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 Bohrer

von Frankreich, Ludwig III.

männlich um 863 - 882  (19 Jahre)


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Generation: 1

  1. 1.  von Frankreich, Ludwig III. wurde geboren um 863 (Sohn von von Frankreich, Ludwig II. und von Burgund, Ansgard); gestorben am 5 Aug 882 in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: 879-882, Frankreich; König von Frankreich

    Notizen:

    Ludwig III. König von Frankreich (879-882)
    um 863-5.8.882 St. Denis Begraben: St-Denis

    Ältester Sohn des Königs Ludwig II. der Stammler von Frankreich aus seiner 1. Ehe mit der Ansgard von Burgund, Tochter von Graf Harduin

    Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 2176

    Ludwig III., westfränkischer König 879-882
    + 5. August 882 St-Denis Begraben: St-Denis
    Sohn König Ludwigs II. und Ansgards

    Führende Adelsgruppen unter Hugo Abbas und Gauzlin ermöglichten nach dem Tod Ludwigs II. die Nachfolge der Söhne Ludwig III. und Karlmann. Der Weihe im September 879 durch Erzbischof Ansegis von Sens in Ferrieres folgten Verträge mit König Ludwig dem Jüngeren (Abtretung des westlichen Lotharingien, Ribemont) und im März 880 eine Reichsteilung in Amiens (Ludwig III. erhielt Franzien und Neustrien, Karlmann den Süden) zur Sicherung des durch Ansprüche Hugos und Bosos von Vienne gefährdeten Königtums. In seiner kurzen Regierung konnte Ludwig III. die Normanneneinfälle im Sieg von Saucourt (3. August 881) nur zeitweise abwehren.

    Quellen:
    Recueil des actes de Louis II le Begue, L. III et Carloman II, rois de France, ed. R.-H. Bauthier u. a., 1978 -

    Literatur:
    K. F. Werner, Gauzlin v. St. Denis und die westfrk. Reichsteilungen v. Amiens (März 88), DA 35, 1979, 395-462 - Ders., Hist. de France, I, 1984, 417-419 -
    Ludwig III. wurde auf Vorschlag Hugos des Abtes von seinem Vater entgegen dem fränkischen Teilungsprinzip als alleiniger König vorgesehen, wogegen die Gruppe um Gauzlin von Saint-Denis mit Hilfe des O-Franken-Königs Ludwigs des Jüngeren durchsetzen konnte, dass Ludwig gemeinsam mit seinem Bruder Karlmann zum König erhoben wurde. Zur gleichen Zeit wurde in Burgund der Graf Boso von Vienne von den Großen zum König ausgerufen, was praktisch die Lostrennung dieses Gebietes bedeutete. Im Vertrag von Ribmont (880) mußte Ludwig auf den W-Teil Lothringens verzichten. Am 3.8.881 besiegte Ludwig III. die Normannen bei Sancourt (Pikardie).

    Schieffer Rudolf: "Die Karolinger"

    Gegen die von Hugo dem Abt beim König durchgesetzte alleinige Nachfolge Ludwigs III. gingen sogleich nach Eintreten des Erbfalls Gauzlin von Saint-Denis sowie der welfische Graf Konrad von Paris, ein Vetter Hugos des Abtes, mit weiteren Repräsentanten der Franci vor, indem sie Ludwig denn Jüngeren von O-Franken auf den Plan riefen und mit ihm in Verdun zusammentrafen. Ihr Angebot an den - nach Karlmanns Erkrankung - ältesten handlungsfähigen und vollbürtigen KAROLINGER, auch bei ihnen die Herrschaft zu übernehmen, stand in der Tradition solcher "Einladungen" seit den 850-er Jahren und bezweckte anstelle der angebahnten Sulzession konkret, "entweder eine gewaltsame andere Lösung zu erzwingen oder aber Hugo den Abt und seine Partei zum Nachgeben, zum Herausgeben eines der beiden Prinzen, zu bewegen" (K.F. Werner). Eine spezifische Loyalität gegenüber dem westfränkischen Zweig des Hauses oder legitimistische Vorbehalte gegenüber den Sprößlingen einer aufgelösten Ehe waren offenbar kein Thema.
    Der Schachzug zeitigte in der Tat Wirkung: Noch im Mai 879 ließ Hugo Ludwig dem Jüngeren, um ihn von weiterem Vormarsch abzuhalten, die Abtretung der in Meersen erworbenen W-Hälfte Lotharingiens und die Nachfolge beider westfränkisher Thronerben, also auch des 13-jährigen Karlmann, zusichern. Mit der Ausführung hatte er es nach Ludwigs Abzug weniger eilig, doch kam es im September immerhin zur Krönung der jungen Könige im Kloster Ferrieres durch Erzbischof Ansegis von Sens, kaum zufällig eben in den Tagen, da die Königin Adelheid am 17.9. den postumen Sohn des Stammlers zur Welt brachte, der nach dem kaiserlichen Großvater KARL genannt wurde. Dessen ungeachtet hielt Hugo der Abt weiter an seinem faktischen Regiment übber ein ungeteiltes W-Franken fest, provozierte den Bruch mit dem ehrgeizigen Boso von Vienne, der sich im Oktober selbst zum König der Rhonelande aufschwang (nun mit Hinweis auf die fehlende Legitimität der Ansgard-Söhne), und forderte schließlich doch noch den Einmarsch Ludwigs des Jüngeren heraus, dessen Heer, verstärkt um die Gefolgsleute Gauzlins, dem seinen im Januar 880 bei Saint-Quentin gegenüberstand. Erst durch diese Zuspitzung fand man zur verbindlichen Form der Einigung, nämlich dem Vertrag von Ribemont (Oise) im Februar, der ganz Lotharingien dem O-Frankenreich zuschlug und den Gegnern Hugos die Machtbeteiligung im W gewährte; seine Konsequenz war die im März in Amiens vollzogene Reichsteilung, bei der Ludwig III. (mit Gauzlin als restituiertem Erzkanzler) die Francia und Nesutrien erhielt, während Karlmann (mit Hugo dem Abt als "Beschützer" und Feldherrn) Burgund, Aquitanien und Gothien zufielen. Die Art, wie sich beide Parteien gegenseitig einen eigenen lenkbaren König abgenötigt hatten, unterschied sich kaum noch vom Umgang der fränkischen Großen des 7. Jahrhunderts mit den späten MEROWINGERN.
    Die Niederringung unerwünschter Konkurrenten im Inneren band jahrelang politische und militärische Energien, die den KAROLINGERN bei der Abwehr eines neuen, alles zuvor Dagewesene übertreffenden Ansturms der Normannen fehlten. Nach einem angelsächsischen Defensiverfolg durch Alfred den Großen (878) setzte die inzwischen zum "Großen Heer" vereinigte Hauptmasse der Feinde im Sommer 879 nach Flandern über, verwüstete den gesamten Schelderaum und richtete sich in Gent als festem Ausgangspunkt auch für winterliche Überfälle ein. Die Konfrontation der westlichen und der östlichen Franken bei Saint-Quentin im Februar 880 spielte sich daher gewissermaßen unter den Augen der Wikinger ab und schlug nach der Einigung augenblicklich um in einen gemeinsamen Aufmarsch gegen die Nordmänner, wodurch eine beutebeladene Gruppe auf dem Rückweg zu ihren Schiffen bei Thimeon in der Nähe von Charleroi gestellt und unter Führung Ludwigs des Jüngeren bezwungen werden konnten. Die Aktion blieb indes einmalig, denn durchweg gingen die Teilkönige und Teilreiche zur Bekämpfung der Eindringlinge weiterhin getrennte Wege. In W-Franken zogen es beide Könige im Sommer 880 vor, gegen Hugo und Boso einzuschreiten, und überließen dem Erzkanzler Gauzlin ein Kontingent zur Verteidigung des N, mit dem er jedoch an der Schelde scheiterte. Neue schwere Verheerungen bis weit ins ungeschützte Landesinnere waren die Folge und bewogen 881 König Ludwig III. zu einer eigenen Anstrengung: Bei Saucourt unweit der Somme-Mündung führte er Anfang August gegen ein größeres Normannenheer einen Überraschungsschlag, bei dem er sich auch durch persönliche Tapferkeit auszeichnete. Der Erfolg war alles andere als kriegsentscheidend, doch zeigt seine zeitgenössische Verherrlichung im volkssprachigen Ludwigslied was mit beherztem Vorgehen gegen die beutegierigen Heiden an königlichem Prestige zu gewinnen war.
    Am 5.8.882 kam der junge, unvermählte König infolge eines Unfalls, den er in Tours erlitt, wie berichtet wird, bei der scherzhaften Verfolgung einer Adelstochter zu Tode.

    Literatur:
    Dümmler Ernst: Die Chronik des Abtes Regino von Prüm. Verlag der Dykschen Buchhandlung Leipzig Seite 66,67,75 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 15,20,61 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996, Seite 23,25,86 - Eickhoff Ekkehard: Theophanu und der König. Otto III. und seine Welt. Klett-Cotta Stuttgart 1996, Seite 262 - Fried Johannes: König Ludwig der Jüngere in seiner Zeit. Zum 1100. Todestag des Königs. Vortrag, gehalten in Lorsch am 18. November 1982 - Hlawitschka, Eduard: Adoptionen im mittelalterlichen Königshaus, in: Schulz Knut: Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Festschrift für Herbert Helbig zum 65. Geburtstag, Köln Seite 1-32 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 21,28,29,35,61,90-92,208,221-225,227,229,230-237 - Hlawitschka, Eduard: Nachfolgeprojekte aus der Spätzeit Kaiser Karls III., in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka, Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Bern - New York - Paris, Seite 123-155 - Hlawitschka, Eduard: Vom Frankenreich zur Formierung der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft 840-1046, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1986 - Hlawitschka, Eduard: Vom Frankenreich zur Formierung der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft 840-1046, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1986 - Holtzmann Robert: Geschichte der sächsischen Kaiserzeit. Deutscher Taschenbuch Verlag München 1971, Seite 57 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 249,252,360 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 159,171,173-178,180,182,225 -


Generation: 2

  1. 2.  von Frankreich, Ludwig II.von Frankreich, Ludwig II. wurde geboren am 1 Nov 846 (Sohn von von Franken, Karl II. und von Orleans, Irmintrud); gestorben am 10 Apr 879 in Compiegne [60200],Oise,Picardie,Frankreich; wurde beigesetzt in Compiegne [60200],Oise,Picardie,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: 877-879, Frankreich; König von Frankreich

    Notizen:

    Ludwig II. der Stammler
    König von Frankreich (877-879)
    1.11.846-10.4.879 Compiegne Begraben: Compiegne, S. Marien

    Ältester Sohn des Kaisers KARL II. DER KAHLE aus seiner 1. Ehe mit der Irmintrud von Orleans, Tochter von Graf Odo

    Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 2172, Ludwig II. der Stammler, westfränkischer König

    * 1. November 846?, + 10. April 879 Compiegne Begraben: Compiegne, S. Marien
    Sohn KARLS DES KAHLEN

    856 mit einer Tochter Erispoes verlobt und in Neustrien, 867 nach dem Tod Karls des Kinds in Aquitanien als Unterkönig eingesetzt, wurde Ludwig II. der Stammler erst spät (Reimser Hoftag vermutlich 876) vom Vater als Erbe gefördert. Die 877 im Capitulare von Quierzy vor dem zweiten Italienzug KARLS festgelegten Regelungen einer Regierung Ludwigs II. gemeinsam mit dem Adel seiner Umgebung erwies sich bei KARLS Tod als wenig tragfähig. Erst energischer Widerstand der primores regni unter Führung der Äbte Gauzlin und Hugo gegen Ludwigs Vergabe von Grafschaften und Abteien und der Ausgleich mit RORGONIDEN und WELFEN ebneten den Weg für Ludwigs Krönung am 8. Dezember 877 in Compiegne durch Erzbischof Hinkmar von Reims. Das dabei errichtete Vertragsverhältnis (Kommendation des Adels, professio des Königs) und die Formen von Krönung und Weihe prägten die westfränkisch-französischen Herrschererhebung.
    Wegen wiederholter Krankheitsschübe kaum regierungsfähig, blieb Ludwig II. der Stammler auf den Konsens adliger Gruppen angewiesen. Papst Johannes VIII. erkannte Ludwigs mangelnde Idoneität für die Nachfolge im Kaisertum, sicherte aber die königliche Positiion durch eine Befestigungskrönung am 7. September 878 in Troyes; Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit von Ludwigs zweiter Ehe mit Adelheid verhinderten die Krönung der Königin. Im November 878 suchte Ludwig II. der Stammler den Ausgleich mit seinem ostfränkischen Vetter, Ludwig dem Jüngeren, über die Teilung Lotharingiens, Italiens und des burgundisch-provencalischen Raums (Treffen in Fouron); schwer erkrankt, designierte Ludwig II. der Stammler noch seinen Sohn Ludwig III. Die Entscheidung von Adel und Episkopat, die Legitimität der beiden Söhne aus erster Ehe mit Ansgard, Ludwigs III. und Karlmanns, anzuerkennen, erlaubte deren Herrschafstfolge und eine Reichsteilung, verstellte aber vorerst die Herrschaftsansprüche des als Postumus geborenen Karl aus zweiter Ehe.

    Quellen:
    Recueil des actes de L. II de Begue, Louis III et Carlomann II, rois de France, ed. R.-H. Bauthier u.a., 1978 -

    Literatur:
    P. E. Schramm, Der Kg. v. Frankreich, I, 1960², 53ff. - J. Fried, Boso von Vienne oder L.? Der Ks.kandidat Johannes VIII., DA 32, 1976, 193-208 - K.F. Werner, Hist. de France, I, 1984, 417f. - W. Kienast, Die frk. Vasallität, 1960, 414ff. -

    Werner Karl Ferdinand: Seite 453, "Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)"

    IV. Generation 34
    Brandenburg gibt das Geburtsjahr Ludwigs des Stammlers; wir kennen aber auch Tag und Monat aus einer Urkunde des Königs, HF 9,404, vgl. Eiten 178, Anm. 4. Zum Antritt des Königtums in Neustrien im Februar 856 vgl. Tessier nr. 182. Zur gleichzeitigen Verlobung mit der Tochter des Bretonen-Herzogs Erispoe und seiner Gattin Marmohec Tessier nr. 181.
    Vgl. zu Ludwig im übrigen Eiten 177-188, Werner, Untersuchungen 154ff. und die Ann. Bertin. Zu beachten ist die Krönung durch Papst Johannes VIII. auf dem Konzil von Troyes 878 IX 7, vgl. P. E. Schramm, Arch. f. Urk.forsch. 15 (1938), 16. Das bisher unbekannte Todesdatum der Ansgard überliefert ein zwischen 1400 und 1414 geschriebenes Necrologium aus ND de Reims, Vat. Ottob. lat. 2960, dort fol. 129 zu IV. Non. Nov. = XI 2: Ansgardis regina. (Aufschlußreich das regina, lange nach der Trennung ihrer Ehe mit Ludwig.
    Zur Familie der Ansgard Werner a.a.O.). Adelheid, die zweite Gattin, 901 XI 9 noch Intervenientin in einem D ihres Sohnes Karl III. (Lauer nr. 41), starb an einem 18. November. Auch dieses bisher unbekannte Datum fand ich in einer Handschrift der Vaticana, ein Nekrolog-Fragment Reg. lat. 863, fol. 32, dort zu XI 18 Adelaidis regina. Es ist sehr wohl möglich, daß schon der 18. November 901 der Todestag ist, denn die vorher recht häufigen Intervenienzen brechen plötzlich ab.
    Zum Datum der Ehe Adelheids vgl. C. Brühl, Hinkmariana, Deutsches Archiv 20 (1964), 55ff. und hier Exkurs 2, wo zugleich Adelheids Herkunft untersucht wird.
    Ludwig rebellierte mehrmals und erhielt 856 Neustrien (Soissons und Maine) und wurde von der Bretagne unterstützt. 866/67 zum König von Aquitanien erhoben, wurde er Exponent der aquitanischen Unabhängigkeitspartei. 877 in Compiegne zum König von Frankreich erhoben, mußte er der Kirche und den weltlichen Großen die Wahrung ihrer Rechte versprechen. Den weltlichen Großen gegenüber ohnmächtig, suchte er Anlehnung bei der Kirche, deren Einfluß immer größer wurde. Sein schneller Tod und der seiner Söhne, die außerdem minderjährig folgten, förderte entscheidend den Verfall der königlichen Macht, die Feudalisierungstendenz im ganzen Land und die Entwicklung zum Wahlkönigtum.

    Schieffer Rudolf: "Die Karolinger"

    Der mit einem Sprachfehler behaftete älteste Sohn KARLS II. DES KAHLEN wurde 856 mit einer Tochter des Bretonen-Führers Erispoe verlobt und wurde mit einem Unterkönigtum im angrenzenden Neustrien ausgestattet. Im Jahre 862 ehelichte er unter dem Einfluß der aufständischen RORGONIDEN Ansgard, die Tochter des Grafen Harduin, wurde aber von Robert dem Tapferen bezwungen und von KARL DEM KAHLEN in die Grafschaft Meaux eingewiesen, doch hatte er zuvor auch noch eine wesentliche Rolle dabei gespielt, dass sich seine Schwester Judith, die bereits zwei kurze Ehen mit angelsächsischen Königen hinter sich hatte, durch den Grafen Balduin I. von Flandern entführen ließ, womit sich der Vater nur höchst widerwillig abfand. Im Jahre 867 vertraute ihm sein Vater das vakante aquitanische Regnum an. Im Mittelpunkt der Kapitulartien von Quierzy vom Juni 877 steht jedoch die Einsetzung Ludwigs des Stammlers zum Regenten unter Bedingungen, die von massivem "Mißtrauen des Vaters gegen den einzig möglichen Thronerben" (C. Brühl) diktiert scheinen. So wie KARL 872 den längst erwachsenen Sohn in seinem aquitanischen Regnum unter die Kuratel des Grafen Bernhard (Plantapilosa) von Autun, Sohn des einst hingerichteten Bernhard von Septimanien, ferner des gleichnamigen Grafen von Gothien sowie Bosos von Vienne gestellt hatte, unterwarf er auch jetzt Ludwigs Verfügungsgewalt und Bewegungsfreiheit allerhand einschränkenden Bestimmungen, hinter denen das Sicherheitsbedürfnis der tonangebenden Hofkreise um Hugo den Abt und den Erzkanzler Gauzlin zu erkennen. Dazu kam die Abneigung der Kaiserin Richilde, die nach zwei im Säuglingsalter verstorbenen Söhnen weiterhin KARL einen Erben und damit eine dynastische Alternative zu Ludwig hoffte schenken zu können. Falls die Darstellung des Chronisten Regino zutrifft, Ludwig sei von seinem Vater zur Lösung der (von diesem seit jeher mißbilligten) Ehe mit Ansgard und zur Neuvermählung mit jener Adelheid veranlaßt worden, die seit 878 an seiner Seite bezeugt ist, dürfte dies am ehesten um diese Zeit geschehen sein, da Adelheids Vater, der Pfalzgraf Adalhard, ein Urenkel LUDWIGS DES FROMMEN (über dessen Tochter Alpais), gerade in dem Interimsregiment von 877 an führender Stelle erscheint.
    Nach dem Tode seines Vaters in Italien führte zwar kein Weg an KARLS DES KAHLEN einzig überlebendem Sohn Ludwig dem Stammler vorbei, doch begegnete der 31-jährige Thronerbe wie zuletzt beim Vater, so auch in den führenden Hofkreisen um seine Stiefmutter Richilde, den Erzkanzler Gauzlin und den Pfalzgrafen Adalhard massiven Vorbehalten, die in seiner körperlichen Behinderung und mehr noch in seinem von Jugend an glücklosen politischen Agieren begründet waren. Den Versuch Ludwigs, sich im Herbst 877 durch rasche Neuvergabe großer Lehen einen zuverlässigem Anhang zu schaffen, wußten seine mächtigen Gegner sogleich zu vereiteln. Sie gedachten den künftigen König, wenn er denn unvermeidlich war, offenbar dauerhaft unter jener Kuratel zu halten, die KARL DER KAHLE im Sommer beim Abgang nach Italien verordnet hatte, und sahen dafür eine gute Gewähr in Ludwigs Ehe mit Adelheid, Adalhards Tochter, die spätestens jetzt, nach Trennung von der bisherigen Gattin Ansgard, geschlossen wurde und den heranwachsenden Söhnen Ludwig und Karlmann im nachhinein die Vollbürtigkeit nahm. Erst als Ergebnis längerer Verhandlungen kam es zur Übergabe der Insignien und am 8.12.877 zur Weihe und Krönung Ludwigs in Compiegne, die noch einmal Hinkmar vornahm. Aus diesem Anlaß entwickelte der Erzbischof das unter KARL DEM KAHLEN mehrfach erprobte, "Gottes Erbarmen und die Wahl des Volkes" betonende Zeremoniell derart fort, wie es dann für die gesamte weitere Geschichte des französischen Königtums verbindlich blieb, doch verfehlte er die gegebene Situation mit seiner gleichzeitigen Denkschrift an Ludwig, worin er ein kraftvolles Eingreifen gegen die Normannen bei tunlichster Schonung der Besitzungen von Kirche und Adel verlangte. In Wahrheit kam der neue König kaum zur Entfaltung, denn bereits auf einem Feldzug, den er im Frühsommer 878 im Schlepptau Hugos des Abtes gegen die Normannen an der unteren Loire und zugleich gegen Hugos Widersacher aus dem RORGONIDEN-Haus unternahm, erkrankte Ludwig lebensgefährlich und mußte es hinnehmen, dass sich Markgraf Bernhard von Gothien, ein enger Verwandter der Angegriffenen, mit weiter Resonanz im S gegen ihn erhob, während im N Unsicherheit über das Verhalten der ostfränkischen Vettern bestand.
    Dazu kam die gespannte Lage in Italien und die Erwartungen, die der Papst in seiner Bedrängnis durch Sarazenen, innerrömische Gegner sowie die Markgrafen Lambert von Spoleto und Adalbert von Tuszien trotz allem in den Erben KARLS DES KAHLEN setzte. Johannes VIII. floh im Mai 878 über See in die Provence, wo er von Graf Boso von Vienne, dem Schwiegersohn Kaiser LUDWIGS II. und Bruder der Königin Richilde, ehrenvoll empfangen wurde, und ließ sich von ihm weiter in die Francia geleiten mit dem Ziel, dort auf einer großen Synode unter Beteiligung aller KAROLINGER selber neuen Rückhalt zu gewinnen und die bedrohte Stabilität von Reich und Kirche zu festigen, doch erschienen auf der Versammlung, die im August und September in Troyes stattfand, nur die westfränkischen Bischöfe und deren eben wieder genesener König. Ludwig der Stammler erlangte vom Papst eine weitere, bestätigende Krönung, die freilich seiner zweiten Gattin Adelheid wegen des unkanonischen Charakters ihrer Ehe versagt blieb, setzte auch eine Verurteilung seiner politischen Gegner durch - neben Bernhards von Gothien und Hugos, des unglücklichen Friedelsohnes Lothars II. mit Waldrada, der nun in der Maasgegend von sich reden machte - blieb aber zurückhaltend gegenüber dem Angebot Johannes' VIII., das faktisch herrenlose Italien in Besitz zu nehmen und in Rom zur Kaiserwürde aufzusteigen. Anders als vordem Pippinund KARL DER GROSSE, deren Versprechungen an die römische Kirche der Papst beschwörend in Troyes verlesen ließ, war dieser späte Nachfahre unter dem Druck näherliegender Gefahren und familiärer Rivalen kaum mehr imstande, eine Politik großen Stils ins Auge zu fassen. Im Schutz Bosos, den Johannes VIII. adoptiert hatte, und der in Italien vielleicht eine ähnliche Platzhalterrolle wie 876 für KARL übernehmen sollte, trat der Papst die Heimreise an, auf der ihn Boso jedoch in Pavia wieder verließ.
    Sofern Ludwig der Stammler ernstlich eine Wiederaufnahme der Kaiserpolitik seines Vaters vorschwebte, hätte er einen Grund mehr gehabt, sich den Rücken frei zu halten durch eine Übereinkunft mit den O-Franken, bei denen Ludwig der Jüngere mittlerweile die anteiligen Rechte des schwer kranken Bruders Karlmann an der O-Hälfte Lotharingiens übernommen hatte. Er war daher der Partner, mit dem sich der westfränkische König am 1./2.11.879 in Fouron, im alten Kerngebiet zwischen Lüttich und Aachen, traf, um bei prinzipiellem Vorbehalt seiner Optionen in Italien gegenseitige Freundschaft und Hilfe zu vereinbaren, die Teilungsgrenze von Meersen (870) zu bekräftigen und gegebenenfalls die unbehinderte Sukzession der jeweiligen Söhne zuzusichern, nämlich auf ostfränkischer Seite eines erst im Vorjahr geborenen kleinen Ludwig, auf Seiten desStammlers ausdrücklich Ludwigs und Karlmanns, der Söhne der verstoßenen Ansgard, "und weiterer, die Gottes Güte schenken werde". Das hier anklingende Zukunftsproblem sollte schneller akut werden als gedacht, denn schon im folgenden Frühjahr erkrankte Ludwig der Stammler während einer Strafexpedition gegen Bernhard von Gothien erneut und starb am 10.4.879 in Compiegne, wohin er zurückgebracht worden war und wo er nun sein Grab fand.
    Der Tod des Königs, der seine Witwe Adelheid schwanger zurückließ, stürzte das W-Reich in eine tiefe Krise. Dass man die Niederkunft nicht abwartete, aber auch nicht im Sinne der jüngsten Abmachungen die Nachfolge der vorhandenen Söhne reibungslos vonstatten gehen ließ, lag an den Zerwürfnissen unter den Großen, die durch Ludwigs schwankende Haltung ihnen gegenüber genährt worden waren und jetzt zur Entladung kamen. Dem Erzkanzler Gauzlin, einem RORGONIDEN, der sich beim Thronwechsel von 877 zu seinen übrigen Abteien auch Saint-Denis verschafft und den König noch maßgeblich in Fouron beraten hatte, wurde Anfang 879 das Hofamt entzogen, als sein welfischer Gegenspieler, Hugo der Abt mit Machtbasis in Neustrien, bei Ludwig zu beherrschendem Einfluß gelangt war. Zusammen mit anderen Magnaten, darunter Boso von Vienne, war es Hugo, der den todkranken König dazu bestimmte, allein den ältesten Sohn Ansgards, den höchstens 16-jährigen Ludwig III., durch Zusendung der Insignien als nächsten König vorzusehen, was der tonangebenden Gruppe auch weiterhin eine ungeschmälerte Präponderanz sichern sollte.

    Konecny Silvia: Seite 142, "Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."

    Auf eine Ehe Ludwigs des Stammlers reagierte KARL DER KAHLE weniger heftig als auf jene Karls von Aquitanien. Auch der älteste Sohn des Herrschers ging gegen den Willen des Vaters oder zumindest ohne dessen Zustimmung eine Ehe mit Ansgard ein.
    Diese entstammte dem Geschlecht der ROBERTINER, mit denen sich KARL DER KAHLE wohl arrangieren mußte. Erst Jahre später zog er den Sohn wieder ganz auf seine Seite, indem er dessen Ehe mit Adelheid veranlaßte, die wie Ermengard dem Geschlecht der ADALHARDE entstammte. Als deren Vorherrschaft im westfränkischen Reich von jener der BOSONEN abgelöst worden war, wurde die Legitimität aller Nachkommen Ludwigs des Stammlers mit dem Hinweis auf die Unrechtmäßigkeit seiner beiden Eheverbindungen bestriiten. Angriffe dieser Art trugen wohl dazu bei, daß der Krönungsordo der westfränkischen Königin gerade unter Ludwig dem Stammler volle Ausbildung fand. Ihm kam wohl eine propagandistische Funktion zu. Adelheid verstand es trotz der Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer königlichen Stellung glänzend, die Interessen ihres Sohnes, Karls des Einfältigen, zu wahren, an dessen Königserhebung im Jahre 893 sie wesentlichen Anteil hatte. Insofern ist Adelheid durchaus dem Typus der politisch aktiven Königswitwe zuzurechnen. Ihre Bemühungen für Karl den Einfältigen sind durchaus einer verwandtschaftlichen Regierung vergleichbar, zumindest was den Grad faktischer Machtausübung und diplomatischen Geschickes betrifft.

    862 1. oo Ansgard von Burgund, Tochter des Grafen Harduin - 2.11.879
    875 2. oo Adelheid, Tochter des Grafen Adalhard von Paris 855/60-9.11.901

    Kinder:
    1. Ehe
    - Ludwig III. 863/65-5.8.882
    - Karlmann 866-12.12.884
    - Gisela - 884
    oo Robert Graf von Troyes - 886
    - Hildegard

    2. Ehe
    - Karl III. der Einfältige 17.9.879-7.10.929
    - Ermentrud
    oo ? Reginar I. Langhals - 915

    Literatur:
    Deutsche Geschichte Band 1 Von den Anfängen bis zur Ausbildung des Feudalismus Mitte des 11. Jahrhunderts. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1982, Seite 358,359 - Dümmler Ernst: Die Chronik des Abtes Regino von Prüm. Verlag der Dykschen Buchhandlung Leipzig Seite 48,66,67,104 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 392,402,428,464,470,479,480,483,507,597,758,797,825; Band II Seite 115,128,133,138,144-147,151-155, 162,182,199-201,206 - Ehlers Joachim: Die Kapetinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 16f - Ehlers Joachim/ Müller Heribert/Schneidmüller Bernd: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996, Seite 16,19,23 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 61,255,287 - Hlawitschka, Eduard: Adoptionen im mittelalterlichen Königshaus, in: Schulz Knut: Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters, Festschrift für Herbert Helbig zum 65. Geburtstag, Köln Seite 1-32 - Hlawitschka, Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Studien zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9.,10. und 11. Jahrhundert, Saarbrücken 1969, Seite 54,68,70,92,116,138,146,154,168,171 - Hlawitschka, Eduard: Die Widonen im Dukat von Spoleto, in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Bern - New York - Paris, Seite 155-227 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 20-23,27-29,32,34,61,85,89-91,121, 129,177,195,208,217,221-237,239,244 - Hlawitschka, Eduard: Nachfolgeprojekte aus der Spätzeit Kaiser Karls III., in Stirps Regia von Eduard Hlawitschka, Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Bern - New York - Paris, Seite 123-155 - Hlawitschka, Eduard: Vom Frankenreich zur Formierung der europäischen Staaten- und Völkergemeinschaft 840-1046, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1986 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 230,234,244,249,252,254,259,272,356 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 145,152,154,158,168,171-174,176,178,181,183,188,191,203, 212,224 - Schmid, Karl: Gebetsgedenken und adliges Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1983, Seite 426,442 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 58,73,75, 78,80,85,95 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995, Seite 443, 447 -

    Begraben:
    Compiegne, S. Marien

    Ludwig heiratete von Burgund, Ansgard in 862. Ansgard gestorben nach 879. [Familienblatt] [Familientafel]


  2. 3.  von Burgund, Ansgard gestorben nach 879.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Frankreich; Königin von Frankreich

    Notizen:

    Ansgard von Burgund Königin von Frankreich
    -2.11. nach 879
    Tochter des Grafen Harduin von Burgund

    Konecny Silvia: Seite 142, "Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."

    Auf eine Ehe Ludwigs des Stammlers reagierte KARL DER KAHLE weniger heftig als auf jene Karls von Aquitanien. Auch der älteste Sohn des Herrschers ging gegen den Willen des Vaters oder zumindest ohne dessen Zustimmung eine Ehe mit Ansgard ein.
    Diese entstammte dem Geschlecht der ROBERTINER, mit denen sich KARL DER KAHLE wohl arrangieren mußte. Erst Jahre später zog er den Sohn wieder ganz auf seine Seite, indem er dessen Ehe mit Adelheid veranlaßte, die wie Ermengard dem Geschlecht der ADALHARDE entstammte. Als deren Vorherrschaft im westfränkischen Reich von jener der BOSONEN abgelöst worden war, wurde die Legitimität aller Nachkommen Ludwigs des Stammlers mit dem Hinweis auf die Unrechtmäßigkeit seiner beiden Eheverbindungen bestriiten. Angriffe dieser Art trugen wohl dazu bei, daß der Krönungsordo der westfränkischen Königin gerade unter Ludwig dem Stammler volle Ausbildung fand. Ihm kam wohl eine propagandistische Funktion zu.

