückliche Anordnungen die militärische und wirtschaftliche Belastung nach dem Besitz abstufte.

    Von der Herrscherautorität K.s, von der starken Zentralgewalt mit ihrer vergleichsweise hoch entwickelten Schriftlichkeit – mehr als 150 Urkunden K.s, an Empfänger im ganzen Reiche gerichtet, sind uns im Wortlaut bekannt –, von den Kapitularien als königliche Reichssatzung (im übrigen auch von dem seiner Natur nach gleichmäßigen Kirchenrecht) ging eine gezielte integrierende Wirkung aus, die keinen partikularen politischen Willen mehr duldete. Einer völligen|Einebnung des fränkisch geführten Vielvölkerstaates stand aber das allenthalben für Germanen und Romanen fortgeltende Prinzip der Personalität des Rechtes entgegen, das von den karolingischen Hausmeiern und Königen, auch von K., bewußt respektiert wurde. In Ergänzung der in früheren Generationen aufgezeichneten Stammesrechte veranlaßte er 802/03 ein abschließendes Kodifikationswerk, indem er die schon erwähnte Lex Saxonum, ferner ein nordthüring. und ein teilfränk. Recht (Lex Angliorum et Werinorum hoc est Thuringorum; Ewa Chamaworum) schriftlich fixieren, eine Lex Frisionum vorbereiten und ältere Leges überarbeiten ließ. Von einer politischen Sprengkraft solcher personal bestimmten Rechtspluralität kann keine Rede sein, da sie sich nicht als territoriales Ordnungsprinzip auswirkte.

    Im übrigen aber muß das aus den Quellen aufscheinende idealtypische Bild vom Großreich K.s als einem gleichmäßig aufgegliederten Gesamtgefüge mit durchorganisierter Amtsverfassung sehr relativiert werden. Den administrativen Unterbau, den eine solche, fast schon moderner Staatlichkeit vergleichbare Ordnung erfordert hätte, konnte selbst K.s energische Herrschaft nicht zustande bringen. Daß ein lückenloses Netz funktionsfähiger, vom Königshof überwachter und bis in die Hundertschaften (verschiedenster Nomenklatur) hinein wirkender Grafschaften sich so, wie es fraglos dem Willen K.s entsprach, tatsächlich überall durchgesetzt hätte, bleibt mehr als zweifelhaft, nicht zum wenigsten für weite ostrhein. Länder. In welchem Ausmaß aber auch zum Beispiel der wiederholt geforderte allgemeine Treueid wirklich geleistet wurde und welche bindende Kraft von ihm ausging, wissen wir nicht. Nachdrücklich muß davor gewarnt werden, die Kapitularien in ihrer Wirkung wie moderne Gesetze zu verstehen. Die nahezu gleichen Mahnungen, Gebote und Verbote kehren, vor allem in K.s späterer Regierungszeit, mit bemerkenswerter Häufigkeit wieder. Dies darf durchaus als Anzeichen eines empfindlicher gewordenen Verantwortungsbewußtseins, eines gesteigerten Reformwillens gedeutet werden, der sich noch über K.s Tod hinaus fortsetzte, aber daß hinter solchen Konzeptionen und Forderungen die Wirklichkeit zurückblieb, zurückbleiben mußte, wird eben dadurch nicht minder offenkundig.

    Die Unvollkommenheit dieser Amtsordnung war ebenso zeit- und strukturbedingt wie die scheinbare Durchbrechung des Amtssystems einerseits durch das unmittelbar-persönliche Band der Vasallität, anderseits durch die an den Urkunden ablesbare Privilegierung kirchlicher Institute mit Schutz und Immunität. In Wirklichkeit ergänzten und stützten solche partikularen Rechtsbeziehungen zum König eine im Denken der Zeit noch wenig verwurzelte und darum labile Amtsverfassung, der sich die auf eigene Herrschaft und Hoheit bedachte bodenständige Grundbesitz- und Waffenaristokratie nur bedingt fügte. Nur aus diesem Adel aber konnte K. seine Grafen und sonstigen Beauftragten nehmen. Wenn dann, in einer gewandelten Situation, seine außergewöhnliche persönliche Autorität ausfiel und sich gar noch äußere Gefährdungen des Reiches abzeichneten, auf die rasch reagiert werden mußte, konnte die Einwurzelung erblich-feudaler Grafendynastien, konnte aber auch der Aufstieg neuer Mittelgewalten nicht mehr aufgehalten werden. Aber alle Unfertigkeit, ja die latente Brüchigkeit von K.s gesamtfränkische Herrschaft ändert nichts daran, daß die Elemente der fränkischen Reichsordnung auf Jahrhunderte in der europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte fortgewirkt haben.



    Kirchen- und Kulturpolitik.
    In den zahlreichen Kapitularien K.s, die von kirchlichen Dingen handeln, dokumentiert sich die als Herrschaft und Verpflichtung verstandene monarchische Kirchenhoheit des Frühmittelalters auf einem geschichtlichen Höhepunkt. Der Weg zur institutionellen und geistigen Regeneration der fränkischen Reichskirche als einer romverbundenen Staatskirche war schon von Bonifatius und Pippin gewiesen worden. Von einer prinzipiellen Neuschöpfung durch K. kann also auch hier nicht die Rede sein, aber in der Entfaltung überkommener Ansätze tritt eine durch rationale Planung gekennzeichnete, sehr persönliche, wenn auch wiederum kaum biographisch präzisierbare Initiative zutage, auf die sich der moderne Begriff der Kulturpolitik durchaus anwenden läßt. Gewiß ist K.s eigener Anteil vor allem in Anstoß und Weisung zu sehen, während Vollbringung und Leistung sich auf viele Helfer verteilen, aber unsere Vorstellungen von seiner Kompetenz und Bildungsstufe dürfen sich dabei nicht kurzschlüssig an dem bekannten Bericht Einhards (c. 25) von den späten und kaum erfolgreichen Schreibübungen K.s orientieren. Mindestens solange noch keine Gebrauchskursive verbreitet war, blieb das Schreiben ein schwieriges Kunsthandwerk, das zu erlernen noch auf Jahrhunderte nicht jedermanns und schon gar nicht Sache des Königs war. Keinesfalls fiel es als Forderung, als Bildungskriterium mit der|Lesefähigkeit in eins – daß auch K. zu lesen verstand, darf vorausgesetzt, ja muß aus einer Andeutung Einhards (c. 26) erschlossen werden. Er habe sich gewandt auszudrücken gewußt, in der latein. sowohl wie in seiner fränkischen Sprache, und habe auch das Griechische wenigstens verstanden, heißt es an anderer Stelle bei Einhard (c. 25); diese Nachricht, an der zu zweifeln kein Anlaß besteht, veranschaulicht den nachhaltigen Lern- und Bildungswillen, der K.s gesamte Persönlichkeit kennzeichnet.

    Zwar kaum sehr rasch, aber ohne erkennbare Konflikte reifte ein unter Bonifatius und Pippin steckengebliebenes kirchlich-institutionelles Reformprogramm, in dem von etwa 780 an die Metropolitanverfassung wieder auflebte und zugleich die später deutschen Landschaften erfaßte (Mainz, Köln, Trier, Salzburg). K.s persönlicher Anteil an dieser Wiederherstellung der Kirchenprovinzen klingt nur in seinem von Einhard (c. 32) überlieferten Testament aus dem Jahre 811 an (in welchem er die Metropolitankirchen besonders bedenkt), ist aber auch ohne ausdrückliche Nachrichten als ebenso selbstverständlich zu unterstellen wie bei der Einbeziehung des Sachsenlandes in die fränkische Reichskirche. K. übertrug (wohl 777) dem Abt Sturmi von Fulda die Leitung der Sachsenmission, an der zahlreiche Bischofskirchen und Klöster des südlichen und westlichen Umkreises mitzuwirken hatten, und er veranlaßte 787 die Weihe des Angelsachsen Willehad zum Bischof von Bremen. Die kanonische Errichtung der Bistümer Bremen, Münster, Osnabrück, Minden und Paderborn kam jedoch erst nach 800 zustande und ist großenteils durch spätere Fälschungen so verdunkelt, daß es an konkreten Zeugnissen für K.s persönliches Handeln fehlt. Auch bei dem Missionswerk, das seit 796 von Passau, Salzburg und Aquileja aus den Südosten zu erfassen begann, tritt K. selber kaum in Erscheinung.

    Der inneren Festigung, Ordnung und Reinigung der fränkischen Kirche dienten die Reichssynoden, die meist mit großen Reichsversammlungen einhergingen (zum Beispiel Paderborn 777, Herstal 779, Frankfurt 794, Aachen 797, 802). Sie waren bevorzugter Anlaß der vielgestaltigen, mahnenden und regelnden staatskirchlichen Gesetzgebung, meist im Gemenge mit allgemeinen Kapitularien, aber auch in gesonderten Texten im Stil der sogenannten Admonitio generalis von 789. Bei eben diesen Bemühungen wird die Romverbundenheit K.s und der Franken sichtbar: sie bedeutete keineswegs eine Regierung der fränkischen Kirche von Rom aus, erschöpfte sich aber auch nicht in dem – ungeachtet mancher Enttäuschungen des Papstes – offenbar sehr persönlichen Vertrauensverhältnis K.s zu Hadrian I. Die römische Kirche war vielmehr seit des Bonifatius Tagen auch für die Franken die berufene Hüterin der Tradition und Norm, die bei der innerkirchlichen Erneuerung als grundsätzliche Richtschnur galt. Vom Papst nahm K. 774 die römische Rechtssammlung der Dionysio-Hadriana entgegen, nach deren Vorschriften, soweit sie in Verbindung mit spanischen und gallischen Texten auf fränkische Verhältnisse anwendbar waren, er das Kirchenwesen vereinheitlichend geordnet sehen wollte; vieles ist unmittelbar in jene Admonitio von 789 eingegangen. Im Geiste solcher Prinzipien war K. auf eine Festigung der bischöflichen Diözesanhoheit und auf eine Straffung der Klosterzucht bedacht, für deren Normierung er 787 in Monte Cassino den authentischen Text der Regula s. Benedicti abschreiben ließ. Andererseits sanktionierte K. auch jüngere Rechtsformen, die über das altkanonische Kirchentum hinausgeführt hatten: weit davon entfernt, das Eigenkirchenwesen in Frage zu stellen, bezog er Stiftungen der voraufgegangenen Generation wie Lorsch, Fulda, Hersfeld in den Kreis der unmittelbar königseigenen Klöster ein und beschränkte sich darauf, Auswüchse eigenkirchlicher Rechtsverhältnisse einzudämmen, sicherte den Kirchen aber auch neuartige Stützen mit der endgültigen Durchsetzung des Zehntgebots und der Einführung der ständigen Vogtei (um 790), eines vor allem in der deutschen Geschichte sehr zukunftsreichen Rechtsinstituts.

    Im Zusammenhang, ja im Dienste dieses kirchlichen Erneuerungswillens stand eine zielstrebige Schul- und Bildungsreform, bei der wiederum K.s persönliche Initiative, etwa durch die an den Abt Baugulf von Fulda gerichtete Epistola de litteris colendis (wohl 784/85), zur Genüge bezeugt ist. Als elementare Schrift- und Sprachbereinigung hat sie eine schlechthin unabsehbare Bedeutung gewonnen, denn die aus dieser Reform erwachsene, durch Gleichmäßigkeit und Vierlinienschema gekennzeichnete „karolingische Minuskel“, die Grundlage unserer Schrift, ist zu einem Charakteristikum des „abendländischen“ Kulturkreises geworden, während die Rückbesinnung auf die patristische Latinität ein nunmehr von den romanischen Sprachen bewußt geschiedenes Schriftlatein zur literarisch-wissenschaftlichen Hochsprache des Abendlandes werden ließ. Kirchlich-praktische und gelehrte, schon philologisch anmutende, aber eher schulisch gemeinte Bemühungen gingen schon bald bei der Sorge um zuverlässige Fassungen der kanonischen Vorschriften und monastischen Regeln ineinander über. In ähnlicher Weise drängte K. auf die Herstellung gesicherter Bibeltexte und auf eine Vereinheitlichung des Gottesdienstes. Als Grundlage dienten wiederum römische liturgische Bücher, darunter ein auf K.s Bitten von Hadrian I. wohl um 785/86 übersandtes Sakramentar. Sie wurden in K.s Umgebung jedoch einer neuen Redaktion unterzogen, die manches an gallisch-fränkischen Texten einfügte. Aber auch außerhalb der kirchlichen Zweckbestimmung wandte sich den Texten antiker Autoren ein gesteigertes, sehr aktives Interesse zu. Somit haben Schrift, Latinität, Bibeltext, Liturgie, Kirchenrecht, Mönchsregel, Klassikerüberlieferung in der von K. geförderten Auswahl und Ausprägung Kirche und Bildung des Mittelalters – und noch darüber hinaus – aufs stärkste geprägt.

    Dieses Erneuerungswerk erhielt über Jahrzehnte hin wesentliche Impulse vom Königshof und von K. selber, der für den institutionellen Ausbau der Hofschule Sorge trug, eine ansehnliche Hofbibliothek sammelte und bedeutende Persönlichkeiten sowohl der Wissenschaft wie der Literatur in seine Umgebung zog. Über diesen Kreis sind wir weit besser unterrichtet als über seine Helfer in Politik, Verwaltung und Heer. Die Leiter der Hofkapelle – der Abt Fulrad von Saint Denis († 784), die Bischöfe Angilram von Metz († 791) und Hildebald von Köln († 819), beide mit dem erzbischöflichen Titel ausgezeichnet – waren sehr einflußreich, treten aber „bildungspolitisch“ kaum hervor. Kennzeichnend ist unter diesem Aspekt vielmehr die große Zahl auswärtiger Kirchenmänner aus den Ländern alter Kulturtradition, die sich am Hofe K.s einfanden. Zu ihnen zählt vielleicht der Ire Dungal, wenn er mit dem als Hibernicus exul bezeichneten Autor von Hofgedichten identisch ist, vor allem aber waren es Gelehrte aus Italien und England, darunter schon früh (776 ff.) die Grammatiker Petrus von Pisa (den laut Einhard c. 25 K. persönlich „hörte“) und Paulinus, der langobardische Dichter, Theologe und Historiker →Paulus Diaconus (etwa 782-86 am Hofe), der aus Spanien geflüchtete Westgote Theodulf, ein formgewandter Dichter und Theologe (vor 790), als hervorragendste Gestalt aber seit 781/82 der allseitig gelehrte Alkuin aus York, der für K. wichtige Kapitularien und Briefe formulierte, die Leitung der Hofschule übernahm und durch seine Lehrbücher in einer bis dahin unbekannten Breite das spätantike Bildungsgut vermittelte. Noch vor der Jahrhundertwende, als Alkuin sich nach Tours zurückzog (796), Theodulf Bischof von Orléans wurde (spätestens 798), begannen auch Franken in diesem Kreise literarisch hervorzutreten, so der Hofdichter Angilbert und K.s späterer Biograph Einhard, der Alkuin in der Leitung der Hofschule ablöste und die Aachener Pfalzbauten beaufsichtigte, denn eine Wiedergeburt der Kunst – mit dem Oktogon des Aachener Münsters als berühmtestem Denkmal – gehört nicht minder zu dieser Erneuerung, für die in der Forschung die Bezeichnung „karolingische Renaissance“ in Gebrauch gekommen ist, wenn auch nicht ohne Widerspruch gegen eine so extensive Anwendung des Renaissancebegriffs.

    Mit seinen Vertrauten und Gelehrten traf sich K. zu wissenschaftlich-literarischem Austausch in einem Freundeskreise, dessen Mitglieder biblische oder antike Pseudonyme führten (K.: David). Mag die Bezeichnung „Akademie“ hier zu hoch gegriffen sein, so sichert die Nachricht von einer solchen intellektuellen Tafelrunde doch in sehr bestimmter Weise die persönlich-biographische Note dieser Bildungsrezeption. Eine betonte persönliche Aufmerksamkeit wandte K. aber auch, nach Einhards glaubhaftem Bericht (c. 29), der eigenen germanisch-fränkischen Sprache zu. Mehr noch als die Namen der Winde und Monate fällt dabei das Interesse an den Heldenliedern und erst recht der Plan einer Grammatik ins Gewicht, der auf die Ausbildung zur Schriftsprache hinzudeuten scheint. Bei aller – und durchaus dominierenden – Offenheit K.s für die lateinische Kulturtradition darf dieser Wille zu einer sowohl politischen wie kulturellen Eigenständigkeit gegenüber der Antike nicht übersehen werden.

    Eben dieser Selbstbehauptungswille begann sich alsbald, wiederum auf einen Anstoß von außen hin, auch kirchenpolitisch, ja theologisch zu artikulieren. Die Kaiserin Irene setzte dem innergriech. Bilderstreit ein Ende, nahm die seit Jahrzehnten abgerissene Verbindung mit Rom wieder auf und versammelte 787 in Nicaea eine Synode, die als VII. Ökumenisches Konzil unter der nominellen Leitung päpstlicher Legaten verkündete, den Bildern werde Verehrung (proskýnesis) geschuldet, die jedoch von einer Anbetung (latreía) streng zu scheiden sei. In dem Jahre, da er selber in Unteritalien eingriff und die Verlobung seiner Tochter Rotrud mit Konstantin VI. aufgehoben wurde, war K. über eine Rückwendung Roms zu den Griechen schon aus politischen Gründen sehr befremdet. Geradezu empört aber waren er und seine Hoftheologen über die Ignorierung der fränkischen Reichskirche durch ein dem Anspruch nach ökumenisches Konzil, das in Wirklichkeit|eine griechische Reichssynode war. Die Heftigkeit des Protestes gründet des weiteren darin, daß der eher nüchtern-rationale Westen, der selber keinen Überschwang des Bilderkultes gekannt hatte, dem ganzen Problem wenig Verständnis entgegenbrachte und sich gegen den Führungs-, ja Ausschließlichkeitsanspruch des Ostens auflehnte. Im Namen K.s, des Herrschers über Gallien, Germanien und Italien, wurde 791 eine Gegenschrift ausgearbeitet, als deren Verfasser in der heutigen Forschung Theodulf gilt. Diese Libri Carolini begegnen dem römisch-griechischen Kaisertum und Irene persönlich in hochfahrender Geringschätzung, sie verwerfen unterscheidungslos jegliche Bilderverehrung, bestreiten den ökumenischen Rang des Konzils von 787 und berufen sich gegenüber den Griechen auf den Glaubensprimat der römischen Kirche, mit der die Franken in „heiliger Gemeinschaft“ lebten. Eine sehr alte, freilich nicht vollständige Handschrift der Libri Carolini, die das Autograph sein könnte, enthält kritische, meist zustimmende Randnotizen, die auf Äußerungen K.s bei der Verlesung zurückzugehen, also seine persönliche Anteilnahme in ganz ungewöhnlicher Weise zu bezeugen scheinen. Obgleich (oder weil) die Libri Carolini sich mit Nachdruck auf den römischen Primat beriefen, geriet Hadrian I. in arge Bedrängnis; er konnte sich nur mit Mühe der Zumutung entziehen, die unter seiner eigenen Mitwirkung gefaßten Konzilsbeschlüsse von 787 zu verurteilen. Freilich kam auch kein westlich-ökumenisches Gegenkonzil zustande. Die von K. 794 nach Frankfurt einberufene Versammlung, die nochmals jeden Bilderkult verwarf, blieb eine fränkische Reichssynode. Von einem Bilderstreit in der Westkirche, den es ohnehin nur theoretisch gegeben hatte, verlautet dann nichts mehr.

    Dagegen hatte sich das Frankfurter Konzil noch mit einer christologischen Glaubensfrage zu befassen. Der Bischof Felix von Urgel im fränkischen Teil Spaniens hatte sich der toletanischen Lehre von einer doppelten Sohnschaft Christi angeschlossen, der als Mensch nur Adoptivsohn Gottes sei. Er war auf Geheiß K.s vorgeladen worden, hatte 792 in Regensburg und Rom widerrufen, dann aber in Spanien seine Lehre erneut verkündet. Die Frankfurter Synode sprach daher eine ausdrückliche Verurteilung des Adoptianismus aus, ebenso der Papst Leo III. im Jahre 798. Felix fand sich 799 in Aachen zu einer Disputation mit Alkuin und erneutem Widerruf ein, durfte dann aber nicht in sein Bistum zurückkehren. Bemerkenswert ist hier die selbstverständlich gewordene und sehr fundierte Mitsprache der fränkischen Kirche in der Theologie, doch ist dabei eine stärkere persönliche Anteilnahme K.s so wenig zu erkennen wie bei der gleichzeitig einsetzenden trinitarischen Kontroverse um das Filioque im Glaubensbekenntnis, einem großen west-östlichen Konfliktsthema des 9. Jahrhunderts

    Chronologischer Rückblick. Erst in der Rückschau auf dieses vielgestaltig verflochtene Neben- und Nacheinander erscheint es möglich, die für eine historische Sicht unverzichtbare zeitliche Abfolge des Wollens, Handelns und Geschehens von 772 bis zur Jahrhundertwende wenigstens in der Hauptlinie nachzuzeichnen – nicht zum wenigsten auch um den vordergründigen Eindruck einer unproblematisch-geradlinigen Stetigkeit auf das rechte Maß zurückzuführen. K. übernahm ein Reich, das sich von Aquitanien bis Alemannien erstreckte. Es war in seinem Bestände gefestigt, bedurfte aber noch der inneren Konsolidierung durch eine gestärkte Königsgewalt und eine von Pippin längst behutsam in Gang gebrachte kirchliche Regeneration in römisch-kanonischem Geiste und im Bunde mit dem Papst, über dessen noch jungen Kirchenstaat der Frankenkönig seine schützende Hand hielt, ohne darum die politische Struktur Italiens grundsätzlich umgestalten zu wollen. Zu offensiver Aktion drängten den neuen König dagegen die seit jeher gefährdete Nordostflanke des Reiches und die Unbotmäßigkeit des Bayernherzogs.

    K.s erste Initiative richtete sich 772 gegen die Sachsen. Wenn er dabei, was sehr wohl möglich ist, von vornherein weitgesteckte Ziele verfolgte, so sah er seine Pläne alsbald von außen durchkreuzt. Nicht K.s eigene Initiative, sondern die Aktion des Desiderius gegen Rom, die der Frankenkönig nur unter schwerstem Prestigeverlust hätte dulden können, lösten 773/74 die Intervention in Italien aus. Erst in ihrem Verlauf entschloß sich K. zu der radikalen Lösung, die in der europäischen Geschichte das Ende der aus der Völkerwanderung hervorgegangenen Staatenordnung bezeichnet, zugleich aber die germanisch-romanische Welt enger zusammenfügte. Möglicherweise war es dann wieder ein äußerer Anstoß – der Sachseneinfall nach Hessen 773/74 –, der K. zu dem Entschluß brachte, auch jenseits des Rheines weiter auszugreifen als ursprünglich geplant. Mit dem Feldzug 775, mit der Bezwingung langobardischer und sächsischer Auflehnungen 776 folgte Sieg auf Sieg. Der Paderborner Reichstag von 777 bezeichnet einen ersten Höhepunkt, K. schien bereits als der Gesamtherrscher des germanisch-lateinischen Kontinentaleuropa dazustehen, der die Grenzen seines Reiches und der Christenheit noch ausgeweitet hatte.