    Hlawitschka Eduard: Seite 28,225-227,231,235,237, "Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte"

    Karl der Einfältige, der aus König Ludwigs des Stammlers zweiter Ehe (mit Adelheid) hervorging, war ja in den Geruch gebracht worden, keiner rechten Ehe zu entstammen, seit die Großen des W-Reiches sich 879 dazu durchgerungen hatten, Ludwig des Stammlers erste Ehe (mit Ansgard), die aif Geheiß KARLS DES KAHLEN nach jahrelangem Bestehen getrennt worden war, doch als echtmäßig anzuerkennen, damit die Söhne dieser Ehe das Königtum erlangen konnten.
    Nun stammten diese beiden Königssöhne aus Ludwigs des Stammlers erster Ehe, die dieser im Frühjahr 862 mit Ansgard, einer Tochter des Grafen Harduin und Schwester eines KARL DEM KAHLEN nahestehenden Odo, eingegangen war [Ann. Bertin. ad 862 Seite 58: Hludowicus ...filiam Harduini quondam comitis, sororem scilecet Odonis sui multum complatii, sibi coniugem copulat. Den Namen Ansgard überliefern uns Regino (vgl. unten Anm. 17), Flodoard (vgl. unten bei Anm. 30) und eine Urkunde des jungen Königs Karlmann vom 23.1.883 (Bouquet, Recueil IX Seite 430).
    Zur Familie der Ansgard vgl. L. Levillain, Essai sur le comte Eudes, fils de Harduin et de Guerinbourg, in: Le Moyen Age 50( 1947) Seite 163ff., 233ff., und dagegen K.F. Werner, Untersuchungen zur Frühzeit des französischen Fürstentums IV: Rotberti complices, in: Welt als Geschichte 19 (1959) Seite 154ff.].
    Ludwig der Stammler hatte sich aber ohne die Zustimmung seines Vaters KARL DES KAHLEN vermählt, und so war diesem die Verbindung von vornherein, wenn gleich er sie Ende 8562 anerkannt zu haben scheint [Cum uxore lädt er ja Ludwig zu sich, nachdeem dieser sich im Hochsommer 862 zu seinem Vater begeben und um Verzeihung gebeten hatte; Ann. Bertin. ad 862 Seite 59], ungelegen. Ludwig hatte sich deshalb (ca. 866-875, wahrscheinlich um 871) auf väterliches Geheiß unter eidlicher Bekräftigung von Ansgard trennen müssen [Zum Datum der Trennung der ersten und des Beginns der zweiten Ehe vgl. H. Renn, Das erste Luxemburger Grafenhaus (1941) Seite 4. Indes ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß KARL DER KAHLE 870 unter anderem Odonem atque Arduinum comites zu Ludwig dem Deutschen nach Frankfurt zur Vorbereitung des Vertrages von Meersen sandte (Ann. Bertin. ad 870 Seite 109). Wenn man in Odo den bezeugten Bruder Ansgards und in Arduin einen weiteren Verwandten desselbeben erblickt, was freilich nicht zwingend erweisbar ist, wird man geneigt sein, die Trennung Ansgards von Ludwig erst nach 870 anzusetzen; denn Persönlichkeiten, mit denen sich KARL durch Verstoßung ihrer Schwester verfeindet haben mußte, wird er kaum noch in einer so wichtigen Mission entsandt haben.].
    In der Tradition dieser Leute, die Ludwigs des Stammlers selbstgewählte erste Verbindung offenbar lediglich als Friedelehe betrachtet haben dürften, steht übrigens der um die Mitte des 10.Jahrhunderts schreibende flandrische Genealoge Witger, wenn er Ludwigs erste Gemahlin Ansgard nur als vocuta regina gelten läßt.
    Die beiden Stammler-Söhne aus der Verbindung mit Ansgard mußten also in den Augen aller legitimistisch Denkenden, denen ihr König nicht ein Zerstörer einer unauflöslichen Muntehe und also kein Rechtsbrecher war bzw.sein konnte, wegen der Abwertung Ansgards zur Friedelfrau oder ihrer Deklassierung zur Buhle nunmher als Friedel- oder gar als Konkubinensöhne gelten und hatten kein eigentliches Thronrecht mehr. Sie waren näämlich wie Hugo, der Sproß Lothars II. und Waldradas, zu bewerten.
    Daß es im W-Reich in den 80-er Jahren tatsächlich Leute gab, die an der Rechtmäßigkeit der ersten Ehe Ludwigs des Stammlers festhielten - und zwar auch über den (wohl bald nach 879 eingetretenen) Tod Ansgards hinaus -, ja, daß es dort Leute gab, die bewußt die Rechtmäßigkeit dieser Ehe betonten, zeigt ein Reimser Nekrolog, auf das soeben K.F. Werner, Die Nachkommen Karlsd.Gr., in: Karl d. Gr. IV Seite 453 nr. 34, hinweist. Man findet in ih zum 2. November den Todestag der Ansgardis regina verzeichnet. Wenn man Ansgard in Reims - obwohl sie von Ludwig dem Stammler vor dessen Königserhebung getrennt worden ist - den Königstitel gab, so zeigt das doch ganz unmißverständlich, wie man dort über die Verstoßung und Ludwigs zweite Ehe gedacht hat.

    Riche, Pierre: Seite 249, "Die Karolinger"

    Ohne die Zustimmung KARLS DES KAHLEN hatte Ludwig im Jahr 862 seine Konkubine Ansgard geheiratet, die Tochter des Grafen Harduin, mit der er zwei Söhne hatte, Ludwig und Karlmann. Wohl im Jahre 878 verstieß er Ansgard, um Adelheid, die Tochter des Grafen Adalhard, zu heiraten.

    862 oo 1. Ludwig II. der Stammler 1.11.846 - 10.4.879
    Kinder:
    1. Ehe
    - Ludwig III. 863/65-5.8.882
    - Karlmann 866-12.12.884
    - Gisela - 884
    oo Robert Graf von Troyes - 886
    - Hildegard

    Literatur:
    Dümmler Ernst: Die Chronik des Abtes Regino von Prüm. Verlag der Dykschen Buchhandlung Leipzig Seite 66 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 480,758 - Ehlers Joachim/Müller Heribert/Schneidmüller: Die französischen Könige des Mittelalters. Von Odo bis Karl VIII. 888-1498. Verlag C. H. Beck München 1996, Seite 25 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 28,225-227,231,235,237 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissssertation der Universität Wien 1976, Seite 142 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 249 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berliin Köln 1992, Seite 159,169,171,173-175 - Schneidmüller Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 112 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996, Seite 53 -

    Gestorben:
    2.11.

    Kinder:
    1. von Frankreich, Gisela gestorben vor Nov 884.
    2. von Frankreich, Hildegard
    3. 1. von Frankreich, Ludwig III. wurde geboren um 863; gestorben am 5 Aug 882 in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.
    4. von Frankreich, Karlmann wurde geboren in 866; gestorben am 12 Dez 884; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.


Generation: 3

  1. 4.  von Franken, Karl II.von Franken, Karl II. wurde geboren am 13 Jun 823 in Frankfurt am Main [60311],Hessen,Deutschland (Sohn von von Franken, Ludwig I. und Judith); gestorben am 6 Okt 877 in Avrieux [73500],Savoie,Rhône-Alpes,Frankreich; wurde beigesetzt in Nantua [01130],Ain,Rhône-Alpes,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: 25 Dez 875; römischer Kaiser
    • Titel/Amt/Status: 875-877, Italien; König von Italien
    • Titel/Amt/Status: 843-877; Westfränkischer König

    Notizen:

    Reich Karls des Kahlen nach dem Vertrag von Meerssen 870

    843-870 Europe



    Begraben:
    in Nantua beerdigt, später aber in die Kathedrale von Saint-Denis umgebettet.

    Karl heiratete von Orleans, Irmintrud am 13 Dez 842. Irmintrud (Tochter von von Orleans, Odo und von Fezensac, Ingeltrud) wurde geboren am 27 Sep 830; gestorben am 6 Okt 869 in Hasnon [59178],Nord,Nord-Pas-de-Calais,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich. [Familienblatt] [Familientafel]


  2. 5.  von Orleans, Irmintrudvon Orleans, Irmintrud wurde geboren am 27 Sep 830 (Tochter von von Orleans, Odo und von Fezensac, Ingeltrud); gestorben am 6 Okt 869 in Hasnon [59178],Nord,Nord-Pas-de-Calais,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Königin von Frankreich

    Notizen:

    Irmintrud von Orleans Königin von Frankreich
    27.9.830-6.10.869 St. Denis
    Tochter des Grafen Odo von Orleans und der Ingeltrud von Fezensac, Tochter von Graf Leuthard

    Treffer Gerd: Seite 47-49 "Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert)"

    Irmintrud - 25 Jahre Eheleid* 825, + Oktober 869
    Abtei Hasnon

    Erste Gemahlin KARLS II. DES KAHLEN (* 823; König: 843-877; Kaiser 875) Heirat: 14. Dezember 847

    Als Irmintrud KARL heiratete, ist der König des W-Reiches - die "außenpolitische" Lage zunächst einmal stabilisert. Dennoch ist KARLS Aufgabe keineswegs einfach. Fünf Jahre lang muß er kämpfen, um örtliche Partikularismen und allzu unabhängig sich gebärdende Herren unterzuordnen. Seine Hauptstadt hat er in Orleans aufgeschlagen, eine zentrale Lage, die es ihm gestattet, jeden Punkt seines Königreiches rasch zu erreichen, wann immer seine Anwesenheit nötig ist. KARL sichert die Einheit seines Reiches durch eine umfassende Gesetzgebung. Gleichwohl wird sein Königtum fest umgrenzt von der hohen Geistlichkeit, deren bedeutendster Vertreter Hinkmar von Reims ist.
    Am 14. Dezember 847 ehelicht KARL die 22-jährige Irmintrud - die Tochter Odos, des Grafen von Orleans. Zu ihren Vorfahren zählen Karl Martell, Pippin der Kurze und Desiderius, der Langobarden-König. Sie ist Königin eines Landes, in dem Hungersnoot, in dem Angst herrscht, denn die Normannen aus Jütland fahren im Frühjahr die Flüsse hinauf, verbreiten Angst und Schrecken, greifen die Klöster an, plündern und nehmen Geiseln. Schon 845 sind sie bis Paris gekommen und KARL hat ihrem Anführer die sagenhafte Summe von 7.000 Silbertalern bezahlen müssen. Das hat den Appetit der fürchterlichen Krieger nur gesteigert.856 plündern sie um Paris herum alles, was nicht niet- und nagelfest ist, dringen aber noch nicht in die Stadt selbst ein. Zehn Jahre lang kann man regelmäßig mit ihrem Einfall rechnen. Erst nach 866 hören die Normanneneinfälle auf - die Krieger aus dem Norden fallen jetzt über England her.
    In diesen Abwehrkämpfen ist KARL gezwungen, starke Gefolgsleute heranzuziehen, das heißt, den Herren größere Autonomie zu gewähren - er bestätigt ihnen gar die Erblichkeit ihrer Ämter, was sie mächtig macht, sich aber eines Tages gegen seine Nachfolger richten wird. Irmintrud wird ihren Mann aber auch im Streit mit seinen Neffen sehen: mit Pippin II. zunächst, der zu Recht seine Ansprüche auf Aquitanien anmeldet. Das Problem mit Lothar II. wird noch folgen. Die Bretonen ihrerseits fühlen sich seinem Reich nicht zugehörig, und neue Konflikte brechen auf.
    Vor diesem beunruhigenden Hintergrund bringt Irmintrud mehrere Kinder zur Welt. Sie alle werden dem Königspaar nichts als Ärger und Kummer bereiten: Da ist zunächst Judith. Aus politischen Gründen wird sie mit einem angelsächsischen Prinzen verlobt. Vom Grafen Baudouin von Flandern entführt, rettet sie sich in den Schutz des Feindes ihrer Eltern, ihres Cousins Lothar II. Sohn Karl wird mit 17 Jahren verwundet werden, was eine Art geistiger Behinderung auslöst. In seinem Streit mit Pippin II. um Aquitanien bedient sich König KARL seiner und macht ihn zum König von Aquitanien. Der undankbare Sohn aber läßt sich von Pippin beeinflussen und rebelliert 864 gegen die väterliche Autorität. Er unterwirft sich zwar wieder - stirbt aber schon 867. Lothar ist körperlich behindert, wird Mönch und stirbt vor seiner Volljährigkeit. Karlmann, verschlagen und gewalttätig, steht seinem Vater in einer Dauerrevolte gegenüber. KARL wird ihn grausam züchtigen. Der schlimmste von allen aber ist der älteste SohnLudwig. Mit 16 Jahren greift er 862 gegen den Vater zu den Waffen. Die königlichen Truppen bringen ihn wieder zur Vernunft.
    Zu all diesen Belastungen für das Königspaar kommt ein weiterer Familienzwisct, allerdings von außen: Lothar II. - seit 855 König im Nachbarreich - der Sohn von KARLSHalbbruder, ist in einen lebhaften Scheidungsstreit verwickelt, bei dem sich König und Königin auf den entgegengesetzten Seiten engagieren. Die Geschichte ist auf Jahre hinaus eine Staatsaffäre, die den ganzen Okzident beschäftigt. Begonnen hat sie 857: Lothar II. will seine Frau Thurtberga wegen Sterilität verstoßen und seine Mätresse Waltrade heiraten. Vier Synoden zwischen 860 und 863 werden sich damit befassen. Jedesmal ist der Druck Lothars auf die Bischöfe stark genug, daß das Ergebnis zu seinen Gunsten ausfällt. 863 ist Papst Nikolaus I. gezwungen, die Entscheidungen der Metzer Synde auszusetzen und seinen Willen zu erzwingen. Irmintrud steht fest auf seiten Thurtbergas,KARList für die Argumente seines Neffen nicht unzugänglich und wird schließlich vom Papst zur Ordnung gerufen.
    Die Spannungen zwischen den königlichen Eheleuten sind so stark, daß sie sich nach 25 Jahren gemeinsamen Lebens trennen. Die Königin zieht sich in die Abtei von Hasnon bei Valenciennes zurück. Sie verfolgt die politischen Geschehnisse nur mehr aus der Ferne. [KARL DER KAHLE dringt in Lotharingien ein und läßt sich am 9. September 869 von Hinkmar, dem Erzbischof von Reims, in Metz salben.]. Dort stirbt sie zwei Jahre später, am 6. Oktober 869, im Alter von 47 Jahren.

    Konecny Silvia: Seite 135, "Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert."

    KARL DER KAHLE ging seine Ehe mit Ermentrud erst nach dem Tod LUDWIGS DES FROMMEN Ende 842 ein. Ermentrud war eine Tochter des Grafen Odo von Orleans und verwandt mit Adalhard, einem der mächtigsten Adeligen im Reich KARLS DES KAHLEN. Die Ehe mimit ihr wurde in einer Phase des Krieges geschlossen, in der die Brüder einen Ausgleich anstrebten, und tatsächlich zählten ja die ADALHARDE zu jenen Adelssippen, die in allen Reichsteilen Einfluß hatten und deshalb einen Friedensschluß nicht nur selbst wünschten, sondern gewiß auch fördern konnten. Es besteht kaum ein Zweifel, daß die Verbindung KARLS DES KAHLEN mit Ermentrud seit 842 als Vollehe galt, besonders weil damit angesichts der bedrängten Lage KARLS ein außerordentlich wichtiges Bündnis besiegelt wurde. Gekrönt wurde Ermentrud anscheinend nicht, und auch zum Jahre 848 ist eine Teilnahme der Königin an der Weihe KARLS DES KAHLEN nicht überliefert. Erst zum Jahre 866 berichten die Quellen von einer Krönung Ermentruds.
    Allerdings würde sowohl die Krönung Judiths, einer Tochter KARLS DES KAHLEN, anläßlich von deren Eheschließung mit dem angelsächsischen König Aethelwulf, als auch KARLSHaltung im "Ehestreit" die Vermutung nahelegen, daß der Krönung Ermentruds im Jahre 866 eine ähnliche Zeremonie bereits vorausgegangen war. Jedenfalls unterblieb das Sakramentale nicht, weil es für die Königin noch nicht üblich war, sondern allenfalls wegen der Störung des guten Einvernehmens zwischen KARL DEM KAHLEN und den ADALHARDEN. Die Krönung von 866 scheint hingegen die Annäherung zwischen KARL DEM KAHLEN und den ADALHARDEN bekräftigt zu haben. Als Akt der Rechtsetzung für eine Vollehe geschah das Ereignis - bedenkt man KARLS DES KAHLEN Engagement im "Ehestreit" Lothars II. - zu einem politisch höchst bemerkenswerten Datum. Hinzu kommt noch in Anbetracht der Existenz von Erben KARLS merkwürdige Motivation für die Krönungszeremonie Ermengards. Deren Krönungsordo drückte nämlich vor allem die Hoffnung auf Nachkommenschaft aus. KARLS Wunsch nach einem neuen Erben deutet auf das erwähnte neuerliche Einvernehmen hin. Für eine solche Politik hatten sich die älteren Söhne KARLS DES KAHLEN sicher schon disqualifiziert. Das Bündnis von 866 scheiterte unter anderem vermutlich auch, weil Ermentrud starb.

    Schieffer Rudolf: Seite 145,159 "Die Karolinger"

    Bedachtsam war auch die Wahl der Gattin, die der 19-jährige König Ende 842 ehelichte, denn sie fiel auf Irmintrud, die Tochter des 834 gegen LOTHAR gefallenen Grafen Odo von Orleans und Nichte des einflußreichen Seneschalks Adalhard, "weil er (d(durch diese Heirat) den größten Teil des Volkes für sich zu gewinnen glaubte" (wie Nithard duchaus kritisch anmerkte). Jedenfalls gebar Irmintrud nach einer Tochter Judith 846 den Stammhalter Ludwig, dem in kurzem Abstand noch drei weitere Söhne Karl, Karlmann und Lothar, folgten.
    Daß schon 865 auch der seit Geburt schwächliche Sohn Lothar, zuletzt nomineller Abt von Saint-Germain in Auxerre, und anscheinend um dieselbe Zeit Zwillingssöhne im Kindesalter verstorben waren, mag den besorgten KARL bewogen haben, seiner etwtwa 36-jährigen Gattin Irmintrud 866 in Soissons eine feierliche Salbung und Krönung durch die Bischöfe mit Gebetsbitte um weitere Nachkommenschaft zuteil werden zu lassen, doch hinderte ihn dies keineswegs, kurz darauf deren Bruder als Aufrührer mit dem Tode zu bestrafen.

    Riche Pierre: Seite 200,237 , "Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."

    Zur gleichen Zeit befestigt KARL DER KAHLE seine Stellung im W-Frankenreich durch die Eheschließung mit Ermentrud, der Tochter des Grafen Odo von Orleans (13. Dezember 842). Odo entstammt einem mittelrheinischen Geschlecht, das zweifellos mit der Familie von KARLS DES GROSSEN Schwager Gerold verwandt war.
    Als kurz nacheinander seine beiden Söhne Lothar (+ 865) und Karl das Kind (+ 866) starben, war er tief betroffen. Er suchte die Aussöhnung mit seiner Gemahlin Ermentrud, die er in Saint-Medard feierlich zur Königin salben ließ. Aber unmittelbar nach der Zeremonie verschwor sich Wilhelm, der Bruder Ermentruds, gegen den König, und KARL ließ ihn enthaupten. Ein Jahr später trennten sich die Ehegatten, Ermentrud zog sich in ein Kloster zurück.

    13.12.842 oo 1. KARL II. DER KAHLE 13.6.823 - 6.10.877
    Kinder:
    1. Ehe
    - Judith 844- 870
    1.10.856 1. oo Aethelwulf König von Wessex - 858
    858 2. oo Aethelbald König von Wessex - 860
    862 3. oo Balduin I. Graf von Flandern - 879
    - Ludwig II. der Stammler 846-10.4.879
    - Karl König von Aquitanien 847/48-29.9.866 durch Unfall
    - Karlmann Abt von St. Germain d'Auxerre (22.1.866-876) - 876
    - Lothar Abt von St. Germain d' Auxerre um 850-25.12.865
    - Ermentrud Äbtissin von Hasnon

    Literatur:
    Black-Veldtrup Mechthild: Kaiserin Agnes (1043-1077) Quellenkritische Studien. Böhlau Verlag Köln Weimar Wien 1995, Seite 103,156 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 181,422,505,533, 575,590,592,724,758; Band II Seite 670, 690 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C. H. Beck München 1994, Seite 48 - Hlawitschka Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert. Kommissionsverlag: Minerva-Verlag Thinnes Nolte OHG Saarbrücken 1969, Seite 163,167,171 - Hlawitschka Eduard: Studien zur Äbtissinnenreihe von Remiremont. Buchdruckerei und Verlag Karl Funk, Saarbrücken 1963, Seite 37 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien 1976, Seite 135-136 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 200,237 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 145,159,163 - Schneidmüller Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 61,64 - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 58 - Treffer Gerd: Die französischen Königinnen. Von Bertrada bis Marie Antoinette (8.-18. Jahrhundert) Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1996, Seite 47,50, 53 -

    Name:
    (Ermentrud)

    Gestorben:
    Abtei Hasnon

    Begraben:
    Abteikirche Saint-Denis

    Kinder:
    1. von Franken, Ermentrud
    2. von Franken, Judith wurde geboren in 844; gestorben in 870.
    3. 2. von Frankreich, Ludwig II. wurde geboren am 1 Nov 846; gestorben am 10 Apr 879 in Compiegne [60200],Oise,Picardie,Frankreich; wurde beigesetzt in Compiegne [60200],Oise,Picardie,Frankreich.
    4. von Aquitanien, Karl wurde geboren um 847/848; gestorben am 29 Sep 866 in Buzancais [36500],Indre,Centre-Val de Loire,Frankreich; wurde beigesetzt in Bourges [18000],Cher,Centre-Val de Loire,Frankreich.
    5. von Franken, Karlmann wurde geboren um 850; gestorben in 876.
    6. von Franken, Lothar wurde geboren in 850; gestorben am 14 Dez 865.


Generation: 4

  1. 8.  von Franken, Ludwig I.von Franken, Ludwig I. wurde geboren am 16 Apr 778 in Chasseneuil-du-Poitou [86360],Vienne,Poitou-Charentes,Frankreich (Sohn von von Franken, Karl der Große I. und Hildegard); gestorben am 20 Jun 840 in Ingelheim am Rhein [55218],Mainz-Bingen,Rheinland-Pfalz,Deutschland; wurde beigesetzt in Metz [57000],Moselle,Lothringen,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: 11 Sep 813; römischer Kaiser
    • Titel/Amt/Status: 814-840; Frankenkönig

    Notizen:

    LUDWIG I. DER FROMME
    Frankenkönig (814-840)
    römischer Kaiser seit 11.9.813
    16.4.778 Chasseneuil - 20.6.840 Ingelheim Begraben: Metz
    3. Sohn des Kaisers KARL I. DER GROSSE aus seiner 2. Ehe mit der Hildegard, Tochter von Graf Gerold

    Lexikon de Mittelalters: Band V Spalte 2171, LUDWIG I. DER FROMME, Kaiser
    Juni/August 778, + 20. Juni 840
    Chasseneuil bei Poitiers bei Ingelheim
    Begraben: St. Arnulf in Metz
    Eltern: KARL DER GROSSE und Hildegard

    Kinder:
    - LOTHAR I.
    - Pippin
    - Ludwig der Deutsche
    - KARL DER KAHLE
    - Gisela

    Der jüngste Sohn KARLS DES GROSSEN, dessen Zwillingsbruder gleich nach der Geburt gestorben war und der zum Zeichen der Ansippung an das verdrängte Königsgeschlecht den MEROWINGER-Namen LUDWIG ('Chlodwig') erhielt, wurde bereits 781 von Papst Hadrian I. zum König gesalbt und von KARL als Unterkönig von Aquitanien eingesetzt. Er kümmerte sich seit seiner Mündigkeit (791) besonders um den Ausbau der kirchlichen Organisation des Landes und sicherte in mehreren Feldzügen seine Grenze im Südwesten. Da seine Brüder Karl (+ 811) und Pippin (+ 810) vor ihm starben, wurde er von KARL DEM GROSSEN im September 813 in Aachen zum Mit-Kaiser erhoben, und zwar in Form der Selbstkrönung, der die Akklamation der Franken als Reichsvolk folgte. So trat LUDWIG I. beim Tod KARLS DES GROSSEN (28. Januar 814) sofort in die vollen kaiserlichen Rechte ein, doch deutet sich im Wechsel seiner wichtigsten Berater an, daß er von vornherein ein neues Program anvisierte, das unter der Formel der 'Renovatio imperii Francorum' auf eine umfassende neue Ordnung hinauslief. Sie wurde bereits um 817 im Reichsgesetz der Ordinatio imperii offenbar, das die (auffallend frühe) Regelung der Nachfolge zum Anlaß nahm, die Einheit des Reiches zu sichern. LUDWIG DER FROMME folgte in dem Gesetz, das dem ältesten Sohn LOTHAR mit der Kaiserkrone eine Vorrangstellung vor seinen Brüdern Pippin und Ludwig zuwies, Bestrebungen der fränkischen Einheitspartei, die gegenüber dem alten Teilungsprinzip die unitas imperii als notwendiges Korrelat zur unitas ecclesiae verstand und sie als Forderung der göttlichen Weltordnung interpretierte. Da LUDWIG DER FROMME sich selbst die Oberherrschaft über LOTHAR ausdrücklich vorbehielt, erwuchsen daraus zunächst noch keine Konsequenzen. LUDWIG setzte vielmehr die Kirchenreform, die unter KARL zuletzt an Kraft verloren hatte, verstärkt fort. Wie die kirchliche, so intensivierte er auch die weltliche Reformgesetzgebung, deutlich ablesbar an der Zunahnme der Kapitularien, die allerdings bald wieder abflaute. Ein entsprechnder Wechsel zeichnet sich auch in LUDWIGS Verhältnis zum Papsttum ab, dessen Autorität zunächst nicht etwa eine stärkere, sondern eine geringere Rolle als unter KARL DEM GROSSEN spielte, was aber offenbar in Einklang mit dem programm der Renovatio imperii Francorum stand. Bezeichnend dafür, daß die Vereibarungen mit Stephan IV. und Paschalis I. (816/17), die das Hludowicianum als Besitz- und Autonomiegarantie der römischen Kirche verbriefte, auf eine "Angleichung der römischen an die fränkischen Kirchen" (J. Fried) hinauslief. Durch einen Wechsel der Berater wurde diese Lösung 824 im Sinne KARLS DES GROSSEN korrigiert, und zwar in der Weise, daß die Papstwahl wieder derkaiserlichen Kontrolle unterworfen wurde. Die neuen Berater, vor allem Ebo von Reims, standen auch hinter der 822 einsetzenden Dänenmission, die, durch Thronkämpfe in Dänemark ermöglicht, durch die Taufe des Prätendenten Harald 826 in Ingelheim eingeleitet, Ansgar auf den Weg nach Skandinavien wies, doch bereits 834 ihr vorläufiges Ende fand. Es ist stets das gleiche Bild: es bleibt bei stolzen Anfängen, die früher oder später erlahmen, und stets spielt dabei der Wechsel der Berater eine Rolle. Wie die Reichs- und Kirchenreform der frühen Jahre von Benedikt von Aniane und dem Kanzler Helisachar beeinflußt war, so traten seit 821 vor allem Adalhard von Corbie, Wala, Agobard von Lyon und andere an ihre Stelle. Schon den Zeitgenossen war klar, daß LUDWG DER FROMME von seiner Umgebung abhängig war. Dies wurde vollends deutlich, als der Kaiser sich in 2. Ehe mit der WELFIN Judith verband, die seit der Geburt ihres Sohnes KARLS DES KAHLEN (823) alle anderen Berater in den Schatten stellte. Als LUDWIG 829 auf ihr Drängen KARLgegen die Bestimmungen der Ordinatio von 817 einen eigenen Reichsteil zuwies, löste er mit dem Widerstand der älteren Söhne und der Anhänger der Einheitspartei eine Krise aus, die er nicht mehr beizulegen vermochte. Denn auch LOTHAR, der ihm nach der vor allem gegen Judith gerichteten Empörung von 830, die Macht entriß, vermochte sie nicht zu halten, so daß es in wechselnden Kombinationen zu immer neuen Kämpfen kam. Sie erreichten ihren Tiefpunkt 833 auf dem 'Lügenfeld' bei Colmar, auf dem das Heer LUDWIGS DES FROMMEN unter Mitwirkung des von LOTHAR getäuschten Papstes Gregor IV. zu den Söhnen überlief, worauf LUDWIG I. DER FROMME als Gefangener seiner Söhne in Soissons mit seinem erzwungenen Sündenbekenntnis die tiefste Demütigung erfuhr. Damit war der Bogen überspannt, und die allgemeine Reaktion wandte sich nunmehr gegen LOTHAR I., der sich 834 mit seinen Anhängern anch Italien verwiesen sah. Doch kehrte keine Ruhe ein, da LUDWIG DER FROMME nach wie vor darauf bedacht war,den Reichsteil des nachgeborenen KARL zu vergrößern. So hielten die Spannungen nicht nur an, sondern verstärkten sich noch durch die Bedrohung durch äußere Feinde (Normannen, Slaven, Araber). Obwohl es LUDWIG DEM FROMMEN in dieser Bedrängnis gelang, KARL DEN KAHLEN nach dem Tode Pippins 839 mit dessen Erbteil zwischen Rhone, Saone und Maas auszustatten, war die Entscheidung noch nicht gefallen, als LUDWIG I. DER FROMME starb. Die weiteren Kämpfe zeigten vielmehr an, daß die Einheit des Großreiches nicht mehr zu retten war; sie sollten unter dem Druck des Adels 843 in den Vertrag von Verdun einmünden.

    Quellen:
    Böhmer-Mühlbacher, RI I, 1908² [Nachdr. 1966] - Thegan, Vita Hludowici, MGH SS II, 505-603 - Astronomus, Vita Hl.i, ebd. 2, 607-648 - Ernoldus Nigellus, In honorem Hl. i....elegiarum carmen, MGH PP II, 4-79; ed. E. Faral, CHF 14, 1932 -

    Literatur:
    B. V. Simson, JDG L. d. Fr., 2 Bde, 1874 [Neudr. 1969] - A. Kleinclausz, L'Empire carol., 1902 - Hauck, 487-524, 578-688 u.ö. - H. Fichtenau, Das karol. Imperium, 1949 - J. M. Wallach-Hadrill, The Frankish Church (Oxford Hist. of the Christian Church, 1983) - J. Semmler, L. d. Fr.(Ks.gestalten des MA, hg. H. Beumann, 1984) - F. L. Ganshof, L. the Pious reconsidered, History 42, 1957, 171-180 - Th. Schieffer, Die Krise des karol. Imperiums (Fschr. G. Kallen, 1957), 1-15 - J. Flecckenstein, Die Hofkapelle der dt. Kg.e, I, 1959 - J. Semmler, Die Beschlüsse des Aachener Konzils v. 816, ZKG 74, 1963, 15-82 - P. Classen, Karl d. Gr. und die Thronfolge im Frankenreich (Fschr. H. Heimpel, 3, 1972), 109-143 - A. Hahn, Das Hludowicianum, ADipl 21, 1975, 15-135 - R. McKitterick, The Frankish Church and the Carol. Reforms 789-895, 1977 - P. R. McKeon, The Empire of L. the Pious, RevBen 90, 1980, 50-62 - H. Beumann, Unitas ecclesiae - unitas imperii - unitas regni (Sett. cent. it. 27, 1981), 531-571 - H. Fuhrmann, Das Papsttum und das kirchl. Leben im Frankenreich, ebd., 419-456 - R. Schieffer, L. d. Fr., Zur Entstehung des karol. Herrschernamens, FMASt 16, 1982, 58-73 - J. Semmler, Jussit ... princeps renovare praecepta (schr. K. Hallinger, 1982 [= StAns 85]), 97-124 - P. Godman, L. the Pious and the Poets, Franmkish Politics and Carol. Poetry 1987, 116-130 - Charlemagne's Heir, ed. Ders.-R. Collins, 1990 [Beitr. J. Fried, R. Schieffer, K. f. Werner u.a.] -

    Werner Karl Ferdinand: Seite 443, "Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)"

    II. Generation 6
    Das Geburtsjahr der Zwillinge LUDWIG und Lothar ist uns nicht "zu Anfang VIII. 778" (so Brandenburg) belegt. Es fällt lediglich in die Zeit der Abwesenheit des Vaters auf dem spanischen Feldzug V. Hlud. c. 2 und 3.
    Zum aquitanischen Königtum Eiten 35ff. und L'Auzias, Le royaume d'Aquitaine, Toulouse 1937.

    Althoff Gerd: Seite 367, "Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung"
    K 22
    Me: 20.6. Hludouuichus imp(erator) pius filus KAROLI magnus + 940 LUDWIG DER FROMME

    (Es.) Zu den Übernahmen aus älteren Vorlagen beim Beginn des eigenständischen ottonischen Gedenkens, zu denen auch derEintrag LUDWIGS DES FROMMEN gehört, siehe oben Seite 189f.
    Vgl. allgemein Biographisches Wörterbuch 2, Spalte 1710ff; FW K 15.
    Zum Todesdatum: BM Nr. 1014c

    Rappmann Roland/Zettler Alfons: Seite 431, "Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter"

    LUDWIG DER FROMME + 20.6.840
    Necr. A/B 21.6. "Hludouuicus imp. aug", Kaiser 813-840

    Literatur:
    ADB 19 Seite 397ff.; Simson, Jahrbücher; BM² 515q-1014c; Werner, Nachkommen Seite 443f Nrn. 6-6c und Tafel II/6; Biographisches Wörterbuch 2 Spalte 1710ff; Die Klostergemeinschaft von Fulda 2,1 Seite 314 K 15; Althoff, Adels- ud Königsfamilien K 22; Charlemagnde's Heir. Zum Todestag: Simson, ebd. 2 Seite 230 Anmerkung 2; BM² 1014c.

    Aufenthalte LUDWIGS auf der Insel sind nicht bekannt; zu seinen heute noch erhaltenene Urkunden für Reichenau vgl. BM² 601,869,991,994 und Brandi, Urkundenfälschungen Seite 3 Nrm. 12-17 und Seite 115 Nrn. 12-18.
    In den Gedenkbüchern der Bodenseeklöster wird LUDWIG unter den Mitgliedern der Königsfamilie genannt. So erscheint er im Reichenauer Verbrüderungsbuch p. 98 A 4, im St. Galler Gedenkbuch p.3 (Libri confrat., col. 12,1) und p.6 (ebd. col. 22,5*, als Nachtrag) und im Liber viventium fabariensis p. 24; zu den Einträgen vgl. Schmid, Probleme einer Neuedition Seite 54ff und Ders., Zur historischen Bestimmung Seite 503ff.
    LUDWIG wurde 781 von seinem Vater als Unterkönig in Aquitanien eingesetzt. In dem von KARL DEM GROSSEN verfaßten Plan einer Reichsteilung (806) blieb LUDWIG Unterkönig in Aquitanien. Am 11.9.813 wurde er von seinem Vater in Aachen zum Nachfolger designiert und ohne päpstliche Mitwirkung zum Mitkaiser gekrönt. Trotz des glanzvollen väterlichen Vorbildes und trotz einer sorgfältigen Erziehung besaß der neue Kaiser nicht genügend Spannkraft, um das riesige Reich zu lenken. LUDWIG stützte sich besonders gegen die weltlichen Feudalgewalten auf die an der Reichseinheit interessierten Kirche; unter seiner Regierung kam es wiederholt zu Reichsteilungen, die Anlaß zu Auseinandersetzungen zwischen seinen Söhnen gab und den sich aus der heterogenen sozialökonomischen Struktur des Frankenreiches ergebenden Zerfallsprozeß des Reiches einleiteten und widerspiegelten. 816 ließ LUDWIG die durch den Vater vollzogene Kaiserkrönung durch den Papst wiederholen. In der "Ordinatio imperii" von 817 bestimmte LUDWIG I. seinen Sohn LOTHAR I. zum Mitkaiser und sicherte ihm bei seinem Tode die Oberherrschaft über seine Brüder zu. LUDWIG versuchte damit, das durch die zunehmende Feudalisierung bedingte Auseinanderfallen des Reiches aufzuhalten und die Reichseinheit, an der die im gesamten Reich über Grundbesitz verfügende Geistlichkeit interessiert war, zumindest formal zu wahren. 829 übertrug LUDWIG dem von seiner zweiten Gemahlin geborenen Sohn KARL DEM KAHLEN Schwaben, Elsaß, Raetien und Teile Burgunds; dagegen empörten sich seine Söhne aus erster Ehe. 832/33 entzog LUDWIG I. seinem Sohn Pippin Aquitanien und übertrug es KARL DEM KAHLEN. Seine älteren Söhne lehnten sich dagegen auf und LUDWIGS Heer ging auf dem sogenannten Lügenfeld zu Kolmar zu seinen Söhnen über. LUDWIG I. DER FROMME wurde in Soissons zur öffentlichen Kirchenbuße gezwungen, um ihn von der Regierung auszuschließen. Die die ÜbermachtKaiser LOTHARS I. fürchtenden Ludwig der Deutsche und Pippin setzten 834 ihren Vater wieder als Kaiser ein. Nach dem Tode Pippins teilte LUDWIG DER FROMME das Reich zugunsten KARLS DES KAHLEN und LOTHARS I. Ludwig der Deutsche, der nur Bayern erhielt, empörte sich, wurde aber unterworfen.

    Hartmann Wilfried: Seite 44-57, „Ludwig der Fromme (814-840)“ in Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern, Hg. von Karl Rudolf Schnith

    Als KARL DER GROSSE im Januar 814 starb, war sein einziger überlebender Sohn aus einer legitimen Ehe bereits 36 Jahre alt. LUDWIG war schon seit 781 Unterkönig in Aquitanien gewesen und hatte nominell dieses wegen seiner Grenzlage und seiner eigenständigen Entwicklung wichtige Gebiet verwaltet; allerdings hatte ihm sein Vater nur wenig Möglichkeiten zu einer selbständigen Politik gelassen. Nur auf dem Gebiet der Klosterreform konnte LUDWIG ein eigenes Profil entwickeln, und dies verdankte er vor allem seinem wichtigsten Berater in kirchlichen Fragen, dem Westgoten Witiza, der sich als Mönch den programmatischen Namen Benedikt gegeben hatte und der seit ca. 790 die Klöster Aquitaniens im Sinne der Benediktregel reformierte. Als weiterer Berater, der nach 814 zu einer Wirkung im Gesamtreich gelangte, ist Helisachar zu nennen, der die aquitanische Kanzlei LUDWIGS geleitet hatte und der 814 an die Spitze der kaiserlichen Kanzlei berufen wurde. Als weiteren engen Vertrauten brachte LUDWIG aus Aquitanien seinen Hofbibliothekar Ebo mit, der sein Milchbruder gewesen war und den LUDWIG 816 mit dem hohen und wichtigen Amt eines Erzbischofs von Reims belohnte.
    Da LUDWIG neue Berater mit an den Hof brachte, wurden die alten entlassen. Dies betraf besonders die Vettern seines Vaters, Adalhard von Corbie und Wala, die in den letzten Jahren KARLS DES GROSSEN wichtige Stellungen bei Hofe eingenommen hatten; sie mußten sich in abgelegene Klöster zurückziehen. Auch der Einfluß des Bischofs Theodulf von Orleans wurde zurückgedrängt. Dieser hatte noch versucht, als Überbringer der Nachricht vom Tode KARLS bei LUDWIG seine Position zu halten.
    In der Abfolge der karolingischen Herrscher stellte die Ablösung KARLS DES GROSSEN durch LUDWIG DEN FROMMEN eine Ausnehme dar, weil LUDWIG von vorneherein die Alleinherrschaft im Reich antreten konnte. Nun waren zwar seine Brüder vor ihrem Vater gestorben, aber immerhin einer von ihnen - Pippin von Italien - hatte seinerseits einen Sohn hinterlassen, den noch KARL DER GROSSE zum König von Italien erhoben hatte. LUDWIG bestätigte Bernhard von Italien noch im August 814 in dieser Position und übergab zugleich seinen beiden älteren Söhnen LOTHAR und Pippin Bayern und Aquitanien.
    Die Veränderungen beim Herrscherwechsel von KARL DEM GROSSEN zu seinem Sohn beruhten auf tiefgreifenden Verschiedenheiten im Charakter der beiden Herrscher. Die Unterschiede betrafen in erster Linie die Stellung zur Kirche und die persönliche Frömmigkeit, die sich in LUDWIGS Beinamen "Pius" ausdrückt, auch wenn dieser im 9. Jahrhundert noch nicht ganz auf LUDWIG "DEN FROMMEN" beschränkt war (auch Ludwig der Deutsche und Ludwig das Kind werden zeitgenössisch als "Pius" bezeichnet. LUDWIGS persönliche Kirchlichkeit zeigte sich sofort bei seinem Amtsantritt, als der den Hof in Aachen "reinigte" und seine unverheirateten Schwestern samt ihren Kindern vertrieb. Auch seine noch unmündigen Halbbrüder Drogo und Hugo wurden vom Hof entfernt und zu Geistlichen bestimmt. Im Bereich des Ehelebens hat LUDWIG sich ganz anders verhalten als sein Vater, er selbst hatte zwar in seiner Jugend eine Konkubine gehabt, aber seinen Söhnen gestatte er abweichend von der fränkischen Tradition nicht, dass sie bereits vor ihrer legitimen Ehe mit einer Frau zusammenlebten.
    Anders als bei KARL DEM GROSSEN wird das Bild der Regierung seines Sohnes nicht durch äußere Erfolge und durch eine immer weitere Ausdehnung, des Reiches bestimmt, sondern durch den Versuch der inneren Konsolidierung. Dies war nicht nur eine Folge des unterschiedlichen Temperaments, sondern hatte auch objektive Ursachen, denn das Frankenreich war an seine Grenzen gestoßen. Ganz ohne kriegerische Unternehmungen ging es aber auch in der Zeit LUDWIGS nicht; die Reichsannalen und die Viten LUDWIGS sind daher voll von Berichten über Feldzüge. In den ersten Jahren nach 814 war es nötig, gegen einige Grenzvölker Krieg zu führen. Der Kaiser wurde dabei meist nicht selbst aktiv, sondern überließ es den Amtsträgern in den Grenzprovinzen, gegen die Dänen oder die Sorben im Nordosten oder gegen die Basken im SW vorzugehen. Es war eine Ausnahme, wenn LUDWIG persönlich im Sommer 818 einen Feldzug in die Bretagne anführte.
    In den Jahren 817 und 818 ist dann von schweren Attacken der Normannen auf das Reich die Rede; diese fuhren mit ihren Schiffen in die Elbe und die Loire aufwärts und verschwanden rasch wieder, nachdem sie in Kirchen und Klöstern reiche Beute gemacht hatten. Um 820 wurden die flandrischen Küstenorte überfallen, und es begannen die Plünderungszüge auf der Seine. Die Normannen sollten dann im weiteren Verlauf des 9. Jahrhunderts die gefährlichsten Gegner des Frankenreichs werden.
    Aber auch andere Feinde setzten zur Offensive an, so dass dem Kaiser die Initiative entglitt und er nur noch auf Angriffe von außen reagieren konnte. Nachdem die Franken 820 den Friedensvertrag mit den Sarazenen aufgekündigt hatten, griffen diese einige Jahre später die Spanische Mark an und belagerten 827 Barcelona, die wichtigste fränkischen Stadt jenseits der Pyrenäen. 832 erschienen die Sarazenen vor Marseille und begannen mit Plünderungsfahrten im Rhonedelta. Der militärische Druck der Muslims wurde noch stärker, als diese sich seit 827 auf Sizilien festsetzten; seither lag nicht nur die Küste Unteritaliens, sondern auch Mittelitalien in der Reichweite ihrer Schiffe. Es erwies sich dabei als größter Nachteil der Franken, dass sie keine Flotte besaßen.
    Am Ende der zwanziger Jahre, als die Sarazenen zur Rückeroberung der Spanischen Mark ansetzten, kam es auch zu Schwierigkeiten an den anderen Grenzen des Frankenreichs: 826 erhoben sich die Basken, in Dänemark siegte 827 eine heidnische und antifränkische Partei, die Slawen begannen mit Einfällen nach Istrien, und auch die Bulgaren regten sich.
    Im Innern entfaltete der neue Kaiser in den ersten Jahren seiner Regierung eine intensive Tätigkeit, um das von Benedikt von Aniane und Helisachar formulierte Regierungsprogramm "Erneuerung des Frankenreichs" (Renovatio regni Francorum) zu verwirklichen. Dabei wurden organisatorische Veränderungen eingeleitet, die dem Reich eine effektivere Verwaltung und eine bessere Heeresorganisation bringen sollten. Die Grafschaftsverfassung wurde erst jetzt auch in Alemannien weitgehend durchgesetzt, und das Kontrollsystem der Königsboten wurde verfeinert.
    LUDWIG hatte 815 das Kloster Inden (Kornelimünster) bei Aachen gegründet, um seinen Berater Benedikt von Aniane in seiner Nähe zu haben. Auf das Wirken Benedikts gehen die beiden großen Reichssynoden zurück, die 816 und 817 in Aachen tagten. Hier wurden umfangreiche Gesetze beschlossen, durch die die Angehörigen der geistlichen Gemeinschaften nach ihrer Lebensweise und nach ihrer Funktion voneinander abgegrenzt wurden. Die Mönche sollten alle nach der Benediktregel leben, und die nichtmonastischen Gemeinschaften erhielten in den Institutionen für die Kanoniker und die Kanonissen ein gültiges und alle Bereiche ihres Lebens beschreibendes Regelwerk. Ein Kapitular des Jahres 816 regelte einige praktische Rechtsfragen, wie die Beweisaufnahme vor Gericht und die Haftung bei Schulden; auch Bestimmungen über die Auflösung des Lehnsverhältnisses wurden erlassen.
    Die wichtigste Reichsversammlung von 817 war die Regelung der Nachfolge, die in der sogenannten Ordinatio imperii, der "Reichsordnung", festgeschrieben wurde. Der unmittelbare Anlaß dafür, dass schon so kurz nach der Thronbesteigung für eine geordnete Nachfolge gesorgt wurde, war ein Unfall, den der Kaiser zu Ostern 817 erlitten hatte, als auf dem Weg zum Gottesdienst ein gedeckter hölzerner Gang zwischen Pfalz und Kirche zusammenbrach. Obwohl LUDWIG nur leicht verletzt wurde, quälten ihn anscheinend Todesahnungen und er soll sogar den Plan erwogen haben, wie sein Großonkel Karlmann seine Herrschaft niederzulegen und ins Kloster zu gehen. In der Ordinatio imperii wurde nun festgelegt, dass das Frankenreich auch nach dem Tode LUDWIGS DES FROMMEN als Einheit bestehen bleiben sollte; zum Nachfolger im Kaisertum wurde der älteste Sohn LOTHAR bestimmt. Die beiden jüngeren Söhne Pippin und Ludwig erhielten einige Gebiete zur Regierung, Pippin Aquitanien und Ludwig Bayern; sie waren aber dort keine selbständigen Herrscher, sondern standen unter der Oberherrschaft des Kaisers. Damit waren die Prinzipien der Unteilbarkeit des Reiches und des Vorrechts der Primogenitur, die bereits KARLS Nachfolgeordnung von 806 angedeutet hatte, in die fränkische Verfassung aufgenommen worden. Beide Prinzipien haben sich zwar in der weiteren Geschichte des karolingischen Reiches noch nicht durchsetzen können, vielmehr kam es zu den heftigsten inneren Kämpfen, aber in späterer Zeit sind diese Grundsätze zur Grundlage des Erbgangs in allen europäischen Monarchien geworden.
    Weil er in der Thronfolgeordnung von 817 nicht berücksichtigt worden war, entschloß sich König Bernhard von Italien zur Rebellion. Er wurde unterstützt durch oppositionelle Kreise im Frankenreich selbst, zu denen möglicherweise auch Theodulf von Orleans, einer der wichtigsten Berater KARL DES GROSSEN, zählte. LUDWIG DER FROMME reagierte rasch, so dass Bernhards Aufstand zusammenbrach, ehe er richtig begonnen hatte. Ein kaiserliches Gericht verurteilte die Laien, die an der Rebellion teilgenommen hatten, zum Tode; der Kaiser wandelte das Todesurteil in Blendung um. Als diese an Bernhard vorgenommen wurde, starb er an ihren Folgen (17.4.818). Theodulf und weitere Bischöfe, die dem Aufstand nahegestanden hatten, verloren ihre Ämter. Die Halbbrüder des Kaisers, Hugo und Drogo, wurden jetzt endgültig zu Mönchen geschoren, um sie als mögliche Konkurrenten um die Herrschaft auszuschalten. Dieser Sieg über eine nicht ungefährliche Verschwörung bildete den Auftakt zu einem besonders erfolgreichen Jahr für LUDWIG DEN FROMMEN. 818 wurde nämlich die Bretagne unterworfen, und es erschienen Gesandte aus Benevent, aus Dalmatien und Karantanien am Hof. Im Winter 818/19 tagte eine große Reichsversammlung in Aachen, die ein bedeutendes Reformwerk zum Abschluß brachte, von dem eine ganze Reihe von Kapitularien zeugen. Wichtige Probleme der Verfassung der Kirche wurden hier für lange Zeit abschließend geregelt, so die Frage der Eigenkirchen. Auch der rechtliche Schutz der Geistlichen, Witwen und Waisen wurde verbessert, und bestimmte Formen des Gottesurteils wurden verboten. Dabei ist es vielleicht bezeichnend für LUDWIGS Geisteshaltung, dass er eine unter seinem Vater eingeführte unblutige Form des Gottesurteils, die Kreuzprobe, verbot, weil das Kreuz allein dem Gedächtnis an den Sühnetod Christi gelten sollte; der mit Blutvergießen verbundene Zweikampf blieb dagegen als unentbehrliches Mittel des gerichtlichen Beweisverfahrens erhalten, obwohl sich Agobard von Lyon dagegen ausgesprochen hatte.
    Auch in den Kapitularien von 818/19, die nicht speziell kirchlichen Inhalt hatten, ist eine kirchenfreundliche Grundtendenz festzustellen, so etwa, wenn allen Freien zugestanden wird, dass sie ihren Besitz zum Heil ihrer Seele verschenken dürfen, oder wenn Büßer mit einem besonders hohen Bußgeld geschützt werden.
    Am Schluß eines anderen grundlegenden Kapitulars, der sogenannten "Ermahnung an alle Stände des Reiches" von 825, sind Maßnahmen vorgesehen, die eine möglichst weite Verbreitung sichern sollen: die Erzbischöfe und Grafen sollen vom kaiserlichen Erzkanzler Exemplare des Gesetzes erhalten; sie sollen dann ihrerseits den übrigen Bischöfen, Äbten und anderen Getreuen Kopien übergeben, damit der Wortlaut des Gesetzes in allen Teilen des Reiches verlesen werden kann. Der Kanzler soll die Namen derjenigen Bischöfe in eine Liste eintragen, denen er ein Exemplar übergeben hat, und er soll diese Liste dem Kaiser vorlegen. Der Kaiser selbst wolle also die Kontrolle darüber behalten, ob seine Vorschriften auch überall bekanntgegeben wurden.
    Der Höhepunkt der Kapitulariengesetzgebung LUDWIGS DES FROMMEN war Mitte der 20-er Jahre bereits überschritten, und auch die erhaltenen Urkunden zeigen, dass in der ersten Hälfte der Regierung LUDWIGS weit mehr Diplome ausgestellt wurden als in der zweiten, wobei die Jahre 814-816, 819/20 und 825 die Zeiten der intensivsten Aktivität darstellen.
    Für die Regierung LUDWIGS DES FROMMEN brachte das Jahr 821 einen tiefen Einschnitt, denn am 11.2.821 verstarb Benedikt von Aniane. Bereits in den Jahren zuvor waren wichtige Ratgeber LUDWIGS verstorben oder hatten sich - wie der Kanzler Helisachar 819 - vom Hof zurückgezogen. Die Position eines Erzkapellans und Leiters der Hofkapelle nahm seit 819 Abt Hilduin von St. Denis ein, der diesem Amt bis zu seinem Sturz 830 die Entscheidungen LUDWIGS in kirchlichen Dingen beeinflußte. Die zentrale Rolle im Beraterstab des Kaisers nahm seit Oktober 821 aber Adalhard von Corbie ein, der nach siebenjähriger Verbannung wieder an den Hof geholt wurde, wo er trotz seines hohen Alters (er war damals bereits 70 Jahre alt) sofort eine reiche Aktivität entfaltete. Er zog auch seinen Bruder Wala an den Hof, an dem jetzt außerdem die Grafen Matfrid von Orleans und Hugo von Tours eine wichtige Rolle spielten. Die Position Hugos wurde dadurch aufgewertet, dass 821 seine Tochter mit dem Thronfolger und Mitkaiser LOTHAR verheiratet wurde. Eine Schwächung der kaiserlichen Autorität brachte der Reichstag von Attigny im August 822. Es war vielleicht Adalhard von Corbie, der LUDWIG dazu veranlaßt hatte, vor aller Öffentlichkeit ein Schuldbekenntnis wegen des Vorgehens gegen die Verschwörung Bernhards von Italien abzulegen. Nicht nur Blendung und Tod seines Neffen Bernhard, sondern auch die Tonsurierung seiner Halbbrüder Drogo und Hugo sowie die Verbannung Adalhards und Walas wurde von LUDWIG mit einer freiwillig auf sich genommenen Buße gesühnt, die durch reichliche Almosen und Gebete der Geistlichkeit unterstützt wurde.
    Seit 819 hatte sich die persönliche Umgebung LUDWIGS auch deshalb verändert, weil er sich nach den Tod seiner ersten Frau ein zweites Mal verheiratet hatte. Bevor er sich für eine Braut entschied, hatte LUDWIG nach byzantinischem Vorbild eine Art Schönheitskonkurrenz ausschreiben lassen, aus der Judith, eine Angehörige der Familie der WELFEN, als Siegerin hervorging. Judith hat schon bald auf ihren Gemahl großen Einfluß gewonnen, und sie ist für manche Turbulenzen verantwortlich, die in den kommenden Jahren nicht nur den Kaiserhof, sondern das ganze Reich in große Schwierigkeiten brachten. Nach Ablauf des ersten Ehejahres hatte sie eine Tochter geboren; und 823 ging aus der Ehe noch ein Sohn hervor, der den Namen KARL erhielt. Ein Kind mit diesem Namen konnte nicht von der Herrschaft ausgeschlossen werden, das heißt es deutete sich an, dass die Nachfolgeordnung von 817 umgestürzt und dieser Sohn als Haupterbe oder wenigstens als Miterbe eingesetzt werden sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, suchte Judith die Macht ihrer Familie zu vermehren und auch die Verbindung mit ihren Stiefsöhnen zu vertiefen. Ihren Brüdern hatte sie schon gleich nach der Heirat Besitz und wichtige Ämter verschafft; jetzt wurde Judiths jüngster Stiefsohn Ludwig (der Deutsche)mit ihrer Schwester Hemmaverheiratet, und auch ihr Bruder Konrad trat durch seine Ehe mit der Schwägerin des ältesten Kaisersohnes LOTHAR in den Kreis der Verwandten des Kaiserhauses ein. LOTHAR war übrigens 826 Pate seines Halbbruders KARL geworden. In dem Rahmen von Judiths Ehepolitik gehört vielleicht auch die Verbindung Bernhards von Septimanien mit Dhuoda; diese war möglicherweise eine nahe Verwandte Judiths, und Bernhard wurde später für kurze Zeit der mächtigste Mann am Kaiserhof.
    Um die Macht Judiths und ihrer Vertrauten zu stärken, sollten dann auch die bisherigen Berater des Kaisers ausgeschaltet werden. Für dieses Vorhaben war günstig, dass die Reichsversammlung im Februar 828 die Grafen Hugo von Tours und Matfried von Orleans der Feigheit für schuldig erklärte, weil sie im Feldzug gegen die Sarazenen im Vorjahr eine Schlappe erlitten hatten. Und nach dem Einfall der Bulgaren nach Pannonien (827) wurde der zuständige Markgraf Balderich von Friaul abgesetzt. Das Jahr 829 brachte dann geradezu einen Staatsstreich: Auf einer Reichsversammlung in Worms ließ LUDWIG seinem jüngsten Sohn KARL ein eigenes Teilreich (nämlich Schwaben) zusprechen, wodurch das Erbe der älteren Söhne verkleinert wurde. Gleichzeitig mit diesem Bruch der Ordinatio imperii von 817 fand auch ein Revirement am Hof statt, dem Wala zum Opfer fiel. Das wichtige Amt des Kämmerers wurde an Judiths Günstling Bernhard von Septimanien übertragen.
    Die bisherigen Berater ließen sich aber nicht widerstandslos verdrängen. Sie warfen Judith vor, mit ihrem Günstling Bernhard von Septimanien Ehebruch begangen und ihren Gemahl behext zu haben, so dass der seine Schande gar nicht wahrnehmen könne. Im ersten Anlauf erreichten die Verschwörer, dass Judith ins Kloster verbannt wurde; ihre Brüder wurden zu Mönchen geschoren. Die Träger der Revolte von 830 waren in erster Linie Wala und Abt Hilduin von St. Denis sowie weitere Adlige, die sich durch Judith und ihre Leute aus ihren einflußreichen Positionen verdrängt sahen. Sie nahmen aber auch Kontakt zu den Söhnen LUDWIGS auf, von denen anfangs besonders Pippin von Aquitanienund dann auch Kaiser LOTHAR gegen ihren Vater aktiv wurden.
    LUDWIG DER FROMME hat sich in den Kämpfen der folgenden Jahre nicht ungeschickt verhalten, wenn man berücksichtigt, dass er die Mehrzahl seiner alten Getreuen durch die Veränderungen am Hof vor den Kopf gestoßen hatte. Er nützte die Unsicherheit seines ältesten Sohnes aus, der nicht genug Entschlossenheit besaß, um eine völlige Entmachtung des Vaters durchzuführen. Die Revolte von 830 endigte ohne Blutvergießen, denn LUDWIG DER FROMME ließ die Schuldigen nicht hinrichten, sondern in Klöster einweisen. Pippin verlor sein Reich Aquitanien, das dem kleinen KARL übergeben wurde. Judith mußte einen Reinigungseid leisten, mit dem sie sich von den gegen sie erhobenen Vorwürfen reinigte, ehe der Kaiser sie wieder als Gemahlin annahm. Auch Bernhard von Septimanien erschien wieder bei Hofe und erhielt die Erlaubnis, sich durch Eide von den Anschuldigungen zu reinigen.
    Nach dem Bericht der Vita des sogenannten Astronomus erscheint LUDWIG in diesen Jahren der Krise recht aktiv; so eilte er etwa im Frühjahr 832 zuerst nach Bayern, um den Aufstand seines Sohnes Ludwig niederzuwerfen; im Herbst ist er in Orleans, wo es galt, eine Heeresversammlung abzuhalten, um einem neuen Aufstand Pippins entgegenzutreten. Bis in den Winter hinein blieb LUDWIG in Aquitanien und kehrte erst im Januar 833 wieder nach Aachen zurück.
    In diesem Jahr 833 erreichte die Aufstandsbewegung gegen LUDWIG DEN FROMMEN ihren Höhepunkt. LOTHAR war es im Bunde mit seinen Brüdern Ludwig und Pippin sogar gelungen, den ins Frankenreich gereisten Papst Gregor IV. auf seine Seite zu ziehen. Als dann auch noch das Heer des alten Kaisers in der Nähe von Colmar (auf dem sogenannten "Lügenfeld") auf die Seite der Söhne überging, konnten LUDWIG DER FROMME und Judith gefangengenommen werden. Judith wurde von LUDWIG getrennt und nach Oberitalien gebracht, während LUDWIG nach Compiegne geführt wurde. Dort und St. Medard bei Soissons (Oktober und November 833) mußte LUDWIG ein Schuldbekenntnis ablegen; danach wurde er der Insignien seiner Kaiserwürde entkleidet. Dadurch, dass er eine öffentliche Kirchenbuße auf sich nahm, war er als Exkommunizierter nicht mehr regierungsfähig. Thegan berichtet, dass man LUDWIG gedrängt habe, freiwillig ins Kloster einzutreten; dazu war er aber nicht bereit.
    Diese Vorgänge waren möglich geworden, weil die fränkischen Bischöfe 829 auf dem Konzil von Paris Leitsätze formuliert hatten, die eine Kontrolle des Herrschers durch den Episkopat vorsahen. Die wichtigsten Vertreter dieser Vorstellung, dass die Bischöfe für die richtige Regierung des Reiches verantwortlich seien, waren die Erzbischöfe Agobard von Lyon und Ebo von Reims; sie führten bei den Vorgängen in Soissons Regie. Auf der Seite des Adels spielten die Grafen Matfrid von Orleans und Hugo von Tours eine maßgebliche Rolle bei der Absetzung des Kaisers.
    Der Astronomus berichtet davon, dass es schon im Winter 833/34 in verschiedenen Gegenden des Reiches zu einer Mobilisierung der Anhänger des alten Kaisers gekommen sei. Eine gewaltsame Befreiung soll LUDWIG jedoch abgelehnt haben. So wurde der Umschwung durch eine militärische Machtdemonstration Pippins von Aquitanien herbeigeführt, der durch LOTHARS ungeschicktes Verhalten auf die Seite seines Vaters getrieben worden war. LOTHAR zog sich mit seinen engsten Anhängern im Februar 834 nach Burgund zurück.
    LUDWIG DER FROMME wurde am 1.3.834 in St. Denis wieder in die Kirche aufgenommen und mit den königlichen Gewändern und mit seinen Waffen eingekleidet. Der Kaiser lehnte es aber ab, seinen Sohn LOTHAR gewaltsam aus dem Reich zu vertreiben. Die Kämpfe, die sich dennoch an verschiedenen Orten des Frankenreichs erhoben, wurden von den adeligen Parteigängern LUDWIGS DES FROMMEN und LOTHARS getragen; von LUDWIG weiß sein Biograph nur zu berichten, dass er die Zeit zwischen Ostern und Pfingsten 834 sowie sie Wochen nach Pfingsten mit Jagd und Fischfang in den Ardennen verbracht habe. Wahrlich ein merkwürdiges Verhalten für einen eben wieder in sein Amt gelangten Kaiser, dessen Gegner noch keinesfalls endgültig besiegt waren. Erst ein Feldzug vom Sommer 834, der im wesentlichen von den Herren Ludwigs von Bayern undPippins von Aquitanien getragen wurde, brachte LOTHARSUnterwerfung. Er wurde nach Italien geschickt und dort isoliert, indem die Alpenpässe gesperrt wurden, um eine erneute Konspiration LOTHARS mit den fränkischen Gegnern LUDWIGS DES FROMMEN zu verhindern.
    Am 28.2.835 wurde LUDWIG im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes in der Stephansbasilika in Metz rekonziliert und wieder in sein Amt eingesetzt; sieben Erzbischöfe sangen dabei die Rekonziliationsgebete, und Ebo von Reims erklärte von der Kanzel, dass der Kaiser zu Unrecht abgesetzt worden war. Der alte Kaiser begann jetzt wieder zu regieren, er hielt eine Reichsversammlung in Worms ab (Ostern 835), an der auch Pippin und der jüngere Ludwig teilnahmen; dort wurden auch einige Grafen zur Rechenschaft gezogen, weil sie ihr Amt nachlässig geführt hatten.
    Es war dann Kaiserin Judith, die die Initiative zur Aussöhnung mit LOTHAR ergriff. Denn sie war sich darüber im klaren, dass im Falle des Todes ihres Gatten ihr Sohn KARL nur im Einvernehmen mit LOTHAR, nicht aber gegen ihn einen Anteil am Reich bekommen könne. LUDWIG plante im Jahr 836 anscheinend auch eine Reise nach Rom, um durch sein persönliches Auftreten das Anrecht auf die Herrschaft im gesamten Reich zu betonen. Dazu kam es zwar nicht, weil ein Zug gegen die Normannen nötig geworden war, aber die Macht LOTHARS wurde im Herbst 836 durch eine schwere Seuche dezimiert, der die mächtigsten seiner Anhänger, die mit ihm nach Italien gegangen waren, erlagen. Auch LOTHAR selbst wurde von dieser Krankheit ergriffen und war dadurch längere Zeit in seiner Aktivität behindert.
    Als zu Ostern 837 ein Komet erschien, der den baldigen Tod des Kaisers anzukündigen schien, bat Judith ihren Gemahl, zugunsten ihres Sohnes KARL eine neue Nachfolgeordnung zu erlassen. Im Oktober 837 wurden KARL im Rahmen einer Reichsversammlung in Aachen die Waffen überreicht, dabei wurde er auch mit der Königskrone geschmückt und bekam Neustrien als eigenes Reich übertragen. Damit hatte er das ganze Gebiet zwischen Rhein und Elbe erhalten, "den besten Teil des Reiches", wie es ein Zeitgenosse ausdrückt. In diesem Bereich lag fast das gesamte Reichs- und Hausgut.
    Wieder war es Judith, die nach dem Tod Pippins von Aquitanien(13.12.838) die Initiative zu einem Abkommen mit LOTHAR ergriff und es erreichte, dass am 30.5.839 LOTHARam Hof des Vaters in Worms erschien, wo ihm nach einem Fußfall vor LUDWIG Verzeihung gewährt wurde. Auch seine Anhänger erhielten ihre Lehen und Besitztümer im Frankenreich zurück. Jetzt wurde das Reich unter die beiden Söhne LOTHAR und KARL aufgeteilt; Ludwig (der Deutsche) sollte auf sein kleines Unterkönigtum in Bayern beschränkt bleiben. Die Maas sollte die Grenze zwischen den beiden Reichen LOTHARS und KARLS bilden, für LUDWIG DEN FROMMEN ist es vielleicht bezeichnend, dass er diese Aufteilung erst dann selbst vornahm, als LOTHAR sagte, wegen der Unkenntnis des Landes könne er eine Aufteilung nicht vornehmen. Er durfte aber als erster seinen Erbteil wählen und entschied sich für das Reich östlich der Maas, zu dem auch Italien und das östliche Burgund gehörten. LOTHAR versprach feierlich, mit der Übertragung der westlichen Hälfte an KARL einverstanden zu sein und nach dem Tod des Vaters nur seinen Anteil in Besitz zu nehmen. Der alte Kaiser mahnte seine beiden Söhne, sich zu lieben und gegenseitig zu unterstützen. Zur Sicherung dieser Abmachung waren alle Vorgänge öffentlich vor den Teilnehmern der Reichsversammlung vorgenommen worden.
    Auch auf seinem Sterbelager beschäftigte LUDWIG vor allem anderen die Furcht vor einem neuen Kampf um sein Erbe. Für seine warmherzige und gütige Art spricht auch, dass er am Ende seines Lebens noch seinem Sohn Ludwig, der bis zuletzt gegen ihn gekämpft hatte, zu verzeihen bereit war.
    Über die äußere Erscheinung LUDWIGS wissen wir Bescheid, weil sich sein Biograph Thegan am Vorbild der Vita Karoli Einhards orientiert hatte. Im Unterschied zur realistischen Beschreibung KARLS DES GROSSEN durch Einhard scheint aber Thegan eher ein Idealbild zu zeichnen, wenn auch ein Teil seiner Angaben zutreffen mochte. Thegan schildert LUDWIG als mittelgroß, athletisch gebauten Mann mit einer starken Brust, breiten Schultern und starken Armen, die zum Bogenschießen und Lanzenwerfen vorzüglich geeignet waren, und er rühmt seine männliche Stimme und vor allem seinen milden Charakter, der ganz frei von Zorn gewesen sei. Während die an ihm gerühmte Freigebigkeit noch als typischer Zug eines idealen Herrschers erwähnt sein mag, zeigen andere von Thegan hervorgehobene Eigenschaften ihn als eher mönchischen Charakter. Dazu gehört, dass er beim Gebet in der Kirche mit der Stirn den Fußboden zu berühren pflegte und dabei zuweilen Tränen vergoß und dass er das Lachen gänzlich vermieden haben soll. "Selbst wenn bei den höchsten Festen Schauspieler und Possenreißer bei Tisch erschienen und das Volk in seiner Gegenwart maßvoll lachte, zeigte er nicht einmal seine weißen Zähne beim Lachen."
    LUDWIGS persönliche Religiosität kann wohl am besten aus sein Verhalten in Krisensituationen abgelesen werden. Nach dem Aufstandsversuch seines Neffen Bernhard von Italien, der mit dessen Tod geendet hatte, war LUDWIG in tiefe Depression verfallen. Auf Rat seiner geistlichen Freunde legte der Kaiser ein öffentliches Schuldbekenntnis ab, wie es die kirchlichen Gesetze von einem Delinquenten verlangten. Auch das letztlich passive Verhalten LUDWIGS in den Jahren der Aufstände seiner Söhne (830-833) ist wohl so zu erklären, dass er diese Vorgänge als "Heimsuchungen" Gottes wegen seines sündhaften Lebenswandels ansah. Vielleicht ist auch in der Tatsache, dass LUDWIG schon früh, nämlich im 4. Jahr seiner Regierung, den ältesten Sohn LOTHAR zum Mitkaiser erhob, eine innere Distanz zur Herrschaft zu erkennen.
    Doch hatte er auch durchaus Sinn für herrscherliche Repräsentation: So erschien er an hohen Feiertagen in königlicher Gewandung mit einer goldenen Tunika, einem goldenen Gürtel, goldenen Beinschienen, einem von Gold glänzenden Schwert und einem golddurchwirkten Mantel; dabei trug er Krone und Zepter. Auch seine große Jagdbegeisterung, die ihn jedes Jahr für viele Wochen den Geschäften fernhielt, zeigt ihn als typischen Vertreter des hohen Adels seiner Zeit.
    Im Unterschied zu seinem Vater war LUDWIG schon als Kind literarisch gebildet. Nach Thegan soll er im Lateinischen und Griechischen gut unterrichtet gewesen sein, so dass er Latein wie seine Muttersprache sprechen konnte. Die heidnischen Lieder aber - so betont Thegan -, die er in seiner Jugend gelernt hatte, habe er weder lesen noch hören wollen. Dass LUDWIG sehr stark von seinen Beratern abhängig war, führt Thegan darauf zurück, dass der Kaiser viel lieber Psalmen sang und Bücher las als dass er sich für die Regierungsgeschäfte interessiert hätte. Bei dieser Begeisterung für Bücher ist es nicht verwunderlich, dass die Zeit LUDWIGS DES FROMMEN eine Blütezeit des kulturellen Lebens war; jetzt ging die Saat auf, die die von KARL DEM GROSSEN geholten ausländischen Lehrer ausgestreut hatten. Es waren jetzt fast ausschließlich Reichsangehörige, Franken, Schwaben und Sachsen, die mit teilweise sehr originellen Leistungen hervortraten. In die Zeit LUDWIGS gehört die Wirksamkeit der Rheinfranken Einhard und Hrabanus Maurus, des Alemannen Walahfrid Strabo, des Sachsen Gottschalk und der Westfranken Smaragd von St. Mihiel, Agobard von Lyon, Jonas von Orleans, Amalar von Metz, Florus von Lyon und Lupus von Ferrieres. An der Schreibschule von LUDWIGS Günstling und späterem Gegner Ebo von Reims entstanden bedeutende Kunstwerke wie das Ebo-Evangeliar. Die an Kathedralen und in Klöstern tätigen Schreibschulen fertigten eine ganze Reihe von Widmungsexemplaren für den Herrscher an, die dieser in seine Bibliothek aufnahm.
    Auch am Hof selbst wirkten Schreiber und Buchkünstler, die Prachthandschriften der Evangelien, der Rechtsbücher und antiker Texte herstellten. Es wurden aber auch schmucklose Manuskripte von patristischen und antiken Texten geschrieben, die durch die textliche Qualität und ihre disziplinierte Schrift hervorragen.
    Auch die Kaiserin Judith hat die Buchkunst gefördert und pflegte Kontakte zu wichtigen Autoren: Bischof Frechulf von Lisieux widmete ihr den zweiten Teil seiner Weltchronik, und Hraban sandte ihr Dedikationsexemplare seiner Kommentare der alttestamentarischen Bücher Judith und Esther (834). Walhfrid Strabo, den Judith zum Erzieher ihres Sohnes KARL bestimmt hatte, wurde nach dessen Volljährigkeit als Dank für seine Tätigkeit zum Abt von Reichenau erhoben (838).