    Ob diese ersten Siege zu leicht errungen waren? Jedenfalls ließ sich K. eben in Paderborn, in verhängnisvoller Fehleinschätzung der politisch-militärischen Kräfte, für das spanische Unternehmen gewinnen. Die Katastrophe von 778 war mehr als ein Rückschlag, sie steht am Anfang schwerer Krisenjahre, die vor allem durch die in zwei Wellen – 779/80, 782-85 – verlaufenden erbitterten Sachsenkämpfe, aber auch durch die Passivität der Franken an der Pyrenäenfront gekennzeichnet sind. Es ist jedoch zugleich eine Zeit umsichtiger Regierungs- und Reformaktivität, zu der das 779 in Herstal verkündete große Kapitular das Signal gegeben haben dürfte. Vieles, im Zeitansatz oft nur zufällig und fragmentarisch bekannt, ist in diesem Zusammenhang zu sehen, so die beginnende administrative und kirchliche Durchdringung Sachsens (von der freilich auch die harte Capitulatio nicht auszunehmen ist), die Regelung der italischen Verhältnisse und die Einsetzung der Unterkönige Pippin in Italien und Ludwig in Aquitanien (781), die byzantinische Verlobung der Prinzessin Rotrud (781), aber auch das um 780 sichtbar werdende Reforminstitut der Gerichtsschöffen und vollends die mit der Ankunft Alkuins (781/82) dem Höhepunkt zustrebende geistige Erneuerung, in der sich die Bildungskontinuität des nachantik-lateinischen Europa aus italienischer, spanischer, irischer, angelsächsischer Tradition mit der neuen politischen Führungsmacht zu vielgestaltigem Neubeginn verschmolz. Mit der Taufe Widukinds (785), der Niederwerfung Hardrads (785/86) war die Krise überwunden, trat relative Ruhe ein, hatte K. neue Bewegungsfreiheit gewonnen. Die Franken begannen südlich der Pyrenäen Fuß zu fassen (785 ff.), K. setzte sich gegen Benevent durch und ließ es auf einen Bruch mit Byzanz ankommen (787/88), er holte endlich zum entscheidenden Schlag gegen Tassilo aus, um Bayern vollends dem Reiche einzugliedern (787/88), er wagte 789 den Zug über die Elbe ins Slawenland und trat 791 ein groß angelegtes Unternehmen gegen die Awaren an. Auch die Innen- und Kulturpolitik gewann neuen Schwung; davon zeugen die Kapitularien von 789 mitsamt der Admonitio, das jetzt erkennbar werdende Institut der regulierten Kirchenvogtei, auf besondere Art nicht minder die Libri Corolini und die nicht präzis datierbaren, um diese Zeit aber sicherlich im Gang befindlichen Bemühungen um eine einheitliche Liturgie. Nochmals aber lösten empfindliche Rückschläge, deren Hintergründe und Zusammenhänge für uns nicht recht durchschaubar sind, eine ernste Krise aus. Blieb schon der Awarenfeldzug von 791 ohne rechten Erfolg, so mußte den König dann schwer die Hofverschwörung um seinen Sohn Pippin treffen (792). Sie fiel zeitlich zusammen mit neuen Aufständen im nördlichen Sachsenlande, die von 793 an weitere Kreise zogen, mit einem arabischen Vorstoß über die Pyrenäen (793) und mit der Abkehr des Herzogtums Benevent vom Frankenreich (792/93). Erneute Anspannung der Kräfte wurde jedoch seit 794 auch dieser Gefahr Herr, zumal K. die – freilich wieder sehr harten – Kämpfe jetzt zum guten Teil seinen Söhnen und Markgrafen überlassen konnte. Er selber zog Jahr für Jahr im Norden zu Felde und brach endgültig den Widerstand der Sachsen; das „normalisierte“ Copitulare Saxonicum von 797 bedeutet hier den Abschluß des Dauerkrieges. Pippin von Italien und Markgraf Erich von Friaul zerschlugen 796 endgültig die Awarenmacht. Im Südosten setzte ein behutsames Missionswerk ein, bei dem man aus den unguten Erfahrungen bei der gewaltsamen Christianisierung der Sachsen Lehren zu ziehen wußte. Unter der Führung Ludwigs von Aquitanien und des Grafen Wilhelm von Toulouse schoben sich die Franken jetzt endgültig, wenn auch nur allmählich, an der Pyrenäenlinie vor. Weniger erfolgreich verliefen die langwierigen Kämpfe Pippins mit Benevent, aber von einer Gefahr für die Südflanke des Reiches konnte keine Rede sein. Neben alledem darf die Frankfurter Synode von 794 als Symptom für die von der Krise unberührte geistige Kraft der Reichskirche, der Residenzrang der Aachener Pfalz (seit 794) als Symbol für die gesicherte Stetigkeit der Reichsherrschaft, das diesen Jahren angehörende Capitulare de villis als Ausdruck ungebrochenen Reformwillens verstanden werden.

    Kaisertum und Nachfolge. Ungeachtet aller Krisen und Unzulänglichkeiten war das Frankenreich unter K.s Führung zu einer neuartigen Weltstellung aufgestiegen, in der sich respektgebietende Macht mit geistigem Rang verband. Von weltweiter Anerkennung zeugt der Austausch von Gesandtschaften mit dem Kalifen Harun ar-Raschid von Bagdad (797, 801/02, 807), zeugt auch das Bemühen der Kaiserin Irene, die seit dem – von ihr selber herbeigeführten – Sturz ihres Sohnes Konstantin VI. (797) im eigenen Namen regierte, den Frieden mit dem Westen wiederherzustellen. Die Franken aber fühlten sich zwar dem christlich antiken Kulturerbe, keineswegs jedoch dem Reich und Kaisertum heidnisch-antiker Tradition verbunden: in ihren liturgischen Gebeten klingt in bewußtem Kontrast eine eigene, christlich-fränkische Reichsidee an. Zur politischen Konkretisierung, zur Sichtbarmachung der neuen Weltstellung aber bedurfte es wiederum eines äußeren Anstoßes. Den neuen Papst Leo III. (795–816) hatte K. mit einem von Alkuin formulierten Schreiben begrüßt, das in berühmt gewordener Antithese (nostrum est – vestrum est) den Schutz und die Ausbreitung des christlichen Glaubens nach innen und außen als Sache des Königs verkündet, den der Papst mit seinem Gebet unterstützen solle. Mehr noch als sein Vorgänger suchte Leo III. Anlehnung an K., zumal er in Rom erbitterte Feinde hatte, die seinen Sturz planten. Er wurde am 25.4.799 überfallen, mißhandelt und in Haft genommen, entkam jedoch und begab sich unter fränkischen Schutz. K. empfing den Papst feierlich im Juli 799 in Paderborn, aber auch Leos Gegner brachten beim König Klagen vor. Damit stellte sich die doppelte Grundsatzfrage nach der Gerichtshoheit in Rom (die dem Kaiser zustand) und nach einer Gerichtsbarkeit über den Papst (die im kirchl. Rechtsdenken längst als unzulässig galt). Mehr als das: nach allem, was 2 Jahre zuvor in Konstantinopel und nunmehr in Rom geschehen war, schienen Kaisertum und Papsttum ihren Rang in der überkommenen Weltordnung eingebüßt zu haben, erscheine K. als rector populi christiani, heißt es bei Alkuin, aber es ist nicht erkennbar, ob solche Erwägungen sich bereits in politische Pläne umsetzten. Eine von K. mit der Untersuchung beauftragte Kommission unter Führung der Erzbischöfe Hildebald von Köln und Arn von Salzburg geleitete Leo nach Rom zurück (29.11.799) und ließ die Anführer des römischen Aufstandes ins Frankenreich verbringen. Erst 1 Jahr später, am 23.11.800, traf K. selber in Rom ein und wurde von vornherein mit dem Zeremoniell des adventus Caesaris empfangen. Die Beschuldigungen gegen Leo III. wurden, unter Vermeidung eines Synodalurteils, durch einen in der Gerichtspraxis keineswegs ungewöhnlichen Reinigungseid erledigt, den der Papst am 23.12. in Sankt Peter ablegte.

    Was in diesen Wochen außerdem erwogen wurde und in den Quellen durchweg übergangen wird, klingt nur in den – gleichzeitigen – Lorscher Annalen an: Da das Kaisertum seit der Usurpation Irenes (797) vakant sei, gebühre K., dem Herrscher über Rom und über die sonstigen sedes der Caesaren in Italien, Gallien und Germanien, der kaiserliche „Name“. Für die Weihnachtsmesse vom 25.12.800 war eine Königssalbung und -krönung Karls des Jüngeren vorgesehen, des ältesten legitimen Sohnes, der seit langem als Haupterbe des regnum Francorum galt, bisher jedoch nicht formell zum König erhoben worden war. Diese Zeremonie fand auch statt, wurde aber völlig dadurch überschattet, daß Leo III. vorher K. eine Krone aufsetzte und ihm die kniefällige Proskynese erwies, während das Volk ihn als „Kaiser der Römer“ akklamierte. Diese Ausrufung – als Konstitutivakt wichtiger denn die Krönung – ist aus der Sicht des Papstes und der Römer wörtlich zu verstehen: K. wurde – gegen Byzanz – zum römischen Kaiser schlechthin proklamiert, nicht zum weström. Teilkaiser oder gar zum „fränkischen“ Kaiser. Das bedeutete für Rom die formelle staatsrechtliche Trennung von Byzanz und zugleich die Wiederherstellung einer höchsten stadtröm. Gerichtsinstanz, vor der sich Leos III. Widersacher nunmehr verantworten mußten. Nach allem, was namentlich in den letzten Wochen voraufgegangen war, ist ein Zweifel an K.s grundsätzlicher Bereitschaft zur Übernahme der Kaiserwürde kaum möglich, aber Einhards Andeutung (c. 28), der König sei durch das consilium des Papstes aufs unangenehmste überrascht worden, kann durchaus besagen, daß K. mit der von Leo III. möglicherweise eigenmächtig inszenierten Proklamation nicht einverstanden war. Sein späteres Verhalten berechtigt zu der Vermutung, daß ihm einerseits die offene Brüskierung des griechischen Hofes, zum andern die allein den Römern zugespielte Rolle des „Reichsvolkes“ in besonderer Weise widerstrebte. Offen bleiben muß dann freilich die Frage, welche Form der Kaisererhebung dem König und seinen Franken erwünscht gewesen wäre.

    K. erfüllte jedoch die ihm von Leo III. zugedachte Kaiseraufgabe, indem er über die Aufrührer gegen den Papst zu Gericht saß; sie wurden zum Tode verurteilt, aber zur Verbannung begnadigt. K. nahm die Bullenumschrift Renovatio Romani imperii auf und führte in Anlehnung an den in Italien üblichen amtlichen Stil einen Urkundentitel ein, der den römischen Kaiseranspruch kundtat, aber am Franken- und Langobardennamen festhielt: Karolus serenissimus augustus a deo coronatus magnus pacificus imperator Romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam dei rex Francorum et Langobardorum (erstmals bezeugt am 29.5.801). Im Verhältnis zu Byzanz, wo man den Akt vom Weihnachtstage 800 natürlich als eine unerhörte Usurpation empfand, beanspruchte|K. keine Herrschaft über Rom und den Kirchenstaat hinaus, suchte er keinen Kampf, bemühte er sich vielmehr um die Anerkennung seiner Kaiserwürde. In der Tat kamen 801/02 diplomatische Kontakte mit der Kaiserin Irene in Gang. Daß K. ihr gar eine Heirat angeboten habe, wie ein griechischer Chronist wissen will, erscheint freilich nicht eben glaubhaft, wurde jedenfalls durch den Sturz Irenes (31.10.802) gegenstandslos. Einem Gesandten des neuen Kaisers Nikephoros I. (802–811) übergab K. 803 in Salz einen (nicht erhaltenen) Vertragsentwurf, der zweifellos eine gegenseitige Anerkennung, ein legalisiertes Doppelkaisertum vorsah. Nikephoros ließ sich darauf nicht ein, aber offensichtlich wollte keine Seite die gewaltsame Auseinandersetzung, zumal es – da Süditalien unter der Führung Benevents weiterhin eine Pufferzone blieb – zunächst an territorialer Berührung fehlte. K. empfing Ende 804 in Reims Leo III., der eine Begegnung gewünscht hatte; er verbrachte mit ihm das Weihnachtsfest in Quierzy und geleitete ihn nach Aachen, wo er ihn am 14.1.805 entließ. Daß bei diesem Anlaß die Kaiserfrage zur Erörterung stand, ist als sicher zu unterstellen, aber es fehlt an jeder Nachricht darüber. Wir erfahren lediglich, daß Angelegenheiten der Kirchenprovinz Aquileja-Grado zur Sprache kamen. In diesem Raum setzte sich um eben diese Zeit eine frankenfreundliche Partei durch, und K. verfügte um die Jahreswende 805/06 die Einbeziehung Venetiens und Dalmatiens in sein Reich. Erst damit war eine „Front“ gegen das Ostreich aufgerissen. Die Griechen aber waren zur See überlegen und stellten 807 ihre Herrschaft wieder her; Pippin von Italien mußte einen Waffenstillstand eingehen.

    Das saturierte und kaum ernstlich gefährdete Reich erforderte von K. kaum mehr eigene militärische Aktivität. Welche Bedrohungen sich mit der Beunruhigung durch Wikinger im Norden und Sarazenen im Süden abzuzeichnen begannen, wurde von den Zeitgenossen schwerlich bereits erfaßt. K. hielt sich jetzt vorwiegend in den zentral gelegenen Pfalzen Aachen, Nimwegen, Diedenhofen auf. Auf diese späten Jahre bezieht sich fraglos die (im ganzen Zeitalter einzig dastehende) Schilderung von K.s äußerer Erscheinung bei Einhard (c. 22): er sei 7 Fuß groß gewesen, breit und kräftig, sogar ein wenig zur Korpulenz neigend, rundschädelig mit schönem Grauhaar und kurzem Nacken, mit etwas übergroßer Nase und auffallend heller Stimme. Als Kaiser wandte er seine Energie mit Vorzug der inneren Ordnung zu. Davon zeugen – schon erwähnt – die erneute Vereidigung von 802 ebenso wie die Volksrechtskodifikationen von 802/03, nicht minder aber auch die jetzt in großer Zahl sich wiederholenden Kapitularien, Instruktionen für Königsboten und ähnliche Texte. Einen letzten Höhepunkt bezeichnen 5 Synoden, die 813 ungefähr gleichzeitig in Arles, Reims, Mainz, Chalon und Tours tagten und ausführliche Reformkanones verkündeten.

    Zu den Fragen, die einer rechtzeitigen Klärung bedurften, gehörte insbesondere die Regelung der Nachfolge. Seit mehr als 4 Jahrzehnten regierte K. allein, aber er war nicht gewillt, sich kurzerhand über die Rechtstradition der Teilung hinwegzusetzen, was freilich auch kaum mehr möglich gewesen wäre, nachdem seine 3 Söhne bereits zu Königen gesalbt und gekrönt waren. Von der Ordnung zu gleichen Teilen aber wich er ab, als er am 6.2.806 in Diedenhofen eine Divisio verkündete: der Anteil Pippins von Italien wurde um Bayern und das südliche Alemannien, das Teilreich Ludwigs von Aquitanien auf die Südhälfte Galliens erweitert, alle übrigen Länder aber, voran die ungeteilt bleibende eigentliche Francia, sollten dem ältesten Sohn Karl zufallen. Über die Nachfolge im Kaisertum verfügte K. noch nicht, aber durch den Kaisertitel, durch die Wendung imperium vel regnum und durch erneuten Kontakt zum Papst, dem Einhard die Divisio zur Unterschrift überbrachte, bekannte er sich zum Kaisertum römischer Tradition. Es ist zwar nur undeutlich bezeugt, aber sehr wahrscheinlich, daß Karl der Jüngere für die Nachfolge im Kaisertum ausersehen war. Im noch unbereinigten Verhältnis zu Byzanz darf der Grund dafür vermutet werden, daß K. eine öffentliche und formelle Entscheidung dieser Art vorerst vermied.

    Nach dem Ablauf des Waffenstillstandes lebten die Kämpfe an der Adria wieder auf, Pippin war in Abwehr und Gegenschlag erfolgreich (809/10). Überdies von den Bulgaren bedrängt, ergriff Nikephoros 810 selber die Initiative zu Ausgleichsverhandlungen, die durch den zweimaligen Thronwechsel in Byzanz (Michael I. 811-13, Leon V. 813-20) nur verzögert, nicht mehr gefährdet wurden. Im Jahr 812 stand K. am Ziel: er wurde in Aachen von den griechischen Gesandten als Basileus akklamiert. Der weitere Austausch von Gesandten und Briefen zog sich zwar noch bis nach K.s Tod hin, aber der Friede war geschlossen: Byzanz erkannte ein gleichrangiges Westkaisertum, ein verselbständigtes Abendland an; dem Ostkaiser, der die Hoheit über Rom mindestens faktisch preisgab,|überließ K. Venetien und Dalmatien, aber auch den Römertitel, den er seinerseits ohnehin vermieden hatte, den Byzanz dagegen jetzt in den Amtsstil aufnahm, während die fränkischen und deutschen Nachfolger K.s nahezu 2 Jahrhunderte lang den Kaisertitel (imperator augustus) ohne römisches Attribut führten.

    Der Weg zur Weitergabe des Kaisertums war damit freigeworden, aber unter völlig veränderten Voraussetzungen, denn am 8.7.810 war Pippin, am 4.12.811 war Karl der Jüngere gestorben. Nach längerem Zögern setzte K. 812/13 Pippins Sohn Bernhard, der, nach dem Namen zu schließen, kaum als vollbürtig gelten konnte, als Unterkönig in Italien ein, ohne ihm jedoch einen gleichberechtigten Anteil an der Reichsherrschaft zuzuerkennen. Reich und Kaisertum gingen ungeteilt an Ludwig von Aquitanien über, den einzigen überlebenden Sohn aus vollgültiger Ehe – die durch den Erbfolgezufall geschaffene Reichseinheit wurde erst in der nächsten Generation ein politisches Programm. Nachdem 813 jene 5 Reformsynoden getagt hatten, die auf ihre Art gleichfalls zu Ludwigs des Frommen ersten Jahren überleiteten, hielt K. im September zu Aachen seine letzte Reichsversammlung: hier krönte er selber Ludwig zum Mitkaiser, unter Akklamation durch die Franken, also nicht nach päpstlicher römischer Stil, sondern als gleichrangiger Westkaiser in Anlehnung an byzantinischen Brauch.

    Noch am Todestage wurde K. in der Aachener Pfalzkirche beigesetzt. Otto III. ließ im Jahr 1000 das Grab öffnen; die in diesem Zusammenhang begegnende Nachricht von einer Sitzbestattung verdient jedoch keinen Glauben. Auf dem Höhepunkt des Konfliktes mit Alexander III. erhob Friedrich I. am 29.12.1165 die Gebeine K.s und ließ ihn mit Vollmacht seines Gegenpapstes Paschalis III. heiligsprechen. Der Kult verbreitete sich im nördlichen und südwestlichen Deutschland, seit dem späteren Mittelalter auch in Frankreich und hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Im Aachener Münster – wo der im Jahr 1215 fertiggestellte kostbare Karlsschrein die Gebeine birgt – wird der 28. Januar als Festtag noch heute begangen. Schon der auf ihn folgenden Generation galt K. als „der Große“. Die ideale Stilisierung seiner Gestalt setzt bereits um 830 mit Einhards – in der Substanz durchaus wahrheitsgetreuer – Biographie ein und hat auf Jahrhunderte, großenteils losgelöst von der Wirklichkeit, in Literatur und Geschichtsbewußtsein weitergewirkt. Die kritische Geschichtsschreibung sieht nüchterner die durch äußere und innere Gegebenheiten begünstigte Einmaligkeit ebenso wie die Grenzen seiner Erfolge und Leistungen, seiner kulturell überhöhten politischen Machtballung, die nur als zeitweilige Realisation an einem Wendepunkt der Weltgeschichte Bestand haben konnte, die aber, sowohl in der territorialen Ausformung wie in der Rechtsordnung und der Bildungstradition, dem abendländ. Mittelalter, insbesondere der französisch und noch mehr – mit dem Kaisertum – der deutschen Geschichte den Weg gewiesen hat.

    Literatur
    ADB 15; Regg. Imp. I; Ann. regni Francorum, hrsg. v. F. Kurze = MGH SS rer. Germ., 1895; Vita Karoli magni d. Einhard, hrsg. v. O. Holder-Egger, = MGH SS rer. Germ., 61911; MGH DD Karol. I, MG Capit. I; Conc. II 1, Cod. Carol., in: MG Epp. III; zahlreich Einzelzeugnisse in: MG Epp. IV, MGH Poetae I; Neuausgg. aus jüngerer Zeit: Karolus magnus et Leo papa, Ein Paderborner Epos v. J. 799, mit Btrr. v. H. Beumann, F. Brunhölzl, W. Winkelmann, 1966; Capitulare de villis, hrsg. v. C. Brühl, 1971 (Faks.-Ed. mit Transkription, übers. [v. G. Franz] u. Glossar); S. Abel u. B. Simson, Jbb. d. Fränk. Reiches, K. d. Gr. I, 21888, II, 1883. - Gesamtdarst.: L. Halphen, Charlemagne et l'Empire carolingien, 1949; R. Folz, Le couronnement impérial de Charlemagne, 1964; J. Fleckenstein, K. d. Gr., 21967; J. Boussard, Charlemagne et son temps, 1968; S. Epperlein, K. d. Gr., Eine Biogr., 41974; H. Löwe, in: Die Gr. Deutschen I, 1956, S. 19-34; H. Löwe, in: Gebhardt-Grundmann, Hdb. d. dt. Gesch. I, 91970, §§ 41-43 (Literatur); E. Ewig, in: Hdb. d. KG, hrsg. v. H. Jedin, III, 1, 1966, S. 62-118; K. Folz, De l'antiqué au monde médiéval, 1972, S. 315-75 (Literatur); Th. Schieffer, in: Th. Schieder, Hdb. d. Europ. Gesch. I, 1977, §§ 68-71 (Literatur).



    Karl der Große und die Sachsen

    ZDF Mediathek - Karl der Große und die Sachsen - Die Deutschen

    Der große Frankenkaiser schafft wichtige Voraussetzungen.
    Er galt schon bei seinen Zeitgenossen als "Vater Europas": Karl der Große (vermutlich 748-814). Viele europäische Völker haben ihre Wurzeln in der Zeit des großen Frankenkaisers. Karl der Große hat wichtige Voraussetzungen späterer Entwicklungen auf deutschem Boden geschaffen.



    Sogenannte Reiterstatuette Karls des Großen (9. Jahrhundert), heute im Louvre, eine herrschaftliche Inszenierung in Anlehnung an die Reiterstatuen antiker römischer Kaiser. Möglicherweise handelt es sich jedoch in Wirklichkeit um eine Darstellung Karls des Kahlen.

    Charlemagne Louvre OA8260 n1



    Das Signum Karls des Großen unter einer am 31. August 790 in Kostheim ausgefertigten Urkunde: Eigenhändig ist nur der v-förmige Vollziehungsstrich innerhalb des rautenförmigen O des sogenannten Karlsmonogramms, durch den die obere Hälfte des O zugleich als A (für KAROLVS) gelesen werden soll. Der lineare Text beiderseits des Kreuzrhombus-Monogramms lautet Signum (M.) Caroli gloriosissimi regis („Zeichen des überaus glorreichen Königs Karl“).

    Karldergrossesignatur



    Darstellung Karls des Großen in der Chronik des Ekkehard von Aura um 1112/14, Cambridge, Corpus Christi College, Ms. 373, fol. 24r

    Karl der Große in der Chronik des Ekkehard von Aura



    Karl der Große auf der Frontseite des Karlsschreins

    Karl der Große auf der Frontseite des Karlsschreins.



    Karl der Große (links) und sein erster Sohn Pippin der Bucklige, darunter ein Schreiber; Miniatur aus dem 10. Jahrhundert, Kopie einer verlorenen für Graf Eberhard von Friaul hergestellten Miniatur.

    Karl der Grosse - Pippin der Bucklige



    Geburt:
    (kaum 742)

    Begraben:
    Pfalzkapelle

    Karl heiratete Hildegard um 771. Hildegard (Tochter von Gerold und Imma) wurde geboren in 758; gestorben am 30 Apr 783 in Diedenhofen (Thionville) [57100],Moselle,Lothringen,Frankreich; wurde beigesetzt in Metz [57000],Moselle,Lothringen,Frankreich. [Familienblatt] [Familientafel]


  2. 3.  Hildegard wurde geboren in 758 (Tochter von Gerold und Imma); gestorben am 30 Apr 783 in Diedenhofen (Thionville) [57100],Moselle,Lothringen,Frankreich; wurde beigesetzt in Metz [57000],Moselle,Lothringen,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Fränkisches Reich; Fränkische Königin

    Notizen:

    Ausschnitt aus der Kemptener Klosterchronik von 1499: Hildegard ist zusammen mit Karl dem Großen ganz rechts abgebildet.