    Schieffer Rudolf:, "Die Karolinger"

    Nie zuvor und nie wieder in karolingischer Zeit fielen Macht und Verantwortung an der Spitze von Reich und Familie so mühelos einem Einzelnen zu wie Anfang 814 nach dem Tode KARLS DES GROSSEN. LUDWIG, der bisherige Unterkönig von Aquitanien und seit wenigen Monaten auch gekrönter Kaiser, war von KARLS legitimen Söhnen allein übrig und eben darum der letztlich unanfechtbare Erbe, auch wenn er bis dahin der Führung des Imperiums ziemlich ferngestanden hatte und nicht eigens auf seine historische Rolle vorbereitet worden war, da der Vater viele Jahre hindurch eher mit seinem älteren Sohn Karl als Nachfolger rechnete. LUDWIG hatte nur eingeschränkte Verantwortung im Südwesten des Reiches erhalten, wo er von Kindheit an als Repräsentant des fränkischen Herrscherhauses fungierte und eine Schulbildung empfing, mit der er den Vater gewiß übertraf. Aus dem beigegebenen Regentschaftsrat war mit der Zeit ein eigener kleiner Hof geworden, der den "König der Aquitanier" im Rahmen der vom Vater gezogenen Grenzen bei seinen Amtshandlungen unterstützte.
    An seiner Seite werden der Kanzler Helisachar sowie der Graf Bego von Toulouse genannt, der um 806 durch Heirat mit LUDWIGS vorehelicher Tochter Alpais sein Schwiegersohn wurde. Eine prägende Persönlichkeit war daneben der westgotische Grafensohn Witiza, der als Gründer und Abt des Klosters Aniane (bei Montpellier) den programmatischen Namen Benedikt angenommen hatte und mit Rückhalt an LUDWIG eine umfassende Erneuerung des aquitanischen Klosterwesens gemäß der Regel des heiligen Benedikt in Gang brachte. In diesem seit jeher vertrauten regionalen Horizont wäre auch LUDWIGS weiteres Leben verlaufen - noch der Reichsteilungsplan von 806 eröffnete ihm nur die Aussicht auf begrenzten Machtzuwachs in Septimanien, der Provence und in Burgund -, wenn nicht der unerwartete Tod der Brüder Pippin und Karl (810/11) bewirkt hätte, dass "in ihm die Hoffnung auf die gesamte Herrschaft erwachte" und der Vater ihn, wenn auch zögernd, zum Kaisertum aufrücken ließ.
    Neben den inhaltlichen Maßgaben, die wenig Spielraum für grundsätzlich Neues ließen, beruhte die kaiserliche Regierungsführung im übrigen auf einem Geflecht persönlicher Bindungen, und hier waren einschneidende Veränderungen unabwendbar. Am Aachener Hof, der jahrzehntelang ganz auf KARL DEN GROSSEN fixiert gewesen war, rückte nun LUDWIGS Familie in den Mittelpunkt, nämlich seine Gemahlin Irmingard, Tochter des Grafen Ingelram (aus dem vornehemen Geschlecht Chrodegangs und Angilrams von Metz), mit der er seit 794 verheiratet war, samt ihren Söhnen LOTHAR (geb. 795), Pippin(geb. um 797) und Ludwig (geb. um 806) sowie den Töchtern Rotrud und Hildegard. Vor ihnen hatten seine bis dahin vielumworbenen, unvermählt gebliebenen Schwestern in verschiedene Klöster zu weichen, und auch ihre jungen, illegitimen Halbbrüder, KARLS späte Söhne Drogo, Hugo und Theuderich, kamen am Hof unter strengere Aufsicht. Für die eigenen Nachkommen sorgte LUDWIG vor, indem er die bereits erwachsenen Söhne LOTHAR und Pippinals Unterkönige in Bayern und Aquitanien einsetzte sowie seinen Schwiegersohn Bego (+ 816) zum Grafen von Paris und seinen illegitimen Sohn Arnulf zum Grafen von Sens machte. Ausgespart blieb Italien, wo der neue Kaiser gemäß dem Willen des Vaters das Königtum des Neffen Bernhard anerkannte, nachdem dieser zur Huldigung in Aachen erschienen war. Dagegen nahm er den Stiefvettern Adalhard und Wala ihren zuletzt bei KARL und Bernhard bedeutenden Einfluß; der ältere wurde nach Noirmoutier an der Loiremümdung verbannt, der jüngere trat ins Kloster Corbie ein. Zu den "neuen Leuten" LUDWIGS gehörte Ebo, ein Gefährte seiner frühen Jugend, der später als Bibliothekar gedient hatte und 816 trotz unfreier Herkunft Erzbischof von Reims wurde. An der Spitze der Hofkapelle verblieb der alte Hildebald von Köln (+ 818), aber neben ihn trat als Kanzler, ausgestattet mit Abteien, der schon in Aquitanien bewährte Helisachar. Auch Benedikt von Aniane kam zu einem wachsenden Wirkungsfeld, da ihm der Kaiser zunächst das elsässische Kloster Maursmünster und dann die Neugründung Inden/Kornelimünster nahe bei Aachen anvertraute, wo er seine Konzepte für weitgreifende Reformen geistlichen Gemeinschaften entwarf.
    Im Oktober 816 wurde der neue Papst Stephan IV. feierlich in Reims empfangen und legte Wert darauf, den Kaiser und seine Gattin Irmingard zu salben und mit einer eigens mitgebrachten, angeblichen Krone Konstantins zu krönen.
    Von der legislativen Entschlußkraft LUDWIGS und seiner Umgebung in diesen frühen Jahren zeugt aber vor allem, wie man auf der Aachener Reichsversammlung vom Juli 817 das zentrale Verfassungsproblem, den Widerstreit zwischen universalem, unteilbarem Kaisertum und traditionell gleichem Erbrecht aller legitimen Königssöhne, aufgriff und zu lösen suchte. Impulse durch den unitarischen Grundzug der Kirchenpolitik sind dabei ebenso offensichtlich wie das gemehrte Selbstbewußtsein des im Vorjahr zusammen mit Irmingard vom Papst gesalbten Kaiser, der nun auch förmlich ihren gemeinsamen Nachkommen die exklusive Aussicht auf künftige Herrschaft sichern wollte. Anders als KARL DER GROSSE in seiner Divisio von 806 ging LUDWIG, der sich von Anfang an nicht mehr rex Francorum, sondern imperator augustus schlechthin tituliert hatte, vom Vorrang der Kaiserwürde aus, die er allein seinem ältesten Sohn LOTHAR I. zusprach und ihm nach Akklamation der Großen auch sogleich durch Krönung aus eigener Hand, also wiederum ohne geistliche Vermittlung, in aller Form verleih. Unter ihm als dem Erben der obersten Verantwortung sollte Pippin, LUDWIGS zweiter Sohn, auch über den Tod des Vaters hinaus nicht mehr als das unwesentlich erweiterte Aquitanien innehaben, während dem noch heranwachsenden Ludwig ("dem Deutschen") das zuvor LOTHAR zugeteilte Bayern samt den slawischen Grenzgebieten in Aussicht gestellt wurde. Die abgestuften Kompetenzen kamen auch darin zum Ausdruck, dass die jüngeren Brüder dem Kaiser regelmäßig Bericht zu erstatten haben würden, nur mit seiner Zustimmung heiraten durften und sich der Reichsversammlung als ungeteiltem Forum der Zentralgewalt beugen mußten. Um weiterer Zersplitterung vorzukommen, wurde festgelegt, dass die beiden Unterkönigreiche ebenso wie das Kaisertum stets nur an einen Erben fallen konnten, gegebenenfalls also unter mehreren Söhnen oder Brüdern eine Wahl der Großen stattzufinden hätte. Offenkundig sollte dieses Thronfolgegesetz von 817 mit der modernen Bezeichnung Ordinatio imperii also Bestand und Struktur des fränkischen Großreiches von den familiären Geschicken des Herrscherhauses unabhängig machen und zwar insofern antidynastisch konzipiert.
    Eine erste Regung von Widerstand trat ganz unmittelbar auf und kann kaum überrascht haben. Sie ging von König Bernhard von Italien, dem jungen Neffen des Kaisers aus, der noch im Vorjahr mit dem ehrenvollen Geleit des Papstes über die Alpen betraut worden war, sich nun aber mit seiner von KARL DEM GROSSEN übertragenen Sonderherrschaft in der Ordinatio imperii gar nicht erwähnt fand und dort stattdessen lesen konnte, Italien solle künftig LOTHAR I. in gleicher Weise unterstehen wie bisher den Kaisern KARL und LUDWIG. Wenn er in seiner Verärgerung offenbar nicht ganz wenige hochgestellte Anhänger fand, so zeigt sich, dass hier über persönliche Spannungen hinaus Weiterreichendes berührt war wie das Thronrecht illegitmer KAROLINGER, die Gültigkeit der von LUDWIG bei seiner Kaisererhebung akzeptierten Verfügungen KARLS und letztlich die Divergenz zwischen der bis 814 dominierenden Elite und den nun tonangebenden "Aquitaniern". Dennoch ist schwer auszumachen, wie weit die Ziele reichten, die Bernhard durchzusetzen suchte, als er sich im Herbst 817 gegen LUDWIG DEN FROMMEN wappnete, doch steht fest, dass die offiziösen Quellen von einer ernsthaften Rebellion sprechen und der Kaiser mit einer umfassenden Mobilisierung von Truppen reagierte, die ihre Wirkung nicht verfehlte. Nach Besetzung der Alpenpässe gab Bernhard noch vor Jahresende die Sache verloren und erschien mit seinen Getreuen in Chalon-sur-Saone, wo LUDWIG ihn festnehmen ließ. Auf der Aachener Reichsversammlung vom Frühjahr 818 wurden mehrere Bischöfe unter dem Vorwurf des Einverständnisses mit ihm abgesetzt und über die beteiligten Laien mit Bernhard an der Spitze Todesurteile gefällt, die der Kaiser dann in Blendungsstrafen umwandelte. Bernhard, gerade Vater eines kleinen Sohnes namens Pippin geworden (von dem sich die späteren Grafen von Vermandois herleiten), starb an den Folgen der grausamen Prozedur (17.4.818), was sicher ungewollt war, aber für LUDWIGS Regiment eine fühlbare moralische Belastung bedeutete, die bewußt macht, dass auch für den Machtkampf innerhalb des Herrscherhauses mittlerweile strengere sittliche Maßstäbe an Boden gewonnen hatten. Fürs erste freilich ließ der Kaiser seinen Zorn und seinem Mißtrauen freien Lauf, indem er nun auch seine illegitimen Halbbrüder in den geistlichen Stand versetzte, "um die Zwietracht zu mindern" (wie es Thegan ausdrückte): Drogo kam nach Luxeuil, Hugo nach Charroux und der bald verstorbene Theuderich an einen unbekannten Platz.
    Die wiederholten Hinweise der Quellen auf "ruchlose" Ratgeber und prominente Mitverschworene des gescheiterten Bernhard (darunter ein Enkel jenes Grafen Hardrad, der sich 30 Jahre zuvor gegen KARL empört hatte) lassen erneut spüren, wie leicht Familienzwist an der Spitze unruhiger Adelskreise auf den Plan rufen konnte und wie sehr es daher für den jeweiligen Herrscher darauf ankommen mußte, eine Isolierung von wesentlichen Teilen der Führungsschicht zu vermeiden. Es scheint, dass LUDWIG DER FROMME dafür - neben dem bewährten Mittel der Vergabe von Ämtern und Würden - stärker als sein Vater auch Eheverbindungen mit dem Hochadel eingesetzt hat. Er ging selbst voran, als er nach dem Tode der Kaiserin Irmingard (818) als zweite Gattin Judith wählte, die, wie es heißt, ob ihrer Schönheit siegreich aus einer "Besichtigung" der Töchter vornehmer Häuser hervorging, aber gewiß auch dadurch empfohlen wurde, dass sie von dem Grafen Welf aus ursprünglich fränkischer, nun vornehmlich in Alemannien und Bayern begüterter Familie (den älteren WELFEN) und einer edlen sächsischen Mutter abstammte. Dem Vater folgte 821 der junge Kaiser LOTHAR durch seine Heirat mit Irmingard, der Tochter des Grafen Hugo von Tours aus dem alten elsässischen Herzogshaus der ETICHONEN, während sein Bruder Pippin von Aquitanien im nächsten Jahr Ringart heimführte, deren Vater eine neustrische Grafschaft innehatte. Auch die kaiserlichen Prinzessinnen Rotrud und Hildegard wurden, anders als unter KARL, ins dynastische Geflecht einbezogen und mit den aquitanischen Grafen Rather von Limoges und Gerhard von Auvergne vermählt. Unter den solchermaßen in Königsnähe gerückten Geschlechtern gewannen vorerst die WELFEN den größten Einfluß, was kaum zu Unrecht dem energischen Ehrgeiz der neuen Kaiserin Judith zugeschrieben wird. Jedenfalls muß auffallen, dass im Laufe der Zeit ihre Mutter Heilwig die Leitung der vornehmen Königsabtei Chelles erhielt, der eine Bruder Rudolf sich die Verfügung über die Klöster Saint-Riquier und Jumiges sicherte und der andere, Konrad, zum wichtigen Machthaber in Alemannien wurde, überdies verheiratet mit Adelheid, einer weiteren Tochter Hugos von Tours und damit Schwägerin LOTHARS I. Wenn schließlich 827 auch noch Hemma, Judiths jüngere Schwester, dem Kaiser-Sohn Ludwig, einstweiligem Unterkönig von Bayern, angetraut wurde, so kündigten sich zugleich bereits die Gefahren für die inneren Machtbalance an, die in allzu starkem Hervortreten einzelner Adelssippen lag.
    Zusammen mit der Familie gewann auch der Hof mit den Jahren ein neues Profil. Die feste Bindung an die Residenz Aachen lockerte sich in dem Maße, wie Reichsversammlungen wieder in Nimwegen, Diedenhofen, Compiegne oder Ingelheim anberaumt wurden und Reisen bis nach Orleans und Tours, aber auch nach Paderborn und Frankfurt den Kaiser mit einem weiteren Kreis seiner Getreuen zusammenbrachten.
    Auf der Diedenhofener Reichsversammlung vom Oktober 821 begnadigte LUDWIG die überlebenden Teilnehmer der Rebellion Bernhards von Italien und hob die Verbannung Adalhards und Walas, der Stiefvettern KARLS, vom Hof auf; wenig später fiel die Entscheidung, die ins Kloster verdrängten Halbbrüder des Kaisers ebenfalls mit angemessenen Würden zu bedenken, und zwar Drogo mit dem Bischofsstuhl von Metz (ab 823), Hugo mit der Leitung des Klosters Saint-Quentin. Da in Diedenhofen zugleich die Ordinatio imperii von allen Großen eidlich bekräftigt wurde, ist in dem personellen Umschwung kein politischer Kurswechsel zu vermuten, sondern eher der Versuch, für die unveränderten Ziele einen breiteren Rückhalt zu erreichen. Gleichwohl bestand das Bedürfnis, die Überwindung der Zerwürfnisse auch religiös zu manifestieren, und so erlebte die Reichsversammlung von Attigny im August 822 die unter KARL DEM GROSSEN schwer vorstellbare Szene, dass der Kaiser öffentlich seine Verfehlungen gegen Brüder und Vettern sowie seine Mitschuld am Tode des Neffen Bernhardbekannte und sich dafür der Kirchenbuße unterwarf, während die anwesenden Bischöfe ihrerseits unumwunden die eigene Nachlässigkeit und Pflichtvergessenheit eingestanden und Besserung gelobten.
    Ganz im Sinne der allseits beschworenen Hausordnung wurde dem Junior-Kaiser LOTHAR ein Jahr nach seiner Heirat Italien als Bereich eigener Zuständigkeit zugewiesen, wo er ab 822 die Sonderherrschaft Pippins und Bernhards fortführen konnte.
    Die äußeren Rückschläge, die im Jahre 827 fast gleichzeitig in Pannonien, in Spanien und bei den Dänen eintraten, waren an sich ohne ursächlichen Zusammenhang, trafen am Hof aber auf ein Klima der Unsicherheit, das sich aus zunehmenden Spannungen in der Umgebung des Kaisers ergab. Den Hintergrund bildete eine neue familiäre Konstellation, denn LUDWIGS zweiten Gattin Judith hatte nach einer Tochter Gisela am 13.6.823 in Frankfurt einen Sohn zur Welt gebracht, der den Namen seines Großvaters KARL erhielt.
    Gleichwohl blieb die Ordinatio imperii nicht nur abstrakt in Geltung, sondern wurde auch fortschreitend realisiert, soweit das zu LUDWIGS Zeiten überhaupt möglich war: Ende 825 kehrte LOTHAR aus Italien zurück, um künftig als formell gleichberechtigter Mitkaiser an den Regierungsgeschäften beteiligt und in allen Herrscherurkunden genannt zu werden, und 826 hielt man den Kaisersohn Ludwig für alt genug, um das ihm in der Ordinatio zugesprochene Unterkönigreich Bayern auch persönlich zu übernehmen. Da sein Bruder Pippin schon seit Jahren in Aquitanien residierte, verblieben am Hof allein die beiden Kaiser sowie Judith mit ihrem kleinen Sohn. Wie sie miteinander auskamen, wissen wir nicht, doch ist in der zweiten Hälfte der 820er Jahre eine gewisse Stagnation in LUDWIGS innerer Politik nicht zu übersehen. Sichtbar zutage traten die latenten Gegensätze erst, als es galt, auf die akute Bedrohung an den Grenzen zu reagieren. LUDWIG DER FROMME ordnete dazu Anfang 828 nicht nur ein allgemeines Fasten an, sondern verfügte auch auf einem Hoftag in Aachen die Absetzung des Markgrafen Balderich von Friaul, der die Bulgaren nicht hatte abwehren können, sowie der Grafen Hugo von Tours und Matfrid, denen Versagen in Spanien vorgeworfen wurde. Mögen dies nach Lage der Dinge nicht unbegründete Entscheidungen gewesen sein, so griffen sie doch rigoros in die labile Balance unter den führenden Magnaten ein, denn jeder der Entmachteten stand in mannigfachen Bindungen zu anderen Großen, deren Ergebenheit durch solche Sanktionen auf eine harte Probe gestellt wurde. LOTHAR zum Beispiel konnte es nicht gleichgültig sein, dass sein Schwiegervater Hugo um allen Einfluß gebracht und Matfrid in der Grafschaft Orleans ausgerechnet durch Odo, einen Vetter des vor Barcelona siegreichen Grafen Bernhard, ersetzt wurde, der als Judiths Schützling galt. Jedenfalls wuchs dadurch die Zahl der Unzufriedenen, die zumal der Kaiserin nicht trauten. Wala, der 826 seinem verstorbenen Bruder Adalhard als Abt von Corbie nachgefolgt war und durch lange Erfahrung ebenso wie durch karolingische Abkunft besondere Autorität genoß, machte sich zu ihrem Sprecher, als es Ende 828 auf einer neuen Aachener Versammlung eine umfangreiche Denkschrift über Mißstände in Reich und Kirche vorlegte. Doch über diesen umfassenden Versuch einer Neubestimmung der Gewichte in "Abwehr des allzu verfestigten Staatskirchentums" (H. H. Anton), der ihm in einer kompromitierten Fassung vorgelegt wurde, ging Kaiser LUDWIG auf der nächsten Reichsversammlung im Worms (August 829) hinweg, um seinerseits mit dem Entschluß aufzuwarten, sein nunmehr sechsjähriger jüngster Sohn KARL erhalte als vorweggenommenes Erbe einen neugeschaffenen Machtbereich (Dukat), der aus Alemannien, Elsaß, Rätien und Teilen von Burgund gebildet wurde. Da keine Erhebung zum König erfolgte, war die Ordinatio imperii formal nicht außer Kraft gesetzt, doch mußte ihre wesentliche Intention als bedroht, ja gescheitert gelten, eine weitere Aufsplitterung der Macht durch Beschränkung des dynastischen Erbrechts zu unterbinden. Brüskiert fühlte sich LOTHAR, der seine Aussicht auf königliche Gesamtherrschaft schwinden sah, und mit ihm seine adelige Klientel, die an seinem Aufstieg gehofft hatte Anteil zu haben, der auch die jüngeren Brüder Pippin und Ludwig, die weitere Schritte zugunsten des kleinen KARL befürchten mußten, und schließlich die kirchliche Reformpartei, die eben erst weitreichende Konzepte zur inhaltlichen Ausfüllung des Reichseinheitsideals vorgetragen hatte. Der Bruch wurde offenkundig, als LOTHAR, der am 11.9.829 die letzte gemeinsame Urkunde mit dem Vater ausstellte, im Herbst ins Teilreich Italien abgeordnet und auch Wala vom Hof in sein Kloster Corbie verwiesen wurde. Statt ihrer nahm nun Bernhard von Barcelona, der Rivale Hugos und Matfrids, als Kämmerer die Stellung eines "Zweiten in der Herrschaft" ein, getragen vom Vertrauen der Kaiserin Judith (was zu üblen Gerüchten Anlaß gab) und verhaßt bei den bisher tonangebenden Kreisen, die sich über weitere personelle Veränderungen am Hof entrüsteten. Der Vorgang zeigt deutlich die faktischen Grenzen der kaiserlichen Entscheidungsfreiheit auf, denn die verbreitete Mißstimmung in der geistlichen und weltlichen Führungsschicht ließ sich nur den Winter 829/30 über noch unter Kontrolle halten. Als, angeblich auf Betreiben Bernhards, der Aufmarsch zu einem neuen Feldzug gegen die Bretonen ausgerechnet auf den Gründonnerstag (14.4.) angesetzt wurde, gab dies das Fanal zum Umsturz.
    Zum Verständnis der weiteren Entwicklung ist wichtig, dass die aktive Opposition nicht von dem in Italien weilenden Kaiser LOTHAR und auch kaum von seinen königlichen Brüdern ausging, sondern von den um ihren Einfluß gebrachten Großen, die sich bei der Forderung nach Revision der jüngsten Maßnahmen einig in dem Ziel waren, Bernhard und Judith aus ihren Schlüsselpositionen zu verdrängen. Nur für einen Teil der Aufrührer jedoch, für Männer wie Wala von Corbie, den Erzkapellan Hilduin oder den früheren Kanzler Helisachar, ging es darüber hinaus bewußt darum, LUDWIG DEN FROMMEN an der Aufgabe seiner eigenen früheren Pläne zur Wahrung der Reichseinheit zu hindern, - eine Haltung, die um einer höheren Legitimität willen den Vorwurf des Bruchs geleisteter Eide nicht scheute und, wenn überhaupt, nur dann auf breitere Resonanz rechnen konnte, wenn LOTHAR selber die Verteidigung der auf ihn zugeschnittenen Ordinatio imperii energisch und wirksam in die Hand nahm. Er wurde daher eilend über die Alpen herbeigeholt, nachdem sich das Heer statt gegen die Bretonen in den Pariser Raum gewandt und Bernhard sein Heil in der Flucht nach Barcelona gesucht hatte, während Judith in Klosterhaft nach Poitiers verbracht wurde und auch ihre Brüder Konrad und Rudolf in die Hände ihrer Gegner fielen, die sie bezeichnenderweise durch Scheren des Haupthaares aus dem politischen Leben auszuschalten suchten. LOTHARentschied sich nach seiner Ankunft auf einer Reichsversammlung in Compiegne im Mai 830 gegen die Forderung der radikaleren seiner Anhänger, LUDWIG DEN FROMMEN völlig zu entthronen, und zog es in Gegenwart seiner Brüder Pippin und Ludwig vor, allein auf der Rücknahme der Verfügungen aus dem Vorjahr zu bestehen, also wieder zum formellen Doppelkaisertum zurückzukehren. Dabei war nun freilich er der eigentliche Gebieter, hielt den Vater und den kleinen Stiefbruder unter steter Aufsicht und ging auch weiter strafend gegen Parteigänger der verstoßenen Kaiserin vor.
    Statt konkreter politischer Entschlüsse im Sinne der von den Reformern erhofften "Besserung" der allgemeinen Zustände stand, wie sich zeigte, eher die gegenseitige Abrechnung unter den verfeindeten Großen auf der Tagesordnung des folgenden Sommers und erlaubte bald gegen LOTHARS Regiment den Vorwurf, Ungerechtigkeit, Habgier und Gewalttat nur noch weiter gesteigert zu haben, was ihn in den Augen vieler kompromittierte, die seinen Aufstieg herbeigeführt hatten. Die verbreitete Enttäuschung kam dem alten Kaiser zugute, der seine monatelange Passivität überwand und über Mittelsmänner die Söhne Pippin und Ludwig auf seine Seite zog, indem er ihnen eine Vergrößerung ihrer Erbteile in Aussicht stellte. Der Umschwung zeigte sich bereits auf der nächsten Reichsversammlung im Oktober in Nimwegen, wo LUDWIG wieder die Oberhand gewann, seinem kaiserlichen Sohn kampflos einen neuen Treueid abnötigte und die Rückkehr Judiths an seine Seite durchsetzen konnte. Die Anführer der Rebellion sahen sich isoliert, wurden festgesetzt und auf einem Aachener Hoftag im Februar 831 abgeurteilt; Hulduin, der als Erzkaplan durch den Abt Fulco ersetzt wurde, ferner Wala und Helisachar wanderten an verschiedene Verbannungsorte, prominente Laien wurden mit Entzug ihrer Ämter und Güter bestraft. LOTHAR verlor erneut die Teilhabe an der Gesamtherrschaft und wurde nach Italien abgeschoben. Der zweimalige abrupte Wechsel der Machtverhältnisse, der sich binnen Jahresfrist abgespielt hatte, war von noch größerer Tragweite, als die Beteiligten ahnen mochten, den er klärte im Grunde schon, dass die von LUDWIG anfänglich betriebene normative Sicherung der Reichseinheit gescheitert war, weil der Kaiser sie der dynastisch fundierten Begehrlichkeit der übrigen Familienmitglieder geopfert hatte, aber auch weil der zu ihrer Wahrung berufene LOTHAR I. zu entscheidender Stunde weder Entschlußkraft noch Augenmaß bewiesen hatte.
    Wenn es kein Zurück zur Ordinatio imperii mehr gab, so waren die Modalitäten der künftigen Machtverteilung fortan dem freien Spiel der Kräfte überlassen, was im verbleibenden Jahrzehnt LUDWIGS DES FROMMEN zu einer verwirrenden Folge rasch wechselnder, niemals realisierter Zukunftsprojekte geführt und die Autorität des Herrscherhauses im ganzen schwer erschüttert hat. Dabei war LOTHAR als der Verlierer des Jahres 830 zunächst im Nachteil und hatte wohl schon in Aachen eine Regelung hinzunehmen, die ihn, den Kaiser, auch dauerhaft auf Italien beschränken wollte, während nördlich der Alpen Pippin mit einer Erweiterung seines aquitanischen Teilreichs nach Norden bis zur Somme und Ludwig mit einer Ausdehnung seines bayerischen Anteils rechts des Rheins und in der nördlichen Francia belohnt wurden. Dass alles übrige, von Mosel und Mittelrhein südwärts bis zur Provence, womöglich dem jungen KARL gehören sollte, weckte freilich den Unmut Pippins und Ludwigsund legte dem Kaiserhof nahe, zugunsten des Jüngsten eine vorsichtige Annäherung an LOTHAR zu suchen. Der Junior-Kaiser wurde schon im Mai 831 in Ingelheim wieder ehrenvoll empfangen und konnte die Begnadigung etlicher seiner Anhänger aus dem Vorjahr (darunter Hilduin, jedoch nicht Wala) erleben, zog sich dann aber doch nach Italien zurück. Dagegen nahmen die Spannungen mit den beiden anderen Brüdern gewaltsame Formen an, nachdem Pippin zu einem Hoftag im Herbst nicht erschienen und bei einem Weihnachtsbesuch in Aachen eigenmächtig abgereist war. Während der Kaiser deshalb einen Feldzug nach Aquitanien vorbereitete, wurde ihm ein Aufstand Ludwigs gemeldet, der sich von Bayern aus offenbar Teile von KARLS Erbe aneignen wollte. Den fälligen Doppelschlag gegen beide Söhne führte der Vater in der Weise, dass er zunächst gegen Ludwig vorrückte und ihn nach der Unterwerfung im Mai 832 bei Augsburg glimpflich davonkommen ließ, sich dann aber gegen Pippin wandte, den er im Oktober in der Nähe von Limoges zur Ergebung zwang und mit Absetzung sowie Verbannung nach Trier strafte, wodurch der Weg frei wurde, das aquitanische Regnum an Judiths Sohn KARL zu verleihen. Nach anderthalb Jahren war damit auch die Hausordnung von 831 schon wieder hinfällig, und eine Lösung zeichnete sich ab, bei der nur noch LOTHAR und KARLeine wesentliche Rolle spielen würden.
    Tatsächlich hatten LUDWIG und Judith abermals den Bogen überspannt und mit ihren sprunghaften Entschlüssen eine Koalition aller drei älteren Kaisersöhne heraufbeschworen, die sich 833 in einem großen Aufstand gegen sie kehrte. Anders als 830 ging es diesmal nicht mehr um die Zukunft der Reichseinheit, sondern nur noch um die sofortige Sicherung der beanspruchten Anteile vor anderweitiger Vergabe durch den Vater, und nach den jüngsten Erfahrungen wurden für dieses Ziel auch bewaffnete Auseinandersetzungen in Kauf genommen. Der neue Akt des Familiendramas begann damit, dass der enterbte Pippin von Aquitanienschon auf dem Transport ins Trierer Exil entweichen konnte und Fühlung mit LOTHAR aufnahm, der in Italien ein Heer mobilisierte, vor allem aber Papst Gregor IV. dafür gewann, sich ihm "zur Wiederherstellung von Frieden und Eintracht" anzuschließen. Auch Ludwig der Deutsche, der sich zuletzt (vergeblich?) beim Vater für eine milde Behandlung der Teilnehmer seiner kürzlich gescheiterten Rebellion verwandt hatte, trat von Regensburg aus auf ihre Seite. Während der Papst in einem Rundschreiben die fränkischen Bischöfe aufforderte, ihm zur Unterstützung entgegenzueilen, beschied LUDWIG DER FROMME ebenfalls den Episkopat zu sich nach Worms. Außer den adligen Führern der großen Vasallenverbände war damit auch die hohe Geistlichkeit zur persönlichen Stellungnahme herausgefordert, und sie spaltete sich gleichermaßen. LOTHARfand nur zögernde Unterstützung bei Wala, der erst im Vorjahr als einfacher Mönch nach Corbie hatte zurückkehren dürfen, und besaß daher seine hauptsächlichen Wortführer jetzt in den Erzbischöfen Agobard von Lyon und Ebo von Reims, wohingegen sich die kaisertreue Gruppe um Drogo von Metz, den Halbbruder LUDWIGS, scharte. Polemische Manifeste über die geforderte und verletzte Rechte, ja über den Vorrang der Befehlsgewalt von Kaiser oder Papst - ein in dieser Zuspitzung durchaus neuartiges Problem - gingen hin und her, bevor sich Ende Juni 833 auf dem Rotfeld bei Colmar die Heere LUDWIGS und seiner drei Söhne tagelang gegenüberstanden. Gregor verhandelte im Lager des Kaisers um einen Ausgleich, doch ließen sich inzwischen dessen Gefolgsleute mehr und mehr "durch Geschenke, Versprechungen und Drohungen" (wie LUDWIGS Biograph zu wissen glaubte) dazu bewegen, von ihrem Herrn abzufallen und auf die Seite der Söhne zu treten, so dass der alte Kaiser schließlich ohne Machtbasis dastand und sich ergeben mußte. Der Schauplatz so vielfachen Eidbruchs soll schon wenig später das "Lügenfeld" geheißen haben.
    LUDWIG hatte ganz formlos aufgehört, Herrscher zu sein, indem er von den Seinen verlassen wurde und somit nichts mehr zu gebieten hatte. Die Sieger konnten die ihnen zugefallene Macht nicht anders sichern als dadurch, dass sie ihn in dauernder Haft hielten, was in LOTHARS Verantwortung gegeben wurde, und so war es, der den Vater zunächst ins Kloster Saint-Medard in Soissons verbrachte, während der 10-jährige KARL in die Eifelabtei Prüm kam und seine Mutter Judith gar nach Tortona in Italien verbannt wurde. Auch bei der politischen Neuordnung des Reiches fiel das erste Wort LOTHAR, dem Kaiser zu, der in seinen Urkunden sogleich den vollen Imperatortitel LUDWIGS übernahm. Doch falls er (wie anscheinend der Papst und andere seiner geistlichen Parteigänger) geglaubt haben sollten, nach der Ausschaltung LUDWIGS, Judiths und KARLSzur Machtverteilung der Ordinatio imperii von 817 übergehen zu können, so zeigte sich rasch, dass die am Erfolg beteiligten Brüder eine derartige Rückstufung nicht mehr hinzunehmen bereit waren. Vielmehr mußten Pippin und Ludwig, soweit zu erkennen ist, über ihre Unterherrschaften hinaus weitere Landstriche (wohl Neustrien und alle rechtsrheinischen Gebiete) zugestanden werden, und zwar zu sofortiger selbständiger Regierung, wie sich am uneingeschränkten Königstitel ihrer seitherigen Urkunden ablesen läßt. Der Sturz LUDWIGS DES FROMMEN hatte mit innerer Logik die erste effektive Teilung des KARLS-Reiches zur Folge, und wer das nicht gewollt hatte, "kehrte", wie von Papst Gregor berichtet wird, "mit großer Trauer heim". LOTHAR, stark beraten von Agobard und Ebo, nutzte hingegen eine große Reichsversammlung im Oktober in Compiegne, um auch noch eine kirchliche Sanktionierung des Thronwechsels herbeizuführen. Gemäß ihrem 829 prinzipiell reklamierten allgemeinen Aufsichtsrecht stellten die versammelten Bischöfe förmlich fest, der ehemalige Kaiser habe "das ihm übertragene Amt unzulänglich verwaltet", und entsandten unter Ebos Führung eine Abordnung ins nahe Soissons, die LUDWIG ein langes Register seiner Sünden, unter anderem die Gewalttaten gegen seine Verwandten und die ungerechte Bestrafung der Verteidiger der Hausordnung von 817, vortrug und ihn aufforderte, dafür öffentlich Buße zu leisten. Nach einigem Sträuben und gewiß unter massivem Druck wurde er bereit, sich dem Urteil der Bischöfe zu beugen und seine mangelnde Eignung zum Herrscher einzugestehen. Bei aller ernstzunehmender Seelenqual liegt in der Szene ein geradezu atemberaubender Substanzverlust der monarchischen Autorität keine 20 Jahre nach dem Tode KARLS DES GROSSEN.
    Und wieder wendete sich das Blatt, wozu offenbar gerade die erbarmungslose Härte wesentlich beitrug, mit der LOTHAR den gefangenen Vater von Ort zu Ort mitzuschleppen schien. Der jüngere Bruder Ludwig, der bei einem weiteren Umsturz kaum etwas aufs Spiel zu setzten brauchte, forderte schon um die Jahreswende 833/34 eine würdigere Behandlung des alten Kaisers, und zu seinem Sprachrohr machte sich der gelehrte Fuldaer Abt Hrabanus Maurus, der mit einer Schrift "Über die Ergebenheit der Söhne gegen die Väter und der Untertanen gegen die Könige" hervortrat. Die moralische Hypothek, die auf ihm lastete, hinderte LOTHAR auch diesmal daran, seiner Herrschaft den notwendigen breiten Rückhalt bei den Großen zu verschaffen, und als er dann noch Pippins Mißtrauen durch Anstalten weckte, seinen Machtbereich auf dessen Kosten auszuweiten, war erneut die Konstellation beisammen, die LOTHAR schon 830 zu Fall gebracht hatte. Während er Ende Februar in Paris Hof hielt, rückten Pippin von W und Ludwig von Osten mit ihren Heeren gegen ihn vor, doch keine Hand rührte sich zu seiner Verteidigung, so dass ihm nichts anderes übrig blieb, als mit seinen Getreuen den eiligen Durchbruch nach Süden zu wagen und den Vater samt dem Stiefbruder in Saint-Denis zurückzulassen. Dort wurde LUDWIG DER FROMME am 1.3.834 feierlich wieder in die Kirche aufgenommen und, mit Waffen und Krone geschmückt, als Kaiser anerkannt. Auch Pippin und Ludwig fanden sich bald bei ihm ein, und man hörte von der Befreiung der Kaiserin, die nach Wochen in Aachen eintraf. Dennoch war LOTHAR nicht bereit (und vielleicht vor seinen Anhängern auch nicht imstande), sich ohne Gegenwehr geschlagen zu geben, so dass nun noch offene Kämpfe ausbrachen. Unweit der bretonischen Grenze siegten in blutigem Gefecht LOTHARS Parteigänger, die Grafen Lambert (von Nantes) und Matfrid, wobei neben dem kaiserlichen Kanzler Theoto, erst seit kurzem Nachfolger des Fridugis und etlichen Grafen auch Odo, Matfrids Rivale in Orleans, den Tod fand. LOTHAR selber erstürmte beim Vorrücken aus dem Rhonegebiet die Stadt Chalon, was mit manchen, in den Quellen ihm angelasteten Greueltaten verbunden war, schritt dann aber doch nicht zum Äußersten, als er etwa im September bei Blois der überlegenen Heerresmacht des Vaters und der Brüder gegenüberstand. Er unterwarf sich und rettete damit immerhin seine Herrschaft über Italien, freilich nur unter der eidlichen Zusage, das Land nicht mehr eigenmächtig zu verlassen; dorthin wurde auch den wichtigsten seiner geistlichen und weltlichen Parteigänger, also Wala von Corbie, Agobard und mindestens fünf weiteren Bischöfen sowie den Grafen Hugo, Matfrid, Lambert und ihrem Anhang freier Abzug gestattet. LUDWIG DER FROMME, der fortan in seinem urkundlichen Kaisertitel stets der "zurückgewährenden göttlichen Huld" Rechnung trug, war wieder das unbestrittene Oberhaupt des Reiches. Er formierte die Hofkapelle neu, indem er seine Halbbrüder Drogo, den Bischof von Metz, zum Erzkapellan und Hugo, den Abt von Saint-Quentin, zum Kanzler berief, und bestand im übrigen auf einer förmlichen Annullierung der während des Aufruhrs gegen ihn unternommenen Rechtsakte. Das geschah im Februar 835 auf einer Reichsversammlung in Diedenhofen, bei der unter Zustimmung auch von seinerseits beteiligten Bischöfen die Verurteilung LUDWIGS in Compiegne aufgehoben und seine Kirchenbuße von Soissons für nichtig erklärt wurde. Ebo von Reims hatte diese bei einer feierlichen Zeremonie in Drogos Metzer Dom zu verkünden und wurde gleich anschließend auf Antrag des Kaisers von seinem Hirtenamt abgesetzt und mit Klosterhaft belegt.
    Die jahrelange Konzentration aller fränkischer Energien auf den inneren Zwist von Herrscherhaus und Führungsschicht schwächte unausbleiblich die Abwehrkraft des Reiches nach außen und hat vor allem die Gefährdung der nördlichen und westlichen Küsten in folgenreicher Weise gesteigert. Trotzdem überwogen auch in LUDWIGS DES FROMMEN letzten Jahren die innenpolitischen Sorgen. Die schweren Erschütterungen der Jahre 830 und 833/34 hatten nur negativ darüber entschieden, dass für die Reichseinheit über den Tod dieses Kaisers hinaus keine Aussicht mehr bestand, aber sie hatten jedes Einvernehmen über die konkrete Verteilung des Erbes in unabsehbare Ferne gerückt. Zu weit klafften die Ansprüche der Söhne und die Erwartungen der ihnen jeweils verbundenen Großen auseinander, und zu sehr hatte die Autorität des kaiserlichen Vaters Schaden genommen, als dass ein allgemeiner Konsens über künftige Reichsteilungen noch hätte ausgehandelt oder gar verordnet werden können. LUDWIG, in dessen Umgebung neben der Kaiserin Judith nun der Seneschalk Adalhard zu steigendem Einfluß kam, resignierte indes keineswegs und scheint in einzelnen seiner Maßnahmen versucht zu haben, an die Politik der glücklicheren 820er Jahre anzuknüpfen, etwa wenn er 836 eine neue Reformsynode in Aachen veranlaßte, die sich weithin wörtlich die Beschlüsse des Jahres 829 zu eigen machte, oder wenn er durch die Verheiratung seiner Tochter Gisela mit dem Markgrafen Eberhard von Friaul (aus dem fränkischen Hause der UNROCHINGER) ähnlich wie früher einen mächtigen Magnaten sich als Schwiegersohn zu verpflichten suchte, doch ein durchdachtes, konsequent verfolgtes Konzept in der Erbteilungsfrage hatte er nicht, wenn man von dem wohl durch Judiths genährten Wunsch absieht, den nachgeborenen Sohn KARLmöglichst gut zu bedenken.
    Dabei stand nach 834 zunächst im Wege, dass die Anteile der mittleren Söhne Pippin und Ludwig, die durch ihre Schwenkung die Wiedereinsetzung des Vaters herbeigeführt hatten, nicht geschmälert werden konnten, weshalb die Zuweisungen an KARL (Alemannien, später Aquitanien), die den großen Aufstand heraufbeschworen hatten, hinfällig blieben. Die Lösung schien wie 831 in einer Verständigung mit LOTHAR zu liegen, die auf einer Diedenhofener Reichsversammlung 836 versucht wurde, wo Wala als dessen Abgesandter erschien; doch starb der ehemalige Abt von Corbie bald nach seiner Rückkehr, ohne LOTHARSEinlenken erreicht zu haben. Die fortwährend grollende Haltung des ältesten Sohnes, der in Italien sogar gegen Anhänger des Vaters vorging, bewog LUDWIG, für 837 einen Romzug anzukündigen, der zu einer Begegnung mit LOTHARhätte führen müssen, dann aber nicht zustande kam, weil der erneute Wikingereinbruch in Friesland den Kaiser dorthin ablenkte. Danach gab er das Warten auf LOTHAR auf und verfügte Ende des Jahres von sich aus eine erneute Ausstattung KARLS, die zentralen Bereiche der Francia von Friesland über die Gaue zwischen Maas und Seine bis weit nach Burgund umfaßte. Damit verstimmte er nicht nur LOTHAR, sondern auch den jüngeren Ludwig, der sich von Bayern aus mit dem kaiserlichen Bruder zu einer Besprechung in der Nähe von Trient traf und dadurch sogleich das Mißtrauen des Vaters auf sich lenkte. Nach einem vergeblichen Versuch, sich zu rechtfertigen, wurden ihm im Sommer 838 alle rechtsrheinischen Länder bis auf Bayern wieder entzogen. Immer höher stieg der Stern KARLS, der im September in Quierzy nach Vollendung seines 15. Lebensjahres mit dem Schwert umgürtet und von seinem Vater zum König gekrönt wurde, wobei er Neustrien als Unterherrschaft erhielt, anscheinend neben dem im Vorjahr verfügten Erbteil. Bevor es darüber zum Konflikt mit Pippin von Aquitanien kam, dessen Interessen hier berührt waren, traf die Nachricht von seinem offenbar plötzlichen Tod am 13.12.838 ein. Zu Trauer scheint wenig Anlaß gewesen zu sein, denn damit wurde endlich die Bahn frei für die von Judith betriebene Einigung zugunsten LOTHARS und KARLS. LUDWIG DER FROMME, der zunächst durch einen Zug über den Rhein bis zum Bodensee, dem jüngeren Ludwig seine Macht demonstriert hatte, traf Ende Mai 839 mit den beiden anderen Söhnen auf einer Reichsversammlung in Worms zusammen und teilte das Erbe, abzüglich des für Ludwig vorbehaltenen bayerischen "Pflichtteils", entlang von Maas, Saone, Rhone und Westalpen. LOTHAR wählte die östliche, Italien einschließende Hälfte, KARLdie westliche und damit auch den Konflikt mit den Söhnen des eben verstorbenen Bruders Pippin, von denen der ältere, wie KARL wohl gerade volljährige Pippin II. mit manchem Rückhalt im Lande die Herrschaft über Aquitanien als sein väterliches Erbe beanspruchte. Fürs erste gedachte der alte Kaiser selbst die gewaltsame Durchsetzung der neuesten Hausordnung in die Hand zu nehmen, und dementsprechend zog er im Herbst mit Heeresmacht gegen den Enkel Pippin von Aquitanien, brachte es aber in zähem Kleinkrieg nur zu Teilerfolgen. Im nächsten Frühjahr erschien es dringender, gegen Ludwig einzuschreiten, der sich natürlich nicht dauerhaft auf Bayern beschränken ließ, nun aber vom Vater doch aus Thüringen verjagt wurde. Auf einem neuen Hoftag, zu dem LOTHARaus Italien berufen wurde, sollte das weitere Vorgehen gegen Ludwig besprochen werden, doch dazu kam es nicht mehr, denn der Kaiser starb nach kurzer Krankheit 62-jährig auf einer Rheininsel bei Ingelheim am 20.6.840.
    Dass keiner seiner Söhne zugegen war, als er wenig später von Drogo, seinem bischöflichen Halbbruder und letzten Erzkapellan, in der Metzer Kirche des Familienheiligen Arnulf an der Seite seiner Mutter Hildegard bestattet wurde, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Bilanz seiner Regierung. In 26 Jahren hatte LUDWIG DER FROMME das Großreich seines Vaters nach außen einigermaßen behaupten können und nach innen zunächst durch weitere vereinheitlichende Reformen gefestigt, später jedoch nur noch, so gut es ging, verwaltet, was Episkopat und Hochadel zu stärkerem politischen Eigengewicht gelangen ließ. Völlig gescheitert war er mit dem Bemühen, die Herrschaftsordnung nach seinem Tode festzulegen, denn sein anfängliches Konzept, auf der Grundlage des Kaisertums dauerhaft eine oberste Zentralgewalt des ältesten Sohnes zu etablieren, stand wegen des antidynastischen Grundzugs von vornherein wohl auf schwachen Füßen, wurde von LUDWIG aber auch nicht wirksam vertreten und schließlich unter dem Druck der Umstände ganz fallen gelassen. Bis dahin war jedoch durch den zweimaligen Zusammenbruch und die anschließende Wiederherstellung seiner Herrschaft sein Handlungspielraum so geschmälert, dass er auch keinen Teilungsplan mehr unwidersprochen durchsetzen konnte und sich am Ende gar in bewaffnete Kämpfe mit seinen Söhnen verstrickte, die dann nahtlos in den Bruderkrieg nach seinem Tode übergingen. Unmittelbar ausgelöst wurde diese Entwicklung durch den schon in den Quellen hervorgehobenen Ehrgeiz der zweiten Kaiserin Judith und die Erbansprüche des Nachkömmling KARL, doch wäre die Vorstellung naiv, ohne eine Wiederverheiratung hätte sich die Reichseinheit auf längere Sicht bewahren lassen. Woran sie letztlich zerbrach, war die Unfähigkiet der fränkischen Führungsschicht (bis hin zu den rivalisierenden Kaisersöhnen), in den Dimensionen des KARLS-Reiches zu denken und dessen monarchisch-imperiale Führung für eine wünschenswerte, ja notwendige Rahmenbedingung auch ihrer eigenen politischen Entfaltung zu halten. Was sich unter KARL DEM GROSSEN in gleichsam spontaner Selbstverständlichkeit eingespielt hatte, war von seinem Sohn weit weniger überzeugend beansprucht und verwirklicht worden.