    Klosterchronik1499



    Begraben:
    St. Arnulf

    Gestorben:
    (7.4.783 Isenburg)

    Kinder:
    1. von Franken, Karl wurde geboren in 772; gestorben am 4 Dez 811.
    2. von Franken, Adelheid wurde geboren in 773/774 in Pavia [27100],Lombardei,Italien; gestorben um Jul 774 in Pavia [27100],Lombardei,Italien.
    3. 1. von Franken, Rotrud wurde geboren in 775; gestorben am 6 Jun 810.
    4. von Italien, Pippin wurde geboren in 777; gestorben am 8 Jul 810; wurde beigesetzt in Mailand [20100],Lombardia,Italien.
    5. von Franken, Ludwig I. wurde geboren am 16 Apr 778 in Chasseneuil-du-Poitou [86360],Vienne,Poitou-Charentes,Frankreich; gestorben am 20 Jun 840 in Ingelheim am Rhein [55218],Mainz-Bingen,Rheinland-Pfalz,Deutschland; wurde beigesetzt in Metz [57000],Moselle,Lothringen,Frankreich.
    6. von Franken, Lothar wurde geboren am 16 Apr 778; gestorben in 779/780.
    7. von Franken, Bertha wurde geboren in 779; gestorben nach 14 Jan 823.
    8. von Franken, Gisela wurde geboren vor Mai 781; gestorben nach 814.
    9. von Franken, Hildegard wurde geboren am 8 Jun 782; gestorben am 8 Jun 783.


Generation: 3

  1. 4.  Pippin III.Pippin III. wurde geboren in 714 in Jupille-sur-Meuse [4020],Wallonien,Belgien (Sohn von Karl Martell und Chrotrud); gestorben am 24 Sep 768 in Paris [75001],Paris,Île-de-France,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: 751-768, Fränkisches Reich; Franken-König

    Notizen:

    Pippin III. der Kleine Franken-König (751-768)
    714 Jupille † 24.9.768 Paris Begraben: St-Denis

    Jüngerer Sohn des fränkischen Hausmeiers Karl Martell aus dem Hause der KAROLINGER aus seiner 1. Ehe mit der Chrodtrud

    Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 2167

    Pippin III. der Jüngere, König der Franken 751/52-768
    * 714/15, † 24. September 768 Begraben: St-Denis, wo er auch erzogen worden war
    Eltern: Karl Martell und Chrotrud
    oo Bertrada
    Söhne:
    KARL DER GROSSE
    Karlmann

    Vor seinem Tode hatte der Hausmeier Karl Martell, der seit 737 ohne König regiert hatte, das fränkische Reich mit Zustimmung der Großen unter seine Söhne geteilt: der ältere Karlmann erhielt Austrien mit Alemannien und Thüringen, Pippin der Jüngere Neustrien, Burgund und die Provence. Ihr zunächst übergangener Stiefbruder Grifo, Sohn der Swanhilt (AGILOLFINGER), wurde nachträglich mit einem Landesteil um Langres bedacht, doch lehnten die Hausmeier seine Mitherrschaft ab und setzten ihn gefangen. Gleichzeitig warfen die Brüder Aufstände der Aquitanier, Alemannen und Bayern nieder, die den Wechsel benutzten, ihre Unabhängigkeit zurückzugewinnen. Gegen die Sachsen, die sich den Aufständischen angeschlossen hatten, führten sie Straffeldzüge durch und bereiteten damit ihre spätere Unterwerfung durch KARL DEN GROSSEN vor. Erneute Aufstände der Alemannen wurde 746 von Karlmann bei Cannstatt blutig bestraft, das alemannische Herzogtum beseitigt und die fränkische Grafschaftsverfassung eingeführt. Da die Aufständischen ihren Widerstand mit dem Fehlen eines legitimen Königs begründeten, setzten beide Hausmeier 743 in Childerich III. erneut einen merowingischen König ein, in dessen Namen datiert und geurkundet wurde, während die Hausmeier sich auch weiterhin die Herrschaft vorbehielten.
    Nachdem Karl Martell Bonifatius für sein Missionswerk auf päpstliche Empfehlung seinen Schutz zugesichert hatte, vertrauten seine Söhne dem angelsächsischen Missionar bereits 741 die Reform der frankischen Kirche an. In seinem Sinne leitete zunächst Karlmann 743 mit dem Concilium Germanicum die Reform ein, der sich Pippin der Jüngere anschloß, um sie zusammen mit seinem Bruder bis 746 in mehreren austrischen und neustrischen Reformkonzilien voranzutreiben. Die vom Geist des Bonifatius geprägten Beschlüsse wurden von den Hausmeiern als Kapitularien verkündet. Pippin der Jüngere hat diese Bemühungen noch als König zielstrebig fortgeführt.
    Als Karlmann 747 der Herrschaft entsagte und sich als Mönch auf das von ihm auf dem Monte Soracte errichtete Kloster zurückzog, war Pippin der Jüngere unter den merowingischen Schein-Königen praktisch der tatsächliche und alleinige Herrscher des Franken-Reichs. Nach der Niederwerfung erneuter Aufstände Grifosund seiner Helfer in Sachsen, Bayern und Aquitanien ging Pippin der Jüngere daran, klare Verhältnisse zu schaffen. Das Problem, das es zu lösen galt, lag in dem Mißverhältnis, das zwischen dem machtlosen König und dem Inhaber der tatsächlichen Macht bestand, der keinem Königsgeschlecht angehörte. An diesem Mißverhältnis war 662 der Versuch des Hausmeiers Grimoald I., die MEROWINGER zu entthronen, gescheitert. Es kam darauf an, die fehlende Legitimität seines Geschlechts auf andere Weise zu ersetzen. Pippin der Jüngere sandte deshalb mit Zustimmung einer Reichsversammlung Bischof Burchard von Würzburg und seinen obersten Kapellan Fulrad nach Rom, um den Papst als höchste geistliche Gewalt zu befragen, ob es gut sei, daß die fränkischen Könige ohne königliche Gewalt regieren. Papst Zacharias antwortete, es sei besser, der Inhaber der Gewalt heiße König als derjenige, der keine Gewalt besäße, und beschied kraft apostolischer Autorität, daß Pippin III. der Jüngere König werden solle, damit die Ordnung nicht gestört werden solle (Ann. regni Franc. ad 749). Daraufhin wurde Pippin der Jüngere 751 in Soissons von den Franken zum König gewählt, Childerich III. abgesetzt und in ein Kloster verbannt. Der Wahl durch die Franken folgte die Salbung durch die Bischöfe, angeführt von Bonifatius. Die Salbung, die Pippin der Jüngere als Franken-König empfing, galt als Sakrament, das ihn als 'Erwählten Gottes' auswies. Sie wurde 754 von Papst Stephan II. in St. Denis wiederholt und auf das gesamte Königsgeschlecht ausgedehnt. Mit Pippin III. dem Jüngeren waren auch seine Nachkommen Könige von Gottes Gnaden.
    Die Hilfe des Papstes forderte Pippin schon bald zur Gegenhilfe heraus, veranlaßt durch den Langobarden-König Aistulf, der 753 nach Eroberung des Exarchats von Ravenna das Gebiet von Rom bedrohte. Von Byzanz im Stich gelassen, wandte sich Papst Stephan II. um Hilfe an Pippin den Jüngeren, suchte ihn im Franken-Reich auf und bestellte ihn nach wiederholter Salbung als patricius Romanorum zum Schutzherrn der römischen Kirche (754), woraufhin Pippin der Jüngere ihm das erbetene Schutzversprechen abgab und zu seinem ersten Italienfeldzug aufbrach, der zum Sieg über Aistulf führte. Da dieser gegen die vereinbarten Bedingungen erneut den römischen Dukat angriff, folgte 756 ein zweiter Italienfeldzug, siegreich wie der erste, jetzt jedoch gesichert durch die Übergabe des Exarchats und der weiteren Eroberung bis zum Dukat von Rom an den Papst: die Begründung des Kirchenstaates. Die folgenden Jahre sind vor allem dem Kampf um den Südwesten des Franken-Reichs gewidmet. Er führt 759 zur Eroberung von Septimanien und 760-768 zur Eroberung von Aquitanien mit der Sicherung der Pyrenäengrenze: das letzte bleibende Verdienst Pippins des Jüngeren um das Frankenreich. Doch auch im Aufbau von Hofkapelle und Kanzlei und in der Einleitung der Liturgieform erwies er sich als ein bedeutender Wegbereiter KARLS DES GROSSEN.

    Quellen:
    RI I, 1908² [Nachdr. 1966] - Q. zur Entstehung des Kirchenstaates, hg. H. Fuhrmann, 1968 -

    Literatur:
    H. Hahn, Jbb. des frk. Reiches 741-752, 1863 - L. Oelsner, Jbb. des frk. Reiches unter Kg. P.,1871 - E. Caspar, P. und die röm. Kirche, 1914 - F. Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, 1954² - Das Kgtm. Seine geistigen und rechtl. Grundlagen (VuF 3, 1956 [Nachdr. 1963]) - W. H. Fritze, Papst und Frankenkg. (VuF, Sonderbd. 10, 1973) - P. Riche, Les Carolingiens, 1983 [dt. 1987] - R. Schieffer, Die Karolinger, 1992, 50ff. -

    Althoff Gerd: Seite 370, "Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung"

    K 34 Me: 24.9. Pippinus rex pater magni Karoli † 768 König Pippin, Vater KARLS DES GROSSEN

    (Es.) Die KAROLINGER-Könige im Merseburger Necrolog wurden beim Beginn des ottonischen Gedenkens aus älteren Vorlagen übernommen; siehe dazu oben wie bei K 22
    Vgl. allgemein Biographisches Wörterbuch 2, Spalte 2183ff; FW K 5.
    Zum Todesdatum: BM² Nr. 115a.

    Biographien zur Weltgeschichte: Seite 455

    Pippin III., der Jüngere Fränkischer Hausmeier seit 741, fränkischer König seit 751
    * um 714/15, † 24.9.768 St-Denis
    Sohn Karl Martells

    Als Hausmeier leitete Pippin der Jüngere zunächst bis 747 gemeinsam mit seinem Bruder Karlmann, die fränkische Reichspolitik, die vor allem auf die Sicherung der fränkischen Herrschaft in Bayern und Alemannien (742-746) und die Durchführung einer Kirchenreform (742 bis 747) gerichtet war. Mit päpstlicher Zustimmung setzte er 751 den letzten MEROWINGER-König Childebert III. ab und ließ sich in Soissons zum fränkischen König erheben und salben. Damit begründete Pippin III. der Jüngere die Königsherrschaft der karolingischen Dynastie im Franken-Reich und das Bündnis des fränkischen Königtum mit dem Papsttum. In dessen Interesse unternahm Pippin der Jüngere zwei erfolgreiche Feldzüge gegen die Langobarden (754 und 756) und schuf mit der sogenannten Pippinschen Schenkung (754) die Grundlage des Kirchenstaats. Feldzüge gegen die Sachsen (753 und 758) und gegen Septimanien (759) sowie die Unterwerfung des selbständig gewordenen Herzogtums Aquitanien (760-768) trugen zur Festigung und Erweiterung des fränkischen Reiches bei. Damit schuf Pippin III. der Jüngere wichtige Grundlagen dafür, daß sein Sohn KARL DER GROSSE das fränkische Großreich zur höchsten Machtentfaltung führen konnte.

    Hlawitschka Eduard: Seite 81, "Die Vorfahren Karls des Großen"

    48 König Pippin

    Eigene Zeugnisse Pippins zu seiner Abstammung in MG. DD Kar., Register; erzählende Quellen bei Nr. 33 und Nr. 45. BM² 53g-115a.
    Pippin wurde entsprechend dem Wunsche seines Vaters nach dessen Tode (741) Hausmeier in dem westlichen, vorwiegend romanischen Gebieten des Franken-Reiches, nämlich in Neustrien, Burgund und der Provence. Mit seinem Bruder Karlmann hatte er sich geeinigt, den illegitimen Bruder Grifo von der Erbfolge auszuschließen. Nach einem vergeblichen Aufstandsversuch wurde er eingesperrt. Bis 744 leitete er gemeinsam mit seinem Bruder Karlmann, der die Hausmeierwürde in den östlichen, germanischen Gebieten erhalten hatte, die Politik des Reiches, die zunächst vorwiegend auf die Sicherung der fränkischen Herrschaft in Bayern und Alamannien (742-746), die Durchführung einer Kirchenreform (742-747) und die Wiedereinsetzung eines merowingischen Schatten-Königs (743) auf den seit 737 verwaisten Thron gerichtet war. Nach Karlmanns Abdankung (747) übernahm Pippin auch das Hausmeieramt in Austrasien. Mit der Absetzung des letzten MEROWINGER-Königs Childebert III. und seiner eigenen Erhebung zum fränkischen König in Soissons (Ende 751), wofür Pippin vorher die päpstliche Zustimmung eingeholt hatte, begründete er die Königsherrschaft der karolingischen Dynastie im Franken-Reich und das Bündnis des fränkischen Königtums mit dem Papsttum. 754 wurde Pippin vom Papst persönlich in St. Denis gesalbt und zum Patricius Romanorum ernannt. Anschließend zog er gegen die Rom bedrohenden Langobarden in Oberitalien und besiegte sie nach längeren Kämpfen (754 und 756). Das zum Exarchat von Ravenna und zum Dukat von Rom gehörige Gebiet, das die Langobarden teilweise erobert hatten, überließ er dem Papst ("Pippinsche Schenkung"); es wurde zur Grundlage des Kirchenstaates. Während seiner Königsherrschaft zog Pippin außerdem zweimal gegen die Sachsen (753 und 758), zwang Herzog Tassilo III. von Bayern zur Huldigung (757) und unterwarf Septimanien (759) sowie nach acht Feldzügen (760-768) auch das unter eigenen Herzögen weitgehend unabhängig gewordene Aquitanien. So schuf Pippin wichtige Grundlagen, auf denen sein Sohn und Nachfolger KARL DER GROSSE aufbauen konnte, als er das fränkische Großreich zu seiner höchsten Machtentfaltung führte.




    744 oo Bertha von Laon, Tochter des Grafen Heribert, † 4.7.783 (um 725 † 12./13.7.783)


    Kinder:
    - KARL I. DER GROSSE 2.4.742/47 † 28.1.814
    - Karlmann 751 † 4.12.771
    - Bertha
    oo Milon von Anglaut
    - Gisela 757 † 810




    Literatur:
    Althoff, Gerd: Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen. Wilhelm Fink Verlag München 1984, Seite 370 K 34 - Bauer Dieter R./Histand Rudolf/KastenBrigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 4,10,15,21,24-29,31,33-49,80,84,87,114,117, 125,129,194,197,259,281,314,323 - Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986, Seite 36,108, 114,152,174,179,196, 217,229,233,285 - Borgolte Michael: Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit. Vorträge und Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984, Seite 29,44,46,58,71,107,111-113,115,118,132,154,191,199, 201,246,250,253, 257- Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977, Seite 466,473,478 - Deutsche Geschichte Band 1 Von den Anfängen bis zur Ausbildung des Feudalismus Mitte des 11. Jahrhunderts. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1982, Seite 283,286,289-294,301,302,304,321,337 - Die Salier und das Reich, hg. Stefan Weinfurter, Jan Thorbecke Verlag 1991, Band I Seite 140/Band II Seite 43-46,55,187, 333/Band III Seite 258 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 14,20,61 - Eickhoff Ekkehard: Theophanu und der König. Otto III. und seine Welt. Klett-Cotta Stuttgart 1996, Seite 181,262,511 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 13,14,56-57 - Epperlein Siegfried: Karl der Große. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1974, Seite 12,14,33,46,51,65,67,123,137,144 - Erkens Franz-Reiner: Konrad II. Herrschaft und Reich des ersten Salierkaisers. 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Phaidon Verlag Kettwig 1992 Buch VI Kapitel 53 - Rappmann Roland/Zettler Alfons: Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 12,56,162, 452 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 11,67,71,74-112,121,131,164,326,337, 342,364,369,372,379,387 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 40,43, 49-73,75,81,85,91,97,103,106,113,118,121,139,173,227 - Schmid, Karl: Gebetsgedenken und adliges Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1983, Seite 35,269,274,628 - Schneider Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter. Anton Hiersemann Stuttgart 1972, Seite 182,185-191, 203,224,229,231,259 - Schneidmüller Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 47,69 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 13,16-20,22,25,27,31,33,37,95 - Schulze: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales Kaisertum. Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 74,118, 197,201,207 - Schwennicke Detlev: Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann GmbH Frankfurt am Main 1998 Tafel 3 - Thiele, Andreas: Erzählende genealogische Stammtafeln zur europäischen Geschichte Band I, Teilband 1, R. G. Fischer Verlag Frankfurt/Main 1993 Tafel 5 - Werner Matthias: Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1982, Seite 14-328 - Wies Ernst W.: Karl der Große. Kaiser und Heiliger. Bechtle Verlag Esslingen 1986, Seite 9,17,21,33-37,41,43,46-50,52,64,69,74,78,84,89,91,95,131,137-140,143, 146,176,183,189,193,198,202,238,268 -

    Pippin der Kleine,
    miniature, Imperial Chronicle (Anonymi chronica imperatorum), Corpus Christi College MS 373, fol. 14 References: Binski P., Panayotova S.: The Cambridge Illuminations, No. 107

    PippinImperialChronicleCorpusChristiCollegeMS373Fol14



    Neue Deutsche Biographie - Pippin d. Jüngere

    fränkischer König (seit 751), * 714/15, † 24.9.768 Paris, ⚰ Saint-Denis.

    P. war der zweite Sohn Karl Martells und wurde geboren, als der Vater gerade daran ging, den Kampf um das Erbe Pippins d. M. zu führen. Bezeugt sind seine Taufe durch den hl. Willibrord und eine zeitweilige Erziehung im Kloster Saint-Denis, doch ist im übrigen kaum etwas über ihn wie auch den älteren Bruder Karlmann zu Lebzeiten des Vaters bekannt. Unklar in ihrer Bedeutung ist die Nachricht, →Karl Martell habe P. 737 nach Italien entsandt, wo ihn der Langobardenkönig Liutprand an Sohnes statt annahm. Jedenfalls hinterließ Karl zwei verschiedene Erbfolgeregelungen: Während er zunächst (vielleicht schon 737) das Reich und das Hausmeieramt, das er zuletzt ohne König versehen hatte, allein unter Karlmann (Austrasien, Alemannien, Thüringen) und P. (Neustrien, Burgund, Provence) aufgeteilt hatte, berücksichtigte er auf deren Kosten kurz vor seinem Ende auch Grifo, den um 726 geborenen Sohn seiner zweiten Frau, der Agilolfingerin Swanahild, mit einem ansehnlichen Erbteil in der Mitte des Reiches.

    Dies führte nach Karls Tod zu einem kurzen, aber heftigen Machtkampf, in dem die älteren Brüder die Stiefmutter und den Stiefbruder bezwangen. Grifo wurde noch 741 bei Laon umzingelt und schließlich auf dem Chèvremont bei Lüttich gefangengesetzt, seine Mutter verschwand im Kloster Chelles bei Paris. Damit hatten sich Karlmann und P. die Herrschaft als Hausmeier über die zentrale Francia gesichert und begannen sogleich, sich gegen widerstrebende Kräfte an der Peripherie zu wenden. 742 unternahmen sie einen gemeinsamen Feldzug gegen Aquitanien, der zur Einnahme von Bourges führte, und stießen in Alemannien bis zur Donau vor. Außerdem vereinbarten sie in Vieux-Poitiers eine vom väterlichen Willen abweichende Reichsteilung, die Karlmann eine eher nördl., P. eine südl. Zone zugestand, und setzten Anfang 743 noch einmal einen merowing. König namens Childebert III. ein, der ihre Position gegenüber Rivalen legitimieren sollte. So gerüstet nahmen sie den Kampf mit ihrem Schwager Odilo von Bayern auf, der sich am Lech geschlagen geben und der karoling. Oberhoheit beugen mußte. Während Karlmann 743 und nochmals 744 bis ins östl. Sachsen hinein Schrecken verbreitete, setzte sich P. wohl 744 mit Theudebald, dem Bruder des letzten Alemannen-Hzg. Landfrid, auseinander. Das Jahr 745 sah dann beide Brüder wieder zusammen beim Heereszug gegen Hunoald von Aquitanien, der zuvor einen Einfall in Neustrien gewagt hatte und nun zur Kapitulation genötigt wurde. Man ließ ihn seine Tage im Kloster beschließen, gestattete aber seinem Sohn Waifar die Nachfolge im aquitan. Dukat. Den Abschluß dieser neuen Welle der Zentralisierung des Frankenreiches bildete das Einschreiten Karlmanns in Alemannien, der dort 746 eine letzte Empörung niederschlug und das Herzogtum endgültig beseitigte.

    Gleichzeitig leiteten beide Brüder eine neue Ära der fränk. Kirchenpolitik ein, die über die bisherige Begünstigung von Klostergründungen und rechtsrhein. Mission hinaus auf eine organisatorische Festigung und umfassende Erneuerung nach kanonischen, zumal von den Angelsachsen (Bonifatius) vermittelten Maßstäben abzielte. Karlmann ging damit in seinem Teilreich voran, doch ist spätestens 744 (Synode v. Soissons) eine Förderung dieser Tendenzen auch durch P. erkennbar, wobei die geforderte Rückgabe entfremdeten Kirchenguts den heikelsten Punkt darstellte. 745 trafen beide Hausmeier bei einer gesamtfränk. Synode (an unbek. Ort) mit Bonifatius zusammen. Seither wuchsen jedoch die Widerstände mit der Folge, daß in P.s Teilreich die beschlossene Einführung der Metropolitanverfassung nicht durchzusetzen war. Es bleibt indes ungewiß, inwieweit Enttäuschung über diese Entwicklung den Entschluß des Hausmeiers Karlmann befördert hat, im Herbst 747 der Welt zu entsagen und sich in Italien dem klösterlichen Leben zu widmen.

    Als damit alleiniges Familienoberhaupt war P. nicht gesonnen, die Macht abermals zu teilen, schob Karlmanns Sohn Drogo beiseite (zumal er seit 2.4.748 in Karl d. Gr. einen eigenen Stammhalter hatte) und focht einen neuen Kampf mit Grifo aus, der nach Karlmanns Abdankung zu den Sachsen entkommen war und 748 nach Hzg. Odilos Tod sein Heil in Bayern suchte. P. bezwang ihn 749 durch einen Vorstoß bis zum Inn, gewährte ihm eine Abfindung mit 12 Grafschaften um Le Mans, doch blieb der Stiefbruder unzufrieden und fand schließlich 753 beim Versuch, nach Italien durchzubrechen, den Tod. Erst der Rücktritt Karlmanns und die Überwindung Grifos setzten P. in die Lage, ein eigenes Königtum an Stelle der machtlos gewordenen Merowinger ins Auge zu fassen. Dabei die Autorität des Papsttums einzuschalten, mag ihm der Fortgang der Kirchenreform nahegelegt haben, die er seit 748 zunehmend durch unmittelbare Einholung von Rechtsauskünften in Rom betrieben hatte. Sein besonderes Vertrauen in geistlichen Dingen genossen der vornehme Franke Chrodegang, seit 742 Bf. von Metz, und Fulrad, seit 750 Abt von Saint-Denis. So sandte er im Frühjahr 750 Bf. Burchard von Würzburg, einen Angelsachsen, zusammen mit Fulrad zu Papst Zacharias, den Reichsannalen zufolge mit der Frage „nach den Königen im Frankenreich, die damals keine königliche Gewalt hatten, ob das gut sei oder nicht“. Sie erhielten, vermutlich sogar schriftlich, den Bescheid, „daß es besser sei, der hieße König, welcher die Macht habe, als der, welcher ohne königliche Macht sei“. Das berühmte Responsum des Zacharias bot die erwünschte Grundlage, um die Diskrepanz zwischen Titel und Inhalt der kgl. Würde zu überwinden. Rechtsverbindlich wurde der Dynastiewechsel erst dadurch, daß P. wohl im Nov. 751 in Soissons nach akklamatorischer Huldigung der Großen und förmlicher Thronsetzung das Königtum annahm, während Childerich III. ins Kloster Saint-Bertin verwiesen wurde. Zum traditionellen Ritual trat als neuartiges Element die geistliche Salbung durch die Bischöfe (an Weihnachten 751 ?), die, vielleicht durch irische Anregung, auf Vorbilder im Alten Testament zurückging.

    Nicht nur für diese sakrale Fundierung der Monarchie, sondern auch für die Einbeziehung Italiens in das abendländ. Mittelalter ist P.s Herrschaft wegweisend geworden. Als nämlich Papst Stephan II. 753 seine Hilfe gegen den wachsenden Druck der Langobarden erbat, lud er ihn ins Frankenreich ein und schloß mit ihm 754 in Quierzy und Saint-Denis ein Bündnis, das seine Bestellung zum Schutzherrn Roms (patricius Romanorum) und zugleich die Sicherung des dynastischen Vorrangs seiner Familie durch päpstl. Salbung (auch der Söhne Karl und Karlmann) zum Inhalt hatte. Unbeirrt von den Warnungen des aus dem Kloster Montecassino zurückgekehrten Bruders Karlmann, brach P. zu seinem ersten Italienfeldzug auf, der zu einem raschen Sieg über den langobard. Kg. Aistulf führte. Da dieser jedoch entgegen den Vereinbarungen erneut vor Rom rückte, griff P. 756 wiederum ein und erzwang in einem verschärften Friedensvertrag die Übergabe umfangreicher langobard. Eroberungen in Mittelitalien an den Papst (Pippinische Schenkung), womit die Geschichte des Kirchenstaates begann. Die Einzelheiten der Grenzziehung blieben noch lange strittig, konnten aber P. trotz mehrfacher Mahnung Papst Pauls I. (757–67) nicht mehr auf den Plan rufen.

    Vielmehr konzentrierte sich P. seit den späten 750er Jahren wieder ganz auf den Herrschaftsaufbau nördl. der Alpen. Er beförderte die weiträumige Verflechtung loyaler Adelsfamilien, ließ seinen Neffen, Hzg. Tassilo III. von Bayern, seit 757 mündig, mit Vorbehalten gewähren und beschränkte sich gegenüber Sachsen auf gelegentliche Strafexpeditionen, um alle Kraft auf den Südwesten Galliens zu richten. 759 nahm er die Küstenlandschaft Septimanien mit dem Zentrum Narbonne, den letzten maur. Vorposten nördl. der Pyrenäen, ein, und seit 760 führte er nahezu jährliche zermürbende Feldzüge gegen Aquitanien unter dem dux Waifar, woran er bald auch seine Söhne Karl und Karlmann beteiligte. 762 fiel Bourges, 766 war die Garonne erreicht, und 768 nahm das Ringen ein wenig rühmliches Ende, als der letzte aquitan. Herzog einem Mordanschlag aus der eigenen Umgebung anheim fiel, an dem schon Zeitgenossen P. die Schuld gaben.

    P., der den Aufstieg seines Geschlechts zum Königtum vollendete, stützte sein Regiment auf die neu geschaffene Hofkapelle, einen Verband ergebener Kleriker, die für den herrscherlichen Gottesdienst ebenso wie – anstelle der laikalen referendarii der Merowinger – für den gesamten Schriftverkehr des Hofes zuständig wurden. Dauerhafte geistliche Mitwirkung an Beratung, Formulierung und Vollzug der Politik tritt auch im Fortgang der fränk. Kirchenreform zutage, die unter P. zur Verallgemeinerung des Zehntgebots und zu einer beginnenden Vereinheitlichung der liturgischen Bücher nach röm. Mustern gelangte. Für ein zunehmendes intellektuelles Selbstbewußtsein spricht, daß P. 767 auf der Synode von Gentilly röm. und griech. Theologen vor seinen Bischöfen ein Streitgespräch über Probleme des Bilderkults führen ließ, ein Vorgang, der bereits deutlich auf die nachfolgende Ära Karls d. Gr. vorausweist.

    Auf dem Rückweg vom letzten aquitan. Feldzug erkrankte P. im Juni 768 schwer. Er verfügte eine Reichsteilung, die in Anlehnung an diejenige von 742 dem Sohn Karl ein nördl., Karlmann ein südl. Teilreich und beiden je zur Hälfte das eben erst unterworfene Aquitanien zusprach. Tatsächlich wurde schon nach drei Jahren sein alleiniger Erbe Karl d. Gr., dessen historische Leistung ohne die inneren und äußeren Erfolge P.s nicht möglich geworden wäre.

    Quellen
    Qu Sieben echte Urkk., eine gefälschte sowie drei Deperdita P.s als Hausmeier in d. Edition v. I. Heidrich (Univ. Bonn) seit 1998 im Internet; die Königsurkk. in MGH DD Karol. I, 1906.

    Literatur
    ADB 26; W. Affeldt, Unterss. z. Königserhebung P.s, in: Frühma. Stud. 14, 1980, S. 95-187; A. Angenendt, Das geistl. Bündnis d. Päpste mit d. Karolingern (754–796), in: HJb. 100, 1980, S. 1-94; H. J. Schüssler, Die fränk. Reichsteilung v. Vieux-Poitiers (742) u. d. Reform d. Kirche in d. Teilreichen Karlmanns u. P.s, in: Francia 13, 1985, S. 47-112; M. Becher, Neue Überlegungen z. Geb.datum Karls d. Gr., ebd. 19/1, 1992, S. 37-60; R. Schieffer, Die Karolinger, 1992, 21997, S. 50-69; J. Jarnut, Die Adoption P.s durch Kg. Liutprand u. d. Italienpol. Karl Martells, in: J. Jarnut u. a. (Hg.), Karl Martell in seiner Zeit, 1994, S. 217-26; B. Kasten, Königssöhne u. Königsherrschaft, 1997; Lex. MA; TRE; LThK.



    Grabmal Pippins und seiner Ehefrau Bertrada der Jüngeren in der Basilika Saint-Denis

    Tomb of Pippin the Short and Bertrada at St. Denis by Paris

    Pippin heiratete von Laon, Bertrada in 744. Bertrada (Tochter von von Laon, Heribert) wurde geboren um 725; gestorben am 4 Jul 783 in Choisy-au-Bac [60750],Oise,Picardie,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich. [Familienblatt] [Familientafel]


  2. 5.  von Laon, Bertradavon Laon, Bertrada wurde geboren um 725 (Tochter von von Laon, Heribert); gestorben am 4 Jul 783 in Choisy-au-Bac [60750],Oise,Picardie,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Fränkisches Reich; Königin der Franken

    Notizen:

    Bertrada die Jüngere (Berta) Königin der Franken
    um 725 † 4.7.783
    (um 725 † 12./13.7.783 Lexikon des Mittelalters) Choisy Begraben: St-Denis

    Tochter des Grafen Heribert von Laon und Enkelin Bertradas der Älteren, der Stifterin (721) des Klosters Prüm

    Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 2038

    Bertrada die Jüngere (Berta), Königin
    * um 725,† 12./13.7.783 Choisy Begraben: St-Denis (neben Pippin auf Geheiß KARLS DES GROSSEN)

    Sie war seit 744 (nicht erst seit 749) mit dem Hausmeier und späteren König Pippin verheiratet. Bertrada scheint eine tatkräftige Persönlichkeit gewesen zu sein und stärkeren Einfluß auf die Entschlüsse ihres Gemahls genommen zu haben, mit dem zusammen sie bei dessen Königserhebung (November 751) zur regina erhöht und auch am 28. Juli 754 von Papst Stephan II. nochmals zur Königin gesalbt wurde; sie wird auch mehrmals neben Pippin in Schenkungsurkunden für das 752 gemeinsam erneuerte Hauskloster Prüm genannt. Ihren Gatten begleitete sie öfters bei kriegerischen Unternehmungen (754 beim Italienzug bis Vienne; 767,768 bei Aquitanien-Feldzügen). Sie war auch bei der Reichsteilung (kurz vor Pippins Tod) unter ihre und Pippins Söhne, KARL DEN GROSSEN und Karlmann, und beim Ableben Pippins (24. September 768) in St-Denis zugegen. In den folgenden drei Jahren sieht man sie besonders stark in der Politik hervortreten, wobei sie das Ziel verfolgte, die entspannten Beziehungen zwischen dem Langobarden- und dem Franken-Reich fortzuführen und die alsbald zwischen ihren Söhnen aufbrechenden Gegensätze auszugleichen. 770 vermittelte sie offenbar bei Karlmann in Selz (Elsaß), reiste darauf nach Bayern und Italien und brachte nach Verhandlungen mit König Desiderius und nach einem Besuch in Rom eine langobardische Königstochter zur Verehelichung mit KARL DEM GROSSEN ins Franken-Reich. Dass sie damals großen Einfluß hatte, zeigen die von Rom aus auch an sie gerichteten Schreiben. Durch den plötzlichen Tod Karlmanns (4. Dezember 771) konnte sich KARL DER GROSSE von der Unterstützung Bertradas lösen, seine langobardische Gemahlin verstoßen - wogegen sich Bertrada vehement wandte - und die künftige Politik selbständig gestalten. Sie stand aber bis zu ihrem Tode in hohem Ansehen. - Bertrada lebte fort im karolingischen Sagenkreis als "Bertha mit dem großen Fuß".

    Literatur:
    M. Lintzel, Karl d. Gr. und Karlmann, HZ 140, 1929, 1-22 - P. Classen. Karl d. Gr., das Papsttum und Byzanz (Braunfels, KdG I), 546f - K. F. Werner, Das Geburtsdatum Karls d. Gr., Francia I, 1972, 115-157 - S. Konecny, Die Frauen des karol. Königshauses (Diss. der Univ. Wien 132), 1976,61ff. - E. Hlawitschka, Stud. zur Genealogie und Gesch. der Merowinger und der frühen Karolinger, RhVjbll 43, 1979, 32-55. -

    Hlawitschka Eduard: Seite 81, "Die Vorfahren Karls des Großen"

    49 Bertrada die Jüngere

    Ego (= Pippinus rex) et coniux mea Bertrada ...donamus ... tam illa portione, quem de genitore meo Karolo mihi advenit, quam et illa portione ipsius Bertradane, quam genitor suus Heribertus ei in alode dereliquit; MG. DKar. 3, Seite 5. Pippinus coniugem duxit Bertradam cognomine Bertram, Cariberti Laudunensis comitis filiam; Ann. regni Franc. ad 748, hrsg. von F. Kurze, SS. rer. Germ., 1895, Seite 8. Ebenso Ann. Bertin. ad 749, hrsg. von G. Waitz, SS. rer. Germ., 1863; Seite 1.
    Zu Pippins Ehe vgl. besonders H. Hahn, Jahrbücher (wie in Nr. 32), Seite 5f., und L. Oelsner, Jahrbücher (wie in Nr. 42), Seite 495f. - Zu den mißglückten Versuchen, die Mutter und Namen von Geschwistern Bertradas der Jüngeren zu bestimmen, vgl. die Hinweise bei Nr. 34 und 42.

    GROSSE FRAUEN DER WELTGESCHICHTE. Tausend Biographien in Wort und Bild.: Seite 64

    BERTA VON FRANKEN
    † 13.VII.783
    Sage, Märchen und Geschichte sind im überlieferten Lebensbild der Mutter KARLS DES GROSSEN untrennbar. Einhard, der langjährige Sekretär und Biograph des großen KARL, hat Herkunft und Geburt seines Helden mit taktvollen Worten umgangen: "Von seiner Geburt und Kindheit ist nichts bekannt. So habe ich mich entschlossen, diese Zeit zu übergehen..." So ganz unbekannt sind uns diese Dinge heute nicht mehr; wir wissen, dass Berta und ihr königlicher Gemahl, Pippin der Kurze, einander so nahe verwandt waren, dass das geltende Recht eine Eheschließung ausschloß - die Verbindung wurde erst sechs Jahre nach KARLS Geburt legalisiert; er war nach modernen Begriffen ein "außereheliches Kind" - was ihn nicht hinderte, zur größten Herrschergestalt des Mittelalters emporzusteigen. Seine Mutter Berta, die eine außergewöhnliche Persönlichkeit gewesen sein muß, spielte nicht nur beim Erbstreit zwischen ihren Söhnen KARL und Karlmann eine bedeutende Rolle, sie übernahm auch nach dem Tode ihres Gatten in großer Autorität die Führung, in der festen Absicht, als rechtmäßig gesalbte Königin eine alles vereinende Staatsidee wieder zur Geltung zu bringen. Der in Italien aufflackernden langobardischen Bewegung setzte sie im Bündnis mit Tassilo von Bayern einen gleichwertigen bayerisch-fränkischen Block entgegen, der auch den Heiligen Stuhl in Rom beeindruckte. Jahrzehnte später, als KARL schon längst gekrönt war, bezahlte Tassilo das Bündnis mit dem Untergang seines Geschlechtes. Nach dem Tod seines Bruders Karlmann brach KARL mit den vorsichtig abwägenden politischen Methoden seiner Mutter; er setzte sein Vertrauen allein in die Macht des Schwertes, und der Erfolg gab ihm recht...




    744 oo Pippin III. der Kleine Franken-König 714 † 24.9.768


    Kinder:

    - KARL I. DER GROSSE 2.4.742/47 † 28.1.814
    - Karlmann 751 † 4.12.771
    - Bertha
    oo Milon von Anglaut
    - Gisela 757 † 810


    Literatur:
    Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 40 - Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977, Seite 485,494,497 - Die Salier und das Reich, hg. Stefan Weinfurter, Jan Thorbecke Verlag 1991, Band III Seite 258 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 57 - Epperlein Siegfried: Karl der Große. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1974, Seite 17,137 - Fleckenstein. Josef: Karl der Große. Muster-Schmidt Verlag Göttingen 1990 - Glocker Winfrid: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Böhlau Verlag Köln Wien 1989, Seite 90 - GROSSE FRAUEN DER WELTGESCHICHTE. Tausend Biographien in Wort und Bild. Neuer Kaiser Verlag 1987 Seite 64 - Herm, Gerhard: Karl der Große. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf, Wien, New York 1987, Seite 17, 59,62,64,70-84,97,102,194,221 - Hlawitschka Eduard: Die Vorfahren Karls des Großen. In: Braunfels Wolfgang: Karl der Große Lebenswerk und Nachleben. Verlag L. Schwann Düsseldorf Band I Seite 81 - Illig Heribert: Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1996, Seite 38 - Jahrbücher von St. Bertin. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band VII Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1972 ad a. 749 - Kalckhoff Andreas: Karl der Große. Profile eines Herrschers. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987, Seite 36,38 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien 1976, Seite 61-64 - Lebe Reinhard: Ein Königreich als Mitgift. Heiratspolitik in der Geschichte. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1998, Seite 31 - Mühlbacher Engelbert: Deutsche Geschichte unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion - Nack Emil: Germanien. Ländern und Völker der Germanen. Gondrom Verlag GmbH & Co. KG, Bindlach 1977, Seite 215,276,280,287 - Reichsannalen - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 87,96,112,125,161,170 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 56,62,69,72,74,89 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 18, 22,97 - Schwennicke Detlev: Europäische Stammtafeln Neue Folge Band I. 1, Vittorio Klostermann GmbH Frankfurt am Main 1998 Tafel 3 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert). Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996 Seite 23-29 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995, Seite 387,392,403,455 - Werner Matthias: Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1982, Seite 28,31,127,210, 268-275,280,293 - Wies Ernst W.: Karl der Große. Kaiser und Heiliger. Bechtle Verlag Esslingen 1986, Seite 55,60,82,142,194,261 -

    Bertrada von Laon


    Detail of effigy of Queen Bertrada de Laon in the Basilica of Saint-Denis, Paris, France



    Name:
    (Berta)

    Gestorben:
    (12./13.7.783 Lexikon des Mittelalters)

    Kinder:
    1. von Franken, Bertha
    2. 2. von Franken, Karl der Große I. wurde geboren am 2 Apr 747; gestorben am 28 Jan 814 in Aachen [52056],Nordrhein-Westfalen,Deutschland; wurde beigesetzt in Aachen [52056],Nordrhein-Westfalen,Deutschland.
    3. von Franken, Karlmann wurde geboren in 751; gestorben am 4 Dez 771 in Samoussy [02840],Aisne,Picardie,Frankreich; wurde beigesetzt in Reims [51100],Marne,Champagne-Ardenne,Frankreich.
    4. von Franken, Gisela wurde geboren in 757; gestorben in 810 in Chelles [77500],Seine-et-Marne,Île-de-France,Frankreich; wurde beigesetzt in Chelles [77500],Seine-et-Marne,Île-de-France,Frankreich.

  3. 6.  Gerold wurde geboren um 730; gestorben in 784/786.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Genannt: Lorsch Kloster [64653],Bergstraße,Hessen,Deutschland; Wohltäter des Klosters Lorsch
    • Titel/Amt/Status: Anglachgau,Baden-Württemberg,Deutschland
    • Titel/Amt/Status: Kraichgau,Baden-Württemberg,Deutschland; Graf im Kraich- und Anglachgau

    Notizen:

    Gerold Graf im Kraich- und Anglachgau
    um 730 - 784/86 (795 Isenburg)

    Gerold war ein Mitglied der fränkischen Reichsaristokratie. Er wird erst seit 777 faßbar.

    Mitterauer Michael: Seite 9-25, "Karolingische Markgrafen im Südosten"

    Graf Gerold verband sich durch geschickte Heiratspolitik mit einer Familie, die in der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts in Alemannien über eine besondere Machtstellung verfügte. Er war fränkischer Abkunft. Zusammen mit seiner Gattin Imma schenkte er 784 reiche Besitzungen im Worms-, Lobden-, Anglach-, Uff- und Krainachgau an das Kloster Lorsch. Die Güter lagen hauptsächlich zwischen Worms und Oppenheim sowie zwischen Heidelberg und Bruchsal. Der Amtsbezirk Gerolds umfaßte den Kraich- und Anglachgau. Schon er drang nach Alemannien vor. 779 bis 783 übte er gräfliche Funktionen im nördlichen Teil der Westbaar aus. Vielleicht erwarb er auch Besitz im Elsaß. Seine Rechte in Alemannien sind jedoch sicher nicht ausschließlich auf seine Heirat mit Imma zurückzuführen. Gewiß erleichterte auch ihm, wie vielen anderen fränkischen Großen, die Reichsgewalt das Vordringen in den alemannischen Raum. Graf Gerold dürfte kurz nach 784 gestorben sein.

    Borgolte Michael: Seite 119-121, "Die Grafen Alemanniens"

    GEROLD (I)
    belegt als Lebender 777 V 27, 784 VII 1
    belegt als Graf 779 VI 30 - 779/83 VIII 22
    Bereich der Bertoldsbaar 779/83 IV 18

    Belege mit comes-Titel:
    CL III Nr. 3617, ? CL III Nr. 3637

    Belege ohne comes-Titel:
    CL III Nr. 3289, ? Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau 115B5

    Literatur:
    Leichtlen, Zähringer 42 - Stälin, Geschichte I 246 A. 3 - Knapp, Die Ulriche 18,30 - Ders., Buchhorner Urkunde 215 - Glöckner, Lorsch und Lothringen 318 - Dietrich, Konradiner 302 - Mayer, Die Anfänge der Reichenau 328 - Dienemann-Dietrich, Der fränkische Adel 182-184 - Tellenbach, Der großfränkische Adel 50, 60 - Schmid, Familie, Sippe und Geschlecht 10f. - Mitterauer, Markgrafen 9f.,16,20 - Werner, Adelsfamilien 111f. - Gockel, Königshöfe 183,244f.,275f.,278, 283f.,286, 288 mit A. 687 - Schulze, Grafschaftsverfassung 120f.,204 A. 194 - Berges, "Gründung der Hildesheimer Kirche" 88 - Bilgeri, Geschichte Vorarlbergs 170 - Wenskus, Sächsischer Stammesadel 425-427 -