    793 1. oo Konkubine N.N.
    794 2. oo Irmingard, Tochter des Grafen Ingram (Franke), um 775/80-3.10.818
    819 3. oo Judith, Tochter des Grafen Welf, um 795-19.4.843

    Kinder:
    1. Ehe
    - Alpais Äbtissin von St. Pierre-le-Bas in Reims (816-852) 794-23.7.852
    806 oo Bego Graf 755/60-28.10.816
    - Arnulf Graf von Sens um 794- nach 841

    2. Ehe
    - LOTHAR I. 795-29.9.855
    - Pippin um 797-13.12.838
    - Ludwig II. der Deutsche 806-28.8.876
    - Rotrud 800-
    oo Rather Graf von Limoges -25.6.841
    oder
    oo Gerhard Graf von Auvergne -25.6.841
    - Hildegard Äbtissin von Notre-Dame in Laon 802/04-23.8.860
    oo Rather Graf von Limoges -25.6.841
    oder
    oo Gerhard Graf von Auvergne -25.6.841

    3. Ehe
    - Gisela 819- nach 1.7.874
    836 oo Eberhard Markgraf von Friaul um 810- 866
    - KARL II. DER KAHLE 13.6.823-6.10.877

    Literatur:
    Althoff Gerd: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 11,16,56,115 - Althoff Gerd: Otto III. Primus Verlag Darmstadt 1997, Seite 194 - Althoff, Gerd: Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung. Studien zum Totengedenken der Billunger und Ottonen. Wilhelm Fink Verlag München 1984, Seite 189,367 K 22 - Barth Rüdiger E.: Der Herzog in Lotharingien im 10. Jahrhundert. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1990, Seite 23,179 - Bauer Dieter R./Histand Rudolf/Kasten Brigitte/Lorenz Sönke: Mönchtum - Kirche - Herrschaft 750-1000 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 60,87,91-95,99-104,106-109,112,115,118-120,129,138,195,198,204,213,216-218,220,225,229,234,238,245,278,280,282, 305,315,322-324,331- Beumann, Helmut: Die Ottonen. Verlag W. Kohlhammer Stuttgart Berlin Köln, Seite 11,17,21,65,69,80,93,108, 144 - Biographien zur Weltgeschichte. 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Kämpfer und Beter. Bechtle Verlag Esslingen 1989, Seite 23,54,62,82,85,129 -



    Neue Deutsche Biographie Ludwig der Fromme

    fränkischer Kaiser, * Sommer 778 Chasseneuil bei Poitiers, † 20.6.840 auf einer Rheininsel bei Ingelheim, ⚰ Metz, Arnulfskloster.

    L. und sein Zwillingsbruder Lothar (früh verstorben) erhielten als erste Karolingersprossen, freilich erst der dritten Königsgeneration, in „Ansippung“ an die abgelöste alte Dynastie, merowing. Namen (Chlodwig und Chlothar). L. wurde am Ostertage (15.4.) 781 in Rom, zusammen mit seinem Bruder Pippin, von Hadrian I. zum König gesalbt und gekrönt. Es ist die erste klar bezeugte, nicht nur erschließbare Krönung im Karolingerhause. Als vom Vater bestellter Unterkönig verbrachte L. seine Jugend in Aquitanien (wie Pippin in Italien). Daß er eine geistlichliterarische Erziehung genoß, findet sich zwar nur andeutungsweise bezeugt, ist aber aus seinem späteren religiös-kirchlichen Eifer mit Sicherheit zu erschließen. In roman. Umwelt aufgewachsen, beherrschte er das Lateinische völlig, verstand aber auch das Griechische, während er der volkssprachlich-fränk. Tradition weniger Interesse entgegenbrachte als sein Vater.

    Bis zur Wehrhaftmachung (791 in Regensburg) blieb L. unter beauftragter vormundschaftlicher Regierung. Er hielt eigene Reichsversammlungen ab (789 in Mourgoudou b. Albi; 790, 795, 801 in Toulouse; 814 in Doué b. Tours) und urkundete 794, 807, 808 als rex Aquitaniae bzw. als rex Aquitanorum. Neben dem Grenzgrafen Wilhelm von Toulouse († 812 als Mönch in seiner Gründung Gellone) nahm L., allmählich in selbständiger Führung, an den Abwehr- und Sicherungskämpfen gegen Basken und Araber beiderseits der Pyrenäen teil (Einnahme von Barcelona 801, von Tortosa 811, Strafzug nach Pamplona 813), doch wurde er oft auch zu Reichsversammlungen und Heereszügen des Vaters und des Bruders Pippin entboten (785 Paderborn, 790 Worms, 791 Ingelheim-Regensburg-Awarenkrieg, 792/93 Italien, 793 Salz, 798 Sachsenkrieg, 797 Herstal, 799 Aachen-Friemersheim-Sachsenzug, 800 Tours, 804 Sachsenzug, 805/06 Diedenhofen, 809 Aachen). In der Divisio von 806 sprach ihm Karl d. Gr. über Wasconien und Aquitanien hinaus das gesamte südliche Gallien zu, aber der Tod der älteren Brüder (810/11) machte diese Regelung hinfällig. Karl d. Gr., inzwischen von Byzanz als Kaiser anerkannt, krönte nach oström.-byzantin. Stil am 11.9.813 in Aachen den nunmehr alleinigen Nachfolger L. zum Mitkaiser.

    Karl starb am 28.1.814; am 27. Februar traf L. in Aachen ein. Als Repräsentant einer stärker verchristlichten Generation, der in Aquitanien die Klöster gefördert und angeblich einmal erwogen hatte, selber Mönch zu werden, übernahm er ein in seinen gewaltigen Dimensionen machtpolitisch saturiertes, von außen vorerst nicht mehr gefährdetes, in der inneren, d. h. auch kirchlichen Ausformung dagegen unfertiges Reich. Die Lebensgeschichte L.s fällt von nun an größtenteils mit der Reichsgeschichte zusammen, in der das individuell-biographische Element im ganzen nur mit ungleicher Deutlichkeit sichtbar wird.

    Von persönlichen Initiativen „außenpolitischer“ Art kann bei L. nicht ernstlich die Rede sein. Durch den feierlichen Empfang einer noch an Karl abgeordneten griech. Gesandtschaft (1.8.814 in Aachen) sanktionierte der neue Kaiser den Ausgleich mit Byzanz. Darin war offensichtlich der Verzicht auf den Römernamen im Kaisertitel vereinbart worden: L. und seine fränk.-deutschen Nachfolger nannten sich bis ins späte 10. Jh. nur Imperator augustus, ohne Attribut. Auch die Umschrift des Bullensiegels Renovatio Roman-[orum] imp[erii] entfiel und wurde durch die Formel Renovatio regni Franc[orum] ersetzt. Griechische Abgesandte sind an L.s Hof noch wiederholt, aber eher beiläufig (817, 824, 826, 827, 833, 839) bezeugt. Im übrigen blieb es unter ihm durchweg bei einer im ganzen defensiven Grenzpolitik. L. nahm 814 die Lehnshuldigung des dän. Thronprätendenten Harald entgegen, hob ihn 826 in Mainz aus der Taufe und sandte Ansgar zur Missionierung des Nordens aus; Harald vermochte sich jedoch in seinem Lande nicht durchzusetzen. An der Elbelinie und besonders im Südosten kam es mit den angrenzenden Slawen wiederholt zu Kämpfen, die ihre Wellen zeitweise bis zu den Bulgaren schlugen, aber|diese Geschehnisse gehören, ebenso wie die Auseinandersetzungen in Italien (Benevent und Venedig), nicht zur Biographie L.s, der in solchen Zusammenhängen zwar gelegentlich Gesandtschaften empfing – insbesondere 826 in Ingelheim –, in aller Regel aber diese Aufgaben den Unterkönigen und Grenzgrafen überließ. Er selber zog 818 und 824 gegen die Bretonen zu Felde, offenbar ohne nachhaltigen Erfolg. Sichtlich kein Heerführer von Rang, griff er auch in Wasconien und Spanien, wo es immer wieder brodelte, nicht persönlich ein.

    In der „Innenpolitik“, in der Regierung des Reiches und der Kirche, steht dagegen, mindestens für den Anfang, der persönliche Wille und Beitrag L.s außer Zweifel. Hier setzte der Generationswechsel von 814 neue Energien zur Festigung und Mehrung des überkommenen Erbes frei. Persönlich zur Strenge, ja zum Mißtrauen geneigt, verwies L. seine Schwestern vom Hof in ihre Klöster und entließ auch die Brüder Adalhard und Wala, seine bisher sehr einflußreichen Seitenverwandten. Auf die Sicherung der Randländer bedacht, entbot er seinen Neffen Bernhard, den Sohn Pippins und italischen Unterkönig, zur Huldigung. Zugleich bestellte er – schon 814 – seine eigenen Söhne Lothar und Pippin zu Unterkönigen in Bayern und Aquitanien. Oberster Hofkaplan blieb der EB Hildebald von Köln; nach dessen Tod (818) folgte der Abt Hilduin von Saint-Denis. Aus Aquitanien brachte L. seinen Kanzler Helisachar an den Hof, ebenso seinen Jugendfreund Ebbo, den er 816 zum Erzbischof von Reims erhob. Als einflußreicher Berater begegnet bald auch der Graf Matfrid von Orléans.

    Der neue Schwung der kaiserlichen Regierung wird von Anfang an in einer ausgiebigen Beurkundungstätigkeit sichtbar. Die insgesamt nahezu 500 Diplome L.s, ausgefertigt unter der Leitung der Kanzler Helisachar (814–19), Fridugis (819–32), Theoto (832–34) und Hugo (834–40, – 844, Halbbruder L.s, Abt von Saint-Quentin), stellen mit ihrer ausgereiften diplomatischen Kursive und der geschliffenen Latinität ihrer Textformulare, so in der Verbindung des Immunitätsprivilegs mit dem Königsschutz, den mustergebenden Höhepunkt frühmittelalterlicher Kanzleigeschichte dar. Überhaupt stehen die ersten Jahre für Reich und Kirche im Zeichen gesetzgeberisch-programmatischer Normung und Fixierung durch regelmäßige Reichsversammlungen, durch eine stattliche Zahl von gewandt formulierten Kapitularien, in der Tradition Karls d. Gr. und zugleich über ihn hinaus. Mit der Konstituierung der Bistümer Hildesheim und Halberstadt und des Missionserzbistums Hamburg sowie der Klöster Corvey und Herford vollendete L. die Basis der sächsischen Kirchenorganisation. Aus Aquitanien berief er den Mönchsreformer Benedikt von Aniane zum Abt der Neugründung Inden (Kornelimünster) und betraute ihn mit der Aufsicht über die Reichsklöster insgesamt, die, wie sich besonders an den Kaiserdiplomen ablesen läßt, mit den Hochstiften zu einer gefestigten, an den Herrscher gebundenen Reichskirche zusammenzuwachsen begannen. Auf einer großen Aachener Synode wurden 816 für die Mönchs- und Nonnenklöster eine neu formulierte, von jeder Mischobservanz gereinigte Benediktregel, für die Kanonikerstifte (und analog für die Kanonissen) eine – freilich nur mittelbar an Chrodegang von Metz orientierte – Institutio unter L.s Autorität als verbindliche Normen verkündet. Es folgten 817-19 weitere Bestimmungen für Bischofskirchen und Klöster (Wahlrecht, Reichslasten, Einkünfteregelung, Sicherung und Beaufsichtigung der Eigenkirchen). Rasche Erfolge dieser Vorschriften sind nicht erkennbar, um so bedeutender aber wurde die prägende Fernwirkung der Statuten von 816 im 10. und 11. Jh.