    Borgolte, Geschichte der Grafschaften Alemanniens, Kap. V.3, Zusammenfassung

    Graf Gerold wird durch die urkundliche Überlieferung des Klosters Lorsch als bedeutender Grundherr vor allem im Mittelrheingebiet faßbar. Am 1. Juli 784 schenkten Geroldus et coniux mea Imma der Reichsabtei umfangreiche Güter im Wormsgau, Lobdengau, Anglachgau, Kraichgau und Uffgau (CL II Nr. 1 880; vgl. Gensicke, Worms-, Speyer- und Nabegau 474f.; Schaab, Lobdengau 565,567; Dens., Kraichgau 597; Dens., Rheinebene 586).
    Kraichgauer Besitz hatten Geroldus comes und seine Gemahlin Imma bereits früher, am 30. Juni 779, an das Nazariuskloster gelangen lassen (CL III Nr. 2310, vgl. Schaag, Kraichgau 594); vom folgenden Tag, dem 1. Juli 779, datiert eine Urkunde, die Graf Gerold allein als Schenker im Anglachgau nennt (CL III Nr. 2503). In das Blickfeld dieser Arbeit führen die Lorscher Traditionsnotizen Nrn. 3617 und 3289. Die erstgenannte von ihnen, die an einem 22.8. der Jahre 779 bis 783 ausgestellt wurde, besagt, dass Isenhart in ducatu Alemannorum in uilla Giselstedem schenkte, quidquid Geroldus comes ibidem habere uisus est. Es handelt sich teilweise wohl um den Vollzug der in der anderen Urkunde niedergelegten Schenkung durch Geroldus (...) in pago Alemannorum in Reistodinger marca et in Giselsteder marca (vgl. Seiler, Nördliches Württemberg 628,633 A. 25). Die carta Gerolds trägt das Datum vom 27. Mai 777 und darf deshalb sicher auf den auch 779 belegten Grafen Gerold bezogen werden.
    Durch die Lorscher Urkunden 3617 und 3289 ist Gerold keineswegs als gräflicher Amtswalter in Alemannien ausgewiesen; immerhin darf man aber auch Grafenrechte im Bereich von Gültstein (Karte bei Borgolte, Kommentar: M 5) und in der Mark von Reistingen bei Herrenberg (dieses M 5, vgl. Gockel 289) nicht ausschließen.
    Eine weitere Lorscher Urkunde scheint Gerold, den gräflichen Grundherrn in Alemannien, dagegen sicher als Verwalter eines Comitats zu belegen. Nach CL III Nr. 3637 schenkte nämlich Wanfrit Güter in Glatten (Karte bei Borgolte, Kommentar: 17) und Dornstetten (16), die ausdrücklich in Waltgouue in comitatu Geroldi lokalisiert werden (zur Formel: Dietrich, Traditionsnotiz, bes. 289f.). Die Urkunde wurde in den Jahren 779-83 (18. April) ausgestellt und bezieht sich auf Liegenschaften südöstlich von Gültstein. Mit dem Grafen im Waldgau könnte also Gerold gemeint sein. Freilich amtierte in derselben Gegend seit mindestens 786 ein anderer Gerold (II), der für die Identifizierung durchaus ebenfalls in Frage kommt (Vgl. Jänichen, Baar und Huntari 97, danach Schulze 204 A. 194; zu dem Gerold-Beleg in W I Nr. 107 s. Art. Gerold II).
    Das neben Glatten als Waldgauort genannte Dornstetten wurde in anderen Urkunden aus derselben Zeit auch im Dorn-, Nagold- und Westergau sowie in der Bertoldsbaar lokalisiert (Borgolte, Geschichte der Grafschaften Alemanniens 129). Eine eigene (Gau-) Grafschaft läßt sich - entgegen der Annahme der älteren Forschung (Baumann, Gaugrafschaften 136ff., vgl. Jänichen, Baar und Huntari 97, Schulze 106,116f.,204 A. 194) - nicht erschließen; der Comitat Gerolds, in dem Glatten und Dornstetten ebenso wie im Waldgau gelegen haben, kann nicht genau beschrieben werden, da in den Quellen für den Norden der Bertoldsbaar nur sehr wenige Grafen überliefert sind (Borgolte, Geschichte der Grafschaften Alemanniens, Kap. V. 3).
    Der jüngere Gerold (II) tradierte noch vor Ende des 8. Jahrhunderts an die Bodenseeabteien Reichenau und St. Gallen Besitz, der zum Teil am Neckarbogen bei Horb, also in der Nähe von Glatten und Dornstetten, lag. Eine von Gerold (II) ausgestellte Urkunde unterzeichnete Imma genetrix. Die Forschung betrachtet deshalb zurecht Gerold als Vater des Reichenauer und St. Galler Wohltäters (zuerst Leichtlen, vgl. Stälin; dann Knapp und - für die neuere Forschung grundlegend - Glöckner). Mit Imma wird die bei Thegan (Vita Hludowici 590 f. cap. 2) genannte Mutter der Königin Hildegart, die Tochter Nebis, gleichgesetzt; da Hildegart wohl 757 geboren wurde (Abel-Simson, Jbb. Karl der Große I 449 mit A. 3), muß der Eheschluß Immas mit dem mittelrheinischen Magnaten in die 50-er Jahre fallen. Als weitere Kinder der Imma sind Graf Udalrich (I) und Voto gesichert. Ein Bruder Immas war Graf Ruadbert (I).
    Außer Hildegart, Gerold (II), Udalrich (I) und Voto hat man wiederholt noch weitere Kinder Gerolds und Immas zu erschließen versucht. Zwischen 784 und 795, vielleicht am 25.10.790 (so Gockel 243 mit A. 183), schenkte Megingoz in Malsch bei Wiesloch und in Rohrbach bei Heidelberg dem Nazariuskloster Giiter, die genitor meus Geroldus morgens dereliquit (CL II Nr. 791); Megingoz könnte mit Meingoz identisch gewesen sein, der 801 seinen von seinem Bruder Gerholt ererbten Anteil an der Lambert-Basilika in Mainz an Lorsch übertragen hat (CL II Nr. 1974). Als Grundbesitzer im Rhein-Main-Gebiet und als Sohn eines älteren und Bruder eines jüngeren Gerold würde Megingoz in die Generation Gerolds (II) passen (vgl. Gockel 243f.; Mitterauer 16; Schmid 10). Wenn die Zuordnung des Megingoz stimmt, gewinnt man für den Tod Gerolds einen Terminus ante quem. Bereits im Juli 793 stellte Adrianus filius Geroldi (...) pro anima Erbionis germani mei für Lorsch eine Schenkungsurkunde über Liegenschaften in Flonheim bei Alzcy aus, die er als Traditum Erbios erhalten hatte (CL II Nr. 936). Adrian und sein Bruder werden aufgrund dieser Urkunde als weitere Söhne (vermutungsweise Dietrich, Konradiner 302f., Schmid 1O) oder als Enkel Gerolds (Mitterauer 11,13) angesehen. Für die erste Lösung könnte sprechen, dass Gerold (II) nach Walahfrid Strabo, der sich dabei wohl auf den Zeitpunkt des Todes bezieht (799), weder Kinder noch Erben hatte, die Forschung aber mindestens von Erbio glaubt, er habe noch im 9. Jahrhundert gelebt (Gockel 245f., Miterauer 13 f.).
    Zu den nicht sicheren Zeugnissen für Gerold gehört neben den beiden Lorscher Urkunden des Megingoz und des Adrian der Einzeleintrag eines Kerolt im Reichenauer Verbrüderungsbuch (115B5). Kerolt wurde auf der zweiten Seite der NOMINA DEFUNCTORUM QUI PRESENS COENOBIUM SUA LARGITATE FUNDAUERUNT von einer nach der Anlage tätigen Hand im Anschluß an Nebi comis, Ruadb(er)t comis vermerkt. Da Nebi mit dem Schwiegervater, Ruadbert (I) mit dem Schwager Gerolds identisch gewesen sein dürften, könnte sich der fragliche Eintrag auf Immas Gemahl beziehen (so auch Mayr; zu dem Gerold-Beleg im Reichenauer Verbrüderungsbuch 114D1 s. Art. Gerold II).
    Gerold hatte sich - folgt man dem Zeugnis Thegans über Imma - mit einer Nachfahrin Herzog Gottfrieds verbunden (s. Art. Nebi). Er selbst wird aufgrund seines Besitzschwerpunkts am Mittelthein als Franke betrachtet (Glöckner, danach Dienemann-Dietrich und die weitere Forschung). Gerold dürfte demnach neben Chancor, Warin und Ruthard zu jenen "Reichsaristokraten" gehört haben, die im Auftrag der KAROLINGER die Integration Alemanniens ins Frankenreich vorantrieben. Durch die Einheirat in eine herausragende alemannische Familie, die ihm vielleicht auch beträchtliche Güter im Norden der Bertoldsbaar eingebracht hat, trug er zweifellos dazu bei, das unterworfene Volk bald nach dem Gericht von Cannstatt mit der fränkischen Herrschaft auszusöhnen. Diese gemäßigte Politik unterschied sich von der Warins und Ruthards, die durch tiefe Eingriffe in die Verwaltungsstruktur die politische Ordnung Alemanniens von Grund auf zu verändern suchten (Borgolte).
    Im Hinblick auf die Nachkommen Gerolds spricht man heute meistens von den "GEROLDEN" oder "GEROLDINGERN" (Mitterauer, Werner, Gockel, Berges, Wenskus), während früher im Hinblick auf Udalrich (I) die Bezeichnung "ULRICHE" oder "UDALRICHINGER" gebräuchlich war (so noch Bilgeri; zum Problem der Benennung: Schmid). Neuerdings bemüht sich die Forschung, Verbindungen zwischen den GEROLDEN und den AGILOLFINGERN herzustellen (Dienemann-Dietrich 188f.; Werner; Wenskus; s. a. Artt. Gerold II, Nebi). Dass Gerold der Sohn eines Agilolf war, wie Wenskus (426) erwogen hat, ist unbeweisbar (Gockel 275f.).

    Borgolte Michael: Seite 154, "Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit"

    Die Entfaltung Pirihtilos in der Bertholdsbaar wurde im nördlichen Teil der Landschaft durch zwei Grafen gehemmt, die ihre Stellung auf andere Weise als er selbst erlangt haben dürften: Gerold I. und dessen Sohn Gerold II. Der ältere Gerold war wohl als vermögender Grundherr aus dem Mittelrheingebiet nach Alemannien gekommen und hatte sich hier schon in den 50-er Jahren mit Imma vernmählt, der mutmaßlichen Tochter Nebis und Urenkelin Herzog Gottfrids. Anscheinend durch die Heirat oder durch Konfiskationen im Dienste der fränkischen Herrschaft hatte er umfangreiche Güter in der gesamten Bertoldsbaar, besonders aber am Neckarbogen um Sulz und Horb erworben. Zu den Kindern Gerolds I. und Immas zählten neben Gerold II., dem nach dem Tassilos Sturz die Statthalterschaft in Bayern anvertraut wurde, der Graf Udalrich I. und vor allem Hildegart, die KARL DER GROSSE 771 zu seiner Frau nahm. Um 779/83 hat Gerold (I. oder II.) nach einer Lorscher Urkunde die Grafengewalt über Dornstetten und Glatten bei Freudenstadt ausgeübt, und in derselben Zeit beschenkte er das Kloster des hl. Nazarius mit Besitz in Gültstein und in Reistingen bei Herrenberg.

    oo Imma, Tochter des Alemannenherzogs Hnabi (Nebi) um 730- nach 784
    Imma war die Urenkelin des Herzogs Gotfrid (+ um 708).

    Kinder:
    - Gerold um 755/60-1.9.799 (1.11.799 Isenburg)
    - Udalrich Graf in Pannonien - 807 (824 Isenburg)
    - Hildegard 758-30.4.783 (7.4.783 Isenburg)
    oo 3. KARL I. DER GROSSE 2.4.747-28.1.814
    - Roadbert Graf in den Bodenseegrafschaften
    - Uto (Voto) - vor 803; An das Kloster Fulda schenkte 788 Uto reichen Besitz im Elsaß, vor allem in der Gegend von Straßburg.
    - Megingoz - nach 808
    - Adrianus
    - Erbo - 793

    Literatur:
    Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986 Seite 75,93,115,119-121,122-125,129,155,159,196,208,216,219,248,253 - Borgolte Michael: Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit. Vorträge und Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984 Seite 154,162,236,246 - Dienemann-Dietrich Irmgard: Der fränkische Adel in Alemannien im 8. Jahrhundert. in: Grundfragen der Alemannischen Geschichte. Vorträge und Forschungen Band 1 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen Seite 182-188 - Mitterauer Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten. Archiv für österreichische Geschichte Band 123. Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln 1963 Seite 9-25 - Rappmann Roland/Zettler Alfons: Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998 Seite 426 - Schmid Karl: Gebetsgedenken und adliges Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1983, Seite 192 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990 Seite 22,26 -

    Gestorben:
    (795 Isenburg)

    Gerold heiratete Imma. Imma (Tochter von Hnabi und Hereswind) wurde geboren um 730; gestorben nach 784. [Familienblatt] [Familientafel]


  4. 7.  Imma wurde geboren um 730 (Tochter von Hnabi und Hereswind); gestorben nach 784.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Kraichgau,Baden-Württemberg,Deutschland; Gräfin im Kraichgau

    Notizen:

    Imma Gräfin im Kraichgau
    um 730 † nach 784 (798)
    Tochter des Alemannen-Herzogs Hnabi und der Hereswind

    Thegan: Seite 217, "Das Leben Kaiser Ludwigs. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band V."

    2. Als dieser im Jugendalter stand, verlobte er sich mit einer Jungfrau aus edelstem schwäbischen Geschlecht, Namens Hildigard, von der Sippe des Alamannen-Herzogs Gotefrid. Herzog Gotefrid zeugte den Huoching, Huoching zeugte Nebi; Nebi die Imma; Imma aber gebar die selige Königin Hildigard. Nachdem nun der genannte Kaiser sie zur Ehe genommen hatte, zeugte er mit ihr drei Söhne, von denen einer den Namen seines Vaters Karl, der andere Pippin, der König über Italien war, der dritte aber Ludwig hieß, der König über Aquitanien war. Lange lebte ihr Vater mit ihnen glücklich und unterrichtete sie nützlich in den freien Wissenschaften und weltlichen Gesetzen.

    Rappmann Roland/Zettler Alfons: Seite 369,426,481, "Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter."

    IMMA
    Necr. A 8.8. "Imma abbatissa", † vor 856/58

    Eine Identifizierung dieser Äbtissin gelang nicht; vgl. schon Baumann, MGH Necr. 1 Index Seite 742. Jedenfalls ist sie vor der Anlage des älteren Necrologs in den Jahren 856/58 verstorben. Im Reichenauer Verbrüderungsbuch begegnet p. 125D2 eine einzel eingeschriebene "Imma abbatissa", die Piper MGH Libri confrat. Seite 313 Anm. zu Seite 523, 6 für die gleichnamige Äbtissin von Herford von "ca. 955" hält. Dem paläographischen Befund zufolge handelt es sich aber um eine Notiz des 9. Jahrhunderts, so daß diese Vermutung nicht zutreffen kann. Ferner findet sich im Verbrüderungebuch von St. Peter in Salzburg p. 21/Ca unter den verstorbenen Äbtissinnen an fünfter Stelle eine "Imma ab.", deren Eintrag zum Anlageband von 784 gehört. Demnach muß Imma zu diesem Zeitpunkt bereits tot gewesen sein. Karl Schmid hat aufgrund der Beobachtung, "daß die weiblichen Angehörigen königlicher und adliger Familien nicht selten mit der Leitung ihnen nahestehender Frauenklöster betraut worden sind" (Schmid, Probleme der Erschließung Seite 186; vgl. auch Seite 195f. Anm. 118 und Hasdenteufel, Das Salzburger Erentrudis-Kloster Seite 21-26), die Vermutung geäußert, diese Äbtisisn könnte mit der gleichnamigen Mutter des Bayern-Präfekten und alemannischen Grafen GEROLD (II) († 799) identisch sein; zur Verwandtschaft Immas vgl. Borgolte, Grafen Seite 557ff. Doch ist diese Vermutung angesichts der Tatsache, daß die Mutter Gerolds, "Imma genetrix", offenbar noch am 3.3.786 gemeinsam mit ihrem Sohn eine Urkunde unterzeichnete, nicht unproblematisch und bedürfte weiterer Erhärtung: UB St. Gallen 1 Seite 102 Nr. 108, dazu Borgolte, Grafen Seite 559 und Seite 562. Imma starb nach den Annales Alamannici wahrscheinlich erst 798, Seite 172 ad q. 798: "Imma defunctus est"; zur Identifizierung vgl. Pertz, MGH SS 1 Seite 48 Anm. 1; Henking in: Die annalistischen Aufzeichnungen Seite 243 Anm. 115 und Borgolte, Grafen Seite 768. Eine weitere, sonst unbekannte Äbtissin Imma wurde von einer Nachtraghand wohl des 9. Jahrhunderts in das Salzburger Gedenkbuch eingetragen: Das Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salzburg p. 15/Aa. Sicher nicht gemeint sein kann mit der Notiz im älteren Reichenauer Necrolog die Äbtissin Imma von Remiremont († 20.9.818/19; vgl. Hlawitschka, Studien Seite 34f.) und auch nicht die gleichnamige Gemahlin Einhards, des Biographen KARL DES GROSSEN, die am 13.12.836 gestorben ist, vgl. etwa Wellmer, Persönliches Memento Seite 15 mit Anm. 11.

    Erstaunen mag das Fehlen der Gemahlin KARLS DES GROSSEN, Hildegard († 30.4.783), da ihre Verbindung zur Reichenau hinlänglich bekannt ist [94 Hildegard war die Tochter des alemannischen Grafen Gerold und seiner Gemahlin Imma; ihr Bruder, Graf Gerold (II.), muß als einer der größten Wohltäter der Abtei Reichenau angesehen werden.].
    Beide Grafen Ruadbert werden allgemein den UDALRICHINGERN oder GEROLDEN zugerechnet. Der erste soll ein Sohn des alemannischen Herzogs Nebi, des Mitbegrünnders des Klosters Reichenau, und somit auch eine Bruder von Imma, der Mutter der Gemahlin KARLS DES GROSSEN Hildegard (†783) und des Bayern-Präfekten Gerold gewesen sein.

    Mitterauer Michael: Seite 8-10, "Karolingische Markgrafen im Südosten"

    Thegan verfolgte jedoch bloß die Linie ihrer Mutter Imma zurück, die eine Tochter Herzog Hnabis, des Mitbegründers der Reichenau war. Imma schenkte 784 zusammen mit ihrem Gatten Gerold reiche Besitzungen im Worms-, Lobden-, Anglach-, Uff- und Kraichgau an das Kloster Lorsch. Die Güter lagen hauptsächlich zwischen Worms und Oppenheim sowie zwischen Heidelberg und Bruchsal.
    Die geschlossene Eintragung Eugenia Imma im St. Gallener Verbrüderungsbuch legt nahe, dass die Verwandtschaft durch die Mutter Präfekt Gerolds I. vermittelt wurde. Dafür spricht auch ihr noch zu Lebzeiten ihres Gatten nachweisbarer Besitz im Elsaßgau. Sie entstammte also wohl väterlicherseits der schwäbischen und mütterlicherseits der elsässischen Herzogsfamilie. Über Imma scheinen die GEROLDE noch mit den ALAHOLFINGERN verwandt gewesen zu sein, denn ein Graf Berthold war zusammen mit ihrem Vater Hnabi 724 an der Gründung des Klosters Reichenau beteiligt.

    Borgolte Michael: Seite 119-122,248-251, "Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie."

    Am 3. Mai 786 übertrug Graf Gerold an St. Gallen in pago, qui uocatur Perihtilinpara, Güter, die sich zwischen Seedorf im Westen, Betra im Norden, Hechingen im Osten und Deilingen im Süden erstreckten (W I Nr. 108; vgl. die Karte bei Borgolte, Das Königtum am oberen Neckar). Während er sich zu einem jährlichen Zins von 20 solidi verpflichtete und das Recht zum Rückkauf mit drei Wergeldern vorbehielt, sollten die Güter nach seinem Tod endgültig an das Kloster fallen.
    Des großzügigen Mehrers des Klostergutes haben die Reichenauer, aber auch Ratpert von St. Gallen, mehrfach gedacht. Bei Ratpert (15 c. 8) und Walahfrid Strabo (Visio Wettini 329 Z. 813f.) wird Gerold dabei als Bruder der Königin Hildegart bezeichnet. Das paßt zum signum der Imma genetrix in Gerolds St. Galler Tradition von 786, da bei Thegan (Vita Hludowoci 590f. c. 2) eine Imma als Mutter Hildegarts genannt wird.
    Neben Imma als Mutter, Gerold (I) als Vater und die Königin Hildegart als Schwester glaubt man, noch weitere Verwandte Geroldszu kennen. Zu Gerolds Geschwistern zählte demnach Udalrich (I) und Voto. Ein weiterer Bruder könnte Megingoz/Meingoz gewesen sein.
    Wie im Reichenauer Verbrüderungsbuch, in dem er an der Spitze der Grafen steht (vgl. Beyerle, Verbrüderungsbuch 1115), wurde Gerold wohl auch im ältesten Eintrag des St. Galler Gedenkbuches neben seinem Bruder Udalrich (I) vermerkt (St. Galler Gedenkbuch pag. 8; vgl. Schmid, Zur historischen Bestimmung 507,513f.). Die Namenreihe beginnt hier mit Rodbertus, Odalricus, Kerolt, von denen der erste auf Immas Bruder Ruadbert (I) bezogen werden kann.
    Gerold wird nämlich wie Tassilo dem Geschlecht der AGILOLFINGER zugerechnet; einerseits soll er diesem Geschlecht durch die Abkunft seiner Mutter von den altalemannischen Herzögen angehört haben (Chaume, Bourgogne I 113 A. 2; Zöllner, Otakare 15 mit A. 64; Ders., Agilulfinger 125-134; zuletzt Prinz, Frühes Mönchtum in Südwestdeutschland 55f.; Lacher, Die Anfänge der Reichenau 106f.; s. Art. NEBI), andererseits werden die GEROLDE, das heißt das Geschlecht von Gerolds Vater Gerold (I), aufgrund ihres Namens und mittelrheinischen Besitzes ebenfalls als AGILOLFINGER betrachtet (Werner, Adelsfamilien 111f.; Wenskus 425-427).
    Nach Notker dem Stammler hatte Hildegart, die Gemahlin KARLS DES GROSSEN, einen Bruder namens Udalrich, dem sein königlicher Schwager plurgma tribuit (Gesta Karoli Magni 17). Udalrich wäre somit ein Sohn GEROLDs (I) und der Imma, ein Neffe des bis zur Jahrhundertwende als Graf im nördlichen Bodenseegebiet bezeugten Grafen RUADBERT (I) und ein Bruder GEROLDs (II), des Präfekten von Bayern und berühmten Awarenkämpfers, gewesen. Die Nachricht Notkers wird durch Fuldaer Urkunden über Liegenschaften im Elsaß gestützt, wenn auch nicht ausdrücklich bestätigt.
    Zu Graf Vodalrichus und seinem 798 wohl bereits verstorbenen Bruder Voto passen zwei weitere Urkunden aus der vorangegangenen Zeit. Am 31. März 778 hatte Imma/Immina ihrem ungenannten Sohne für 600 solidi ihren von Walthari erworbenen Besitz in pago Alsacinse in Oberehnheim, Walf, Krautergersbeim, Rosheim und in der Stadt Straßburg verkauft (UB Fulda I Nr. 84; Regesta Alsatiae I Nr. 273 zu den Orten). Am Anfang der Zeugenreibe erscheint Graf Vodalrich. Zehn Jahre darauf schenkte ein Uoto der Abtei Fulda unter Abt Baugulf seine Güter im Eisaßgau und nannte dabei unter anderem Liegenschaften in Oberehnheim, Walf, der Stadt Straßburg sowie in Barr, Altbronn und Hürtigheim (UB Fulda I Nr. 176; vgl. Regesta Alsatiae I Nr. 329). Als Grundberr in den drei zuletzt genannten Orten war Uoto zweifellos mit dem Voto von 798 identisch; da er andererseits über Besitz in Oberehnheim, Walf und Straßburg verfügte, dürften er oder sein Bruder, sicher der Spitzenzeuge bei Immas Rechtsgeschäft, der Käufer von 778 gewesen sein. Graf Vodalrich und Voto wären somit Söhne der Imma gewesen, die ihrerseits denselben Namen wie Hildegarts Mutter trug.
    Auf pag. 8 des St. Galler Gedenkbuches findet man Udalrich offenbar noch einmal inmitten anderer Verwandter. Die Abfolge der Magnatennamen auf dieser Seite beginnt RODBERTUS, Odalricus, Kerolt. Der erste Name bezeichnet wohl den Bruder Immas (RUADBERT I), der zweite und dritte deren beide Söhne, den hier behandelten Udalrichund den Markgrafen GEROLD (II) (Schmid, Zur historischen Bestimmung 513; MIitterauer 19).
    Vom Lebensalter her betrachtet, kann Udalrich durchaus noch im letzten St. Galler Beleg von 817 gemeint gewesen sein. Da Hildegart wohl 757 geboren wurde (Abel-Simson I 449 mit A. 3) und die Notiz der Annales Alamannici zum Jahr 798: Imma defunctus est (Lendi, Untersuchungen 172; Henking, Die annalistischen Aufzeichnungen 243 mit A. 115) wahrscheinlich den Tod der Mutter ermittelt, wird Udalrich kaum vor 750 zur Welt gekommen sein.

    oo Gerold Graf im Kraichgau um 730 † 785/86

    Kinder:
    - Ulrich I. † 807
    - Gerold der Jüngere † 1.9.799
    - Hildegard 758 † 30.4.783
    770 oo 3. KARL I. DER GROSSE 2.4.742 † 28.1.814

    Literatur:
    Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986 Seite 119-122,124,184,195,216,248-251 - Borgolte Michael: Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit. Vorträge und Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984 Seite 27,154,246,249 - Geuenich, Dieter: Geschichte der Alemannen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997, Seite 117 - Mitterauer Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten. Archiv für österreichische Geschichte Band 123. Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln 1963 Seite 8-10,14,17,19,20,22,23, 25,82 - Rappmann Roland/Zettler Alfons: Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998 Seite 369,426,481 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite 73 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990 Seite 22 - Thegan: Das Leben Kaiser Ludwigs. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band V Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1974 Seite 217 -

    Gestorben:
    (798)

    Kinder:
    1. Gerold II. wurde geboren um 755/760; gestorben am 1 Sep 799 in Pannonien,Ungarn; wurde beigesetzt in Reichenau [78479],Konstanz,Baden-Württemberg,Deutschland.
    2. Udalrich wurde geboren um 750; gestorben in 807.
    3. 3. Hildegard wurde geboren in 758; gestorben am 30 Apr 783 in Diedenhofen (Thionville) [57100],Moselle,Lothringen,Frankreich; wurde beigesetzt in Metz [57000],Moselle,Lothringen,Frankreich.
    4. Roadbert gestorben in 817; wurde beigesetzt in Lindau [88131],Lindau,Bayern,Deutschland.
    5. Uto gestorben vor 803.
    6. Megingoz gestorben nach 808.
    7. Adrianus
    8. Erbo gestorben in 793.


Generation: 4

  1. 8.  Karl MartellKarl Martell wurde geboren um 688 (Sohn von Pippin II. und Chalpaida); gestorben in Okt 741 in Quierzy [02300],Aisne,Picardie,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Fränkisches Reich; Fränkischer Hausmeier

    Notizen:

    Karl Martell ("der Hammer") Fränkischer Hausmeier
    um 688-15. oder 22.10.741 Pfalz Quierzy Begraben: St. Denis

    Illegitimer Sohn des fränkischen Hausmeiers Pippin der Mittlere und der Chalpaida

    Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 954, Karl Martell, fränkischer Hausmeier

    * ca. 688/89, + 22. Oktober 741 Quierzy Begraben: St. Denis

    Pippin II. der Mittlere, dessen als Nachfolger vorgesehener Sohn Grimoald II. im April 714 ermordet worden war, bestimmte kurz vor seinem Tod (16. Dezember 714) dessen Sohn Theudoald zum Hausmeier und schloß seinen Sohn aus einer Friedelehe mit Chalpaida, Karl Martell von der Nachfolge aus; seine Witwe Plektrud setzte Karl in Köln gefangen. Er entkam und errang in zähem Kampf gegen Plektrud und die Neustrier unter ihrem Hausmeier Raganfrid (Siege bei Ambleve 716 und Vinchy 717) zunächst die Herrschaft in Austrasien, dem er mit Chlothar IV. (717-720) einen eigenen König gab. Die inwischen mit Eudo, Herzog von Aquitanien, verbündeten Neustrier schlug er bei Soissons 718 (nicht 719; vgl. Semmler) und erlangte schließllich die Anerkennung als gesamtfränkischer Hausmeier, zumal er nach Chlothars IV. Tod den neustrischen König Chilperich II. anerkannte; nach dessen Tod 721 setzte er den nur den Namen nach bekannten Theuderich IV. (+ 737) ein.
    Jahr für Jahr zog er nun ins Feld, um die fränkische Reichsgewalt zu sichern und auszuweiten: gegen die Sachsen, die Friesen (Herrschaft über W-Friesland gesichert), die Aquitanier (720 Friede mit Eudo), die Thüringer (Herzogtum erloschen), die Alamannen (um 740 Ende des elsässischen Herzogtums), die Bayern, nach Burgund und in die Provence. Die schwersten und langwierigsten Kämpfe galten der 'gens perfida' der Sarazenen: ihren Vorstoß von Spanien her stoppte er im Oktober 732 mit dem (später oft überschätzten) Sieg bei poitiers und drängte sie in zahlreichen Kämpfen (737 Siege bei Avignon und an der Berre südlich Narbonne) aus S-Gallien heraus; lediglich Septimanien blieb in ihrer Hand, während Burgund und die Provence nun in die fränkische Grafschaftsverfassung einbezogen wurden.
    Zur Finanzierung der zahlreichen Feldzüge griff Karl Martell auf Kirchengut zurück, das er seinen Vasallen als Leihe zuteilte: diese in der Forschung oft unzutreffend als "Säkularisationen" bezeichneten Maßnahmen haben in den Quellen seit Hinkmar von Reims das Bild Karls als "Kirchenräuber" verdunkelt; daß sie nicht antiklerikaler Haltung entsprangen, zeigt Karls Förderung der Missionare und Klostergründer Willibrord (Utrecht, Echternach); Pirmin (Reichenau, Murbach) und Bonifatius (Schutzbrief 723). Auf das Hilfegesuch des von den Langobarden bedrängten Papstes Gregor III., der ihn mit dem römischen 'Konsulat' (gemeint wohl Patriziat) auszeichnete, reagierte er allerdings ausweichend: er war doch selbst im Sarazenenkampf von den Langobarden militärisch unterstützut worden und hatte seinen jüngeren Sohn Pippin von König Liutprand adoptieren lassen.
    Der erste 'KAROLINGER' Karl urkundete korrekt als 'maior domus' unter den merowingischen Schattenkönigen, regierte aber praktisch das Frankenreich ("rexitque populum Francorum ann, 27", Cont. Fredeg. 8) und ließ seit 737 sogar den Thron unbesetzt, ohne selbst nach der Königswürde zu greifen. Die Chronisten bezeichnen ihn als 'dux' und 'princeps', die Päpste zuweilen als 'patricius'und 'subregulus'. Wie ein König teilte er vor seinem Tod das Reich unter seine Söhne aus erster Ehe (mit Chrotrud), Karlmann (Austrasien mit Alemannien und Thüringen) und Pippin dem Jüngeren (Neustrien mit Burgund und der Provence), während Grifo, der Sohn aus seiner zweiten Ehe mit der AGILOLFINGERIN Swanahild, im Reichsinneren ausgestattet werden sollte (was zu ständigewn Spannungen unter den Brüdern führte).
    Der 'egregius bellator' Karl wird seit dem 9. Jh. mit dem Beinamen 'der Hammer' ('Tudes', 'Tudites', 'Martellus') ausgezeichnet, lebt aber andererseits (seit Hinkmar) als der im Jenseits verdammte Kirchenräuber fort.

    Quellen:
    MGH DD Merov. - Liber hist. Fr. 51-53 (MGH SRM II) - Cont. Fredeg. 8-24 (MGH SRM II) - Isidori cont. Hispana (MGH AA XI) - Ann. Mettenses priores (MGH SRG 10) -

    Literatur:
    NDB XI, 156f. - Th. Breysig, Jbb. des frk. Reiches 714-741, 1869 - H. L. Mikoletzky, K.M. und Grifo (Fschr. der arnulf. Hausmeier, ADipl 11/12, 1965/66, 71-279 - U. Nonn, Das Bild K M.s in den lat. Q. vornehml. des 8. und 9. Jh., FMASt 4, 1970, 70-137 - E. Hlawitschka, K. M., das Röm. Konsulat und der Röm. Senat (Fschr. E. Ennen, 1972), 74-90 - U. Nonn, Vom maior domus zum rex. Die Auffassun von K. M.s Stellung im Spiegel der Titular, RhVjbll 37, 1973, 107-116 - J. Semmler, Die pippinid.-karol. Sukzessionskrise 714-723, DA 33, 1977, 1-36 - J. Jarnut, Untersuchungen zur Herkunft Swanhilds, der Gattin K.M.s, ZBLG 40, 1977, 245-249 - U. Nonn, Die Schlacht bei Poitiers ... (Beitr. zur Gesch. des Regnum Francorum, hg. R. Schieffer, 1990), 37-56. -

    Hlawitschka Eduard: Seite 78, "Die Vorfahren Karls des Großen"

    31 Karl Martell

    Belege zur Filiation bei Nr. 16. In den Ann. Mett. prior., hrsg. von B. v. Simon, Seite 19 und 20, wird Plektrud, Pippins des Mittleren Gemahlin, überdies Karls noverca genannt. - Zu der ihm wiederholt zugeschriebenen Tochter Aldana vgl. bei Nr. 26. - Seine Urkunden MG. DD. Merow., Seite 97 bis 102, weiteres BM² 301-43a.
    Anfangs versuchte Plektrudis, Witwe Pippins, die Gewalt in der Hand zu behalten. Karl griff bei der Belehnung von Vasallen, die er zur Durchführung seiner zahlreichen Eroberungszüge benötigte, auf das Kirchengut zurück. Es gelang ihm, die Einheit des Frankenreiches zu sichern. Karl schlug bei Ambleve und Vincy (12.3.717) die opponierenden Großen aus Neustrien und führte nun auch hier die Herrschaft als Hausmeier. Nach dem Tode des Herzogs Radbod (719) festigte Karl die vorübergehend verloren gegangene fränkische Herrschaft in W-Friesland. Durch zwei Feldzüge (725-728) brachte Karl das Herzogtum Bayern in lose Abhängigkeit vom Frankenreich. Am 7.10.732 schlug er zwischen Tours und Poitiers die Araber. Das von den Arabern am meisten bedrohte Burgund, Aquitanien und die Provence wurden fester ins fränkische Reich eingegliedert. Nach dem Tod des MEROWINGER-Königs Theuderich IV. gelang es ihm, die Nachfolge eines neuen Königs zu verhindern. Karl verfügte souverän über die Hausmeierwürde. Vor seinem Tode teilte er das fränkische Reich unter seine Söhne Karlmann (Osten) und Pippin den Kleinen (Westen).

    Schnith Karl: "Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern"

    Karl Martell war während seiner gesamten Herrschaft ein sehr kriegerischer Fürst; lediglich zum Jahr 740 - also kurz vor seinem Tod - berichten die Annalen davon, dass es ausnahmsweise keinen Kriegszug gegeben habe. Die schwersten Kämpfe hatte Karl in Aquitanien und in den Gebieten östlich des Rheins zu bestehen; in Aquitanien mußte er nicht nur die vorstoßenden Sarazenen zurückschlagen, sondern auch versuchen, die seit längerer Zeit dem Zugriff der Franken sich entziehenden Aquitanier wieder zu unterwerfen; ein endgültiger Sieg ist hier von Karl nicht erreicht worden.
    Die Beziehungen zur Kirche waren - anders als es die kritischen Stimmen seit Ende des 9. Jahrhunderts vermuten lassen - nicht gespannt, sondern zeitweise sogar sehr eng. Bonifatius hat sich weder beim Papst noch bei anderen Briefpartnern darüber beklagt, dass der Hausmeier seine Missions- und Organisationspläne behindert hätte. Es ist wohl kaum ein hemmendes Einwirken Karl Martells zurückzuführen, dass es Bonifatius bis 741 nicht gelungen ist, die für Hessen und Thüringen geplanten Bistümer zu errichten.
    In die Zeit Karl Martells fallen die ersten eindeutigen Versuche des Papsttums, die Franken als Bündnispartner gegen die im 8. Jahrhundert erneut expandierenden Langobarden zu gewinnen, nachdem die Beziehungen zum Kaisertum in Konstantinopel seit der Unterstützung der Bilderfeinde durch den Kaiser gespannt waren. Karl Martell hat allerdings das Hilfsgesuch des Papstes Gregor III. im Jahre 739 nicht zum Anlaß genommen, in Italien auf der Seite des Papstes einzugreifen. Karl lehnte ein Eingreifen gegen die Langobarden ab, weil sie ihn gegen die Sarazenen so nachhaltig unterstützt hatten.
    Gegen Ende seines Lebens wurde die königsgleiche Stellung Karl Martells von den Zeitgenossen durchaus gewürdigt; einige Annalen sprechen 741 davon, dass der König gestorben sei. Und die unter der Aufsicht eines KAROLINGERS redigierte Fortsetzung der Chronik des sogenannten Fredegar läßt Karl als das Abbild des Josua erscheinen, der wie Karl Martell zwar ebenfalls nicht den Titel, aber doch die Macht eines Königs besessen hatte und der vor allem als kriegerischer Schöpfer des Reiches Israel hervorgetreten war.
    Als Karl Martell am 22.10.741 starb, hatte er das Frankenreich wie ein König unter seine beiden Söhne Karlmann und Pippin aufgeteilt. Diese waren beim Tode ihres Vaters ungefähr 30 (Karlmann) und 27 (Pippin) Jahre alt. Karlmann als der ältere erhielt Austrasien, dazu Alemannien und Thüringen; Pippin wurden Neustrien, Burgund und die Provence übergeben, aber auch er hat anscheinend einen gewissen Anteil am in Austrasien gelegenen Hausgut erhalten. Kurz vor seinem Tod hatte Karl Martell noch sein Testament geändert, um auch seinen Sohn Grifo (aus einer zweiten Ehe) mit einem Reichsteil zu bedenken. Noch 741 scheint es zu Auseinandersetzungen zwischen den Brüdern gekommen zu sein, wobei Karlmann und Pippin die Initiative zum Kampf gegen ihren Stiefbruder Grifo ergriffen.

    Schieffer Rudolf: "Die Karolinger"

    Dass Karl, der vor 714 in keiner für uns erkennbaren Weise hervorgetreten war, aus anfänglicher Defensive heraus letztlich der Sieger wurde, erinnert an den Aufstieg seines Vaters Pippin, der gleichfalls die austrischen Kräfte im entscheidenden Augenblick zu bündeln verstanden hatte, und spricht zugleich für Karls Entschlußkraft und Führungsstärke, die sich auch später zeigen sollten und ihm seit den ausgehenden 9. Jahrhundert den Beinamen Martell ("der Hammer") eingetragen haben. Der Glanz der Sieghaftigkeit, der ihn bald umstrahlte, überstrahlte die dynastisch besser begründeten Rechte seines Stiefneffen aus der Nachkommenschaft der vornehmen Plektrud, die mit ihrem Erbteil einst Pippin ganz wesentlich emporgeholfen zu haben scheint; allerdings dürfte auch ihre Nebenbuhlerin Chalpaida, Karls Mutter, die mit Pippin gemäß germanischer Herkommen in der weniger verbindlichen Form der Friedelehe verbunden war, von beachtlicher (freilich nicht näher bestimmbarer) Abkunft gewesen sein, was sich allein schon daraus ergibt, dass uns ihr Name überhaupt bekannt ist, im Unterschied zu jener Konkubine Pippins, deren Sohn Childebranddenn auch nur gedämpften politischen Ehrgeiz an den Tag legte. Trotz solcher Abstufungen wäre der Erfolg Karl Martells gewiß nicht ohne das persönliche Merkmal zupackender Energie eingetreten, das ihn in den Augen der Zeitgenossen zur Herrschaft befähigte. Dadurch erst vermochte er der Geschichte seiner Familie eine neue Richtung zu geben, und dies drückt sich sinnfällig darin aus, dass der zuvor nirgends belegte, also traditionslose Name zum Leitnamen unter seinen Deszendenten wurde, die wir daher KAROLINGER nennen.
    Für den Umbruch ist bezeichnend, dass Plektrud, die zu Lebzeiten ihres Gatten in den Quellen mit rühmenden Superlativen geschmückt wurde, nun als Witwe sogleich die Züge der bösen Stiefmutter annimmt, die Karl ränkevoll um das väterliche Erbe zu bringen versuchte. Tatsächlich lagen um die Jahreswende 714/15 die Machtmittel und die politische Initiative zunächst bei ihr. Sie ließ den Stiefsohn in Gewahrsam nehmen und leitete unter Berufung auf Pippins letzten Willen eine Herrschaftsordnung in die Wege, nach der ihr Enkel Theudeoald als Hausmeier König Dagoberts III. vorwiegend in Neustrien und sein Vetter Arnulf, einer der Söhne Drogos, mit dem Titel eines dux in Austrien fungieren sollten, ihr selbst aber von Köln aus, wo sie sich niederließ, die höchste Autorität verblieb: "Plektrud lenkte nun alles mit ihren Enkeln und dem König in heimlicher Regentschaft", schreibt das "Buch der Frankengeschichte" dieses Konzept, bei dem Plektrud daran gedacht haben mag, dass ihr verstorbener Gatte gleichfalls viele Jahre lang ohne förmliches Amt die Fäden in der Hand behalten hatte. Tatsächlich brachte sie aber eben nicht dieselben Voraussetzungen für ein solches discretum regimen mit wie der kampferprobte Pippin, weshalb es den neustrischen Gegnern der Dynastie offenbar leicht fiel, unter Hinweis auf die unangebrachte Zügelführung einer Frau zum Sturm zu blasen. Die alten Gräben wurden wieder aufgerissen und schon binnen Jahresfrist kam es am 26.9.715 bei Compiegne zu einem blutigen Zusammenstoß, bei dem Theudoald den kürzeren zog und die Neustrier erstmals seit Tertry (687) die Oberhand in der Francia gewannen. Sie bemächtigten sich des Königs Dagobert und brachten ihn dazu, einen der Ihren, den nördlich von Paris begüterten Raganfrid, zum Hausmeier zu machen an Stelle des geflohenen Theudoald, der bald nach seiner Niederlage umgekommen zu sein scheint. Da Dagobert III. im Winter 715/16 starb, kamen Raganfrid und sein Anhang rasch in die Lage, ganz nach dem Vorbild Pippinseinen weiteren MEROWINGER als nominellen König bestimmen zu können. Sie entschieden sich für einen früher in den Klerus abgeschobenen Sohn Childerichs II., der sich fortan Chilperich II. nannte, und den zu neuem Selbstbewußtsein erstarkten Neustriern für das bevorstehende Ringen um Auster den legitimierenden Rückhalt bot. Wie schlecht die Sache der PIPPINIDEN mittlerweile stand, wurde deutlich, als Raganfrids Leute nicht mehr zu hindern waren, plündernd in die Ardennen und bis zur Maas vorzustoßen, also nach der angestammten Machtbasis ihrer Gegner zu greifen. Im Zusammenspiel mit den Friesen unter Radbod (dem Schwiegervater des ermordeten Grimoald), die rheinaufwärts heranrückten, wurde im Frühjahr 716 sogar Köln das Ziel ihres Angriffs, wo der bedrängten Plektrud schließlich nichts übrig blieb, als Chilperich und seinem Hausmeier ansehnliche Schätze auszuhändigen.
    Erst dieses offenkundige Scheitern der Witwe Pippins schuf die historische Situation, in der Karl Martells Aufstieg möglich wurde. Der damals 25 bis 30 Jahre alte Sohn Chalpaidas hatte sich der Haft seiner Stiefmutter entwinden können und sah nun seine Chance darin, statt ihrer als wirksamer Retter der austrischen Suprematie und damit als der wahre politische Erbe seiner Vorfahren aufzutreten. Den Zustrom von Anhängern, die er zur Durchsetzung seines Machtanspruchs brauchte, konnte er nun in Gang setzen, wenn er im bewaffneten Kampf Zutrauen zu seiner Schlagkraft weckte. So trat er zunächst den Friesen entgegen und ließ sich auch durch eine empfindliche Niederlage, die ihn zur Flucht zwang, nicht entmutigen. Vielmehr setzte er kurzentschlossen den abrückenden Neustriern nach und konnte ihnen bei Ambleve in den Ardennen eine erste Schlappe beibringen. Der Erfolg war durchaus begrenzt und bestand wohl nur darin, dem weiteren Zerfall der pippinidischen Klientel Einhalt geboten und auf die eigene Entschlossenheit aufmerksam gemacht zu haben. In der doppelten Rebellion gegen die neustrische Reichsregierung wie auch gegen die bisher tonangebende austrische Führungsgruppe um Plektrud verharrend, sammelte Karl Martell indes weitere Kräfte hinter sich und war übers Jahr imstande, Chilperich II. und Raganfrid am 21.3.717 bei Vinchy im Cambresis siegreich aus dem Felde zu schlagen. Erst nachdem er in dieser Weise den Austriern insgesamt wieder Geltung verschafft hatte, wandte er sich gegen Köln und erzwang von der Stiefmutter die förmliche Anerkennung seiner Rechte. Plektrud gab ihre politischen Ambitionen auf und ging in den folgenden Jahren als Stifterin des Kölner Konvents von St. Maria im Kapitol in die Geschichte ein, während Karls Position an der Spitze der Austrier niemand mehr anzufechten wagte. Mit der Einsetzung eines eigenen merowingischen Königs namens Chlothar IV. erhob er offen den Anspruch auf Gleichrangigkeit mit seinem Gegenspieler Raganfrid, der sich seinerseits mit Eudo, dem dux von Aquitanien, verbündete. Die Entscheidung fiel, als Karl - wohl schon im Frühjahr oder Sommer 718 vor den Mauern von Soissons aus der Defensive heraus den Durchbruch nach Paris und weiter bis zur Loire erkämpfen konnte. Eudo unterwarf sich und lieferte den mitgeführten neustrischen König Chilperich II. samt dessen Schätzen dem Sieger aus. Da Chlothar IV. rasch gestorben war, bot sich die Lösung an, dass Karl den überlebenden MEROWINGER unter seine Kuratel nahm, von ihm das Hausmeieramt empfing (ab 720 bezeugt) und damit auch formal den Rivalen Raganfrid verdrängte, der indes eine lokale Herrschaft im Anjou bis zu seinem Tode (731) behauptete.
    Die "größte Verwirrung im Volk der Franken", als welche die Metzer Annalen die "pippinidisch-karolingische Sukzessionskrise" (J. Semmler) nach 714 bezeichnen, war mehr als nur ein vorübergehender Rückschlag im stetigen Machtzuwachs der Dynastie. Es wird in den kargen Quellen eigens hervorgehoben, dass es die Gefolgsleute (leudes) Pippins, Grimoaldsund Theudoalds gewesen waren, die zunächst bei Compiegne den Neustriern unterlagen, dass aber Karl Martell sich dann ein neues Heer "aus tüchtigen und vornehmen Männern" schuf, um seine Stiefmutter auszuschalten und die Vorherrschaft der Austrier bei Ambleve, Vinchy und vor Soissons wiederherzustellen. Die Umschichtung im überschaubaren Kreis der Herrschaftsträger läßt sich veranschaulichen an der Gestalt Bischof Rigoberts von Reims, der als einstiger Taufpate Karls ganz gewiß zu den Vertrauten Pippins des Mittleren gehört hatte, 718 jedoch in der entscheidenden Phase des Machtkampfs eine zwielichtige Haltung einnahm und daher vom siegreichen Hausmeier seines Amtes enthoben wurde; an seine Stelle trat Bischof Liutwin von Trier, offenbar ein zuverlässiger Parteigänger Karls, der fortan beide Kirchen und dazu vielleicht noch die von Laon verwaltete und diese kirchenrechtlich unzulässige Personalunion auch noch auf Jahrzehnte seinem Sohn Milo vererben durfte. Erst recht zu den Verlierern zählt der dux Arnulf, Drogos Sohn, der 715/15 im Bunde mit Plektruds anderem Enkel Theudoald Karl Martellzur Seite zu schieben versucht hatte und 723 zusammen mit einem ungenannten Bruder in der Haft des Stiefonkels umkam, wohingegen ein weiterer Bruder namens Hugo, zwischen 713 und 715 zum Priester geweiht, rechtzeitig die Fronten gewechselt hatte und nach 719 als Verwalter der Bistümer Paris, Rouen, Bayeux, Lisieux und Avranches sowie die Abteien Saint-Denis, Saint-Wandrille und Jumieges zu einer Hauptstütze der karolingischen Dominanz in Neustrien wurde. In seiner Nachbarschaft fungierte dort der dux Robert, der seinen Stammsitz im (heutigen belgischen) Henne- und Hasbengau, also in Auster, hatte und durch wiederholte Anwesenheit bei Gerichtsverhandlungen des Hausmeiers als dessen besonderer Vertrauensmann zu erkennen ist. Auch die urkundwissenschaftliche Forschung hat festgestellt, dass Karl "nach seinem Sieg über Chilperich und Raganfrid nicht mehr an die alte Hofämtertradition anknüpfte" (I. Heidrich) und sich allmählich eine neuartige "Kanzlei" aufbaute.
    Im Besitz der seit 718/19 gesicherten Macht über die Francia verhielt sich Karl Martell in mancher Hinsicht anders als sein Vater Pippin in den Jahren nach Tertry. Vor allem weist sein Regiment eine viel stärker persönliche Prägung auf, was schon daran sichtbar wird, dass er sich Amt und Titel eines Hausmeiers auch innerhalb seiner Familie zeitlebens allein vorbehielt. Seine Gattin Chrodtrud aus nicht näher bekanntem Adel tritt in keiner seiner Urkunden und in keiner erzählenden Quelle als mithandelnd in Erscheinung und wird überhaupt nur anläßlich ihres Todes (725) in verschiedenen Annalen vermerkt; sie hat an Karls Seite gewiß keine mit Plektrud vergleichbare Rolle gespielt. Von ihren Söhnen Karlmann und Pippin (dem Jüngeren), die sie neben einer Tochter Hiltrud gebar, findet sich lediglich der ältere 723 einmal mit seinem Handzeichen in einer Urkunde des Vaters (und ist damit wohl damals als erwachsen bezeugt), doch blieb er ebenso wie Pippin vor dem Tode Karls ohne jede offizielle Funktion. Während unter den Abkömmlingen der Stiefmutter Plektrud einzig der erwähnte Hugo (+ 730) als Inhaber bedeutender neustrischer Bistümer und Abteien zu einer führenden Stellung kam, war Karls illegitimer Halbbruder Childebrand, der über Besitz in der Gegend von Melun verfügte, bloß mit einem regionalen Kommando in Burgund und dem Grafentitel ausgestattet. Er hat sich eher einen Namen dadurch gemacht, dass er später eine Fortschreibung des sogenannten Fredegar zu "einer Familienchronik des karolingischen Hauses" (W. Levison) für die Jahre 736 bis 751 veranlaßt und darin mit seinem Sohne Nibelung auch noch einen Nachfolger für die Zeit bis 768 fand. Erst recht im Hintergrund standen drei weitere Söhne Karls namens Bernhard, Hieronymus und Remedius (Remigius), die er von einer Nebenfrau mit dem vermutlichen Namen Ruodhaid hatte. Alle Fäden liefen, so scheint es, mehr als 20 Jahre lang bei dem Hausmeier zusammen, der allerdings insofern der politischen Tradition seines Hauses treu blieb, als er die bloße Institution des Königtums auch weiterhin nicht antastete.
    Ein folgenschwerer Unterschied zu Pippin lag ferner darin, dass sich Karl Martell keineswegs mit dem Gewinn der Vorherrschaft in der Francia begnügte, sondern sogleich daran ging, seine Macht nach allen Richtungen hin zu erweitern, bis an die äußeren Grenzen des MEROWINGER-Reiches und womöglich noch darüber hinaus. Diese Expansionspolitik ergab sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit aus den Erfahrungen der Sukzessionskrise nach 714, in die von der Peripherie her Friesen, Sachsen und Aquitanier gegen Karl und seine Austrier eingegriffen hatten. Offenkundig war zudem geworden, dass die auf Distanz zu den Hausmeiern bedachten rechtsrheinischen Herzöge leicht versucht waren, sich mit innerfränkischen Rivalen der KAROLINGER zu verbünden oder ihnen zumindest Rückhalt und Zuflucht zu gewähren.
    Wer sich die vielfältigen Kämpfe Karl Martells vor Augen hält, deren Regelmäßigkeit in damaligen Klosterannalen schon dazu führte, dass eigens vermerkt wurde, wenn in einem Jahr kein Feldzug stattfand, wird es nicht schwer haben, dem Urteil beizupflichten, seine Herrschaft sei eine "eiserne Zeit" für das regnum Francorum gewesen (E. Ewig). In der Tat scheint an ihm nichts so sehr hervorzustechen wie die unbeugsame Zähigkeit, mit der er zunächst den eigenen Aufstieg gegen alle Widerstände ertrotzte und dann die Vormacht seines Hauses in der Francia sicherte, um schließlich weit über den Aktionsradius seines Vaters Pippin hinaus bis an die Grenzen des MEROWINGER-Reiches alle Machthaber zur Anerkennung seiner Überlegenheit zwang. Dabei blieb er sich offenbar stets bewußt, wieviel er der austrischen Klientel zu verdanken hatte, auf der seine Erfolge gründeten; er ließ sie regelmäßig am Gewinn teilhaben, der in nutzbaren Rechten und Besitzungen, in weltlichen und geistlichen Ämtern bestand, und gab ihren Interessen - aller naiven Gottesfurcht zum Trotz - notfalls auch den Vorrang vor kirchlichen Belangen und Reformwünschen.
    In seinen Briefen von 739/40 titulierte der Papst Karl Martell als "Vizekönig" (subregulus) und spielte damit wohl auf das staatsrechtliche Novum an, dass der Hausmeier seit dem Tode Theuderichs IV. (737) ohne einen König im Hintergrund fungierte. Dabei kann Karl selbst am allerwenigsten zweifelhaft gewesen sein, dass er längst über sämtliche königliche Vorrechte verfügte und an faktischer Macht alle MEROWINGER übertraf, die es seit 200 Jahren gegeben hatte. Auch seine zunehmende Vorliebe für die klassischen Königspfalzen im Oise-Tal und die gewiß frühzeitig getroffene Entscheidung, die letzte Ruhe nicht mehr im austrischen Metz oder auf dem Chevremont, sondern in der traditionsreichen Königsabtei Saint-Denis vor Paris finden zu wollen (wo zuletzt Chlodwig II. 657 bestattet worden war), spiegeln sein gesteigertes monarchisches Selbstgefühl, doch bleibt uns verborgen, wie er sich die Zukunft dieses persönlichen "Prinzipats" dachte. Die vereinzelte Nachricht, dass er seinen zweiten Sohn Pippin um 737 zum befreundeten (und kinderlosen) Langobarden-König Liutprand nach Italien schickte, der ihn nach der Sitte seines Volkes durch eigenhändiges Scheren des Haupthaares adoptierte, mag darauf hindeuten, dass er mit diesem nunmehrigen "Königssohn" Besonderes vorhatte. Andererseits ist durch Childebrands Fredegar-Fortsetzung und die Metzer Annalen einhellig überliefert, dass der seit 739 kränkliche Hausmeier "nach dem Rat der Großen", vermutlich also auf der im März üblichen Heeresversammlung spätestens von 741, das Reich für die Zeit nach seinem Tod derart aufteilte, dass sein ältester Sohn Karlmann Austrien, Alemannien und Thüringen (ohne Bayern) und der nächste Bruder Pippin Neustrien, Burgund und Provence (ohne Aquitanien) beherrschen sollte. Dieser Erbregelung zugunsten der erwachsenen Söhne Chrodtruds stehen Beobachtungen gegenüber, wonach gegen Ende von Karls Lebenszeit in seiner Umgebung eher eine "bayerische Partei" um seine zweite Gattin Swanahild dominierte. Ihr Verwandter, Herzog Odilo, hielt sich, anscheinend verdrängt von bayerischen Großen, 740/41 in der Francia auf und knüpfte damals seine Beziehungen zu Karls Tochter Hiltrud an, aus der ihr Sohn Tassilo III. - mit gut bezeugtem Geburtsjahr 741 - hervorging, übrigens ein Skandal, der noch zu LUDWIGS DES FROMMEN Zeiten in peinlicher Erinnerung war. Von daher gewinnt auch das widerwillige Eingeständnis der Metzer Annalen zusätzliches Gewicht, dem jungen Grifo aus Karls Ehe mit Swanahild sei nachträglich auf Betreiben seiner Mutter, "eines ruchlosen Weibes", vom Vater ein Erbteil in Neuster, Auster und Burgund, also inmitten des Reiches, zuerkannt worden. Dies steht womöglich für noch weitergehende Zusagen, denn Swanahild und ihr Sohn, nicht aber Karlmann und Pippin wurden fünf Wochen vor Karls Tod in dessen letzter Urkunde als Zustimmende erwähnt, standen also bis zum Ende mit ihm in sichtlichem Einvernehmen. Als der Hausmeier am 15. oder 22.10.741 in der Pfalz Quierzy dahinschied, hatte er zwar seiner Familie insgesamt die Oberhand gesichert, aber wie sein Vater keine wirklich haltbaren Verfügungen über die künftige Machtverteilung getroffen.