    Auch die geltende Oberhoheit über Rom wurde neu formuliert. Als der Papst Leo III. 815 eigenmächtig eine Verschwörung blutig unterdrückte, ordnete L. eine Untersuchung durch Kg. Bernhard an, ließ sich aber durch päpstliche Gesandte beruhigen. Bei der durch Leos Tod 816 eintretenden ersten Vakanz unter dem neuen Kaisertum griff man weder in Rom noch in Aachen auf das seit der Mitte des 8. Jh. faktisch erloschene kaiserliche Bestätigungsrecht zurück, aber der neue Papst Stephan IV. (816–17) ließ die Römer einen Treueid auf den Kaiser schwören und begab sich zu L. nach Reims. Eine segnende Festkrönung mit einer angeblichen Konstantinskrone (Okt. 816) brachte den röm. Ursprung des Kaisertums in Erinnerung. Als mittelbares Ergebnis der Reimser Verhandlungen stellt sich das Pactum Hludovicianum von 817 für den nächsten Papst Paschalis I. (817–24) dar, das – nach dem Verlust des Kaiserprivilegs für Stephan IV. – erste und für spätere Zeiten mustergebend ausformulierte Kaiserprivileg für die röm. Kirche. Es bestätigte mit dem Territorium und der internen Autonomie des Kirchenstaates auch die Freiheit der Papstwahl, die erst nach der Weihe dem Kaiser anzuzeigen war.

    Der Wille zur Konsolidierung gewachsener Ordnung gipfelte in einer großzügigen politischen Neuregelung, die, sichtlich von L.s geistlichen Beratern konzipiert, im Juli 817 auf einer Aachener Reichsversammlung verkündet wurde. Die bisher nur faktisch – zuletzt durch die Todesfälle von 810/11 – zustande gekommene Einheit des Gesamtreiches im Zeichen des Kaisertums wurde zum durchdachten Prinzip erhoben. Dem entspricht es, daß seit 814 in den Urkunden hinter dem Kaisertitel auch der Bezug auf Franken und Langobarden verschwunden ist, ungeachtet der erwähnten Bullenumschrift. Dieses Programm wurzelte geistig im christlichen Universalismus, wie ihn mit publizistischer Verve vor allem EB Agobard von Lyon verfocht, es entsprach aber auch, angesichts der über viele Länder verbreiteten Rechte, Ämter und Güter, den sehr konkreten Wünschen der Kirchen und weitverzweigter Adelsgruppen. Lothar wurde (wie L. selber 813) zum Mitkaiser gekrönt und zum Nachfolger bestimmt, während Pippin und Ludwig (der Deutsche) als Unterkönige in Aquitanien und Bayern eingesetzt wurden. Diese Ordinatio imperii untersagte über L.s Tod hinaus weitere Teilungen und gab der nach Sinn und Tradition genossenschaftlichen Teilung eine herrschaftliche Wendung: Die Teilkönige sollten in allem, was über ihre interne Autonomie hinausging, dem Kaiser untergeordnet bleiben. Dieses theologisch fundierte, imperial formulierte Programm war eine kühne Konzeption, geradezu eine verfrühte Reichs- und Staatsidee, die dem Rechtsdenken des Zeitalters weit vorauseilte. Ob und in welchem Ausmaße sie sich in der dynastischaristokratischen Welt auch würde durchsetzen lassen, war die Frage, die L.s weitere Regierungszeit überschattete. Die Widerstände blieben nicht aus, treten für uns aber nur vordergründig, namentlich im Kaiserhause selber, in helles Licht, während die offenbar wechselnden Gruppierungen im Adel oft undeutlich bleiben. Das Persönlichkeitsbild L.s verliert dabei sehr an Festigkeit und wird immer mehr durch die Unausgeglichenheit seines Charakters bestimmt.

    Der ersten Krisen wurde er aber Herr. Der in der Ordinatio übergangene Bernhard von Italien ließ sich zu einer Empörung hinreißen, die jedoch rasch zusammenbrach. Er starb an der Blendung, die L. – statt des Todesurteils der nächsten Aachener Reichsversammlung (April 818) – über ihn verhängte (17.4.818). Erneut mißtrauisch geworden, zwang L. seine jungen Halbbrüder, Karls d. Gr. nicht vollbürtige Söhne Drogo, Hugo und Theuderich, zum Eintritt in den geistlichen Stand und entsetzte den Bischof Theodulf von Orléans seines Amtes. Die Bemühungen um kirchliche Reformen und politische Konsolidierung gingen jedoch weiter, wenn auch seit dem Tode Benedikts von Aniane (821) sichtlich mit geringerer Energie. – Auf den Reichsversammlungen von 821 (im Mai zu Nimwegen, im Oktober zu Diedenhofen) wurde die Ordinatio von 817 beschworen. Ein Ausgleich mit den bisher ausgeschalteten und bekämpften Gruppen zielte auf eine erneute Sammlung der Kräfte. In Diedenhofen wurden die Teilnehmer an der Verschwörung Bernhards begnadigt, ebenso Adalhard, dessen Bruder Wala gleichfalls an den Hof zurückkehrte. Zu Attigny versöhnte sich L. im August 822 auch mit seinen Halbbrüdern; Drogo wurde Erzbischof in der Karolingerstadt Metz. Zugleich sanktionierte L. sein Friedenswerk durch eine öffentliche Buße für alles Unrecht, das er insbesondere den Seinen angetan hatte; mit einem Bekenntnis ihrer Pflichtvergessenheit folgten die Bischöfe seinem Beispiel. Die neuen Ratgeber, unter denen neben Adalhard († 826) und Wala der Erzkaplan Hilduin hervortrat, blieben bei alledem auf eine nachhaltige Festigung der Reichsautorität bedacht. Begleitet und beraten von Wala, begab sich Lothar 822 nach Italien. Er wurde von Paschalis I. nach Rom eingeladen und am Osterfeste 823 gekrönt; es war abermals eine bloße Festkrönung, aber zum ersten Mal seit 800 wieder eine Krönung in Rom, wo der Zweitkaiser sogleich wieder eine unmittelbare Gerichtsgewalt in Anspruch nahm. Nach des Paschalis Tod erwirkte Wala die Erhebung des frankenfreundlichen Aristokraten Eugen II. (824–27), und bei einem abermaligen Aufenthalt in Rom verkündete Lothar 824 die Constitutio Romana über eine Reorganisation des Kirchenstaates, der jetzt im Auftrage des Kaisers einer steten Kontrolle unterworfen, also über die bisherige Praxis hinaus ins Reich einbezogen wurde, zumal der gewählte Papst vor der Weihe dem Vertreter des Kaisers einen Treueid leisten sollte. Lothar kehrte 825 an den Kaiserhof zurück und wurde, auch formell im Titel der Urkunden, Mitregent L.s, dessen wahrscheinlich im August 825 in Aachen erlassene Admonitio ad omnes regni ordines erneut von lebendigem Reformwillen zeugte. – Aus den Kontakten mit Byzanz und Rom ergab sich die Notwendigkeit, nochmals den Bilderstreit zu erörtern; dies geschah 825 auf einer Synode in Paris, blieb aber ein bloßer Nachhall ohne Bedeutung.

    Das erste Jahrzehnt von L.s Regierung darf nach alledem als Höhepunkt der fränk.-karoling. Reichsgeschichte gewertet werden. Die|vielseitige Breitenwirkung der karoling. Bildungsreform relativierte gewiß die bis dahin dominierende Stellung des Kaiserhofes im geistigen Leben, aber seine Schriftkultur, sein hoher Rang und seine ansehnliche Bibliothek bestanden fort und erneuerten sich gar in der Folgezeit; auch L. wurden Verse, theologische Schriften und kostbare Codices gewidmet; nach vorwiegender, jedoch umstrittener Forschungsmeinung war er der Auftraggeber des altsächs. Heliand. Die politische Stabilität geriet dagegen ins Wanken. Es steigerten sich die Unruhen an den Grenzen, im Süden die Übergriffe der Sarazenen, vom Norden her die Vorstöße der Normannen (seit 834 Jahr für Jahr), an deren Abwehr L. nach wie vor keinen Anteil hatte. Die gefährlichen Erschütterungen bahnten sich aber im Innern an. In Reich und Kirche, denen es an einem organisatorischen Unterbau fehlte, lag weiterhin vieles im argen. Angesichts dieser Aufgaben wurden die kaiserliche Autorität, L.s Energie und Führungswille unverkennbar schwächer. Die Passivität des Kaisers hatte zur Folge, daß der hohe Klerus den Kampf um das steckengebliebene Reformwerk stärker als bisher aus eigener Initiative aufnahm und sich seiner Autonomie, ja seines geistigen Führungsanspruches bewußt wurde. Zugleich regten sich in L.s Umgebung, am Hof und im Adel, Widerstände gegen das politische Programm der Ordinatio von 817. Personell zeichnen sich diese rivalisierenden Gruppen weiterhin nicht deutlich ab, doch tritt als zentrale Gestalt allmählich die neue Kaiserin Judith in den Vordergrund, die ehrgeizige Mutter des 823 geborenen vierten Kaisersohnes Karl (des Kahlen). Für ihn gewann sie Lothar als Taufpaten und, 829, den Gelehrten und Dichter Walahfrid Strabo als Erzieher, für ihn erstrebte sie aber auch einen Anteil an der Reichsherrschaft. Das entsprach dem am Teilungsprinzip orientierten überkommenen Rechtsdenken, lief jedoch dem Nachfolgegesetz von 817 zuwider.

    Zwar verteidigte der Gf. Bernhard von Barcelona, der Sohn Wilhelms von Toulouse, 827 erfolgreich seine fränk. Bastion in Spanien, im übrigen aber verliefen die Grenzkämpfe dieses Jahres sehr unglücklich. Die Grafen Hugo von Tours und Matfrid von Orléans, aber auch Mgf. Balderich von Friaul wurden Anfang 828 ihrer Ämter enthoben. Mit den immer lebhafter beklagten Mißständen in Reich und Kirche befaßten sich im Winter 828/29 eine Aachener Versammlung, dann Anfang 829 vier Synoden in Mainz, Lyon, Paris und Toulouse. Hier wurden Reformprogramme sehr grundsätzlicher Art entwickelt, die über die Bemühungen des letzten Jahrzehnts hinaus im Geiste der (schon spätantiken) Lehre von den beiden Gewalten – auctoritas sacrata pontificum et regalis potestas – auf eine Auflockerung des Staatskirchentums, ja auf eine Art von geistlicher „Normenkontrolle“ des öffentlichen Lebens zielten. L. aber und die Seinen erwiesen sich nicht – jedenfalls nicht mehr – willens und imstande, auch ihrerseits solche Wege zu beschreiten; naiver Machtwille überwucherte die hochfliegenden, im politischen Bereich freilich auch unrealistischen Reformideen – eben daraus ergab sich die schwere Krise der nächsten Jahre.

    Auf die in einer relatio des Episkopats formulierten Reformwünsche ging L. nicht ein. Dagegen übertrug er im Aug. 829 auf einer Wormser Reichsversammlung seinem jüngsten Sohn Karl Alemannien mit Rätien, dem Elsaß und einem Teil Burgunds. Ob dieser Bereich als künftiges regnum im vollen Rechtssinne gedacht war, steht dahin, aber dem Geist der Ordinatio von 817 widersprach diese Regelung sehr, sie bezeichnete einen Sieg Judiths und einen völligen Kurswechsel des Kaiserhofes. Die Verfechter der Reichseinheit waren beiseite geschoben; Lothar, in den Urkunden nicht mehr als Mitregent genannt, wurde nach Italien entlassen; neue Männer, voran der zum Kämmerer berufene Bernhard von Barcelona, herrschten am Hof. Der Kampf um das Programm von 817 wurde ein Kampf um die Macht am Hofe. Die Initiative lag jedoch vorerst nicht bei den älteren Kaisersöhnen. Wala (seit 826 als Nachfolger seines Bruders Adalhard Abt von Corbie), der Erzkaplan Hilduin, der frühere Kanzler Helisachar erscheinen als Anführer einer Gruppe, die durch eine loyale Palastrevolution gegen den Kaiser selber die erstrebte Reichsordnung sichern wollte, sich dabei freilich im Kampf gegen die Gruppe um Judith und Bernhard mit Hugo, Matfrid und anderen Magnaten traf, deren Motive kaum über persönliche Feindschaft hinausreichten. Die Vorbereitungen zu einem auf Frühjahr 830 anberaumten Bretonenfeldzug schlugen in einen großen Aufstand um, dem L. keinen Widerstand entgegenzusetzen wagte. Bernhard floh nach Barcelona, Judith wurde nach Poitiers ins Radegundiskloster verwiesen. Unter der Leitung des aus Italien zurückgekehrten Mitkaisers Lothar tagte im Mai 830 zu Compiègne eine Reichsversammlung, die sich – soweit erkennbar – formal mit der Wiederherstellung des vorherigen Rechtszustandes begnügte: Lothar erscheint jedenfalls wieder als Zweitkaiser in den|Diplomen, in Wirklichkeit aber trat er als Alleinherrscher auf, beschränkte L. auf eine nominelle Rolle und wollte ihn gar zum Eintritt in den Mönchsstand bewegen. Ohne daß wir die Hintergründe im einzelnen durchschauen, gewann L. in kürzester Frist wieder das Übergewicht. Er ließ den jüngeren Söhnen Pippin und Ludwig eine Vergrößerung ihrer Reichsteile anbieten und konnte sich auf der nächsten Reichsversammlung, im Okt. 830 zu Nimwegen, wieder durchsetzen. Lothar leistete einen neuen Treueid, Judith 1 kehrte zurück, die Anführer des Aufstandes wurden vom Hofe verwiesen und dann im Febr. 831 in Aachen abgeurteilt: Wala und Hilduin, nicht mehr Erzkaplan, wurden verbannt; Lothar, nicht mehr Mitregent, mußte nach Italien zurückkehren. Auf dieser Aachener Versammlung wurde wahrscheinlich eine neue Erbteilung verkündet, die Lothar auf Italien beschränkte und im übrigen, wohl im Rückgriff auf die Divisio von 806, Pippins und Ludwigs Anteile weit ins Reichsinnere, Karls. Gebiet um den Mosel- und Rhoneraum erweiterte. Der Aufstand von 830 hatte also nicht zur Sicherung der Ordinatio, sondern zur Preisgabe der Reichseinheit geführt; Judith schien gesiegt zu haben.

    Statt einer Beruhigung kam es bald, bei erneut schwindender Führungskraft L.s und wechselnden Gruppierungen, zu neuen Gegensätzen, die sich, wiederum im einzelnen schwer durchschaubar, für uns nur noch als erbitterter Machtkampf in Dynastie und Hochadel darstellen. Daß die großzügige Ausstattung des jungen Karl die älteren Brüder sehr verstimmt hatte, steht außer Zweifel. Offenbar durch Judiths Bemühen, Lothar auf die Seite ihres Sohnes zu ziehen, kam es jedoch zunächst zu einer halben Aussöhnung: Auf einer Reichsversammlung in Ingelheim empfing L. im Mai 831 Lothar und amnestierte die meisten seiner Anhänger, darunter Hilduin, nicht jedoch Wala. Aber die Spannungen zu den anderen Söhnen bestanden fort. Pippin blieb im Okt. 831 einer Diedenhofener Reichsversammlung fern und verließ gegen Jahresende im Unfrieden den Hof, Ludwig von Bayern empörte sich Anfang 832. Dieser Widerstände wurde der Kaiser jedoch Herr. Er beließ dem jüngeren Ludwig Bayern, verwies Pippin dagegen nach Trier und sprach Aquitanien Karl zu. Die Erbteilung vom Vorjahre war damit schon umgestoßen, ja L. erwog nunmehr eine Teilung des Gesamtreiches (außer Bayern) nur zwischen Lothar und Karl.

    Statt dessen aber flammte Anfang 833 der schwelende Konflikt zu äußerster Heftigkeit auf, da Pippin und der jüngere Ludwig sich jetzt mit ihrem Bruder Lothar verbündeten, in gemeinsamem Widerstande, aber kaum mit klarem gemeinsamem Ziel. Für Lothar war es ein Kampf um seine Rechte aus der Reichsordnung von 817. Um für dieses ja auch religiös konzipierte Programm und überhaupt für die Friedenswahrung mit seiner geistl. Autorität einzutreten, fand sich Papst Gregor IV. (827–44) bereit, Lothar in die Francia zu begleiten. Wala dagegen trat nach den Erfahrungen von 830 nur widerstrebend neben Ebbo von Reims auf Lothars Seite. Wortführer des Aufstandes wurde Agobard von Lyon, während Drogo von Metz mit anderen Bischöfen ebenso entschieden zu L. hielt. So kam es unvermittelt zu einer Konfrontation von kaiserlichem, reichsbischöflichem und päpstlichem Anspruch. Der von L.s Bischöfen als frater angeredete und an seinen Treueid gemahnte Papst berief sich, ebenso wie Agobard, auf den religiösen Vorrang der priesterlichen, insbesondere päpstlichen Gewalt. Über diesen Prinzipienkampf aber ging der Machtkampf hinweg. Während sich die Heere bei Kolmar gegenüberlagen und L. mit dem Papst über einen Ausgleich verhandelte, wußten die Gegner am 24.6.833 seine Anhänger auf ihre Seite zu ziehen, so daß L. sich sechs Tage später gefangen geben mußte. Diese formlose Preisgabe L.s durch seine Getreuen auf dem Rotfelde, das später „Lügenfeld“ genannt wurde, bedeutete im Rechtsdenken der Zeit seine Absetzung. Ebenso formlos ging die Herrschaft an Lothar über, der den kaiserlichen Urkundentitel L.s annahm, aber seinen eigentlichen Anspruch nicht aufrechtzuerhalten vermochte. Seinen Brüdern Pippin und Ludwig, die ihm vielleicht ein Treueversprechen leisteten, räumte er ausgedehnte Länder zu sofortiger selbständiger Herrschaft ein. Karl blieb von dieser Teilung ausgeschlossen, aber auch von der Ordinatio war nur ein schwacher Abglanz übriggeblieben. Gregor IV. sah seine Autorität mißbraucht und kehrte enttäuscht nach Rom zurück.

    Lothar und seine Parteigänger zeigten sich zum äußersten entschlossen, um die labile neue Herrschaft zu stabilisieren. Karl wurde nach Prüm, Judith nach Tortosa, L. in das Medarduskloster nach Soissons verbracht. Von den Erzbischöfen Ebbo und Agobard beraten, wenn nicht gar getrieben, wollte Lothar den Sturz L.s kirchlich sanktioniert und unwiderruflich gemacht wissen. Das Idoneitätsprinzip, die Auffassung vom Herrschertum als einem von Gott verliehenen Amt in der ecclesia, wurde zu einer Waffe|gegen den Kaiser. Im Okt. 833 erklärten die in Compiègne versammelten Bischöfe, L. habe sein Amt – ministerium sibi commissum – schlecht verwaltet und mahnten ihn zur Kirchenbuße. In Saint-Médard zu Soissons folgte eine feierliche Zeremonie, bei der Ebbo von Reims als Ankläger auftrat. Der gestürzte Kaiser bekannte sich ob vielfacher Schuld, insbesondere der Gewalttaten gegen seine Anverwandten und der Verstöße gegen die Reichsordnung, der Herrschaft unwürdig, legte die Waffen ab und nahm als Exkommunizierter das Büßergewand. Seine Thronfähigkeit sollte damit erloschen sein, ja die Kaiser- und Königswürde schien, kaum zwanzig Jahre nach L.s Thronbesteigung, in eine tödliche Krise geraten.

    Lothar und seine Ratgeber hatten jedoch den Bogen überspannt. Der Abt Hrabanus Maurus von Fulda protestierte gegen die Entthronung des alten Kaisers, den Lothar als Gefangenen mit nach Aachen führte und dem abermals der Klostereintritt nahegelegt wurde. In kürzester Zeit kehrten sich die Fronten wieder um. Durch die harte Behandlung des Vaters, anscheinend aber auch durch den Versuch, die politisch-territoriale Position der Brüder wieder zu beschneiden, brachte Lothar zunächst Ludwig von Bayern, dann auch Pippin von Aquitanien gegen sich auf. Er wich nach Saint-Denis aus, ließ dort aber den Vater und den (inzwischen auch an den Hof geholten) Halbbruder Karl zurück und zog am 28.2.834 fluchtartig nach Burgund ab. Schon am 1.3., einem Sonntag, wurde L. dann in Saint-Denis wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommen und als Kaiser anerkannt. Pippin und Ludwig fanden sich bei ihm ein, auch Judith wurde befreit. Der jetzt unausweichlich gewordene, mit grausamer Gewalt ausgetragene offene Kampf schien in eine neue Katastrophe L.s einzumünden, denn an der Bretonengrenze wurde sein Heer geschlagen (der Kanzler Theoto fiel), und Lothar eroberte vom Süden her die Stadt Chalon. Auf die letzte Machtprobe mit den überlegenen Kräften des Vaters ließ er es aber schließlich doch nicht ankommen. So konnte L. im Spätsommer oder Herbst 834 bei Blois die Unterwerfung Lothars entgegennehmen. Er beließ ihm Italien, gebot ihm aber, dieses Land nicht eigenmächtig zu verlassen; mit zahlreichen Getreuen, darunter Wala († 836) und Agobard, kehrte Lothar über die Alpen zurück. Ohne die letzte Teilung anzuerkennen, duldete L., daß Pippin ein nach Norden erweitertes Aquitanien, Ludwig anscheinend die rechtsrheinischen Länder behielt. Mit einer Reichsversammlung in Diedenhofen, einer feierlichen Restitution des Kaisers im Dom der Karolingerstadt Metz (28.2.835) und der Resignation Ebbos als Erzbischof von Reims gingen die fünfjährigen Wirren zu Ende.

    Das Amt des obersten Hofkaplans hatte L. anscheinend schon 830 dem nicht sicher bestimmbaren Abt Fulko anvertraut (bezeugt 833), ihn aber wohl gleich 834, spätestens 836 durch seinen in Treue bewährten Halbbruder EB Drogo ersetzt. Die Leitung der Kanzleigeschäfte ging 834 an seinen anderen Halbbruder, den Abt Hugo, über. Am Hofe war damit wieder Stetigkeit eingekehrt, nicht aber im Reich, für dessen Küstenländer sich die Normannen- und Sarazenengefahr von Jahr zu Jahr steigerte. Trotz einer neuen Aachener Reformsynode von 836 fanden auch die kirchlichen Dinge nicht zu wirklicher Konsolidierung. Vor allem aber blieb die Ausstattung des jüngsten Kaisersohnes Karl eine offene Frage. Ohne Verständigung mit Lothar, der sich gegen die Aussöhnungsbemühungen des Hofes sperrte, bestimmte L. 837 in Aachen weite Länder im Raum zwischen Rhein, Seine und Nordküste als – wohl künftigen – Anteil Karls, den er 838 in Quierzy endlich wehrhaft machen und zum König krönen konnte. Der jüngere Ludwig, der sich erneut auflehnte, wurde wieder auf Bayern beschränkt. Als dann aber Pippin I. von Aquitanien am 13.12.838 starb, war die Bahn frei für die von Judith offensichtlich längst erstrebte Lösung. L. überging den Erbanspruch Pippins II, empfing Lothar zu formeller Aussöhnung auf einer Reichsversammlung in Worms (Juni 839), setzte u. a. auch Agobard wieder in sein Erzbistum ein († 840) und ordnete eine Teilung des Gesamtreiches außer Bayern nur zwischen Lothar und Karl an. Italien und die Länder östlich einer Linie von der Maas zum Genfer See sollten an Lothar, der Westen an Karl fallen. Dieser Entscheidung aber widersetzten sich sowohl Ludwig von Bayern wie eine bedeutende Gruppe des aquitanischen Adels, der Pippin II. zum König ausrief. L. zog nun selber zu Felde, 839 nach Aquitanien, 840 gegen Ludwig. In dieser wirren Situation starb L., nachdem er vom Krankenlager aus den Zweitkaiser Lothar durch Zusendung der Reichsinsignien zum Nachfolger designiert hatte. Sein Bruder Drogo setzte ihn im alten Hauskloster der Karolinger bei.

    Einem Herrschernamen das Attribut pius (oder piissimus) beizulegen, gehörte allgemein zur rhetorisch geprägten Topik der Literatur, der Urkunden und der Münzen. Dieses Epitheton begegnet im 9. Jh. und noch darüber hinaus bei L., bei Ludwig dem Deutschen und selbst bei Ludwig dem Kinde. Abgesehen von einem isolierten Zeugnis bei Notker von St. Gallen (Hludovicus agnomine pii, 887) hat sich diese Bezeichnung als individueller Beiname L.s erst im 10. und 11. Jh. eingebürgert. Sie ist auch in der Wissenschaft fester Sprachgebrauch geworden und entbehrt nicht der Berechtigung, denn persönliche Frömmigkeit und Aufgeschlossenheit für Wesen und Anliegen der Kirche treten bei L. ausgeprägt und vertieft zutage. An der schillernden Duplizität der französischen Titel Louis le Pieux und Louis le Débonnaire ist freilich abzulesen, daß dem Beinamen auch eine negative Note im Sinne der Schwäche, der Nachgiebigkeit gegenüber geistlichem Machtanspruch eignen kann. Der unverkennbare Kontrast zu Karl d. Gr., dessen Format L. sicherlich nicht hatte, eine isolierte, unnuancierte Blickrichtung auf die Szenen von 822 und 833, unreflektiert nationalliberale. Wertungskategorien der Geschichtsschreibung haben solche Vorstellungen zu einem Klischee verdichtet, das die älteren Darstellungen und Handbücher beherrscht, in jüngeren Studien aber differenzierend aufgelok-kert worden ist. In L.s Regierung begegnen sich Kulmination und Wende des fränk.-karoling. Zeitalters, aber daß diese Jahrzehnte schlechthin eine Periode des Verfalls gewesen seien, behauptet niemand mehr. In der Kirchenpolitik vor allem der Anfangszeit, aber auch im Willen zur organisatorischen Straffung des Reiches ließ L. es, bei allem Verdienst seiner Berater, nicht an eigener Energie fehlen; das geistige Leben, die sog. Karoling. Renaissance, fand unter ihm zu gesteigerter Entfaltung, der politischen Konzeption einer einheitlichen Reichsstruktur eignet fraglos ein großer Zug. Als sich dann freilich die Probleme türmten, wußte L., jetzt anders beraten und wechselnd beeinflußt, seine anfängliche Energie nicht mehr zu behaupten. Es liegt zwar vordergründig nahe, wäre jedoch unhistorisch, in des Kaisers persönlichem Versagen die primäre Erklärung für diese Wende sehen zu wollen. Die entscheidenden Gründe waren objektiver Art. Das Programm von 817 war eine theoretische, von den Zeitgenossen auch geistig kaum erfaßte Konstruktion geblieben, der es an den wirtschaftlichen und verkehrstechnischen, administrativen und militärischen Voraussetzungen fehlte. Der Weg zu einer innerdynastischen Aufgliederung des Riesenreiches erscheint im historischen Rückblick als ein strukturbedingter Sachzwang, dem auch ein Karl d. Gr. schwerlich Einhalt geboten hätte. So ist L. als eine zentrale Gestalt des noch gemeinsamen german.-roman. Europa zu sehen, eines Zeitalters, das zur gemeinsamen Basis deutscher und franz. Geschichte gehört – L. wird als erster in der langen Reihe franz. Könige dieses Namens gezählt -, das aber in manchen Bezügen, so in der Kloster- und Kirchenreform, in der neuartigen Polarität von Herrschertum, Adel und Episkopat wie auch in der sich anbahnenden staatlichen Pluralität schon spezifische hochmittelalterliche Probleme, teilweise sogar normgebend, vorweggenommen hat.



    Gestorben:
    auf einer Rheininsel bei Ingelheim

    Ludwig heiratete Judith in 819. Judith (Tochter von Welf und Heilwiga) wurde geboren um 795; gestorben am 19 Apr 843 in Tours [37000],Indre-et-Loire,Centre-Val de Loire,Frankreich; wurde beigesetzt in Tours [37000],Indre-et-Loire,Centre-Val de Loire,Frankreich. [Familienblatt] [Familientafel]


  2. 9.  JudithJudith wurde geboren um 795 (Tochter von Welf und Heilwiga); gestorben am 19 Apr 843 in Tours [37000],Indre-et-Loire,Centre-Val de Loire,Frankreich; wurde beigesetzt in Tours [37000],Indre-et-Loire,Centre-Val de Loire,Frankreich.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Fränkische Königin
    • Titel/Amt/Status: römische Kaiserin

    Notizen:

    Judith Frankenkönigin
    um 795-19.4.843 Tours Begraben St. Martin
    Tochter des schwäbischen Grafen Welf und der Sächsin Eigilwicha (Heilwich)

    Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 797, Judith, Kaiserin

    + 19. April 843 Begraben St. Martin
    Tochter des Grafen Welf und der edlen Sächsin Eigilwi/Heilwig, zweite Gemahlin Kaiser LUDWIGS DES FROMMEN

    Erste Erwähnung Februar 819 anläßlich der Brautschau LUDWIGS unter den fränkischen Adelstöchtern und der folgenden Heirat in Aachen. Willensstark und sehr schön (Thegan 26: "pulchra valde"), gewann sie bald großen Einfluß auf LUDWIG, dem sie nach der Tochter Gisela (819/22) den Sohn KARL (DEN KAHLEN schenkte. Darauf bedacht, ihrem Sohn nebst seinen Brüdern aus erster Ehe des Kaisers einen Reichsteil zu verschaffen, stieß LUDWIG auf ihr Betreiben seine ordinatio imperii (817) um, indem er statt der Drei- eine Vierteilung des Reiches vornahm und KARL 829 Schwaben, Elsaß und Teile Burgunds übertrug; er löste damit heftige innere Kämpfe aus, in denen die Söhne sich in wechselnden Allianzen gegen ihn und Judith erhoben. Besonders an Judith schieden sich die Geister: Bewunderern wie Walahfrid Strabo standen scharfe Gegner wie Walavon Corbie gegenüber, die unter der Anschuldigung des Ehebruchs mit dem Grafen Bernhard von Barcelona zeitweise sogar ihre Verbannung vom Hof bewirkten. Nach der Rückkehr setzte Judith die Bemühungen fort, KARL einen noch größeren Reichsteil zu verschaffen - mit dem Ergebnis, dass er schließlich 839 W-Franzien erhielt. Durch Judith war LUDWIG DER FROMME vom Verfechter der Reichseinheit zum Vorkämpfer der Reichsteilung geworden und das Geschlecht der WELFEN in die Spitzengruppe des großfränkischen Adels aufgerückt.

    Literatur:
    E. Dümmler, Gesch. des Ostfrk. Reiches, 3 Bde, 1887-1888 - Fr. v. Bezold, Ksn. Judith und ihr Dichter Walahfried Strabo, HZ 130, 1924.

    Werner Karl Ferdinand: Seite 444, "Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation)"

    II. Generation 6 c
    Zur Familie Judiths ("Welfen", fränkisches Adelshaus im Metzer Raum) siehe J. Fleckenstein, in: Tellenbach, St. und V 7ff.