    1. oo Chrotrud um 690 - 725

    2. oo Swanahild um 710- nach 741


    Kinder:

    1. Ehe
    - Pippin III. der Kleine 714-24.9.768
    - Karlmann um 707-17.8.754
    - Chiltrudis (Hiltrud) um 715 - 754
    oo Odilo Herzog von Bayern um 715 - 748

    2. Ehe
    - Grifo um 726 - 753

    Illegitim von Nebenfrau Ruodhaid
    - Bernhard vor 732- 787
    - Hieronymus
    - Remigius Bischof von Rouen (755-771) - 771

    - ? Aldana
    oo Theoderich Graf von Autun




    Literatur:
    Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 3-22,24,26,39,41,79,89,255 - Biographien zur Weltgeschichte. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1989, Seite 282 - Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986, Seite 69,184 - Borgolte Michael: Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit.Vorträge und Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984, Seite 25,34,41,43-47,77,199,246 - Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Dahn Felix: Die Völkerwanderung. Germanisch-Romanische Frühgeschichte Europas. Verlag Hans Kaiser Klagenfurt 1977, Seite 437,460,462,464,479 - Deutsche Geschichte Band 1 Von den Anfängen bis zur Ausbildung des Feudalismus Mitte des 11. Jahrhunderts. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1982, Seite 282-284,286,287,290-292 - Diwald Helmut: Heinrich der Erste. Die Gründung des Deutschen Reiches. Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach 1987, Seite 222 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 20,60 - Eickhoff Ekkehard: Theophanu und der König. Otto III. und seine Welt. Klett-Cotta Stuttgart 1996, Seite 181,262 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 47,56 - Epperlein Siegfried: Karl der Große. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1974, Seite 10,20,46,85,140,151 - Erbe Michael: Belgien, Niederlande, Luxemburg. Geschichte des niederländischen Raumes. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1993, Seite 31,33 - Ewig Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1988, Seite 186,194,200,205 - Geuenich, Dieter: Geschichte der Alemannen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln 1997, Seite 105-107,159 - Herm, Gerhard: Karl der Große. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf, Wien, New York 1987, Seite 12,46-54, 57,59,66,69,72,104,115,132,144,217,317,322 - Hlawitschka, Eduard: Karl Martell, das Römische Konsulat und der Römische Senat. Zur Interpretation von Fredegarii continuatio cap. 22, in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka, Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Bern - New York - Paris, Seite 105-123 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 17,130 - Holtzmann Robert: Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1971, Seite 36,159 - Illig Heribert: Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1996, Seite 104,114,360,366,389 - Jarnut Jörg: Agilolfingerstudien. Anton Hiersemann Stuttgart 1986, Seite 22,121,124,127 - Kalckhoff Andreas: Karl der Große. Profile eines Herrschers. R. Piper GmbH & Co. KG, München 1987, Seite 33-34,36-37,41,45,49,58,66,99-100,107,152,187,246 - Mühlbacher Engelbert: Deutsche Geschichte unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion - Nack Emil: Germanien. Ländern und Völker der Germanen. Gondrom Verlag GmbH & Co. KG, Bindlach 1977, Seite 211,214,264,269,277,283,297 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 45,52-73,77,88,92,108,111,210,347 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 32,34-51,53-55,60,64,66,69,74,81,89,139,187,227 - Schmid Alois: Das Bild des Bayernherzogs Arnulf (907-937) in der deutschen Geschichtsschreibung von seinen Zeitgenossen bis zu Wilhelm von Giesebrecht. Verlag Michael Lassleben Kallmünz 1976, Seite 20,41,179 - Schneider Reinhard: Königswahl und Königserhebung im Frühmittelalter. Anton Hiersemann Stuttgart 1972, Seite 175,179,183,185,241 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 13-16,27,36 - Weinfurter Stefan: Die Salier und das Reich Band 1- 3. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1991, Band I, Seite 403 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995, Seite 72,363-370,372,385-388,402,453 - Werner Matthias: Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1982, Seite 15-327 - Wies Ernst W.: Karl der Große. Kaiser und Heiliger. Bechtle Verlag Esslingen 1986, Seite 29,30-34,37,45,49,52,58,70,76,78,89,95,137,158,191,238,268 -

    Vor seinem Tod teilt Karl Martell das Reich zwischen seinen Söhnen Karlmann und Pippin auf.
    Buchmalerei in einer Handschrift der Grandes Chroniques de France, Paris, Bibliothèque Nationale, Ms. fr. 2615, fol. 72

    Charles Martel divise le royaume entre Pépin et Carloman



    Karl Martell auf dem Sterbebett.
    Chroniques de France ou de St Denis (1332–1350), London, British Library, Royal MS 16 G VI, fol. 119v

    Charles Martel bad



    Neue Deutsche Biographie - Karl Martell

    fränkischer Hausmeier, * circa 688/89 (?), † 22.10.741 Quierzy, ⚰ Saint Denis.

    K.s Vater hatte seit 687 von der austrischen Basis aus einen formal mit dem Amt des maior domus (Hausmeier) verbundenen Prinzipat errichtet, der das Königtum der Merowingerdynastie nominell bestehen ließ, aber in faktisch eigener Herrschaft die austrisch-neustrische Francia zusammenfaßte und bereits in germanische Randgebiete (Friesland, Mainland-Thüringen, Alemannien) ausgriff. Bei Pippins Tode (18.12.714) stand jedoch kein regierungsfähiger Nachfolger bereit, da er seine legitimen Söhne aus der Ehe mit Plektrud überlebt und den Friedelsohn K. von der Nachfolge ausgeschlossen hatte. Plektrud setzte K. gefangen und wollte mit ihren noch unmündigen Enkeln und dem König Dagobert III. († 715/16) die Regierung des Gesamtreiches fortsetzen. Aber ein Aufstand der Neustrier, die alsbald den König Chilperich II. († 721) erhoben, sowie schwere Angriffe der Friesen und Sachsen brachten das politische Werk Pippins dem Zusammenbruch nahe. Die Überwindung dieser Krise und die Sicherung des fränkischen Gesamtreiches, wiederum vom germanischen Austrien aus, ist die historische Leistung K.s.

    K. befreite sich aus der Haft, sammelte austr. Anhänger, schlug die Neustrier (716 u. 717) und brachte bis 717 die Herrschaft in Austrien an sich, wo er einen eigenen König, Chlothar IV. (717–20), aufstellte. 719 erreichte er durch einen entscheidenden Sieg bei Soissons die Unterwerfung der mit dem Aquitanierhzg. Eudo verbündeten Neustrier und erleichterte den Frieden, indem er nach dem Tode Chlothars IV. den König Chilperich II. anerkannte; als dieser 721 starb, ließ er Theuderich IV. († 737) als nominellen König folgen. Damit war die von Pippin geschaffene Ordnung wiederhergestellt. K. regierte als Hausmeier dieser Könige, wird aber von den Chronisten als dux und princeps, von den Päpsten gelegentlich als patricius und subregulus bezeichnet.

    Auch die ausweitende Sicherung und Festigung der fränkischen Reichsgewalt kam wieder in Gang. K. zog 718 gegen die Sachsen zu Felde, richtete 719 die Herrschaft über Westfriesland wieder auf und schloß 720 Frieden mit Eudo von Aquitanien. Das nächste Jahrzehnt stand im Zeichen des schon von Pippin begonnenen Kampfes mit den germanischen Herzogsgewalten. Nachdem K. schon vor 720 das thüringische Herzogtum hatte zu Ende gehen lassen und 722/24 erneute Heerfahrten gegen die Sachsen unternommen hatte, zog er 725 durch Alemannien nach Bayern; bei der Rückkehr führte er die Herzogin Pilitrud und ihre Nichte Swanahild mit. Obgleich K. 728 abermals in Bayern erschien, kam es noch nicht zu nachhaltiger Bindung an das Reich, geschweige denn zur Beseitigung des agilolfing. Herzogtums. Härter griff K. in Alemannien zu, wo er nach abermaliger militärischer Intervention und dem Tode des Herzogs Lantfrid (730) keine Herzogsgewalt mehr gelten ließ, aber nicht verhindern konnte, daß Lantfrids Bruder Theutbald sich weiterhin behauptete, während im Elsaß um 740 das Herzogtum erlosch. – Der sowohl kirchlichen wie politischen Gewinnung Alemanniens und des Elsaß diente die Förderung, die K. dem Klostergründer Pirmin (Reichenau, Murbach) angedeihen ließ. Sicherlich nicht ohne politische Erwägungen hatte er bereits 723 dem in Hessen und Thüringen wirkenden Bonifatius einen Schutzbrief im Königsstil ausgestellt, aber es blieb ein eher distanzierter Schutz; bei der Reorganisation der bayerischen Kirche durch Bonifatius (739) ist kein Kontakt mit der fränkischen Reichsgewalt erkennbar. Stärkeren Rückhalt erfuhr zwelfellos der Friesenmissionar Willibrord von Utrecht, doch ist darüber im einzelnen fast nichts bekannt. K. unterwarf 733/34 auch das nördliche Friesland, beseitigte hier gleichfalls das Herzogtum und erweiterte Willibrords Missionsfeld. Erwartungen politischer und kirchlicher Expansion verbanden sich 738 auch mit einem großen Unternehmen K.s gegen die Sachsen, doch scheint es über Anfangserfolge und Grenzsicherung nicht hinausgeführt zu haben.

    Seit 731 war im übrigen Südgallien zu K.s wichtigstem Aktionsfeld geworden. Eudo von Aquitanien sperrte sich gegen die fränkisch Hoheit (Strafzüge K.s 731), mußte aber K.s Hilfe suchen, als 732 ein arabisch Heer von Spanien aus über Bordeaux und Poitiers vordrang. K. brachte durch die Abwehrschlacht zwischen Poitiers und Tours (Oktober 732) die islamisch Expansion in Westeuropa zum Stehen und behielt seitdem in Gallien die Initiative. Seine Aktionen richteten sich seit 733 im Ringen mit Arabern und einheimischen Magnaten nach Südosten. In harten, bis 739 fast Jahr für Jahr ausgetragenen Kämpfen, teils unter seiner eigenen, teils unter seines Bruders Childebrand Führung – 738 mit einem langobardischen Hilfskorpszwang K. Burgund und die Provence politisch und administrativ in den Reichsverband, während Septimanien mit Narbonne noch unter arabischer Herrschaft verblieb. Nach dem Tode Eudos rückte er 735 erneut in Aquitanien ein, ließ aber das Herzogtum unter Eudos Sohn Hunoald bestehen, nahm jedoch dessen Treueid entgegen (736).

    Bei den inneren und äußeren Kämpfen bedurfte K. einer schlagkräftigen berittenen Truppe, einer zuverlässigen Anhängerschaft im – vor allem austr. – Grundbesitz- und Schwertadel, die er teilweise bereits in der Rechtsform der Vasallität an sich band. Zu ihrer Ausstattung griff er auch auf kirchliche Güter und Ämter zurück, indem er geistliches Eigentum nach Leiherecht seinen Vasallen zuteilte, ja Bistümer und Klöster als politisch-wirtschaftliche Macht- und Besitzobjekte seinen Gegnern entzog, um sie an seine Anhänger zu vergeben. Solche Praktiken waren nicht grundsätzlich neu und lassen sich nicht eigentlich als „Säkularisationen“ kennzeichnen, aber sie gingen sichtlich über die bisher bekannten Ausmaße weit hinaus und trugen sehr zur organisatorischen und geistigen Zerrüttung der fränkischen Kirche bei. Ob mangelnde Einsicht oder politische Vorsicht K. von energischen Reformeingriffen abhielt, steht dahin. Die großenteils vertretene Annahme, er habe unmittelbar vor seinem Tode, im Herbst 741, dem EB Bonifatius in einem kirchenpolitischen Kurswechsel die Errichtung der Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt ermöglicht, beruht auf bloßer Rückrechnung aus späteren Zeugnissen und widerspricht ebensosehr jeder Wahrscheinlichkeit wie die alternative Unterstellung, Bonifatius habe einen solchen Schritt eigenmächtig gewagt. Einem Ansuchen des von dem Langobardenkönig Liutprand bedrängten Papstes Gregor III. wich K. 739/40 aus; er hatte selber langobardische Militärhilfe entgegengenommen und seinen jüngeren Sohn Pippin von Liutprand adoptieren, das heißt zum Königssohn erheben lassen.

    K. regierte seit 737 ohne König und verfügte vor seinem Tode eine Reichsteilung nach Königsart, indem er dem älteren Sohn Karlmann Austrien mit Alemannien und Thüringen, Pippin dem Jüngeren Neustrien mit Burgund und der Provence zusprach; Grifo sollte im Reichsinnern ausgestattet werden; Bayern und Aquitanien blieben außerhalb dieser Teilung. K., der seinen Namen in die „karolingische“ Dynastie einbrachte, hat durch die endgültige Festigung des alten Frankenreichs und des neuen Prinzipats seinem Sohn (Pippin des Jüngeren) und seinem Enkel (Karl der Große) in entscheidender Weise einen Weg geebnet, der schließlich sowohl in die deutsche wie in die französische Geschichte geführt hat. Der Nachwelt wurde sein geschichtliches Bild freilich zwiespältig: die bewundernden Beinamen Tudes, Tudites, Martellus, aber auch die Verdammung des Kirchenräubers begegnen seit dem späteren 9. Jahrhundert in schroffem Widerspruch zueinander.

    Literatur
    Regg. Imp. I, dazu Heidrich, s. L, S. 240-42, 271-73; Jbb. d. Fränk. Reiches 714-41, K. M., 1869; Reinh. Schneider, Königswahl u. Königserhebung im FrühMA, 1972, S. 176-83 (zu d. Merowingerkönigen d. Zeit Karls); - Zur Titulatur: I. Heidrich, Titulatur u. Urkk. d. karoling. Hausmeier, in: Archiv f. Diplomatik 11/12, 1965/66, S. 71 ff., passim; U. Nonn, in: Rhein. Vj.bll. 37, 1973, S. 107-16; zu Beinamen u. Gesch.bild: U. Nonn, in: Frühma. Stud. 4, 1970, S. 70-137. - siehe auch Literatur zu, zum, zur Karl d. Gr. u. Karolinger.



    Grab Karl Martells in St. Denis

    Grab Karl Martells in St. Denis


    Name:
    ("der Hammer")

    Gestorben:
    15. oder 22.10.741 Pfalz Quierzy

    Karl heiratete Chrotrud. Chrotrud wurde geboren um 690; gestorben in 725. [Familienblatt] [Familientafel]


  2. 9.  Chrotrud wurde geboren um 690; gestorben in 725.

    Notizen:

    Chrotrud
    um 690 - 725

    Hlawitschka Eduard: Seite 78, "Die Vorfahren Karls des Großen"

    32 Chrodtrud - (Ruodhaid)

    Chrodtrud wird in keiner erzählenden Quelle und in keiner Urkunde ausdrücklich als Gemahlin Karl Martells erwähnt. Da jedoch in der Gruppe der älteren karolingischen Annalen (Ann. Moselani, Ann. Laureshamenses, Ann. Petaviani, Ann. Nazariani), die dem KAROLINGER-Hause bekanntlich sehr nahe stehen, zu 725 Chrothrud mortua bzw. Hrottrudis mortua bzw. Chrotrudis mortitur überliefert wird (MG. SS. 16, Seite 494, MG. SS. 1, Seite 24, 9, 25) und andererseits Karl Martell gerade im nämlichen Jahr 725 von einem Feldzug nach Bayern Swanahild mitbringt, die er dann zur Gemahlin nimmt, hat man seit A. Valesius (1638) und J. Mabillon (1703) geschlossen, daß diese Chrodtrud Karl Martells erste Gemahlin gewesen sein müsse; vgl. H. Hahn, Jahrbücher des Fränkischen Reiches 741-752, Berlin 1863, Seite 1f., und Th. Breysig, Jahrbücher (wie in Nr. 18), Seite 9. Hahn hat außerdem zur Stützung dieser These auf die Wiederholung des Namens Chrodtrud bei einer Tochter KARLS DES GROSSEN hingewiesen.
    Alle Zweifel werden meines Erachtens durch einen Eintrag ins Reichenauer Verbrüderungsbuch beseitigt. Dort findet man an der Spitze der Nomina defunctorum, qui presens coenobium sua largitate fundaverunt, die folgenden Namen: Karolus maior domus - Pippin rex - Karlomannus maior domus - Karolus imperator - Karlomannus - Karolus rex - Pippinus rex - Bernardus rex - Ruadtraud - Ruadheid - Suanahil regina - Berhta regina - Hiltikart regina - Fastrat regina - Liutkart regina - Ruadheid (danach Rasur) - Hirminkar regina; MG. Libri confrat., Seite 292, Spalte 460. Hier handelt es ganz augenscheinlich um Karl Martell, König Pippin, dann dessen älteren Bruder Karlmann, schließlich um KARL DEN GROSSEN und seinen Bruder Karlmann, um KARLS DES GROSSEN Söhne Karl und Pippin sowie KARLS Enkel Bernhard von Italien. Die Frauenreihe ist nach Suanahil regina (!), der zweiten Gemahlin Karl Martells, auch übersichtlich. Es handelt sich um Gemahlinnen einiger der oben angeführten Männer, und zwar um Swanahild (die freilich niemals echte regina war) als zweiter Gemahlin Karl Martells, Berta als Gemahlin König Pippins, Hildegard, Fastrada und Liutgart als Gemahlinnen KARLS DES GROSSEN, Irmingard, die 818 verstorbene Gemahlin des zur Anfertigung des Eintrages noch lebenden LUDWIGS DES FROMMEN, und bei Ruadheid, nach deren Namen man das gleichfalls eingetragene regina wieder tilgte, wohl um die gleichnamige Schwester oder Tochter KARLS DES GROSSEN (nach L. Levllain, La charte de Clotilde [Bibliotheque de l'Ecole des Chartes 105, 1944], Seite 48-63, um die Gemahlin Pippins von Italien; mit der Annahme, daß diese Zusammenstellung von Abt Adalhard von Corbie (Nr. 51) verfertigt sei, geht er jedoch bei seinem Deutungsversuch jedoch von falschen Voraussetzungen aus, wodurch gerade jene Zuweisung hinfällig wird). Da somit in der Liste auch eine generationsmäßige Abfolge eingehalten zu sein scheint, kann die an der Spitze der Frauen stehende Ruadtrud nur mit dem an der Spitze der Männer stehenden Karl Martell in Verbindung gebracht und als Karl Martells erste Gemahlin betrachtet werden. Zumal nun außerdem feststeht, daß Karl Martells Söhne Bernhard, Hieronymus und Remedius/Remigius weder Vollgeschwister Karlmanns und König Pippins (Nr. 45 und 48) noch Vollgeschwister Grifos (Nr 41) waren, Karl Martell also neben der hiermit gesicherten Chrodtrud und neben Swanahild noch eine Nebenfrau gehabt haben muß, wird man nicht fehlgehen, wenn man jene in der an zweiter Stelle unter den Frauen der Reichenauer Liste stehenden Ruadheid zu erkennen meint. Dabei darf man darauf verweisen, daß dann der Name Ruadheid auch bei einer Schwester KARLS DES GROSSEN (Nr. 60) sowie bei einer Tochter KARLS DES GROSSEN (Einhard, Vita Karoli c.18) wieder auftaucht. - Auf Chrodtruds Abstammung könnte etwas Licht fallen, wenn man jenen propinquus Karl Martells namens Wido, der Laienabt von St. Wandrille war und 739 wegen Hochverratsabsichten hingerichtet wurde (Gesta abb. Fontanell. c. 11, MG. SS. 2, Seite 284f.), als einen nahen Verwandten Chrodtruds oder mit A. Halbedel, Fränkische Studien (wie in Nr. 4), Seite 29 Anmerkung, gar als Schwager Karl Martells ansehen und H. Schreibmüller, 'Die Ahnen Kaiser Konrads II. (Herbipolis jubilans, Würzburg 1952), Seite 201, jenen wiederum in das bekannte Geschlecht der WIDONEN einordnen dürfte. Sichere Anhaltspunkte hierfür liegen jedoch keineswegs vor.