    Treffer Gerd: Seite 45-46, "Die französischen Königinnen"

    Judith - die Schönheitskönigin
    * 795 Altdorf + 19. April 843 Tours

    Zweite Gemahlin LUDWIGS DES FROMMEN (* 778; Kaiser 814-840) Heirat: 2. Februar 819

    Die Wahl Judiths zur Königin hat etwas Romanhaftes. LUDWIG läßt sich die hübschesten Frauen seiner Umgebung, soweit sie aristokratischer Familien angehören, vorführen und wählt unter ihnen ausgerechnet Judith. Ihre Familienverhältnisse sind nicht gerade einfach. Pippin der Kurze ist ihr Urgroßvater, andererseits ist der Sachsen-König Widukind, den KARL DER GROSSE besiegt und dessen Tochter Gerswind er geheiratet hat, ihr Großvater. Ihr Vater, Graf Welf, der Begründer des Geschlechtes der WELFEN, besitzt große Güter in Schwaben und Bayern. Geboren wird Judith 795 in Altdorf. Wie Gerswind war sie nach der Niederlage Widukinds als Geisel an den Aachener Hof gekommen.
    Die Hochzeit wird am 2. Februar 819 in der Pfalzkapelle gefeiert, die der Architekt Eudes aus Metz für KARL DEN GROSSEN entworfen hatte. Die Chronisten preisen den Liebreiz, die literarische und musikalische Bildung der neuen Königin, ihr Geschick und Beharrungsvermögen - Eigenschaften, die einerseits beachtlichen Einfluß auf ihren Mann sichern, die sie andererseits auch dringend braucht: Judith wird mit LUDWIG 25 Jahre lang ein Leben voller Ärgernisse, Anfeindungen und familiärer Zwistigkeiten teilen.
    Judith bringt zunächst eine Tochter, Gisela (um 820), dann am 13. Juli 823 in Frankfurt einen Sohn, KARL, zur Welt. Normalerweise ist die Geburt eines Erben ein Ereignis, das in königlichen Häusern freudig begrüßt wird. Die Geburt KARLS aber stellt die Erbteilung in Frage, die LUDWIG DER FROMME 817 unter den drei Söhnen seiner ersten Frau getroffen hatte. Ein vierter Sohn kann die Sache nur komplizieren, und Judith vergiftet das Klima noch zusätzlich dadurch, daß sie ihren Einfluß auf ihren Mann ausspielt, um ihren Sohn den vorteilhaftesten Anteil zu sichern. Judith läßt an den Hof ihres Sohnes KARL mehrere große Herren aus Bayern kommen, die dort den WELFEN-Clan bilden.
    Wie zu erwarten, nehmen die Erben aus der ersten Ehe die neue Aufteilung nicht hin. Judith wird so zum Anlaß neuer Dramen. Am Hofe stützt sie sich auf Bernhard von Septimanien, den Grafen von Barcelona, und ihre Anhänger verdrängen die alteingesessenen Machthaber. Natürlich ruft das Opposition hervor. Man beschuldigt Judith und Bernhard, den Kaiser mit Hexerei zu beeinflussen und intime Beziehungen zueinander zu unterhalten.
    Grafen und Geistliche nützen diese Rivalität im Königshaus. 830-831 wird LUDWIG I. abgesetzt. Sein Sohn LOTHAR aus erster Ehe übernimmt die Macht. Judith wird nach Poitiers ins Heilig-Kreuz-Kloster verbannt, das Radegunde, die Gemahlin Chlothars, gegründet hate. Ihre Familie und Parteigänger werden verfolgt. Im Oktober des folgenden Jahres aber stellt LUDWIG seine Autorität wieder her. Judith und Bernhard kehren zurück. Doch schon im Juni 833 wird LUDWIG erneut von seinem Sohn LOTHAR verdrängt, der eine neue Erbteilung durchsetzt. Judith wird diesmal nach Tortona in die Lombardei ins Exil geschickt. Seine anderen Söhne aber holen LUDWIG am 28. Februar 835 auf den Thron zurück. Judith kehrt zurück und nimmt - von Verbrechen der Hexerei und des Ehebruchs reingewaschen, die sie nicht begangen hatte - im Königshaus ihren amgestammten Platz wieder ein..
    Unter dem Einfluß Judiths zimmert LUDWIG für seinen Sohn KARL ein eigenes Reich, läßt ihn im September 838 zum König krönen, gibt ihm Maine und Aquitanien, als Pippin, der zweite Sohn aus erster Ehe, am 13. Dezember stirbt. Zwei Jahre später, am 20. Juni 840 stirbt LUDWIG auf einer Rheininsel vor Ingelheim im Alter von 62 Jahren. Sein Tod belebt die alten Streitigkeiten neu. Judith fürchtet den Ehrgeiz LOTHARS. Sie weiß, daß er seine Brüder überflügeln will. Die beiden jüngeren - KARL DER KAHLE und Ludwig der Deutsche - verbünden sich und besiegen ihn am 25. Juni 842 in der Schlacht von Fonteroy-en-Ouisaye, nahe Auxerre.
    Judith stirbt am 19. April 843 in Tours. Sie hat in ihrer mütterlichen Beharrlichkeit den Sieg davongetragen. Ihr Sohn KARL erhält bei der Reichsteilung von Verdun das W-Reich (zwischen Atlantik und Rhone, Saone und Maas), während Ludwig der Deutsche das O-Reich Germanien erhält. LOTHARS Gebiet erstreckt sich von Friesland bis zur Küste der Provence mit den Kaisersitzen Rom und Aachen. Dieser Vertrag wird auf Jahrhunderte hinaus die europäische Landkarte beeinflussen. Er ist der Ausgangspunkt zweier großer Nationen: Frankreichs und Deutschlands.

    Rappmann Roland/Zettler Alfons: Seite 429, "Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter"

    JUDITH + 19.4.843
    Necr. A/B 19.4. "Iudit regina", Gemahlin LUDWIGS DES FROMMEN

    Literatur:
    AdB 14 Seite 655; Fleckenstein, Über die Herkunft, bes. Seite 95ff.;
    Werner, Nachkommen Tafel Nr. II/6 c; NDB 10 Seite 639f. (dort fälschlicherweise der 13.4. als Todestag); Biograph. Wörterbuch 2 Spalte 1357f.; Konecny, Die Frauen Seite 89-94 und Seite 97-102; Lexikon des Mittelalters 5 Spalte 797; Ward, Caesars's wife. Zum Todestag: Dümmler, Geschichte des Ostfränkischen Reiches 1 Seite 188 Anmerkung 2.

    Judith, die Tochter des Grafen Welf und Schwester der Gemahlin Ludwigs des Deutschen, Hemma, war seit 819 mit LUDWIG DEM FROMMEN verheiratet (BM² 683a). Ihre Brüder Rudolf und Konrad waren Grafen im Bodenseeraum bzw. im Zürichgau; vgl. neuerdings Borgolte, Grafen Seite 165ff. und Seite 226ff.
    Über Walahfrid, der ab 829 für längere Zeit am kaiserlichen Hof weilte und der Kaiserin mehrere Gedichte widmete, kam es zu engeren Beziehungen zur Reichanau. Er gilt sogar als Erzieher von Judiths Sohn KARL DEM KAHLEN; vgl. Beyerle, Von der Gründung Seite 92f., Seite 97ff., BM² 863a, Bergmann, Dichrung Seite 732ff., Önnerfors, Walahfrid Strabo Seite 101, Bezold, Kaiserin Judith Seite 377ff. und Haubrichs, Nekrologische Notizen Seite 15 mit Anmerkung.
    Wahrscheinlich hat LUDWIG DER FROMME im Jahre 838 versucht, Walahfrid als Abt auf der Reichenau einzusetzen; vgl. oben Seite 296f. und Beyerle, Von der Gründung Seite 99ff.
    Zu Gedenkbucheinträgen mit Judith in den Verbrüderungsbüchern von Reichenau; Pfäfers und St. Gallen vgl. Tellenbach, Welfen Seite 335ff., Beyerle, Das Reichenauer Verbrüderungsbuch Seite 114f. und vorläufig Libri confrat. Seite 546.
    Judith entstammte einer ursprünglich fränkischen, nun vornehmlich in Alemannien und Bayern begüterter Familie. Sie wurde Anfang 819 wegen ihrer Schönheit die zweite Gemahlin LUDWIGS I. DES FROMMEN, wobei sie bei einer "Besichtigung" der Töchter vornehmer Häuser durch den Kaiser als Siegerin hervorging. Judith, die als schön und ehrgeizig überliefert wurde, erhielt bei ihrer Vermählung das Kloster San Salvatore in Brescia als Beneficium. Da sie bemüht war, ihren 823 geborenen Sohn KARL einen Anteil an dem bereits 817 unter die anderen Söhne LUDWIGS DES FROMMEN verteilten Reiches zu verschaffen suchte, richtete sich der Haß des Adels gegen sie und ihren Anhang und sie gab damit Anlaß zum Ausbruch der Bürgerkriege, die erst durch den Vertrag von Verdun 843 beendet wurden. Seit 829 mit verschiedenen Buhlen des Ehebruchs verdächtigt, wurde sie 830 von den Aufständischen ins Kloster bei Poitiers gesteckt. Doch bereits im Oktober 830 konnte ihr Gatte LUDWIG auf der Reichsversammlung in Nimwegen ihre Rückkehr an seine Seite durchsetzen. Nachdem das Heer ihres Gatten auf dem "Lügenfeld" zu Colmar zu dessen Söhnen übergegangen war, wurde sie unter LOTHARSVerantwortung gestellt, der sie nach Tortona (Italien) verbannte. Wenige Wochen, nachdem LUDWIG die Macht zurückgewonnen hatte, gelang ihr die Flucht und sie kehrte nach Aachen zurück.

    Schieffer Rudolf: "Die Karolinger"

    Unter den durch Heirat in Königsnähe gerückten Geschlechtern gewannen vorerst die WELFEN den größten Einfluß, was kaum zu Unrecht dem energischen Ehrgeiz der neuen Kaiserin Judith zugeschrieben wird. Jedenfalls muß auffallen, dass ihre Mutter Heilwig die Leitung der vornehmen Königsabtei Chelles erhielt, der eine Bruder Rudolf sich die Verfügung über die Klöster Saint-Riquier und Jumiges sicherte und der andere, Konrad, zum wichtigen Machthaber in Alemannien wurde, überdies verheiratet mit Adelheid, einer weiteren Tochter Hugos von Tours und damit Schwägerin LOTHARS I.
    Nach der am 13.6.823 erfolgten Geburt KARLS DES KAHLEN war Judith klug genug, gerade LOTHAR die Patenschaft anzutragen und ihm eine nicht weiter konkretisierte Zusage für ein künftiges Erbteil KARL zu entlocken.

    Diwald Hellmut: "Heinrich der Erste" Seite 102

    Judith vergaß niemals ihre Abkunft. Dazu kam noch der gewaltige Einfluß, den sie auf LUDWIG DEN FROMMEN hatte. Der Kaiser war ihr derart verfallen, dass seine mönchischen Versuchungen keinerlei Einfluß mehr auf seine Entschlüsse ausübten, nicht zuletzt deshalb, weil Judiths politische Vorstellungen kaum weniger deutlich ausgeprägt waren als ihr physischen Reize. Die Kaiserin förderte und umsorgte die sächsischen Reichsabteien, als wären es ihre eigenen Schöpfungen. Noch 7 Jahrhunderte später war ein kostbares Kreuz, das sie Corvey geschenkt hatte, im Kloster vorhanden. Ebenso wurde dort bis zur Säkularisation im Jahr 1803 jährlich das Judithenbrot gespendet, eine reichhaltige Armenspeisung.

    Schmid Karl: Seite 425, "Welfisches Selbstverständnis"

    Judith, die Tochter Welfs und Heilwigs, Gemahlin Kaiser LUDWIGS DES FROMMEN und Mutter KARLS DES KAHLEN, stand im Brennpunkt der karolingischen Bruderkämpfe um das Reich. Sie war die Mittlerin kaiserlicher Gunst für ihre Brüder und Verwandten. Diesen kam nun die Nähe zur Stirps regia, die Teilhabe am Königsgeblüt, zu. Der persönlichen Bindung an den kaiserlich-karolingischen Hof verdankten sie es, dass sie im ganzen Reich neuen Besitz und hohe Stellungen königlichen Dienstes erhielten. Wechselreich wirkten sie in Alemannien, Bayern, Rätien, Burgund und Lotharingien und vor allem im Reich KARLS DES KAHLEN, im Reich von Judiths Sohn. Hemma, die Schwester der Kaiserin, wurde die Gemahlin Ludwigs des Deutschen. Hugo, mit dem Beinamen Abbas, vereinigte in seiner Hand die reichsten und bedeutendsten Königsklöster im W-Frankenreich, während Konrad der Ältere und sein Sohn Konrad wie auch der ältere Rudolf versuchten, in Auxerre und Sens, in St. Maurice d'Agaune, in Jumieges, St. Riquier, Valenciennes und anderswo ihrem Streben nach Herrschaft Rückhalt zu geben und Positionen des politischen Einflusses aufzubauen. Sosehr jedoch die Quellenzeugnisse diese Großen nach der Vermählung Judiths mit Kaiser LUDWIG DEM FROMMEN aus der Breite des Adels herausheben, bald sollte dies nicht mehr der Fall sein. Die Nachfahren der Brüder der Kaiserin Judith nämlich gingen vom ausgehenden 9. Jahrhundert an wieder in der Weite der adeligen Geschlechter unter, als sich die KAROLINGER-Herrschaft auflöste. Nur Rudolf, der Großneffe der Kaiserin Judith, vermochte es, da er in Hoch-Burgund im Jahre 888 das Königtum erlangte, eine geschichtliche Tradition seiner Familie über mehrere Generationen hinweg zu begründen.

    Ennen, Edith: Seite 58-593, "Frauen im Mittelalter"

    LUDWIG heiratet in zweiter Ehe die junge schöne Judith, eine WELFIN, eine sehr gebildete Dame; ja, ihre Verbindung zur Welt der Gelehrten und Dichter war enger als die ihres Gemahls. Sie suchte vor allem die Zukunft ihres Sohnes KARL zu sichern, der 823 geboren wurde, also viel jünger als LUDWIGS Söhne erster Ehe: LOTHAR geboren 795, Pippin geboren um 803 und Ludwig geboren um 806. Auf die Teilungspläne des Reiches, die Anlaß vieler Wirren boten, in die Judith sich einmischte, haben wir hier nicht näher einzugehen; wir bemerken nur, daß KARL DER GROSSE 806 eine Teilung des Reiches unter seine Söhne vorsah, die nur unterblieb, weil zwei von ihnen vor dem Vater starben. LUDWIG DER FROMME wollte unter kirchlichem Einfluß 817 in der vielberedeten Ordinatio Imperii den fränkischen Brauch der Reichsteilung insofern abändern, als er LOTHAR die Kaiserwürde, den beiden jüngeren Brüdern nur Unterkönigreiche zugestand, hat sich aber 829/30, als er wieder stärker unter den Einfluß weltlicher Großer geriet, erneut dem Teilungsbrauch zugewandt.
    Judith ging es um ihren Sohn. Sie setzte zunächst auf den Paten ihres Sohnes LOTHAR. Ihr engster Vertrauter wurde Bernhard von Septimanien, dessen Berufung an den Hof sie bewirkte. Sie geriet in den Verdacht eines Verhältnisses mit ihm und auch in den Verdacht der Zauberei. In dem großen Aufstand von 830 gegen LUDWIG mußte Bernhard nach Barcelona fliehen, Judith wurde in das Radegundiskloster nach Poitiers gebracht und hart bedrängt, LUDWIG zur Abdankung zu bewegen. Es kam aber zu einem Umschwung, Judith wurde 831 in Aachen rehabilitiert. Bei dem gemeinsamen Aufstand der Söhne gegen LUDWIG 833/34 wurde sie nach Tortona in Italien verbannt, fand aber Wege, Botschaften über die Alpen zu bringen; noch einmal konne LUDWIG sich durchsetzen, aber die Ausstattung von Judiths Sohn KARL blieb eine offene Frage. Erst Pippins Tod machte den Weg frei für die von Judith angestrebte Lösung. Bevor sie Wirklichkeit wurde, starb LUDWIG. Judith half ihrem Sohn nach bestem Vermögen im Kampf um sein Erbe und führte ihm ein Heer zum Entscheidungskampf bei Fontanetum (Fontenay sw. Auxerre) zu.. Es kam dann aber zu einer Entfremdung zwischen Mutter und Sohn; vor dem Abschluß des Vertrages von Verdun (im August 843), der das Reich KARLS DES GROSSEN unter die Enkel aufteilte, eine Teilung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden sollte, ist Judith am 11. April 843 gestorben.

    Riche Pierre: Seite 183,185-191,196, "Die Karolinger. Eine Familie formt Europa."

    LUDWIG war 818 Witwer geworden, und weil er diesen Zustand nicht ertragen wollte, ließ er sich nach einigen Monaten die schönsten Töchter der Vornehmen im Reich vorführen und entschied sich für sie Ehe mit Judith. Seine zweite Gemahlin war die Tochter des Grafen Welf, der in Bayern und in Alemannien nördlich des Bosensees, im Argengau, im Augst-Ammergau und anderwärts reich begütert war. Judith, deren Schönheit und Klugheit von allen gepriesen wurde, sicherte sich von Anfang an einen beherrschenden Einfluß auf den Kaiser, der erheblich älter war als sie selbst. Sie erreichte von LUDWIG, daß er ihrer Mutter das Kloster Chelles schenkte, für ihren Bruder Rudolf setzte sie die Abteien Saint-Riquier und Jumieges durch. Für ihren zweiten Bruder, Konrad, erlangte sie Sankt Gallen, und sie konnte auch für seine Eheschließung mit Adelheid sorgen, der Tochter des Grafen Hugo von Tours, des Schwiegervater LUDWIGS DES FROMMEN [Richtig ist: Hugo von Tours war der Schwiegervater LOTHARS I.]. Und schließlich heiatete Judiths Schwester Hemma im Jahre 827 Ludwig den Deutschen, LUDWIGS DES FROMMEN dritten Sohn. Der Kaiser war also mit dem eigenen Sohn verschwägert, während ein anderer Schwager von ihm die Schwester seiner Schwiegertochter geheiratet hatte... Vier Jahre lang war Judiths Ehe kinderlos geblieben [Der Autor vergißt die Geburt der Tochter Gisela.], aber am 13. Juni 823 brachte die Kaiserin einen Sohn zur Welt, der den Namen seines Großvaters KARL erhielt. Dies war der künftige Kaiser KARL DER KAHLE. zwischen den drei Söhnen aus erster Ehe und ihrer ehrgeizigen Stiefmutter, die jetzt voller Stolz darauf war, dem Kaiser einen weiteren Sohn geschenkt zu haben, mußte es unausweichlich zum Konflikt kommen.
    Auch die Kaiserin Judith, die ausschließlich an die Ansprüche ihres kleinen Sohnes dachte, konnte ihrerseits einige Gefolgsleute um sich sammeln. Zu ihnen gehörte auch Markgraf Bernhard von Septimanien, ein Patenkind des Kaisers.
    Auf der Wormser Reichsversammlung des Jahres 829 nahm das Kaiserpaar dann am Beginn von KARLS siebtem Lebensjahr zum Anlaß, im August die Ausstattung des jungen Prinzen zu beschließen. Er erhielt Alemannien, zu dem die WELFEN besondere Bindungen hatten, Rätien, Elsaß und einen Teil von Burgund. Zugleich zwang LUDWIG seinen Sohn LOTHAR zum Abzug nach Italien und Wala, sich in das Kloster Corbie zurückzuziehen. Darüber hinaus machte er Bernhard zum Kämmerer und gab ihm damit eines der wichtigsten Ämter im Reich; zusätzlich beauftragte er ihn mit der Erziehung des kleinen KARL.Mit ihren einschneidenden Veränderungen sollte diese Palastrevolution den Beginn der Aufstände der Söhne gegen ihren Vater auslösen.
    Trotz seines Rückzugs nach Corbie wollte sich Wala nicht geschlagen geben und sammelte die Anhänger der Reichseinheit um sich. Da er einige Informanten am Hof behalten hatte, konnte er eine Verleumdungskampagne gegen Judith in Gang bringen. Glaubt man den Gerüchten, dann beging Judith mit ihrem Komplizen und Liebhaber Bernhard nicht nur Ehebruch, sondern beide machten sich auch der Zauberei und sogar eines Mordversuchs schuldig.
    Ganz gleich wie es um de Wahrheitsgehalt stand, jedenfalls war Walas Kampagne erfolgreich. Der Aufstand brach aus, als LUDWIG im April 830 einen Feldzug gegen die Bretonen vorbereitete. Pippin von Aquitanien, die Grafen Hugo und Matfrid, dazu noch Ludwig der Deutsche waren entschlossen, den Kaiser aus der Macht Judiths und Bernhards zu "befreien". Der Kämerer brachte sich nach Barcelona in Sicherheit, während sich Judith nach Laon in ein Kloster flüchtete. Pippin und Ludwig hatten darauf gedrängt, der Kaiser solle sich in ein Kloster zurückziehen, aber LOTHAR, schnell aus Italien herbeigeeilt, beschränkte sich darauf, die Beschlüsse der Wormser Reichsversammlung aufzuheben und im Namen seines Vaters die Regierung zu übernehmen. Bernhards Anhänger verloren ihre Positionen, Judith und ihre Brüder wurden in aquitanischen Klöstern verwahrt. Und der junge KARL wurde Mönchen übergeben, die ihn "auf den Eintritt in das Mönchsleben vorbereiten" sollten.
    Auf der Reichsversammlung zu Nimwegen (830) erhielt LUDWIG seine Freiheit wieder, mit ihm auch seine Gemahlin, die sich aber mit einem Eid von den gegen sie erhobenen Anschuldigungen reinigen mußte.
    Nach der Aachener Teilung dachte Judith nun an eine Teilung des Reiches zwischen dem jungen KARL und LOTHAR, den sie dabei völlig falsch einschätzte. Sobald LOTHAR wieder in Gnaden aufgenommen worden war, brachte er nämlich ein neues Bündnis gegen LUDWIG DEN FROMMEN zustande, dem sich auch sein zwei Brüder anschlossen. Es gelang ihm darüber hinaus, Papst Gregor IV. dafür zu gewinnen, im Namen der Reichseinheit und der Versöhnung der Herrscherfamilie zu intervenieren. Das Zusammentreffen der beiden Parteien an dem später "Lügenfeld" genannten Platz im Elsaß, nahe bei Colmar, endete mit einem Mißerfolg des Kaisers. Nachdem fast alle Vasallen von ihm abgefallen waren, wurde er von seiner Gemahlin getrennt, die mit dem Papst nach Italien mußte, während KARL in dem Kloster Prüm verwahrt wurde.
    Nach der Entthronung des Kaisers brach der Bürgerkrieg wieder aus. Auf der einen Seite standen Pippin, unterstützt von Bernhard, der Rache an LOTHAR suchte, und LUDWIG DER FROMME, der sich bei Langres mit Ludwig dem Deutschen vereinigt hatte. Angesichts der Übermacht gab sich LOTHAR geschlagen und versprach nach Italien zurückzukehren. Der Kaiser zog nach Saint-Denis, wo ihm von den Bischöfen, die ihn entthront hatten, seine Waffen feierlich wieder angelegt wurden. Über Aachen, wo der Judith wieder traf, begab sich LUDWIG dann nach Metz.
    Nach LUDWIGS Tod konnte LOTHAR auch auf die Unterstützung Pippins II. zählen, der sich mit einem Teil des aquitanischen Adels gegen KARL DEN KAHLEN erhoben hatte. Dieser, inzwischen 17-jährig, war nach Aquitanien gegangen, wo auch seine Mutter Judith lebte.

    Schneidmüller Bernd: Seite 45-59,61,62,112,114,117, "Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung."

    Wechselnde Beratergruppen bei Hof spiegelten die sich wandelnde Willensbildung, an der mehr und mehr die junge, schöne Kaiserin teilhatte.
    Vor der Schilderung jenes karolingisch-welfischen Dramas, das Reich wie Kaiserfamilie wiederholt an den Rand des politischen Abgrunds führte, gilt es freilich innezuhalten. Zu fragen ist nämlich zunächst nach den Umständen von LUDWIGS Wiederverheiratung 819, nach der Braut und ihrer Familie, anch den Handlungsspielräumen karolingischer Heiratspolitik wie nach den Durchsetzungsmöglichkeiten großer Adelsverbände im karolingischen Großreich.
    "Darauf betrachtete der Kaiser die meisten Töchter der Großen und wählte sich Judith, die Tochter des Grafen Welf, zur Frau." Diese Brautschau des 40-jährigen Kaisers in Aachen deutete man früher als wohl inszenierte Schönheitskonkurrenz des verzweifelten Hofes, um dem alternden Herrscher düstere Gedanken auszutreiben. Heute wird man eher an Vorbilder aus dem imperialen byzantinischen Zerremoniell denken. Denn in der Tat rüttelte jede neu begründete Kaiserverwandtschaft am komplexen Gefüge der karolingischen Adelsgesellschaft, brachte der Familie der Kaiserin Hofnähe ein und begründete neue Loyalitäten. Die Auswahl des Kaisers mit seinem ausgeprägten Bewußtsein von Rang und Reichseinheit unterschied sich 819 ganz beträchtlich von der ersten Eheschließung des damaligen Unterkönigs 794. Wohl dem Herrscher, der sich seinen Untertanen als Getriebener des Hofes darstellen durfte! Genau das drückte der anonyme Biograph LUDWIGS aus: "Um diese Zeit achte er auf Anraten seiner Vertrauten darüber nach, ob er eine neue Ehe schließen solle; manche waren nämlich besorgt, daß er die Regierung des Reiches niederlegen könnte. Doch, von ihnen gedrängt, tat er schließlich ihrem Wille Genüge, beschaute die von überall her herbeigeführten Töchter der Vornehmen und nahm Judith, die Tochter des edlen Grafen Welpo, zur Gemahlin."
    Bloße Ästethik erklärt die Auswahl nicht allein. Die Nachrichten über Judiths Herkunft erscheinen moderner Neugier freilich spärlich. Doch im Konzert der fränkischen Quellen des 9. Jahrhunderts bezeichnen sie exakt jene sozialen Voraussetzungen, die eine kaiserliche Braut auszeichneten: Abkunft von den Vornehmen (nobilis) des Frankenreiches und damit Zugehörigkeit zu einer Adelsgesellschaft, die im Gefolge der karolingischen Reichsbildung zu überregionalem Rang und weitgespanntem Besitz gelangt war. Auch wenn Judiths Vater Welf nur bei der Heirat seiner Tochter Judith jäh aus dem Quellendunkel hervortrat, auch wenn er in frühmittelalterlichen Namenslisten zum Gedenken an Lebende und Tote wohl nur einmal erscheint - der anonyme Biograph LUDWIGS DES FROMMEN wie die Reichsannalen ordnen ihn als edlen Großen in jene Gruppe ein, aus denen sich ein Kaiser seine Braut suchte.
    Mehr über Judiths Eltern meldete im 9. Jahrhundert allein der Trierer Chorbischof Thegan, der Kaiser LUDWIGS Taten noch zu dessen Lebzeiten beschrieb: "Im folgenden Jahr vermählte er sich mit der Tochter seines Herzogs Welf, der einer hochadeligen Familie der Bayern entstammte. Das Mädchen hieß Judith und gehörte von seiten seiner Mutter Heilwig einem hochadeligen sächsischen Geschlecht an. Judith erhob er zur Königin; denn sie war von großer Schönheit."
    Die Ehe Welfs mit der sächsischen Adligen Heilwig, später Äbtissin im Kloster Chelles (um 825), markiert die Fähigkeit zu weitgespannter adliger Heiratsverbindung, während die Benennung als "sein herzog" adligen Rang und Kaisernähe bezeichnet. Mit Thegans eindeutiger Zuweisung Welfs in ein hochadliges Geschlecht der Bayern wußte die neuere Forschung indes lange wenig anzufangen. Aus dem Aufstieg der WELFEN im karolingischen Umkreis kannte man die adlig-königliche Herrschaftsbildung im westfränkischen Reich wie in Burgund ebenso wie die zähe Behauptung adligen Besitzes in Alemannien.
    Studien zur Besitzgeschichte, die auf Grund der schütteren Überleiferung Nachrichten aus mehreren Jahrhunderten verknüpften und darum mit manchen Hypothesen arbeiten mußten, ließen bayerische Herkunft zunächst wenig plausibel erscheinen. Die in Alemannien, in Bayern und im Alpenraum ermittelte Herrschaftsbildung schien vielmehr erste Schwerpunkte des 9. Jahrhunderts in Alemannien (Schussen- und Argengau) und spätere Ausgriffe des 10./11. Jahrhunderts in das bayerisch-alemannische Grenzgebiet (Lechrain, Augst- und Ammergau) wie in den ferneren Alpenraum (Norital, Vinschgau, Unterengadin) wahrscheinlich zu machen.
    Als neben besitzgeschichtlichen Analysen auch namenkundliche traten, konnten Herkunft und Stufen des Besitz- wie Herrschaftserwerbs noch genauer ermittelt werden.: Zum Vorfahrenkreis Welfs und seiner Tochter Judith müssen die Grafen Ruthard und Warin gerechnet werden, die in der Zeit König Pippins (751-768) an der Einbindung Alemanniens ins Frankenreich mitwirkten. Trotz ansprechbarere namenkundlicher Überlegungen bleiben ihre Herkunft aus dem austrasischen Maas-Mosel-Gebiet, der Heimat der KAROLINGER, ihre Volkszugehörigkeit als Franken und ihre Schenkertätigkeit im Rhein-Neckar-Gebiet wie im fränkisch-thüringischen Raum dunkel und vielfach umstritten. Mit nicht von der Hand zu weisenden Argumenten wird neuerdings sogar ihre Herkunft aus Alemannien behauptet. Wir werden aber sehen, daß gerade die Vielfalt der räumlichen und ethnischen Bezüge solche Adelsverbände prägte.
    In Alemannien begegnete Ruthard in mehreren Grafschaften und war, folgt man späteren und nicht immer einwandfreien Überlieferungen, an mehreren oberrheinischen Klostergründungen beteiligt (Arnoldsau, Schwarzach, Gengenbach, Schuttern, Ettenheimmünster). Dagegen bewahrte die spätere St. Galler Überlieferung die Negativbotschaft, Ruthard und Warin hätten Abt Otmar von St. Gallen (+ 16.11.759) in den Tod getrieben. Vielleicht wirkten sie bei den Bemühungen der karolingischen Herrschaft mit, die alemannische Klostergründung eigener Botmäßigkeit zu unterwerfen. Positiver gestaltete sich demgegenüber die Erinnerung an die beiden Administratoren Alemanniens im Kloster Reichenau, wo man Warin und Ruthard gar zu den eigenen Wohltätern rechnete.
    Will man Ruthard als (vielleicht kognatischen) Vorfahren Welfs und Judiths akzeptieren, so wird Kaiser LUDWIGS Brautwahl um so verständlicher. Denn Ruthard gehörte auf Grund seiner vielfältigen Bindungen im fränkischen Reich zur engeren Umgebung König Pippins, verfügte über beträchtlichen Besitz im ostrheinischen Gebiet und über Beziehungen nach St-Denis, Prüm und Fulda, vielleicht sogar nach Gorze. Im königlichen Auftrag hatte Ruthard gemeinsam mit Abt Fulrad von St-Denis Papst Stephan II. 753/54 zu jenem welthistorischen Treffen mit Pippin geleitet, auf dem das lange wirkende Bündnis von Papst und Franken-König begründet wurde.
    Um so nachdenklicher muß Ruthards Verschwinden aus der Überlieferung seit 769 stimmen. Vielleicht hatte er die fränkischen Konfiskationen in Alemannien zum eigenmächtigen Besitzerwerb benutzt? Jedenfalls traten er und seine Familie in der Regierungszeit KARLS DES GROSSEN (768-814) sogleich ins Quellendunkel. Und erst der dritte karolingische Herrscher LUDWIG DER FROMME, der sich programmatisch vom Vater absetzte, führte die Nachkommen Ruthards wieder glanzvoll in erneute Hofnähe. Gewiß - es ist nicht eindeutig zu entscheiden, ob hier Zufälle der Überlieferung oder politische Intentionen bei der Ausgestaltung der herrscherlichen Umgebungam Werk waren. Aber die Verknüpfung des Herzogs/Grafen Welf wie seiner Tochter Judith mit dem Vorfahren Ruthard beleuchtet den besonderen Rang einer Adelssippe mit weitgespannten Aktionsrahmen von Austrasien über Sachsen nach Alemannien und Bayern, typisch für die Zugehörigkeit zur aristokratischen Spitzengruppe. Mit ihren Herrschern verknüpfte sie Völker und Räume und gewährleistete als überschaubarer Personenverband das Funktionieren eines Großreichs von geringer Kohärenz in der Infrastruktur.
    Indes mag man nicht gar so achtlos Thegans Bericht von der Herkunft Welfs aus vornehmen bayerischen Adel beiseite schieben und mit geographischer Unkenntnis eines fränkischen Chroniste erklären. Schließlich handelt es sich um die einzige und dazu eindeutige Nachricht über die Abstammung, die wir aus dem 9. Jahrhundert besitzen. Nur schwerlich kann man sie mit allerlei weitläufig-luftigen besitz- und namengeschichtlichen Spekulationen vollends beiseite schieben. Wieder greifen wir nach Quellensplittern aus quellenarmer Zeit, um Geschichte nicht gegen die Überlieferung schreiben zu müssen. Denn nicht immer irrten die mittelalterlichen Schreiber, und nicht immer sind moderne Konstrukteuere klüger.
    Quellensplitter überliefern uns nicht die Taten der Bischöfe von Auxerre die Nachricht, daß sechs bayerische Große in den 30-er und 40-er Jahren des 8. Jahrhunderts auf Kosten der Kathedralkirche von Auxerre mit Besitz ausgestattet wurden? Noch zwischen 813 und 859/60 regierten in Auxerre drei Bischöfe aus einer Familie bayerischer Herkunft. Besaßen die welfischen Brüder und Neffen der Kaiserin Judith den westfränkischen Schwerpunkt ihrer Herrschaft nicht gerade in Auxerre? Vielleicht wurde er ihnen gar nicht erst später von KARL DEM KAHLEN zugewiesen, sondern war von den Vorfahren ererbt? Liegen nicht gerade hier besitzgeschichtliche Kontinuitäten vor, welche der emsige landesgeschichtliche Forschung in ihrer Fixierung auf Deutschland bisher nur in Alemannien oder Bayern suchte? Und gingen bei der Suche nach den welfischen Kognaten in Alemannien nicht die eigentlichen fränkischen Ursprünge der Agnaten in Auxerre, in St-Riquier, in der frühmittelalterlichen Francia (Franzien) zwischen Seine und Maas verloren?
    Die Fragezeichen müssen stehenbleiben. Doch soll die Hypothese im Gedächtnis haften bleiben, daß Judiths Vater Welf vielleicht ein Aristokrat mit Besitz von Bayern bis nach W-Franken war, Nachkomme eines im Auxerrois begüterten bayerischen Großen, Verwandter des alemannischen Grafen Ruthard, verheiratet mit einer sächsischen Adligen.