    Schieffer Rudolf: "Die Karolinger"

    Seine Gattin Chrodtrud aus nicht näher bekanntem Adel tritt in keiner seiner Urkunden und in keiner erzählenden Quelle als mithandelnd in Erscheinung und wird überhaupt nur anläßlich ihres Todes (725) in verschiedenen Annalen vermerkt; sie hat an Karls Seite gewiß keine mit Plektrud vergleichbare Rolle gespielt. Von ihren Söhnen Karlmann und Pippin (dem Jüngeren), die sie neben einer Tochter Hiltrud gebar, findet sich lediglich der ältere 723 einmal mit seinem Handzeichen in einer Urkunde des Vaters (und ist damit wohl damals als erwachsen bezeugt), doch blieb er ebenso wie Pippin vor dem Tode Karls ohne jede offizielle Funktion. Während unter den Abkömmlingen der Stiefmutter Plektrud einzig der erwähnte Hugo (+ 730) als Inhaber bedeutender neustrischer Bistümer und Abteien zu einer führenden Stellung kam, war Karls illegitimer Halbbruder Childebrand, der über Besitz in der Gegend von Melun verfügte, bloß mit einem regionalen Kommando in Burgund und dem Grafentitel ausgestattet. Er hat sich eher einen Namen dadurch gemacht, dass er später eine Fortschreibung des sogenannten Fredegar zu "einer Familienchronik des karolingischen Hauses" (W. Levison) für die Jahre 736 bis 751 veranlaßt und darin mit seinem Sohne Nibelung auch noch einen Nachfolger für die Zeit bis 768 fand. Erst recht im Hintergrund standen drei weitere Söhne Karls namens Bernhard, Hieronymus und Remedius (Remigius), die er von einer Nebenfrau mit dem vermutlichen Namen Ruodhaid hatte. Alle Fäden liefen, so scheint es, mehr als 20 Jahre lang bei dem Hausmeier zusammen, der allerdings insofern der politischen Tradition seines Hauses treu blieb, als er die bloße Institution des Königtums auch weiterhin nicht antastete.
    Ein folgenschwerer Unterschied zu Pippin lag ferner darin, dass sich Karl Martell keineswegs mit dem Gewinn der Vorherrschaft in der Francia begnügte, sondern sogleich daran ging, seine Macht nach allen Richtungen hin zu erweitern, bis an die äußeren Grenzen des MEROWINGER-Reiches und womöglich noch darüber hinaus. Diese Expansionspolitik ergab sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit aus den Erfahrungen der Sukzessionskrise nach 714, in die von der Peripherie her Friesen, Sachsen und Aquitanier gegen Karl und seine Austrier eingegriffen hatten. Offenkundig war zudem geworden, dass die auf Distanz zu den Hausmeiern bedachten rechtsrheinischen Herzöge leicht versucht waren, sich mit innerfränkischen Rivalen der KAROLINGER zu verbünden oder ihnen zumindest Rückhalt und Zuflucht zu gewähren.






    oo 1. Karl Martell um 688-15. oder 22.10.741


    Kinder:

    1. Ehe
    - Pippin III. der Kleine 714-24.9.768
    - Karlmann um 707-17.8.754
    - Chiltrudis (Hiltrud) um 715 - 754
    oo Odilo Herzog von Bayern um 715 - 748




    Literatur:
    Dahn Felix: Die Franken. Emil Vollmer Verlag 1899 - Illig Heribert: Das erfundene Mittelalter. Die größte Zeitfälschung der Geschichte. ECON Verlag GmbH, Düsseldorf und München 1996, Seite 360 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien 1976, Seite 53 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 55,62 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 40, 42,49,81 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 97 - Werner Matthias: Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1982, Seite 271,311 -

    Kinder:
    1. Karlmann wurde geboren um 707; gestorben am 17 Aug 754 in Vienne [38200],Isère,Rhône-Alpes,Frankreich; wurde beigesetzt in Cassino [03043],Frosinone,Latium,Italien.
    2. 4. Pippin III. wurde geboren in 714 in Jupille-sur-Meuse [4020],Wallonien,Belgien; gestorben am 24 Sep 768 in Paris [75001],Paris,Île-de-France,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.
    3. Hiltrud wurde geboren um 715; gestorben in 754.

  3. 10.  von Laon, Heribert (Sohn von Bertrada); gestorben nach 721.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Laon [02020],Aisne,Picardie,Frankreich; Graf von Laon

    Notizen:

    Heribert Graf von Laon
    † nach 721
    Sohn eines namentlich unbekannten Vaters und der Bertrada der Älteren, Tochter von Seneschall Hugobert

    Hlawitschka Eduard: Seite 79, "Die Vorfahren Karls des Großen."

    34 Heribert

    Dieser war Graf von Laon (vgl. bei Nr. 49) und wird als Sohn Bertradas der Älteren in der Prümer Stiftungsurkunde vom Jahr 721 und in einer Echternacher Urkunde vom gleichen Jahr bezeugt; H. Beyer, Mittelrheinisches Urkundenbuch 1 (wie in Nr. 26), Nr. 8, Seite 10ff., und C. Wampach, Echternach 1, 2 (wie in Nr. 4), Nr. 33, Seite 77. - Über den Vater Heriberts wie auch über Heriberts Gemahlin und eventuelle Geschwister ist nichts bekannt. Ob jene Weta, Gemahlin eines Autcar, die (in unbestimmter Zeit zwischen 762 und 804) in Diedendorf/Eifel eine ihr de parte genetricis ... Bertradane überkommen Hofstätte innehatte und an Prüm überließ (H. Beyer, Nr. 14, Seite 17f.), eine Tochter Bertradas der Älteren und somit Schwester Graf Heriberts von Laon war, und ob jener Autcar wiederum der Graf bzw. dux Autcar gewesen ist, der - durch seine italienischen Legationen für König Pippin bekannt - 771 mit König Karlmanns Witwe zu König Desiderius nach Italien floh und dort 774 in Verona in KARLS DES GROSSEN Gefangenschaft geriet (so meinen A. Halbedel, Fränkische Studien, Seite 54, E. Ewig, Trier im Merowingerreich, Trier 1954, Seite 138 Anm. 156, und andere) muß offenbleiben. Der Prümer Stiftungsurkunde von 721 fehlt jeder Hinweis auf eine Tochter Bertradas der Älteren, und die angeführte Weta-Urkunde entbehrt dazu jeden Anzeichens von Nobilität Autcars und Wetas, was man sich bei Königsverwandten, die sie damals sonach schon gewesen sein müßten, nur schwer vorstellen kann. - A. Halbedels Versuch, eine Oda/Uta als Gemahlin Heriberts und beide auch noch als Eltern eines Rotgar, eines Rothard und eines Hagen zu erweisen, die in der deutschen Sagenwelt markante Stellungen einnehmen (Fränkische Studien, Seite 20 Anm. 17, Seite 24, 54ff., 108ff.), sowie einen Theudegar als Vater jener Oda zu bestimmen (Seite 74ff.) und anderes mehr, verdient kaum weitere Beachtung.

    Werner Karl Ferdinand: Seite 105, "Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls des Großen."

    Ein ganz unzweifelhafter und zugleich bedeutsamer Fall merowingischer Abkunft ist mit dem Haus des Grafen Charibert von Laon gegeben, dessen Tochter Bertha Pippin III. zur Frau nahm. Bertha/Bertrada ist ein Name, den schon merowingische Prinzessinnen trugen, und ebenso merowingisch wie Charibert ist der Königsname Theuderich, Leitname eines weitverzweigten Geschlechts der Charibert/Theuderich. Besitz dieses Hauses in Prüm und im Mosel-Saar-Raum, bildet gewiß keinen Anlaß, an ursprüngliche Zugehörigkeit zum Adel des Maas-Mosel-Raumes, überhaupt zur austrasischen Aristokratie denken. Vielmehr wird man das Motiv des karolingischen Ehebündnisses, das Interesse anzunehmen haben, den Anhang in Neustrien zu verstärken. Eben dort ist aber auch die Nachkommenschaft, die unabhängig von der karolingischen Verbindung die Namen Heribert, Theuderich und die dazu gegebene Variationen trägt, vor allem nachzuweisen. Es handelt sich hier also um neustrischen Adel merowingischer Abkunft, der durch das politische Bündnis mit den KAROLINGERN nicht nur seine eigenen Besitzungen behielt, sondern wichtige honores und Domänen in anderen Reichsteilen dazugewann.

    Fleckenstein Josef: Seite 24, "Fulrad von Saint-Denis und der fränkische Ausgriff in den süddeutschen Raum."

    Charibert - Haribert dürfte der Bruder des Ripuarier-Grafen Theoderich gewesen sein. Es ist bekannt, dass seine Verwandtschaft mit den KAROLINGERN auf die Ehe des "Stammvaters" mit Alda, einer Tochter Karl Martells, zurückgeht.





    oo N.N.

    Kinder:

    - Bertrada die Jüngere um 725 † 4.7.783
    744 oo Pippin III. der Kleine 714 † 24.9.768



    Literatur:
    Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 57 - Fleckenstein Josef: Fulrad von Saint-Denis und der fränkische Ausgriff in den süddeutschen Raum. In: Studien und Vorarbeiten zur Geschichte des Großfränkischen und frühdeutschen Adels Eberhard Albert Verlag Freiburg im Breisgau 1957, Seite 24 - Hlawitschka Eduard: Die Vorfahren Karls des Großen. In: Braunfels Wolfgang: Karl der Große Lebenswerk und Nachleben. Verlag L. Schwann Düsseldorf Band I Seite 79 - Werner Karl Ferdinand: Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls des Großen. in: Braunfels Wolfgang: Karl der Große Lebenswerk und Nachleben. Verlag L. Schwann Düsseldorf Band I Seite 105 - Werner, Matthias: Adelsfamilien im Umkreis der frühen Karolinger. Die Verwandtschaft Irminas von Oeren und Adelas von Pfalzel. Personengeschichtliche Untersuchungen zur frühmittelalterlichen Führungsschicht im Maas-Mosel-Gebiet, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1982 Seite 31,39,87,111,201,210,236-238-240-268-270-272-274 -

    Kinder:
    1. 5. von Laon, Bertrada wurde geboren um 725; gestorben am 4 Jul 783 in Choisy-au-Bac [60750],Oise,Picardie,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.

  4. 14.  Hnabi wurde geboren um 710 (Sohn von Huoching); gestorben in 785/788.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Alamannien ; Herzog der Alamannen
    • Genannt: um 724, Reichenau [78479],Konstanz,Baden-Württemberg,Deutschland; Mitbegründer des Klosters Reichenau

    Notizen:

    Hnabi Herzog der Alemannen
    um 710/15 + 785/88
    Sohn des Alamannen-Prinzen Huoching und Enkel des Herzogs Gotfrid aus dem Hause der AGILOLFINGER

    Mitterauer Michael: Seite 8, "Karolingische Markgrafen im Südosten"

    Hnabi war um 724 Mitbegründer des Klosters Reichenau.
    In der neueren Forschung werden allerdings Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben laut. Hnabi ist getrennt von den übrigen als Angehörigen des alemannischen Herzogshauses bezeugten Personen im Reichenauer Verbrüderungsbuch eingetragen. Es erscheint daher fraglich, ob Huoching wirklich ein Sohn Herzog Gotfrids war. Möglicherweise ist aus seinem Namen und dem seines Sohnes Hnabi eine Abstammung der Familie aus dem Maas-Mosel-Gebiet zu erschließen. Solange sich jedoch diese Hypothese nicht weiter untermauern läßt, wird an der von Thegan überlieferten Ableitung festgehalten werden müssen. Für sie lassen sich auch einige Argumente aus der Namensbung der Familie erbringen. Hnabi hatten einen Sohn Roadbert, der seit 770 als Graf im Hegau erschien. Chrodebert aber hieß auch einer der alemannischen Stammes-Herzoge des siebenten Jahrhunderts.
    Er erbte von seinem Onkel Odilo das Albisgebiet.

    Borgolte Michael: Seite 184, "Die Grafen Alemanniens"

    NEBI
    belegt als Verstorbener + vor 769/70/72/73 VIII 9

    Beleg mit comes-Titel: Das Verbrüderungsbuch der Abtei Reichenau 115B5

    Belege ohne comes-Titel:
    Vita Galli confessoris triplex 319 cap. II.10 (Vita s. Galli, ed. Meyer von Knonau 66 cap. 51; Duft, Sankt Otmar 40-43; mit dux-Titel), Herimanni Augiensis Chronicon 98 ad a. 724 (mit princeps-Titel), Chronik des Gallus Öhem 9, W I Nr. 57 (= ChLA I Nr. 71), Thegan, Vita Hludowici 590 f. cap. 2

    Literatur:
    Stälin, Geschichte I 226,243 - Brandi, Die Reichenauer Urkundenfälschungen 105 - Bauer, Gau und Grafschaft 75f. - Mayer, Die Anfänge der Reichenau 327-339 - Dienemann-Dietrich, Der fränkische Adel 184f. - Siegwart, Zur Frage 235,247, 249-251 - Duft, Sankt Otmar 71f. - Lacher, Die Anfänge der Reichenau 114-120 - Prinz, Frühes Mönchtum in Südwestdeutschland 71 A. 132,74f. - Behr, Das alemannische Herzogtum 179-186 - Jänichen, Nebi und Berthold - Wenskus, Sächsischer Stammesadel 60f.,423,497-500 - Walther, Fiskus Bodinan 232-235 - Jarnut, Untersuchungen 23-28 - Borgolte, Geschichte der Grafschaften Alemanniens, Kap. I

    In der Liste der verstorbenen Wohltäter im Verbrüderungsbuch der Reichenau hat eine anlegende Hand Nebi comis unter Grafen eingetragen, die in der zweiten Hälfte des 8. und am Beginn des 9. Jahrhunderts urkundlich nachgewiesen sind (Ruthard, Wararin, Scopo, Chancor, Isanbard). Für die nähere Bestimmung Nebis ist besonders wichtig, dass auf ihn Ruadb(er)t comis folgt (115B5; vgl. auch Art. Gerold I). Diese Namensequenz findet nämlich eine Entsprechung in der St. Galler Traditionsurkundee, die Rotbertus comes, filius Hnabi condam, ausgestellt hat (W I Nr. 57). Wenn der Vater Ruadberts (I), wie die Forschung wohl zurecht annimmt, mit Nebi identisch war, muß dieser am 9. August 769,770,772 oder 773 bereits verstorben gewesen sein. Nebi glaubt man, auch mit jenem Nebi/Nebe gleichsetzen zu können) den Thegans Genealogie der Königin Hildegart als Großvater der zweiten Gemahlin KARLS DES GROSSEN, Vater der Imma, aufführt. Tatsächlich ist auch diese Identifikation gerechtfertigt, da Ruadbert (I) neben den als Söhne der Imma und Brüder Hildegards belegten Grafen Udalrich (I) und Gerold (II) auch im Anlageeintrag des St. Galler Gedenkbuches stehen dürfte. Nebi war also mütterlicherseits der Urgroßvater LUDWIGS DES FROMMEN.
    Thegan leitet Nebi über Huoching von dux Gotefridus ab; Hildegart wäre somit eine Nachfahrin des alemannischen Herzogs Gottfried gewesen. Gegen diese Version der Herkunft Hildegarts hat Mayer darauf hingewiesen, dass Nebi im Reichenauer Verbrüderungsbuch nicht in der Umgebung der altalemannischen Herzogsfamilie (115B1-2), sondern unter karolinger-zeitlichen Grafen, und zwar keineswegs an hervorragendem Platz, eingetragen sei (vgl. aber jetzt Jarnut 26).
    Etwa zur selben Zeit, zu der der Trierer Chorbischof seine Biographie des zweiten Kaisers aus karolingischem Hause verfaßte, überarbeitete Walahfrid Strabo die Miracula des hl. Gallus. Die Vorlagen Walahfrids sind verloren, so dass die Zutaten des Reichenauer Mönchs und Hofgelehrten nicht mehr mit Sicherheit zu ermitteln sind. Von der Neugründung St. Gallens (um 719) erzählt Walahfrid, dass Waldram von dem comes Viktor von Chur den Priester Otmar erbeten habe, dem er die Galluszelle übertragen wollte. Als dies geschehen war, soll Waldram auf den Rat ducis nomine Nebi zu Karl Martell gezogen sein und diesem die Zelle proprietatis iure übergeben haben. Der princeps Karl habe auf Waldrams Bitte hin dem Otmar St. Gallen anvertraut und diesen beauftragt, dort ein reguläres (Mönchs-)Leben einzurichten (Vita Galli confessoris triplex 319). Diese Schilderung der Anfänge des Otmarsklosters ähnelt dem Bericht, den Hermann der Lahme im 11. Jahrhundert von der Gründung der Reichenau gibt. Zum Jahr 724 heißt es in Hermanns Weltchronik: Sanctus Pirminius abbas et chorepiscopus a Berhtoldo et Nebi principibus ad Karolum ductus, Augiaeque insulae ab eo praefectus, serpentes inde fugavit, et coenobialem inibi vitam instituit annis 3 (Herimanni Augiensis Chranicon 98; vgl. Chronik des Gallus Öhem 9).
    Bei der Beurteilung der beiden Erzählungen wird man feststellen können, dass mit dem dux bzw. princeps Nebi sicherlich Nebi gemeint war. Der Name ist, zumindest in Alemannien, sehr selten, und eine Aktivität Nebis im Bodenseegebiet um 720 läßt sich mit dem urkundlichen Zeugnis aus St. Gallen und mit dem Gedenkbucheintrag aus Reichenau durchaus vereinbaren. Das heißt jedoch noch nicht, dass die Nebi zugeschriebene Rolle bei den Klostergründungen gesichert wäre. In seine Kritik Thegans h hat Mayer auch Walahfrid einbezogen und auf mögliche Kontakte beider Autoren am KARLS-Hof hingewiesen. Hier kann man Mayer, aber nicht vollständig folgen. Zwar fällt auf, dass Walahfrid Nebi als dux bezeichnet, doch laßt sich Mayers Annahme, der Reichenauer sei von Thegan der möglichen Tendenz nach abhängig, nicht beweisen. Walahfrids Werk, das 833/34 entstanden sein soll (Krusch, Vita Galli confessoris triplex 234), hat zumindest die Priorität gegenüber Thegans Vita (um 837/38, s. Wattenbach-Levison-Löwe III 333). Außerdem darf man nicht übersehen, dass die Miracula s. Galli nicht für den Hof bestimmt waren und Walahfrid Nebis Namen jedenfalls nicht explizit mit Hildegart in Verbindung bringt. Man muß deshalb wohl die Möglichkeit offenhalten, dass Nebi, wenn auch vielleicht nicht als dux, doch mit Otmar zu tun gehabt hat (vgl. auch Duft und zuletzt Jarnut 26f.).
    Dagegen darf man wohl Prinz (vgl. Brandi) gegen Mayer (339) zustimmen, dass Hermanns Zeugnis über Nebis Beteiligung an der Gründung Reichenaus kaum verläßlich erscheint. Mit Recht hat Prinz darauf hingewiesen, dass Hermann mit dieser Tradition in Reichenau allein steht (s.a. Art. Bertold I) und die Anklänge an die Miracula S. Galli auf literarische Abhängigkeit schließen lassen (anders Jarnut 27).
    Trennt man Nebi mit Mayer von der Nachkommenschaft Herzog Gottfrieds, dann erhebt sich die Frage, ob er überhaupt alemannischer Abstammung war. In diesem Sinne hat Siegwart (249-251) Nebis Herkunft aus dem Mittelrheingebiet zu erweisen gesucht. Die Identifikation mit einem in den Lorscher Urkunden mehrfach bezeugten Nebi/Nebo ist aber nicht gelungen. Die Gemahlin dieses Nebi, Herswind, glaubte Siegwart im Reichenauer Verbrüderungsbuch in der Umgebung des alemannischen Herzogs Lantfrid wiederzufinden (115B2: Heresint), doch ließ er dabei unerklärt, weshalb dann hier Nebi fehlt. Der von Lacher, (116) angedeutete Ausweg, es sei eben Herswind gewesen, die dem Herzogshaus entstammte, überzeugt nicht; der Widerspruch zu Thegan bleibt dabei bestehen. Vom Namen her haben Dienemann-Dietrich und neuerdings wieder Wenskus (bes. 497-500) Nebi in den Zusammenhang mit dem historischen Geschlecht der NIBELUNGEN gebracht. Jänichen hat zuletzt die Überlieferung von dem Vater-Sohn-Paar Hoc (Hocing) - Hnaef in altenglischen Literaturdenkmälern (Beowulf, Finnsburg-Fragment, Widsid) ausgewertet; er glaubte erweisen zu können, dass Huoching - Nebi das historische Vorbild für die sagenhaften Helden abgegeben hätten.
    Welche Aufgaben Nebi im Verfassungsleben Alemanniens wahrgenommen hat, ist ungewiß. Die Tatsache, dass sich sein Sohn Ruadbert (I) um 770 in der alten Herzogsresidenz Überlingen aufhielt, könnte dafür sprechen, dass er hier - als alemannischer M Magnat mit oder ohne Herzogsverwandtschaft - vor dem karolingischen Zugriff von ca. 760 Herrschaftsrechte ausgeübt hatte. Auch Ruadberts Besitz im Aitrachtal scheint auf Nebi zurückzugehen (Borgolte). Siegwart (235, 247) hielt Nebi für den Erben herzoglichen Grundbesitzes am Albis, der Nebi von dem Bayern-Herzog Odilo überkommen sein soll.

    Thegan: Seite 217, "Das Leben Kaiser Ludwigs. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band V."

    2. Als dieser im Jugendalter stand, verlobte er sich mit einer Jungfrau aus edelstem schwäbischen Geschlecht, Namens Hildigard, von der Sippe des Alamannen-Herzogs Gotefrid. Herzog Gotefrid zeugte den Huoching, Huoching zeugte Nebi; Nebi die Imma; Imma aber gebar die selige Königin Hildigard. Nachdem nun der genannte Kaiser sie zur Ehe genommen hatte, zeugte er mit ihr drei Söhne, von denen einer den Namen seines Vaters Karl, der andere Pippin, der König über Italien war, der dritte aber Ludwig hieß, der König über Aquitanien war. Lange lebte ihr Vater mit ihnen glücklich und unterrichtete sie nützlich in den freien Wissenschaften und weltlichen Gesetzen.

    oo Hereswind
    Kinder:
    - Roadbert (Robert I.)
    - Imma
    oo Gerold Graf im Kraichgau † 784/86

    Literatur:
    Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986 Seite 69,120,184,216-218,224 - Mitterauer Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten. Archiv für österreichische Geschichte Band 123. Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln 1963 Seite 8 - Thegan: Das Leben Kaiser Ludwigs. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band V Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1974 Seite 217 - Wenskus Reinhard: Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel. Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1976 Seite 60f.,423,497-500 -

    Name:
    Nebi

    Hnabi heiratete Hereswind. [Familienblatt] [Familientafel]


  5. 15.  Hereswind
    Kinder:
    1. Roadbert I. gestorben um 786.
    2. 7. Imma wurde geboren um 730; gestorben nach 784.