    819 oo 2. LUDWIG I. DER FROMME 16.4.778-20.6.843

    Kinder:
    - Gisela 819- nach 1.7.874
    836 oo Eberhard Markgraf von Friaul um 810- 866
    - KARL II. DER KAHLE 13.6.823-6.10.877

    Literatur:
    Borgolte Michael: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit. Eine Prosopographie. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1986, Seite 155,166,169,227,288 - Borgolte Michael: Geschichte der Grafschaften Alemanniens in fränkischer Zeit.Vorträge und Forschungen Sonderband 31 Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1984, Seite 92,193,202,229,254 - Deutsche Geschichte Band 1 Von den Anfängen bis zur Ausbildung des Feudalismus Mitte des 11. Jahrhunderts. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften Berlin 1982, Seite 328 - Diwald Helmut: Heinrich der Erste. Die Gründung des Deutschen Reiches. Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach 1987 Seite 102,275 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 28,43-46,56,59,63,67,71,80,83,95,109,111,117,119,128,134,148,150,181,260,421,446 - Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter. Verlag C.H. Beck München 1994, Seite 58-63 - Glocker Winfrid: Die Verwandten der Ottonen und ihre Bedeutung in der Politik. Böhlau Verlag Köln Wien 1989, Seite 90 - Hlawitschka Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert. Kommissionsverlag: Minerva-Verlag Thinnes Nolte OHG Saarbrücken 1969, Seite 157 - Hlawitschka Eduard: Lotharingien und das Reich an der Schwelle der deutschen Geschichte. Anton Hiersemann Stuttgart 1968, Seite 10 - Hlawitschka Eduard: Studien zur Äbtissinnenreihe von Remiremont. Buchdruckerei und Verlag Karl Funk, Saarbrücken 1963, Seite 36 - Konecny Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frau in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7. bis zum 10. Jahrhundert. Dissertation der Universität Wien 1976, Seite 89-94,97-102 - Lebe Reinhard: Ein Königreich als Mitgift. Heiratspolitik in der Geschichte. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1998, Seite 34,37,39 - Mitterauer Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten. Archiv für österreichische Geschichte Band 123. Hermann Böhlaus Nachf./Graz-Wien-Köln 1963, Seite 241,243,245 - Mühlbacher Engelbert: Deutsche Geschichte unter den Karolingern. Phaidon Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion - Rappmann Roland/Zettler Alfons: Die Reichenauer Mönchsgemeinschaft und ihr Totengedenken im frühen Mittelalter. Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1998, Seite 408,419, 424,426,429,434,436,517- Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1991, Seite 183,185,191,196, 201,208,354 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992, Seite 119,125-129,131,136-138, 146,158 - Schmid, Karl: Gebetsgedenken und adliges Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1983, Seite 403,425-453 - Schneidmüller Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 2000, Seite 17,23,24,30,31,43,45-59,61,62,112,114,117 - Schneidmüller Bernd/Weinfurter Stefan: Otto III. Heinrich II. Eine Wende? Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1997, Seite 277A - Schnith Karl Rudolf: Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990, Seite 45,50-56,60,79 - Weinfurter Stefan: Heinrich II. Herrscher am Ende der Zeiten. Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1999, Seite 201 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995, Seite 426,429,444 - Wies Ernst W.: Otto der Große. Kämpfer und Beter. Bechtle Verlag Esslingen 1989, Seite 24 -


    Wikisource ADB: Judith

    Judith, zweite Gemahlin Kaiser Ludwigs des Frommen, welcher sich mit ihr nach dem im October 818 erfolgten Tode seiner ersten Gattin Irmingard im Winter 818/819 (nach einer Nachricht, im Februar 819) zu Aachen vermählte. Sie war die Tochter des Grafen Welf aus dem alten Hause der Welfen; ihre Mutter Eigilwich, welche später als Wittwe die Abtei Chelles bei Paris erhielt, gehörte einem vornehmen sächsischen Geschlechte an. Ihre Brüder hießen Konrad und Rudolf; ihre Schwester Hemma vermählte sich 827 mit ihrem jüngsten Stiefsohne Ludwig. – Es war wol hauptsächlich ihre überall einstimmig gepriesene, außerordentliche Schönheit, durch welche J. die Wahl des Kaisers, der eine große Anzahl von Töchtern edler Häuser bei der Brautschau in Augenschein genommen hatte, auf sich lenkte. Diese Schönheit wurde dadurch noch anziehender und bestrickender, daß sich mit ihr Anmuth, Liebreiz und Neigung zu Frohsinn und Scherz verbanden. Die Kaiserin war aber auch eine geistig hervorragende Frau, lebhaft und aufgeweckt, voll Sinn für Wissenschaft und Kunst und von ungewöhnlicher Bildung. Wir erfahren z. B., daß sie die Orgel spielen konnte, und die Förderung, welche Karl der Große wissenschaftlichen Bestrebungen hatte [656] angedeihen lassen, fand, soweit wir sehen können, weit mehr durch sie als durch ihren schwachen und trüben Gemahl eine Fortsetzung. Zum großen Theil lag die Veranlassung hierzu für J. auch in ihrer eifrigen Fürsorge für die Erziehung ihres Sohnes. So kam der Dichter Walahfrid Strabo in ihre Dienste, welcher an der Unterweisung Karls theilnahm und von der schönen und geistvollen Frau in hohem Grade angezogen worden zu sein scheint. Bischof Frechulf von Lisieux dedicirte der Kaiserin den zweiten Theil seiner Weltchronik, damit sie dieselbe zum Unterricht ihres Sohnes verwende. Raban widmete ihr seine Commentare zu den Büchern Judith und Esther. Auch Servatus Lupus trat zu ihr in nähere Beziehungen. – Von der größten Bedeutung wurde Ludwigs zweite Ehe aber für die Geschicke des Frankenreichs. Der beherrschende Einfluß, welchen J. nach der Natur beider Persönlichkeiten auf den Kaiser gewinnen mußte, drückt sich auch in den Urkunden, namentlich in späterer Zeit aus, in den Gunstbeweisen, welche sie erwirkte oder selbst empfing. So erhielt sie die Abtei St. Salvatore in Brescia. Man wandte sich an sie auch in politischen oder kirchlichen Angelegenheiten. Am 13. Juni 823 gebar die Kaiserin zu Frankfurt a. M. Karl (den „Kahlen“), nachdem sie ihren Gemahl, wie es scheint, schon früher mit einer Tochter, der nachmals mit dem Markgrafen Eberhard von Friaul verehelichten Gisla, beschenkt hatte. Wenn nun hiermit, um an ein Wort von Leibniz anzuknüpfen, eine verzehrende Fackel im Reiche der Franken entbrannte, so lag die Schuld daran nur halb an J., zur anderen Hälfte an den verhängnißvollen Umständen. Durch das Reichstheilungs- und Hausgesetz vom J. 817 war über das Reich und seine Zukunft verfügt; man darf es aber als natürlich anerkennen, daß die Kaiserin trotz dieses Gesetzes ihrem Sohne neben seinen Stiefbrüdern aus Ludwigs erster Ehe einen Antheil am Reiche zu verschaffen suchte. Zum entschiedenen Vorwurf gereicht ihr jedoch die ebenso hartherzige als ränkevolle Art und Weise, in der sie dies Ziel auf Kosten ihrer jüngeren Stiefsöhne verfolgt hat. J. hegte nämlich anfangs den Wunsch und kam auf diesen Gedanken trotz aller Wechselfälle und wiederholten Empörungen Lothars auch immer wieder zurück, in dem ältesten ihrer Stiefsöhne einen Beschützer und Verbündeten ihres Sohnes zu gewinnen. Deshalb machte man jetzt Lothar zu Karls Pathen und bewog ihn sich durch einen Eid zu verpflichten, daß er in die Ueberlassung eines Reichstheils an Karl willigen und denselben in dessen Besitz schützen wolle. Aber sogleich, nachdem dem erst 6jährigen Karl auf dem Wormser Reichstage im J. 829 ein solcher Antheil (Alamannien nebst dem Elsaß, Currätien und einem Theile von Burgund) vom Vater verliehen worden war, kam es zum Bruch. Die Stiefbrüder Karls waren darüber erbittert, auch Lothar, der jetzt unter der Kaiserin feindlichen Einflüssen stand. Es waren zwei früher mächtige Große, Graf Matfrid von Orleans und Graf Hugo von Tours, Lothars Schwiegervater, welche aus dem Grunde oder vielleicht auch nur unter dem Vorwande eines durch ihre Saumseligkeit und Muthlosigkeit schimpflich verfehlten Zuges nach der spanischen Mark abgesetzt worden waren und Lothar nun zum Werkzeuge ihrer Rache erkoren. Auch schien man schon befürchtet zu haben, daß die letzten Absichten der Kaiserin dahin zielen möchten, ihren Sohn zum eigentlichen Nachfolger ihres Gemahls zu machen. Lothar wagte zwar noch nicht offen sein Gelöbniß zurückzunehmen und dem Geschehenen zu widersprechen, aber man fand sich doch veranlaßt, ihm die Mitregentschaft, welche ihm seit einigen Jahren auf Grund des Gesetzes von 817 eingeräumt war, zu entziehen und ihn wieder nach Italien zu schicken, vielleicht in der Absicht, ihn künftig auf dies Unterkönigreich zu beschränken. Da der Hof indessen bei der wachsenden Gährung unter den Großen und den immer greller hervortretenden allgemeinen Mißständen im Reiche durchaus einer kräftigen Stütze bedurfte, so wurde der Graf Bernhard von Barcelona [657] als Kämmerer an denselben berufen. Dies Amt war mehr nur die Form, unter welcher Bernhard die Zügel des Reichs übernehmen sollte; auch die Obhut über den jungen Karl wurde ihm übertragen. Allein die Hoffnungen, welche J. auf den kecken Grafen gesetzt, wurden vollkommen getäuscht; Bernhard’s unbesonnenes und rücksichtsloses Auftreten diente vielmehr nur dazu, alsbald die offene Empörung herbeizuführen. Die Gegner haben Bernhard und J. überdies eines ehebrecherischen Verhältnisses geziehen – eine Beschuldigung, welche die ihr entgegengesetzten entschiedenen Ableugnungen zwar nicht widerlegen, die aber auch keineswegs als sichere Thatsache gelten darf. Andere Behauptungen gehen insofern noch weiter, als sie die Kaiserin beschuldigen, ihrem Gemahl, als dieser alterte, vielfach untreu geworden zu sein, während selbst von dieser Seite zugestanden wird, daß ihr Verhalten während der ersten Zeit der Ehe zu keinem Tadel Anlaß gegeben habe. Bei der Empörung im J. 830 wurde J. in ein Kloster in Poitiers gesperrt; auch ihren Brüdern erging es ähnlich. Nachdem jedoch Ludwig die Herrschaft wieder gewonnen hatte, legte sie auf dem Aachener Reichstage im Februar 831, wo kein Kläger gegen sie aufzutreten wagte, den Reinigungseid ab und wurde in ihre Rechte als Gattin und Kaiserin wiedereingesetzt, da Papst und Bischöfe entschieden hatten, daß ihr erzwungener Eintritt ins Kloster dem nicht entgegenstehe. Namentlich von jetzt an, wo Judith’s alter Einfluß sich von Neuem und sogar in gesteigertem Grade geltend machte, sehen wir die Politik des Kaisers gegen seine beiden jüngeren Söhne aus erster Ehe gerichtet; besonders gegen Pippin, welcher an der Empörung von 830 den Hauptantheil gehabt hatte und wol auch nach Persönlichkeit und Machtstellung die wenigste Rücksicht zu erfordern schien. Man suchte sich der Person und des Reichs desselben zu bemächtigen, Aquitanien wurde (832) an Karl verliehen, aber das damalige Unternehmen gegen Pippin endigte kläglich. Bei der großen Katastrophe vom J. 833 auf dem „Lügenfelde“ bei Colmar wurde die Kaiserin zuerst nach den Zelten des jüngeren Ludwig gebracht, dann nach Tortona in Italien in Gefangenschaft geschleppt, jedoch im folgenden Jahre von den Anhängern des Kaisers, die Grund hatten zu fürchten, daß ihr Leben von den Feinden bedroht sei, befreit. Walahfrid schildert in einem sehr anziehenden Gedichte, wie ein gewisser Ruodbern mit größter Hingebung unter vielen Schwierigkeiten und Gefahren heimlichen Verkehr zwischen der gefangenen Fürstin und ihrem Gemahl vermittelte und ihre Befreiung vorbereitete. Dann ließen der Bischof Ratold von Verona (der seine Treue gegen den Kaiser schon bei einer früheren Gelegenheit bewährt hatte), der Markgraf Bonifacius von Tuscien, Pippin, ein Sohn des Königs Bernhard von Italien u. A. die Kaiserin befreien und brachten sie nach Aachen in die Arme ihres Gemahls –, „ein erwünschtes Geschenk“, wie der Geschichtschreiber Nithard sich ausdrückt. Im J. 837 wagte man Karl wieder einen Reichstheil zu überweisen, welcher die gesegnetsten Provinzen umfaßte. Während dann dem jüngeren Ludwig der größte Theil seiner Länder abgesprochen wurde, Karl nach seiner Wehrhaftmachung auch noch die Herrschaft in einem Theile Neustriens erhielt und Pippin gegen Ende des J. 838 starb, erfolgte 839 zu Worms die schon früher angebahnte, aber wieder rückgängig gewordene Aussöhnung mit Lothar und damit die vollständige Rückkehr zu Judith’s alter Politik, welche durch die Theilung des Reichs (mit Ausnahme von Baiern) zwischen Lothar und Karl besiegelt wurde. Auch Aquitanien mit seinen Nebenländern war hiermit wieder Karl zugewiesen worden und J. begleitete nebst ihrem Sohn den Gemahl, als derselbe nach Aquitanien zog, um seinen Enkel Pippin II. dieses Reiches zu berauben. Der Kaiser sandte beide nach Poitiers voraus, während er sich vergeblich bemühte die Anhänger Pippin’s zu unterwerfen und sich dann ebenfalls zum Winter nach jener Stadt zurückzog. Als ihn im [658] nächsten Jahre die abermalige Erhebung Ludwigs des Deutschen trotz seiner Krankheit zu einem neuen Zuge gegen denselben nöthigte, ließ er die Kaiserin und Karl mit einer Heeresabtheilung in Poitiers zurück. So war J. von ihm fern, als er am 20. Juni 840 auf der Rheininsel bei Ingelheim starb. In dem Kriege zwischen den Söhnen Ludwigs des Frommen tritt die Kaiserin noch einmal hervor; sie stieß im Sommer 841 vor der Schlacht bei Fontenoy mit den nördlichen Aquitaniern in Chalons an der Marne zu Karl. Sie starb am 19. April 843 zu Tours und wurde auch dort im Martinskloster bestattet. Ihr Ende war kummervoll; es macht einen tragischen Eindruck, wenn man liest, daß diese Mutter, deren Leben aus rastlosen Bestrebungen und schweren Leiden um ihres Sohnes willen bestanden hatte, zuletzt von eben diesem Sohne all ihres Besitzes beraubt worden war, mochte derselbe das auch nur aus Noth gezwungen gethan haben.
    Simson, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Ludwig dem Frommen, I. II. Leipzig 1874, 1876. Dümmler, Geschichte des ostfränkischen Reichs, I. Berlin 1862. Ebert, Allgem. Geschichte der Litteratur des Mittelalters im Abendlande, II. Leipzig 1880.



    Begraben:
    St. Martin

    Kinder:
    1. von Franken, Gisela wurde geboren in 819; gestorben nach 1 Jul 874; wurde beigesetzt in Cysoing [59830],Nord,Nord-Pas-de-Calais,Frankreich.
    2. 4. von Franken, Karl II. wurde geboren am 13 Jun 823 in Frankfurt am Main [60311],Hessen,Deutschland; gestorben am 6 Okt 877 in Avrieux [73500],Savoie,Rhône-Alpes,Frankreich; wurde beigesetzt in Nantua [01130],Ain,Rhône-Alpes,Frankreich.

  3. 10.  von Orleans, Odo (Sohn von Erbio); gestorben in 834.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Orléans [45000],Loiret,Centre-Val de Loire,Frankreich; Graf von Orleans

    Notizen:

    Odo Graf von Orleans (828-834)
    834 gefallen
    Wahrscheinlich Sohn des Grafen Erbio und einer namentlich unbekannten Tochter von Graf Wilhelm von Toulouse; Enkel des Präfekten Gerold und Vetter des Grafen Bernhard von Barcelona

    Lexikon des Mittelalters: Band VI Spalte 1356, Odo, Graf von Orleans
    + 834 gefallen
    oo Ingeltrud, Schwester des Seneschalls Adalhard I.

    Als Enkel Gerolds verfügte Odo über weitgespannte verwandtschaftliche Beziehungen im fränkischen Adel. Gefördert von Kaiserin Judith, gehörte er zur Partei seines Vetters, Graf Bernhard von Barcelona, die sich am Hof LUDWIGS DES FROMMEN durchsetzte und vom Sturz der Grafen Hugo von Tours und Matfrid von Orleans profitierte. Odo, mit Matfrids Grafschaft ausgestattet, blieb seinem Kaiser im Kampf mit dessen Söhnen treu und wurde darum 830 von Pippin I. und LOTHAR I. in Compiegne angeklagt, der Waffen beraubt und ins italienische Exil geschickt. Mit LUDWIGS Restitution kehrte auch Odo in die alte Stellung zurück. Ein von ihm geführter Heereszug 834 gegen die Grafen Lambert und Matfrid nach Neustrien endete unglücklich, mit seinem Bruder Wilhelm von Blois und anderen Anhängern des Kaisers fand Odo den Schlachtentod. Sein Verwandtenkreis prägte entscheidend die Politik des westfränkischen Reiches; KARL DER KAHLE heiratete 842 Odos Tochter Irmintrud.

    Seine Nachkommen waren die KONRADINER?

    Mitterauer Michael: Seite 14, "Karolingische Markgrafen im Südosten"

    Präfekt Gerolds Enkel Uado dürfte mit dem Grafen dieses Namens identisch sein, der 821 seinen Konsens zur Schenkung von Hadrians Witwe Waltrat gab. Die von ihr tradierten Güter stammten daher wohl aus der Hinterlassenschaft ihres Gatten. Als direkte Besitznachfolger Waltrats und Graf Utos erscheinen im Nahetal und in der Gegend von Bopard die KONRADINER. Da bei ihnen auch der Name Uto wiederholt vorkommt, sieht I. Dietrich in ihnen Nachkommen des 821 bis 824 nachweisbaren Grafen, den sie jedoch für einen Sohn der Waltrat hält. Die KONRADINER waren mit dem mächtigen Seneschall Adalhard verwandt, der durch seine Schwester Engeltrut ein Schwager des Grafen Uto von Orleans und ein Onkel der Kaiserin Ermentrut war. Alle Anzeichen scheinen dafür zu sprechen, dass dieser Graf Uto von Orleans mit dem Enkel Präfekt Gerolds identisch ist. Dieser tritt nach seinen Nennungen in den Fuldaer Urkunden noch einmal im Jahre 826 als Oberschenk des kaiserlichen Hofes in der Pfalz zu Ingelheim auf. Dann verschwindet er aus dem Rheinland.
    828 erscheint ein Graf Uto an der Loire. Er erhält nach dem Sturz Matfrids von Orleans dessen Grafschaft. Aber schon 830 wird er von König Pippin von Aquitanien vertrieben. Bei einem Versuch, sich neuerlich gegen Matfrid durchzusetzen, fällt er 834 zusammen mit seinem Bruder, dem Grafen Wilhelm von Blois.
    Daß Graf Uto von Orleans ein Enkel Präfekt Gerolds war, wurde aus anderen Gründen schon früher, vor allem von L. Levillain und M. Chaume, angenommen. Die These hat wirklich große Wahrscheinlichkeit.

    Dümmler Ernst: Band I Seite 53,58,60,63,96, "Geschichte des Ostfränkischen Reiches"

    Judith erkor für diese Aufgabe den Markgrafen Bernhard von Barcelona, Herzog von Septimanien, Sohn des für heilig gehaltenen, vielgefeierten Wilhelm von Toulouse und Vetter des kürzlich ernannten Grafen Odo von Orleans.
    Noch ehe die zum Gründonnerstage (14. April 830) nach Rennes entbotene Heeresversammlung stattgefunden hatte, erhob sich Pippin plötzlich in offenem Aufstande: von Aquitanien aus zog er nach Orleans, wo Graf Odo wiederum seinem Vorgänger Matfrid Platz machen mußte.
    Judith war unschädlich gemacht, Bernhard entwichen, sein Bruder Heribert mußte statt seiner büßen, indem er auf LOTHARS Befehl geblendet und nach Italien verbannt wurde; die letztere Strafe traf auch seinen Vetter Odo von Orleans.
    Die Kaiserin Judith befreite sich nach fränkischem Recht durch einen Reinigungseid von allen gegen sie erhobenen Beschuldigungen und wurde darauf, nachdem der Papst Gregor ihre Verschleierung für ungültig erklärt, in ihre früheren Recht wieder eingesetzt. Desgleichen ihre Brüder und Graf Odo von Orleans.
    Um die Grafen Matfrid und Lambert zu vertreiben oder zu vernichten, wurde der Heerbann des Landes zwischen Seine und Loire bis nach dem oberen Burgund hin aufgeboten, unter der Führung des Grafen Odo, der nun, da er sich mit seinem Vetter Bernhnhard für den Kaiser erhoben, zum zweiten Male Matfrids Nachfolger in Orleans geworden war, durch seine Eingriffe in das Kirchengut aber heftigen Haß auf sich gezogen hatte. Neben ihm fochten auch Bischof Jonas von Orleans und Abt Boso von Fleurry nebst vielen andern Grafen und Prälaten aus jenen Gegenden. Unter schweren Verwüstungen des flachen Landes, übermütig und siegesgewiß auf seine Übermacht, näherte sich Odo den Feinden, sorglose Unachtsamkeit aber stürzte ihn ins Verderben. Die Lotharier errangen durch plötzlichen Überfall nach kurzem Kampfe einen vollständigen Sieg und brachten, da ihre Gegner sich alsbald in wilde Flucht auflösten, denselben sehr große Verluste bei. Odo von Orleans selbst blieb auf der Wahlstatt, desgleichen sein Bruder Wilhelm von Blois, ferner Graf Wido von Maine, Graf Fulbert, der kaiserliche Kanzler Abt Theudo von Tours und andere.

    Boshof Egon: Seite 173,184,189,207, "Ludwig der Fromme"

    Im Februar des Jahres 828 wurden die Grafen Matfrid von Orleans und Hugo von Tours auf einer Reichsversammlung in Aachen für ihr Versagen beim Aufstand in der spanischen Mark mit dem Verlust ihrer Ämter und Lehen bestraft; Nachfolger Matfids in Orleans wurde Odo, ein Neffe Wilhelms von Toulouse.
    Auf der Reichsversammlung von Compiegne Ende April oder Anfang Mai 830 "begnadigte" LUDWIG seine Gemahlin zu Klosterhaft und Kirchenbuße. Bernhards Bruder Heribert wurde gegen LUDWIGS Willen geblendet, der Graf Odo abgesetzt und verbannt, andere Anhänger des alten Kaisers wurden inhaftiert.
    Um diese Zeit tritt außerdem zum ersten Mal ein Mann am Hof in Erscheinung, dem noch eine glänzende Karriere beschieden war: der Seneschall Adalhard, der mit dem Grafen Odo von Orleans verschwägert war.
    Aber LUDWIG täuschte sich; die Krise war noch nicht beigelegt. Im Juni wurde ein von dem Grafen Odo schlecht geführtes Heer an der bretonischen Grenze von den Grafen Matfrid und Lambert vernichtend geschlagen. Zu den Gefallenen zählte neben Odo selbst und weiteren Grafen auch der Kanzler Theoto.

    Schieffer Rudolf: Seite 127,134, Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992

    LOTHAR zum Beispiel konnte es nicht gleichgültig sein, daß sein Schwiegervater Hugo um allen Einfluß gebracht und Matfrid in der Grafschaft Orleans ausgerechnet durch Odo, einen Vetter des vor Barcelona siegreichen Grafen Bernhard, ersetzt wurde, der als Judiths Schützling galt.
    Unweit der bretonischen Grenze siegten in blutigem Gefecht LOTHARS Parteigänger, die Grafen Lambert (von Nantes) und Matfrid, wobei neben dem kaiserlichen Kanzler Theoto und etlichen Grafen auch Odo, Matfrids Rivale in Orleans, den Tod fand.

    Riche Pierre: Seite 200, "Die Karolinger"

    Zur gleichen Zeit befestigte KARL DER KAHLE seine Stellung im W-Frankenreich durch die Eheschließung mit Ermentrud, der Tochter des Grafen Odo von Orleans (13. Dezember 842). Odo entstammte einem mittelrheinischen Geschlecht, das zweifellos mit der Familie von KARLS DES GROSSEN Schwager Gerold verwandt war (vgl. Stammtafel IV). Er war verheiratet mit der Schwester des Grafen Gerhard und des Seneschalls Adalhard, eines der mächtigsten Großen im W-Frankenreich.

    Wenskus Reinhard, "Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel"

    Udo machte 831 mit Ruthildis in Wieblingen im Lobdengau eine Schenkung. Hruothilt, die Tochter Giselas, die erste Äbtissin in Karbach wurde, war nach der Vita Liutbergae vorher vermählt gewesen, ohne dass der Name des Gatten genannt wird. Es isist zwar nicht anzunehmen, dass der 830 von Pippin vertriebene Graf Udo von Orleans, der als Stammvater der KONRADINER gilt, der Gemahl der Hruothilt war. Denn dessen Frau hieß Ingeltrud und war die Mutter Ermentruds, der Gattin KARLS DES KAHLEN. Doch die Vater-Schwester Ingeltruds, eine Tochter des Grafen Gerhard von Paris (753-779), hieß ebenfalls Rothild und gehörte einer Familie an, die von der Forschung mit dem für uns bezeichnenden Namen "ADALHARDE" etikettiert worden ist. Wir werden uns noch mit ihr zu beschäftigen haben. Diese Rothild ist aber wohl 831 schon tot gewesen. Wir werden an eine Verwandte, vielleicht sogar an die Tochter Giselas, denken müssen.

    oo Ingeltrud von Fezensac, Tochter des Grafen Leuthard

    Kinder:
    - Irmintrud (Ermentrud) 27.10.830-6.10.869
    13.12.842 oo KARL II. DER KAHLE König von Frankreich 13.6.823-6.10.877

    Literatur:
    Boshof Egon: Ludwig der Fromme. Primus Verlag Darmstadt 1996 Seite 173,184,189,207 - Dümmler Ernst: Geschichte des Ostfränkischen Reiches. Verlag von Duncker und Humblot Berlin 1865 Band I Seite 53,58, 60,63,96,181 Anm.89 - Hlawitschka Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Untersuchungen zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9., 10. und 11. Jahrhundert. Kommissionsverlag: Minerva-Verlag Thinnes Nolte OHG Saarbrücken 1969 Seite 164,167,171 - Mitterauerauer Michael: Karolingische Markgrafen im Südosten. Archiv für österreichische Geschichte Band 123. Hermann Böhlaus Nachf./Graz Wien Köln 1963 Seite 14 - Riche Pierre: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbmbH & Co. KG, München 1991 Seite 200 - Schieffer Rudolf: Die Karolinger. W. Kohlhammer GmbH Stuttgart Berlin Köln 1992 Seite 127,134,145 - Werner Karl Ferdinand: Die Ursprünge Frankreichs bis zum Jahr 1000. Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München 1995 Seite 428 -

    Gestorben:
    gefallen

    Odo heiratete von Fezensac, Ingeltrud. Ingeltrud (Tochter von von Fezensac, Leuthard und Grimhild) wurde geboren in 805; gestorben nach 834. [Familienblatt] [Familientafel]


  4. 11.  von Fezensac, Ingeltrud wurde geboren in 805 (Tochter von von Fezensac, Leuthard und Grimhild); gestorben nach 834.

    Anderer Ereignisse und Attribute:

    • Titel/Amt/Status: Orléans [45000],Loiret,Centre-Val de Loire,Frankreich; Gräfin von Orleans

    Notizen:

    Ingeltrud Gräfin von Orleans
    805- nach 834
    Tochter des Grafen Leuthard von Fezensac und der Grimhild

    Werner Karl Ferdinand: Seite 431, "Die Nachkommen Karls des Großen"

    Wohl sicher zu Recht hat Louis, im Gegensatz zu älteren vermutungen, als Kinder Leuthards und seiner Gemahlin Grimhild angesehen sowohl Adalhard, den Seneschall, als auch Gerhard II. und Ingeltrud. Die letztere, uns als Schwester des Seneschalls bezeugt, heiratete den Grafen Odo von Orleans, einen der Günstlinge LUDWIGS DES FROMMEN, die den Aufstand gegen den Kaiser hervorriefen. Odo fiel 834 im Kampf gegen Lambert von Nantes, den Anhänger LOTHARS I. Seine Tochter Ermentrud gab Adalhard König KARL DEM KAHLEN zur Frau.

    Hlawitschka, Eduard: Seite 164, "Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Studien zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9.,10. und 11. Jahrhundert"

    Auf dem Höhepunkt seines Einflusses gelangte er dadurch, daß er 841 bei Fontanay mit seinem Anhang entscheidend zur Rettung KARLS DES KAHLEN vor LOTHAR I. beitrug und 842 seine Nichte Ermentrud, die Tochter des 834 gefallenenen Odo von Orleans und Ingeltruds, mit KARL DEM KAHLEN zu verheiraten vermochte.

    oo Odo Graf von Orleans - 834
    Kinder:
    - Irmintrud (Ermentrud) 27.10.830-6.10.869
    13.12.842 oo KARL II. DER KAHLE König von Frankreich 13.6.823-6.10.877

    Literatur:
    Hlawitschka, Eduard: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen. Genealogische Studien zur Geschichte Lothringens und des Reiches im 9.,10. und 11. Jahrhundert, Saarbrücken 1969, Seite 164,167,171 - Werner Karl Ferdinand: Die Nachkommen Karls des Großen bis um das Jahr 1000 (1.-8. Generation) Band IV in: Braunfels Wolfgang: Karl der Große Lebenswerk und Nachleben. Verlag L. Schwann Düsseldorf Seite 431

    Kinder:
    1. 5. von Orleans, Irmintrud wurde geboren am 27 Sep 830; gestorben am 6 Okt 869 in Hasnon [59178],Nord,Nord-Pas-de-Calais,Frankreich; wurde beigesetzt in Saint-Denis [93200],Seine-Saint-Denis,Île-de-France,Frankreich.